Thornton Wilder erneuert das Drama in Amerika

Die Bücher „Unsere kleine Stadt“ und „Wir sind noch einmal davongekommen“ des amerikanischen Schriftstellers Thornton Wilder gehören zu den wichtigsten Dramen in der amerikanischen Literatur. Seine Farce „Die Heiratsvermittlerin“, die die Vorlage für das Musical und den Film „Hello, Dolly! bildete, brachte ihm sogar Weltruhm ein. Außerdem brachte er das experimentelle Theater von Europa auf die Schauspielbühnen Amerikas. Thornton Niven Wilder wurde 1897 in Madison im Bundesstaat Wisconsin geboren. Er wuchs allerdings mit Unterbrechungen in Hongkong und Shanghai auf, wo sein Vater als Konsul die Interessen der USA vertrat.

Thornton Wilder gewann drei Pulitzerpreise

Ab 1917 studierte Thornton Wilder an der Yale University, ab 1920 in Rom Archäologie. Seinen Abschluss machte der Schriftsteller 1926 allerdings an der Princeton University in Französischer Literatur. Sein literarischer Durchbruch gelang Thornton Wilder mit dem Werk „Die Brücke von San Luis Rey“, das 1927 erschien und ihm den ersten von drei Pulitzerpreisen einbrachte.

Neben seiner schriftstellerischen Arbeit lehrte Thornton Wilder von 1930 bis 1950 Literatur an den Universitäten von Chicago, Hawaii und Harvard. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Lieutenant Colonel in der US-Airforce. Den literarischen Gipfel seines Ruhm erzielte Thornton Wilder mit seinem Drama, „Wir sind noch einmal davongekommen“, einer Allegorie, die von den großen Katastrophen der Menschheit handelt wie Eiszeit, Sintflut und Bombenkrieg.

Der Weg von der Illusionsbühne zum experimentellen Drama

Der Mensch überdauert mit seinen guten und schlechten Eigenschaften die Desaster, die er entweder selbst ausgelöst hat oder die als Schicksalsschläge von außen über ihn hereinbrechen. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erschien sein bedeutendster Roman „Die Iden des März“.

Seine weiteren Dramen und Romane konnten an die vorangegangenen literarischen Erfolge nicht mehr anknüpfen. Thornton Wilder brach mit der Tradition der Illusionsbühne und verschrieb sich ganz dem experimentellen Drama. Er begann mit so genannten „Drei-Minuten-Stücken“, in denen er jede Handlung und Aussage auf das Extremste verkürzte.

Ein Drama muss universelle Wahrheiten ansprechen

Auch in seinem Einakter „Das lange Weihnachtsmahl“ spielte die Kompression der Zeit eine übergeordnete Rolle. In nur einem Akt werden 90 Jahre Familiengeschichte in stark verdichteter Form auf die Bühne gebracht. 90 Weihnachtsabende mit wechselnden Charakteren stehen als Symbol für den Lauf des Lebens, der in der Wiege beginnt und auf der Bahre endet. Thornton Wilders universellen Themen waren immer die Liebe, das Leid, der Tod und das Leben.

Für Thornton Wilder war es die große Aufgabe des Dramas, das Allgemeinmenschliche darzustellen, um zu universellen Wahrheiten zu gelangen. Im Bühnenraum kann sich seiner Meinung nach die innere Wirklichkeit des Menschen entfalten, die auf den Zuschauer überzugreifen vermag, wodurch dieser zur Erkenntnis der eigenen Allgemeinmenschlichkeit gelangt. Ein Spielleiter hilft dem Zuschauer dabei, indem er für ihn das Geschehen deutet.

Von Hans Klumbies