Arthur Schopenhauer verfügte über eine enorme Originalität

Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) ist für Vittorio Hösle einer der größten Stilisten unter den deutschen Philosophen. Wo Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) nur sprachgewaltig ist, ist Arthur Schopenhauer zugleich unübertrefflich klar und elegant. Vittorio Hösle rät jedem, der deutsch zu schreiben wagt, seinen Essay „Über Schriftstellerei und Stil“ zu lesen. Vittorio Hösle fügt hinzu: „Sein phänomenologischer Blick ist durchdringend, die Fülle seiner Interessen ähnlich enzyklopädisch wie bei Hegel, sein architektonisches Talent beim Systembaubeachtlich.“ Die Originalität Arthur Schopenhauers ist enorm. Er ist es, der die seit den Griechen bestehende Logosphilosophie radikal herausgefordert hat, ohne auf die flache und ebenfalls seit der Antike vertraute Alternative des Materialismus zu verfallen. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

Gegenüber dem Christentum empfand Arthur Schopenhauer nur Verachtung

Friedrich Nietzsche und dessen Nachfahren wären ohne Arthur Schopenhauer gar nicht möglich gewesen. Sein Einfluss erstreckt sich laut Vittorio Hösle auf die ganze deutsche, ja europäische Geistesgeschichte. Gegenüber dem Christentum seiner Zeit und der an Kirche und Staat angepassten Philosophie an den Universitäten empfand Arthur Schopenhauer nur Verachtung. Seine „Aphorismen zur Lebensweisheit“ in den „Parerga“ bleiben für Vittorio Hösle zwar nicht ein Meisterwerk der Moral, aber doch der Lebenskunst.

Und doch sind die Bedenken gegen Arthur Schopenhauer nicht geringer als seine Genialität. Politisch war der Philosoph, der ein Vermögen geerbt hatte, extrem konservativ. Die politischen Veränderungen seiner Epoche interessierten ihn nicht, weil er jede Geschichtsphilosophie des Fortschritts ablehnte. Vittorio Hösle ergänzt: „Erbe der Aufklärung war er, wenn überhaupt, nur in religiöser, nicht in sozialer Hinsicht.“ Die Einstellung Arthur Schopenhauers gegenüber der Demokratie war ausgesprochen feindselig.

Arthur Schopenhauer drückte kraftvoll den allgemeinen Weltschmerz aus

Arthur Schopenhauer hasste die Frauen, weil er sie sexuell so stark begehrte und diese dadurch sein Streben nach Askese gefährdeten. Nicht minder bedenklich ist für Vittorio Hösle, dass Arthur Schopenhauer das Christentum besonders wegen seines jüdischen Erbes ablehnt. Den Juden spricht er die Bürgerrechte ab. Die jüdische Religion gilt ihm als die niedrigste unter den Religionen der Hochkulturen. Vittorio Hösle ergänzt: „Die Klarheit seiner Sprache ändert nichts an der Tatsache, dass seine Argumente schlecht und seine Thesen oft lächerlich übertrieben sind.“

Nach Arthur Schopenhauer leben die Menschen in der schlechtestmöglichen Welt. Er erklärt, es wäre besser gewesen, die Erde hätte ebenso wenig wie der Mond Leben hervorgebracht. Der Erfolg des Philosophen beruht vor allem darauf, dass er ein Lebensgefühl kraftvoll ausdrückt, und zwar den in der Romantik erstmals tief empfundenen Weltschmerz. Dieser Pessimismus wurde keineswegs in einer besonders schrecklichen Zeit entwickelt, sondern vielmehr in einer Ära, in der die Menschen die Fähigkeit verloren hatten, Leiden als normalen Teil des Lebens zu ertragen.

Von Hans Klumbies