Wirtschaftsprofessor Manfred Neumann kritisiert die EZB

Manfred Neumann, emeritierter Professor für Volkswirtschaft an der Universität Bonn, ist in sehr großer Sorge darüber, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihren Rettungsmaßnahmen in der Euro-Schuldenkrise zu eng mit der Politik verflochten ist. Er teilt nicht den Glauben vieler Notenbanker, die meinen, dass nur die EZB die verschuldeten Staaten in Europa retten könne. Manfred Neumann sagt: „Deren Präsident Mario Draghi spricht gerne über Rettung, aber nicht über Inflationsgefahren, die zweifellos bestehen, wenn man mit so großen Zahlen hantiert.“ Es gefällt dem Wirtschaftsprofessor auch nicht, dass sich die Notenbank jetzt immer nur mit dem Unmittelbaren beschäftigt wie derzeit mit den Nöten in Spanien und Italien. Seiner Meinung nach ist die Europäische Zentralbank überheblich geworden und unterschätzt die Gefahr der Inflation.

Eine Zentralbank darf ihre Maßnahmen nicht eng mit der Politik verzahnen

Mario Draghi scheint laut Manfred Neumann, der als einer der einflussreichsten Ökonomen Deutschlands gilt, nur noch politisch zu denken. Er ist immer vor Ort, wenn in Brüssel Rettungspläne entworfen werden. Manfred Neumann sagt: „Er sitzt mit am Tisch, wird dadurch beeinflusst, macht Vorschläge. Zu große Nähe färbt ab.“ Eine Zentralbank darf seiner Meinung nach ihr Mandat auf keinen Fall überschreiten. Schon gar nicht darf sie ihre Maßnahmen eng mit der Politik verzahnen. Das mindert ihre Glaubwürdigkeit, aus der Notenbank wird eine Partei.

Manfred Neumann ist nicht gegen die Rettung des Euros, der gar nicht das Problem ist. Die Gefahrenherde sind für ihn Griechenland, Spanien und Italien, weil deren Regierungen seit Langem schlechte Wirtschaftspolitik betreiben. Manfred Neumann nennt ein Beispiel: „Die Arbeitslosenquote in Spanien war schon immer viel zu hoch. Dagegen hätte Spanien schon vor vielen Jahren etwas unternehmen müssen.“ Die Europäische Union kann seiner Meinung nach nicht bei selbst verschuldeten Dauerproblemen einspringen.

Griechenland sollte die Euro-Zone verlassen

Wie viele Ökonomen war Manfred Neumann von Anfang an gegen den EFSF und vor allem gegen den auf Dauer angelegten ESM. Er nennt den Grund: „Solche Hilfsfonds bremsen den Reformeifer in den Staaten und der Einsatz steigt. Jetzt haben wir 700 Milliarden Euro im Topf, manche fordern zwei Billionen.“ Von einem Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone und der Rückkehr zur D-Mark hält der Wirtschaftsprofessor gar nichts. Allerdings vertritt er die Ansicht, dass es nicht schlecht wäre, wenn die deutsche Regierung härter aufträte und mehr Druck auf die EU-Partner ausüben würde.

Für Griechenland sieht Manfred Neumann keine Hoffnung mehr. Griechenland täte gut daran, die Euro-Zone gleich ganz zu verlassen. Alle anderen Länder dagegen könnten es schaffen, ihre Probleme zu lösen. Die sogenannte Dominohypothese hält Manfred Neumann für falsch. Er sagt: „Durch den Austritt Griechenlands würde in den anderen Ländern eine neue Dynamik entstehen, aus eigenem Antrieb zu sparen, aber auch zu modernisieren.“ Möglicherweise wäre vor einem Jahr eine Panik ausgebrochen, wenn Griechenland schon damals ausgeschieden wäre. Heute haben sich aber alle an den Gedanken gewöhnt.

Von Hans Klumbies