Viele Menschen sind inzwischen süchtig nach ihrem Smartphone

Erdacht war das Smartphone vor allem einmal als Werkzeug, um den Alltag zu vereinfachen, heute ist es vor allem eine ständige Versuchung, eine effektive Maschine zur Vernichtung von Zeit, willkommener Füller von Pausen, manchmal auch ein Suchtmittel, das den Benutzer degradiert, vom Herrn zum Knecht. Das Smartphone besetzt den menschlichen Alltag und nagt an der Aufmerksamkeit der Menschen. Sein ständiges Klingeln, Piepsen und Vibrieren zertrümmert den Tag in immer neue Fragmente. Das Epizentrum der Erschütterung ist die Familie, das eigene Heim, hier wird am ausdauerndsten und verbissensten gekämpft um den Umgang mit diesem kleinen Wunderwerk der Kommunikationsindustrie. Smartphones wirken teilweise wie Heroin, denn sie machen sofort abhängig. Ein Leben ohne Smartphone ist für viele Menschen nicht mehr vorstellbar, ein Leben mit den Geräten aber in vielen Fällen eine Zumutung.

Ein Smartphone wird im Schnitt 88-mal am Tag eingeschaltet

Seit dem Jahr 2006 gibt es in Deutschland mehr Handys als Menschen, im vergangenen Jahr hatten 80 Millionen Einwohner mehr als 110 Millionen Mobilfunkverträge abgeschlossen. Im Schnitt schaltet ein Besitzer eines Smartphones den Bildschirm 88-mal am Tag ein. 35-mal schaut er nur auf die Uhr oder ob eine Nachricht eingegangen ist. 53-mal entsperrt er das Smartphone, um eine Mail zu schreiben, Apps zu benutzen oder im World Wide Web zu surfen. Die Nutzer der Menthal-App verbringen erstaunliche zweieinhalb Stunden am Tag mit ihrem Smartphone.

Dabei telefonieren sie aber nur sieben Minuten, den Großteil der Zeit verbringen sie bei Facebook, WhatsApp oder mit Spielen. Diese Zahlen liegen deutlich über denen, die von Handynutzern selbst geschätzt werden, auch räumen sie mit gängigen Vorurteilen auf. Der Akademiker benutzt sein Mobiltelefon nicht kontrollierter als ein Empfänger von Hartz-IV, Jugendliche bearbeiten ihr Smartphone nicht häufiger als Erwachsene – drei statt zweieinhalb Stunden im Verlauf eines Tages. Für viele Menschen ist das Resultat ein Alltag, der kaum noch Pausen kennt.

Durch das Smartphone wird das Leben hektischer

Das Leben ist dann durchdrungen von immer neuen Störungen, die konzentriertes Arbeiten oder wirkliches Entspannen nur schwer möglich machen. Auch dieser Befund gilt nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche und Kinder. Knapp die Hälfte der Schüler fühlt sich vom Smartphone bei den Hausaufgaben gestört oder abgelenkt. Acht Prozent der jugendlichen Handynutzer sind so eng mit ihrem Gerät verbunden, dass sie als suchtgefährdet bezeichnet werden müssen.

Der Zwang, ständig online sein zu müssen, hat offenbar dazu geführt, dass das Leben vieler Menschen generell an Fahrt aufgenommen hat. Aber es beschleunigt sich nicht nur der Alltag, auch Geduld wird ein knappes Gut. Das Gegenteil der Hast, das Nichtstun, die völlige Ruhe, war früher willkommener, auch unvermeidbarer Teil des Alltags, nun verwandelt sich die Stille offenbar in eine Zumutung. Die fortschreitende Digitalisierung des Alltags sollte den Menschen eigentlich mehr Zeit schenken, mehr Ruhe bringen, für mehr Produktivität sorgen, aber stattdessen wird das Leben hektischer, und erschöpft viele schneller. Quelle: Der Spiegel

Von Hans Klumbies