Wolf Wondratschek ist immer noch Underground

Seit Wolf Wondratschek in Wien lebt, hat sich der Schriftsteller den Wunsch erfüllt, ein nomadisches Leben mit leichtem Gepäck zu führen. Dadurch ersetzt er sich in die Lage, jederzeit die Wohnung wechseln zu können. Er nennt den Grund für dieses Verhalten: „Um sich das Mindestmaß der Illusion, keine bürgerliche Existenz zu haben, zu erhalten.“ Gleich mit seinem ersten Buch „Früher begann der Tag mit einer Schusswunde“ machte den Dichter im Jahr 1969 berühmt. Es folgten die gefeierten Werke „Chuck`s Zimmer“,  „Die Einsamkeit der Männer“ sowie „Carmen oder ich bin das Arschloch der Achtziger Jahre“. Sein Roman „Einer von der Straße“ aus dem Jahr 1992 wurde von der Literaturkritik genauso gnadenlos niedergemacht, wie sie vorher seine Gedichte in den Himmel gehoben hatte.

Das Kostbarste an der Literatur sind ihre Geheimnisse

Sein neuestes Buch heißt „Das Geschenk“ (Hanser Verlag) und weist Parallelen zu seinem Leben auf. Wolf Wondratschek erklärt: „Alle Kunst ist biographisch. Schönberg hat seinen Herzinfarkt vertont, Schostakowitsch seine Herzrhythmusstörungen, Bach den Grabstein seiner Frau. Der Vater-Sohn-Konflikt ist jedoch nur ein und nicht das Thema.“ Wolf Wondratschek glaubt, dass die Leute ein Buch gar nicht verstehen wollen. Sie wollen es knacken. Sie wollen herausfinden, wie viel Wondratschek da drin ist. Sie wollen wissen, ob der Dichter kokainsüchtig war und ob die Figur des Sohnes, das Leben seines eigenen Sohnes widerspiegelt.

Wolf Wondratschek sagt: „Das, was sich nicht ausdrücken lässt, was ein Geheimnis hat, in der Schwebe bleibt, ist das Kostbarste an der Literatur“. Seine Lieblingslektüre sind die Bücher von Vladimir Nabokov, die ihn immer begleitet. Er ist der einzige Autor, dessen Ausgaben Wolf Wondratschek sammelt. Er selbst zog sich schon als Jugendlicher in den Keller zurück, um Lyrik zu lesen. Früher hat er seine Werke auf einer mechanischen Schreibmaschine geschrieben, heute arbeitet er mit einem Laptop oder einer Reiseschreibmaschine.

Poesie ist unbezahlbar

Vor einem weißen Blatt Papier hat Wolf Wondratschek keine Angst. Das Wort „Schreibblockade“ kennt er nicht. Der Schriftsteller stellt allerdings fest: „Es ist immer wieder so, als hätte man nie etwas geschrieben. Kaum finde ich das richtige Wort nicht, hole ich mir eine Zigarette.“ Dennoch hält sich der Schriftsteller für einen richtigen Erzähler, der die Abschweifungen liebt. Er nutzt dazu jede Möglichkeit, die sich für ihn ergibt. Er bezeichnet sich selbst als Poet oder Dichter. Seine Gedichte, wenn er sie an Privatleute verkauft, sind übrigens richtig teuer. Er verlangt zehntausend Euro für ein Gedicht und hat dabei keinerlei Hemmungen, einen so hohen Preis zu verlangen, da Poesie eigentlich unbezahlbar ist.

Nicht mehr unangenehm ist Wolf Wondratschek das Image eines Machos, das ihm von je her angedichtet wurde. Er sagt: „Ich selbst habe mich genug in Milieus herumgetrieben, in denen es Männer gab, die diesen Namen verdienen. Wenn ich denen erzähle, dass ich in meiner Branche als Macho gelte … Für die war ich eine Zauberblume.“ Im Sommer, den er gerne in München verbringt, sitzt er gerne in Schuhmann`s Bar im Hofgarten, jedoch nur bis mittags, bis die ersten Prominenten kommen. Wolf Wondratschek erzählt: „Ich will lieber anonym bleiben, kein Promi werden. Ich empfinde mich immer noch dem Underground zugehörig. Ich bin immer noch Underground und kein Mitglied des Literaturbetriebs.“

Von Hans Klumbies