Der Homo Deus könnte das Ende des Homo sapiens bedeuten

In seinem neuen Buch „Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen“ entwirft Yuval Noah Harari ein düsteres Bild des 21. Jahrhunderts, in dem gerade die idealisierten Träume zur technologischen Optimierung der Gesellschaft, an denen in Silicon Valley gearbeitet wird, schließlich zur Erschaffung eines neuen „Übermenschen“ und zum möglichen Ende des Homo sapiens führen. Außerdem behauptet der Autor, dass der Mensch sich im 21. Jahrhundert neuen Zielen zuwenden kann, weil er seine drei größten Feinde in den Griff bekommen hat, nämlich Krieg, Krankheiten und Hunger. Er nennt ein Beispiel: „Zum ersten Mal in der Geschichte sterben mehr Menschen, weil sie zu viel essen, nicht, weil sie zu wenig essen.“ Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

Die Europäische Union hat Europa dauerhaften Frieden gebracht

Yuval Noah Harari fährt fort: „2010 starben drei Millionen Menschen an den Folgen von Übergewicht – das sind mehr als durch Hunger, Kriege, Gewaltverbrechen und Terrorismus zusammen. Für einen Amerikaner oder Europäer der Gegenwart ist Coca-Cola die größere Bedrohung als al-Quaida.“ Yuval Noah Harari ist ein Anhänger der Europäischen Union. Denn dem europäischen Projekt und der Europäischen Union (EU) ist es seit 1945 gelungen, einen Kontinent, der über Jahrhunderte fast pausenlos in schreckliche Kriege verwickelt war, dauerhaften Frieden zu bringen.

Und jetzt, im Jahr 2017, zweifeln plötzlich viele der 500 Millionen Bürger Europas an dieser so erfolgreichen Union. Und weshalb? Yuval Noah Harari antwortet: „Weil ein paar Terroristen ein paar Hundert Menschen umgebracht haben. Das ist die Fliege im Ohr. Und es trampeln gerade ein paar ziemlich gefährliche Elefanten durch Europas Demokratien, wie wir wissen.“ Donald Trump steht für Yuval Noah Harari in erster Linie für die Krise der großen liberalen Vision des 20. Jahrhunderts. Das ist das Modell der freien Gesellschaft, der globalen Wirtschaft und der offenen Grenzen.

Die einzig großen Visionen kommen aus dem Silicon Valley

Yuval Noah Harari glaubt, die Wähler in den USA und anderswo spüren derzeit durchaus mit Recht, dass das politische System nicht mehr funktioniert. Die Politik ist nicht mehr in der Lage, sinngebende Visionen für die Gesellschaft anzubieten. Der Historiker ergänzt: „Die einzigen großen Entwürfe kommen aus dem Silicon Valley, und die sind voll grandioser Begriffe wie „Künstliche Intelligenz“, „Big Data“, „Virtuelle Realität“ und „Algorithmus“. Der Mangel an anderen Visionen liegt laut Yuval Noah Harari in der zunehmenden Unübersichtlichkeit in der Welt.

Unter dem Begriff Homo Deus versteht Yuval Noah Harari ganz wörtlich einen Menschen, der Fähigkeiten erlangt, die in traditionellen Vorstellungen Göttern vorbehalten sind. Manches hat die Menschheit längst erreicht, insofern müsste schon der heutige Mensch seinen Vorfahren wie ein Gott vorkommen. Die wichtigsten Produkte des 21. Jahrhunderts sind für Yuval Noah Harari der Körper, das Gehirn und das Bewusstsein, also künstliches Leben: „Und es gibt drei Wege, wie sich der Mensch zum Homo Deus „upgraden“ kann: erstens Bioengineering, zweitens Cyborgs, drittens anorganisches Leben. Wenn das gelingt, werden wir Götter sein.“ Quelle: Der Spiegel

Von Hans Klumbies