Die Balance zwischen Demokratie und Markt ist in Europa zerstört

Der Krieg ist zurückgekehrt nach Europa. Laut Wolfgang Hetzer gibt es hier einen Währungs- und Handelskrieg sowie einen Klassenkampf. Es herrschen teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände in Griechenland, Portugal und Spanien. Auch in den Staaten Arabiens erheben sich die Völker. Ganze Staatssysteme brechen zusammen. Wolfgang Hetzer kann keinen großen Unterschied zwischen den Handlungen der Araber und Europäer erkennen. Die Zentralbanken in Europa drucken Geld und erodieren damit die Geldbasis, ohne dass die Zentralbanker dafür eine direkte demokratische Legitimation hätten. Inzwischen glauben viele Ökonomen, dass der Euro in seiner heutigen Form nicht überleben wird. Sobald die nächste Wirtschaftskrise kommt, funktioniert die Strategie des Rettens mit immer neuen Schulden nicht mehr. Wolfgang Hetzer, Dr. der Rechts- und Staatswissenschaft, leitete von 2002 bis 2011 die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel.

In der Staats- und Finanzkrise herrscht ein Machtkampf zwischen Politik und Finanzwelt

Bürgerliche Protestgruppen werden laut Wolfgang Hetzer in der nahen Zukunft mehr Macht und Einfluss gewinnen. Die Menschen sollten seiner Meinung nach wählen können, ob es eine Entschuldung der Banken gibt oder einen Rettungsschirm. Aber nicht nur in Europa herrscht Krieg in seinen verschiedensten Schattierungen: rund um den Globus sterben Massen von Menschen in militärischen und terroristischen Scharmützeln. Eine Kriminalität, die die ganze Welt umspannt schwächt die legalen Systeme aus dem Untergrund heraus.

Im Vordergrund der Staats- und Finanzkrisen steht für Wolfgang Hetzer ein zersetzender Machtkampf zwischen Politik und Finanzwelt. Letztere möchte die staatliche Infrastruktur übernehmen und sich Land und Ressourcen aneignen. Gleichzeitig schleusen viele internationale Konzerne und Multimillionäre den größten Teil ihrer Gewinne an den Finanzbehörden vorbei. So gelten beispielsweise Vetternwirtschaft, Korruption und Steuerbetrug in Spanien als die größten Hemmnisse für das Wirtschaftswachstum.

Die Politiker setzten die simpelsten demokratischen Grundregeln außer Kraft

Eine noch so schwärmerische Euro-Rhetorik kann laut Wolfgang Hetzer nicht verdecken, dass die Einführung des Euro nur die Fortsetzung des Schuldenwahns mit dreisteren Mitteln war. Inzwischen ist die Balance zwischen Demokratie und Markt nach vier Jahren Finanzkrise in Europa zerstört. Wolfgang Hetzer erläutert: „Möglicherweise hat ein Ringen zwischen zwei Souveränen begonnen. Die Gläubiger und Anleger verlangen Schuldenabbau und Wachstum. Die Bürger wollen Arbeit und Wohlstand.“

 Wolfgang Hetzer hofft, dass die Bürger inzwischen gemerkt haben sollten, dass die Regierenden mehr den Wünschen der Gläubiger entsprechen. Zudem weist er darauf hin, dass inzwischen gegenüber der Politik der Vorwurf laut geworden ist, die simpelsten demokratischen Grundregeln außer Kraft zu setzen, um handlungsfähig zu bleiben. Wolfgang Hetzer erklärt: „Die Verantwortlichen müssen tricksen und Verträge verbiegen, um den Euro nicht zerbrechen zu lassen.

Von Hans Klumbies