Friedrich Wilhelm Joseph Schelling ist der Philosoph der Natur

Vittorio Hösle sagt über Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775 – 1854), dass man seine Eigenart am treffendsten damit bezeichnet, dass dieser die vielleicht produktivste Phase seines Denkens bereits im Alter von 25 Jahren beendet hatte. Sein letztes wichtiges Buch veröffentlichte er mit 34. Doch noch bis zu seinem Tod hielt er bedeutende Vorlesungen. Dabei erkennt man immer mehr Kontinuitäten in seiner Entwicklung, auch wenn die sprunghafte Veränderung seiner Interessen und der Wandel seiner Positionen, von einem jugendlichen Pantheismus zu einer Form des Christentums, die der traditionellen Christologie eher entgegenkommt, unübersehbar ist. Vittorio Hösle erklärt: „Der Mythos faszinierte schon den Teenager, und die Spätphilosophie will die frühen Systementwürfe nur ergänzen, nicht ersetzen, Freiheit bleibt das Leben lang ein Hauptthema.“ Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling war sich seiner Genialität durchaus bewusst

Wohl kein anderer Philosoph hat schon so früh so viele originelle Werke publiziert wie Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Das Bewusstsein seiner Genialität ließ in oft jenen vornehmen Ton in seiner Philosophie anschlagen, vor dem Immanuel Kant gewarnt hatte. Weil er auf sauberes Argumentieren Verzicht leistet, ist dieses Wunderkind in der Schnelligkeit seiner geistigen Entwicklung für Vittorio Hösle einzigartig. Schon in der Schule las Friedrich Wilhelm Joseph Schelling hebräisch und arabisch.

Zu den Grenzen von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling zählen für Vittorion Hösle sein geringes Interesse für Recht und Politik sowie sein Mangel an mathematischem Talent, das Immanuel Kant zum Beispiel durchaus hatte, obwohl er kein kreativer Mathematiker war. Vittorio Hösle ergänzt: „Diesen Mangel kompensierte Schelling durch einen teils anschauenden, teils begrifflichen Zugang zur Natur, der ihm gestattete, an ihr Aspekte wahrzunehmen, die sich der modernen Naturwissenschaft entziehen.

Eine besondere Rolle in der Naturphilosophie spielt die Sonderrolle des Lichts

Nicht minder bemerkenswert ist Friedrich Wilhelm Joseph Schellings außerordentlicher Sinn für ästhetische Phänomene, der dank der Freundschaft mit den Frühromantikern entfaltet wurde. Außerdem interessierte er sich auch am materiellen Reichtum der Welt. Die Natur fasst er als Stufenordnung auf, die sich in verschiedenen Gestalten oder Potenzen artikuliert. Unter diesen Gestalten versteht er die geronnenen Resultate der Denktätigkeit des Ichs. Seiner Meinung nach ist das System der Natur zugleich das System des menschlichen Geistes.

Eine besondere Rolle spielt in der Naturphilosophie von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling die Sonderstellung des Lichtes als eines Gegenprinzips zur Schwere. Entscheidend ist dabei, dass Polarität nicht nur innerhalb eines Phänomens wie der Elektrizität vorkommt, sondern das metaphysische Bauprinzip der ganzen Wirklichkeit ist. Vittorio Hösle fügt hinzu: „Das Licht ist nach ihm das ideal, die Schwere das reale Prinzip der Natur.“ Friedrich Wilhelm Joseph Schellings Naturphilosophie bricht nicht nur mit der alten Physikotheologie, sondern auch mit ihrer idealistischen Umformung durch Johann Gottlieb Fichte (1762 – 1814).

Von Hans Klumbies