Tomas Tranströmer verwandelt Alltag in Meditation

Der Schwede Tomas Tranströmer, ein Lyriker, der eine Poesie ohne Pose entwirft, ist in diesem Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet worden. Literaturkritiker bezeichnen ihn zwar als strengen Modernisten, aber auch als freundlichen Mystiker. Für mache ist er sogar ein Weltdichter. Seit dem Gedichtband „17 Gedichte“ des jungen Tomas Tranströmer aus dem Jahr 1954 ist der Dichter aus der schwedischen Lyrik nicht mehr wegzudenken. Understatement, das mit einer Menge Selbstbewusstsein daherkam, wurde zu seinem lyrischen Programm. Tomas Tranströmer, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feierte, hat seither in seinen Gedichten immer mit dem kleinsten Aufwand die größtmögliche Wirkung erzielt. Diese Fähigkeit hat er nahezu bis zur Vollendung ausgedehnt.  

Die einfachen Erfahrungen des Alltags fließen in die Lyrik ein

Im Jahr 2004 erschien die ganz schmale Gedichtsammlung „Das große Rätsel“, so einfach und geheimnisvoll wie eine Tuschezeichnung im Zenbuddhismus. Die Kürze und die Knappheit feiern hier geradezu Triumphe. Durch den großen Erfolg seines im Jahr 1996 erschienen Gedichtbandes „Die Trauergondel“ wurde Tomas Tranströmer in Schweden zu einer Art Volksdichter. Sein Lebenswerk besteht nur aus rund einem Dutzend Gedichtbänden, einzelnen autobiographischen Prosatexten und diversen Übersetzungen.

Tomas Tranströmer hat sich nie literarischen Modeerscheinungen unterworfen, er ist seinem Stil immer treu geblieben, einer gänzlich uneitlen Dichtung. Für ihr war die Poesie immer ein Mittel der Selbsterkenntnis des eigenen Rechts und der Würde. Nie hat er etwas in der Vergangenheit geschrieben, wofür er sich in der Gegenwart entschuldigen müsste. Die Verse Tomas Tranströmers handeln von Beginn seiner Laufbahn als Lyriker von einfachen Erfahrungen des Alltags, die jeder kennt.

Tomas Tranströmer ist einer der größten Poeten unserer Zeit

Die Schwedische Akademie begründete die Verleihung des Literaturnobelpreises an Tomas Tranströmer unter anderen mit folgenden Worten: „Tranströmer ist einer der größten Poeten unserer Zeit, weil er uns in komprimierten, erhellenden Bildern neue Wege zum Wirklichen weist.“ Diese Bilder sind so prägnant und anschaulich, wie sein Sprachstil, in dem er sie formuliert. Seine Gedichte drehen sich immer auch um die Frage, was das eigentlich für einen sonderbare Welt ist, in der wir leben.

In den fünfziger Jahren entwickelte Tomas Tranströmer eine besondere Vorliebe für die japanischen Kurzgedichte, die Haikus. Erfahrungen des Alltags lassen sich mit ihrer Hilfe wunderbar in eine Art von Meditation verwandeln: Tomas Tranströmer dichtet: „Großer und langsamer Wind, aus der Bibliothek des Meeres. Hier darf ich ruhen.“ Selbst in Gedichten, die vom Abschied oder vom Tod handeln, schwingt in Tomas Tranströmers Versen immer eine unterschwellige Heiterkeit mit: „Die Begräbnisse kommen, dichter und dichter, wie die Straßenschilder, wenn man sich einer Stadt nähert.

Von Hans Klumbies