Beim „Russland-Feldzug“ war der Sieg fest eingeplant

Von allen Optionen, die sich für die deutsche Führung nach dem Scheitern des Luftkriegs gegen Großbritannien boten, war die Entscheidung für den „Russland-Feldzug“ die riskanteste, nicht nur weil sie die eigenen Kräfte maßlos über- und den Gegner unterschätzte, sondern auch weil sie dem extremen Zeitdruck, unter dem die deutsche Seite ohnehin stand, noch weiter zuspitzte. Ulrich Herbert erklärt: „Die Rote Armee sollte nach den deutschen Planungen in drei Monaten geschlagen sein. Die Siegeszuversicht war so groß, dass es nicht einmal nötig schien, den Rüstungsschwerpunkt komplett auf den Krieg gegen die Sowjetunion umzustellen.“ Sollte der Krieg länger dauern, das war sichtbar, wäre die gesamte deutsche Strategie hinfällig. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Adolf Hitler: „Es handelt sich um einen Vernichtungskampf.“

Ein schneller Sieg mit allen Mitteln war deshalb die Maxime, ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung oder auf völkerrechtliche Vereinbarungen. Zudem sollte mit der Sowjetunion nicht nur eine weitere europäische Großmacht besiegt, sondern ein feindliches politisches System vernichtet werden. Und da die Nationalsozialisten den Kommunismus als Werk der Juden ansahen, meinte „Vernichtung des Bolschewismus“ von Beginn an auch „Vernichtung des Judentums“. Die Ausschaltung der kleinen, jüdisch dominierten Führungsschicht, so das Kalkül, würde ausreichen, um die Sowjetunion insgesamt zu Fall zu bringen.

Ulrich Herbert erläutert: „Ziel der deutschen Führung war die Errichtung einer deutschen Kolonialherrschaft in den riesigen Gebieten Osteuropas.“ Wie viele seiner Untergebenen wurde auch Adolf Hitler nicht müde, auf die britische Herrschaft in Indien oder die Eroberung des amerikanischen Westens anzuspielen. Die sowjetische Bevölkerung solle wie indigene Kolonialvölker, wie „Ureinwohner als Indianer“ behandelt werden. Adolf Hitler erklärte am 30. März 1941 seinen Generälen: „Es handelt sich um einen Vernichtungskampf.“

Die Sowjetunion sollte Deutschland als koloniales Ergänzungsland dienen

Adolf Hitler fügte hinzu: „Wir führen nicht Krieg, um den Feind zu konservieren. Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz. Das ist keine Frage der Kriegsgerichte. Der Kampf wird sich sehr unterscheiden vom Kampf im Westen.“ Adolf Hitlers Ansprache war selbst für seine Verhältnisse von besonderer Brutalität geprägt. Aber es erhob sich kein Widerspruch; die Generalität trug diese Ausrichtung des Krieges mit.“ Am 6. Juni 1941 erging der Befehl, dass alle ergriffenen Politischen Kommissare der Roten Armee zu erschießen seien.

Die Sowjetunion sollte Deutschland als koloniales Ergänzungsland dienen und vor allem Rohstoffe, landwirtschaftliche Güter und Erdöl liefern. Auf diese Weise sollte eine Einfuhrblockade wie im Ersten Weltkrieg und die Versorgung der Wehrmacht sowie der deutschen Zivilbevölkerung sichergestellt werden. Setzte man diese Ziele um, konnte allerdings die sowjetische Bevölkerung nicht mehr im notwendigen Umfang mit Lebensmitteln versorgt werden. Quelle: „Das Dritte Reich“ von Ulrich Herbert

Von Hans Klumbies