Auch frühe Gesellschaften waren weder neutral noch gerecht

Yuval Noah Harari ist davon überzeugt, dass sich die Geschichte der Menschheit nach der landwirtschaftlichen Revolution nur noch um eine einzige Frage drehte: „Wie organisierten die Menschen ihr Zusammenleben in großen Gruppen, obwohl ihnen jeglicher biologischer Instinkt dazu abging.“ Die Antworten der Menschen waren die Schrift und die erfundenen Ordnungen. Diese beiden Errungenschaften schlossen die Lücke im menschlichen, biologischen Erbe. Doch die Einführung der Kooperation der Massen war nicht für allen Menschen ein Segen. Die Gesellschaften, die sich daraus entwickelten, waren nämlich weder neutral noch gerecht. Sie stellten Hierarchien auf und teilten die Menschen in Gruppen und Schichten ein. Einige wenige genossen Privilegien und Macht, während die große Masse diskriminiert und unterdrückt  wurde. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Die Amerikaner schufen eine Hierarchie zwischen Arm und Reich

Hammurabis Gesetze teilten die Menschen zum Beispiel in Freigeborene, Gemeine und Sklaven ein. Die Freigeborenen genossen die Annehmlichkeiten des Lebens, die Gemeinen bekamen die Reste, die Sklaven gingen leer aus. Yuval Noah Harari nennt noch ein anderes Beispiel: „Auch die Ordnung, wie sie die englischen Siedler in Nordamerika im Jahr 1776 erfanden, teilte die Menschen in Hierarchien ein, auch wenn sie noch so sehr auf die Gleichheit der Menschen pochte. Männer profitierten von der Ordnung, Frauen gingen leer aus.“

Außerdem schufen die Amerikaner eine Hierarchie zwischen Arm und Reich. Die meisten hatten allerdings keine Probleme mit der wirtschaftlichen Form der Ungleichheit. Yuval Noah Harari erklärt: „Für sie bedeutete Gleichheit lediglich, dass für Arme und Reiche dieselben Gesetze galten.“ Freiheit bedeutete damals lediglich, dass der Staat seine Nase nicht in die Angelegenheiten seiner Bürger steckte und ihr Eigentum unberührt ließ. Die Fleißigen wurden von den Gesetzen der amerikanischen Ordnung belohnt und die Faulen bestraft.

Rassisten haben immer wieder die Überlegenheit der weißen Rasse propagiert

Die Hierarchien zwischen Freien und Sklaven, Weißen und Sklaven, Reichen und Armen basierten laut Yuval Noah Harari rein auf Fiktionen. Es ist seiner Meinung nach eine eherne Regel der Geschichte, dass jede erfundene Hierarchie leugnet, dass es sich nur um eine Erfindung handelt, und sich als natürliche und unvermeidliche Ordnung der Dinge ausgibt. Die Befürworter der Hierarchie zwischen Freien und Sklaven behaupteten zum Beispiel immer wieder, die Sklaverei sei keine Erfindung des Menschen. Für Hammurabi war sie ein Teil der von Gott gegebenen Ordnung.

Sogar der bedeutende, griechische Philosoph Aristoteles behauptete, dass Sklaven eine Sklavennatur hätten, während Freie mit einer freien Natur ausgestattet seien. Rassisten haben immer wieder die These vertreten, die Überlegenheit der weißen Rasse sein eine biologische Tatsache. Weiße seien überlegen, weil sie von Natur aus über mehr Intelligenz, Moral und Fleiß verfügen. Andere argumentieren, dass Reiche den Armen überlegen seien, weil es objektive Unterschieden bei den individuellen Fähigkeiten gebe.

Von Hans Klumbies