Wolfgang Hetzer untersucht die Überproduktion im Kapitalismus

Die Entwicklung des Kapitalismus ist in den letzten 180 Jahren krisenhaft verlaufen. Nach wie vor ist es allerdings unter Ökonomen umstritten, wodurch diese Krisen verursacht wurden. Bei einer Wirtschaftskrise handelt es sich laut Wolfgang Hetzer um eine schwere Störung der ökonomischen Produktion einer Gesellschaft. Das bedeutet seiner Meinung nach nichts anderes, als dass ein großer Teil der produzierten Warenmenge nicht absetzbar ist, weil kein zahlungsfähiges Bedürfnis vorhanden ist. Wolfgang Hetzer erklärt: „Das Warenkapital lässt sich also nicht mehr vollständig in Geldkapital verwandeln. Das vorgeschossene Kapital wird immer schlechter verwertet. Die Akkumulation nimmt ab.“ Wolfgang Hetzer, Dr. der Rechts- und Staatswissenschaft, leitete von 2002 bis 2011 die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel.

Im Kapitalismus stellt der Überfluss an Gütern ein Problem dar

Gleichzeitig vermindert sich die Nachfrage von Unternehmen nach Produktionsmitteln und Arbeitskräften. Die Folgen sind ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Dadurch verschärft sich der Rückgang der Nachfrage und die Krise verschlimmert sich weiter. Der Politikwissenschaftler Michael Heinrich weist mit Recht darauf hin, dass der Kapitalismus zwar nicht die einzige Produktionsweise ist, in der neben ungeheuren Reichtum riesige Armut existiert. Er ist jedoch das einzige Wirtschaftssystem, wo der Überfluss an Gütern ein Problem darstellt und wo unverkäufliche Waren zum Ruin ihrer Besitzer führen.

Gleichzeitig gibt es im Kapitalismus Menschen, denen es am Nötigsten fehlt und denen es nicht gelingt, das einzige, was sie noch besitzen, ihre Arbeitskraft, zu verkaufen. Wolfgang Hetzer erläutert: „Das Kapital benötigt ihre Arbeitskraft nicht, da ihre Nutzung unprofitabel ist.“ Die meisten Vertreter der klassischen politischen Ökonomie und der Neoklassik bestreiten nach wie vor, dass Krisen im Kapitalismus systemimmanent sind. Sie halten äußere Einwirkungen für verantwortlich für wirtschaftliche Notlagen, etwa die staatliche Wirtschaftspolitik.

Der aktuelle Punkt des jeweiligen Krisenzyklus ist nie sicher bestimmbar

Der Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes erkannte allerdings schon früh im Bezug auf die Massenarbeitslosigkeit die kapitalismusimmanenten Ursachen. Karl Marx war sogar grundsätzlich der Überzeugung, dass ein krisenfreier Kapitalismus unmöglich ist. Michael Heinrich hebt dagegen hervor, dass Krisen für ein kapitalistisches System als Ganzes auch durchaus produktiv sein können. Die Vernichtung der unprofitablen Kapitale vermindert seiner Meinung nach die Produktion und die Entwertung es noch fungierenden Kapitals.

Michael Heinrich ist selbstverständlich klar, dass die Durchschaubarkeit des Mechanismus einer Wirtschaftskrise im kapitalistischen System, diese nicht verhindert. Der Konkurrenzdruck zwingt seiner Meinung nach die einzelnen Kapitalisten zu einem bestimmten Verhalten, selbst wenn sie wissen, dass diese Handlungsweise insgesamt zerstörerisch wirkt. Ihnen bleibt nur die Hoffnung, die Krise einigermaßen unbeschadet zu meistern. Zudem ist laut Michael Heinrich der aktuelle Punkt des jeweiligen Krisenzyklus nie sicher bestimmbar.

Von Hans Klumbies