Yuval Noah Harari bewundert das Leben der Jäger und Sammler

Das Leben der Jäger und Sammler in der Steinzeit konnte sich je nach Region und Jahreszeit ganz erheblich unterscheiden. Doch im Großen und Ganzen hat Yuval Noah Harari den Eindruck, dass sie ein sehr viel angenehmeres Leben führten als die meisten Bauern, Schäfer, Landarbeiter und Büroangestellte, die ihnen folgten. Yuval Noah Harari nennt ein Beispiel: „Während die Menschen in den heutigen Wohlstandsgesellschaften zwischen 40 und 45 Stunden pro Woche arbeiten, und in den Ländern der Dritten Welt sogar zwischen 60 und 80, kommen die Wildbeuter selbst in den unwirtlichsten Gegenden der Welt – zum Beispiel in der Kalahari-Wüste – im Durchschnitt auf nur 35 bis 40 Arbeitsstunden pro Woche.“ Sie gehen höchstens jeden dritten Tag auf die Jagd und die Sammeltätigkeit nimmt pro Tag nur zwischen drei und sechs Stunden in Anspruch. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Der Beruf des Wildbeuters war viel spannender als andere Tätigkeiten

In normalen Zeiten reicht das völlig aus, um die gesamte Sippe mit Nahrung zu versorgen. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass die Jäger und Sammler der Steinzeit in fruchtbaren Regionen deutlich weniger Zeit benötigten, um Nahrung und Rohstoffe heranzuschaffen. Zudem hatten sie deutlich weniger Hausarbeit. Yuval Noah Harari erläutert: „Sie mussten kein Geschirr spülen, keine Teppiche saugen, keine Böden schrubben, keine Windeln wechseln und keine Rechnungen zahlen.“ Zudem gab es in der Wirtschaft der Wildbeuter viel spannendere Berufe als in der Landwirtschaft oder Industrie.

Vor rund 30.000 Jahren verließen die Wildbeuter gegen acht Uhr morgens das Lager. Die Gruppe streifte durch die nahe gelegenen Wälder. Dort sammelten sie Pilze, gruben essbare Wurzeln aus, fingen Frösche und wichen Raubtieren aus. Am frühen Nachmittag kehrten sie wieder ins Lager zurück. Dort bereiteten sie eine Mahlzeit zu, führten Gespräche, spielten mit den Kindern und ruhten sich aus. Die Kost, die sie sammelten und jagten, war laut neuesten wissenschaftlichen Studien für ihren Körper ideal.

Die steinzeitlichen Jäger litten wenig unter Infektionskrankheiten

Yuval Noah Harari erklärt: „Aus Fossilienfunden wissen wir, dass die Wildbeuter selten unter Hunger und Mangelernährung litten und größer und gesunder waren als ihre bäuerlichen Nachfahren.“ Die durchschnittliche Lebenserwartung lag zwar nur bei dreißig bis vierzig Jahren, doch dafür war vor allem die hohe Kindersterblichkeit verantwortlich. Wer die frühe Kindheit überlebte, hatte besten Chancen siebzig oder sogar achtzig Jahre alt zu werden. Die Jäger und Sammler der Steinzeit hatten ein Erfolgsgeheimnis, das sie vor Hungertod und Mangelernährung bewahrte: ihre vielseitige Ernährung.

Die Wildbeuter der Steinzeit ernährten sich aus Dutzender verschiedener Quellen. Wenn eines ihrer Grundnahrungsmittel ausfiel, konnten sie einfach eine andere Pflanze sammeln, andere Tiere erlegen oder in ein weniger stark betroffenes Gebiet ausweichen. Die steinzeitlichen Jäger litten zudem wenig unter Infektionskrankheiten. Yuval Noah Harari nennt den Grund: „Die meisten ansteckenden Krankheiten, mit denen sich landwirtschaftliche und industrialisierte Gesellschaften herumschlagen müssen, stammen ursprünglich von Haustieren und wurden erst nach der landwirtschaftlichen Revolution auf den Menschen übertragen.

Von Hans Klumbies