Europa und die USA dominieren seit 1820 die Welt

Die atlantische Epoche begann am 12. Oktober 1492 mit der Landung von Christoph Kolumbus auf den Bahamas. Thomas Seifert erläutert: „Europas Imperien fanden mit Amerika ein riesiges Hinterland, das sie unterwerfen und ausplündern konnten.“ Am 4. Juli 1776 erklärten die Kolonien des Empire in Neuengland ihre Unabhängigkeit, und damit trat die atlantische Epoche in einen neue Phase ein. Nun begann die industrielle Revolution, und die Vereinigten Staaten von Amerika entstanden als unabhängiger Staat. Diese beiden atlantischen Mächte, die Nationalstaaten Europas und später die USA, würden bald den gesamten Erdball dominieren. Der Erfolg Westeuropas gründete sich auf den „drei R“: Renaissance, Reformation und industrielle Revolution. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

Europa war 1820 der reichste Kontinent der Welt

Die Renaissance legte den Grundstein für die geistige und kulturelle Wiedergeburt Europas nach dem Mittelalter, Reformation und die Erfindung des Buchdrucks brachten eine spirituelle Emanzipation von den rückschrittlichen Lehren der verkrusteten katholischen Kirche, und die industrielle Revolution führte zu einer wahren Explosion der Produktivität in Europa. Thomas Seifert fügt hinzu: „Die industrielle Revolution schuf die Basis der Dominanz Europas für die nächsten 300 Jahre.“ Die Dampfmaschine wurde dabei zum Motor einer vom Westen dominierten, globalisierten Welt.

Die industrielle Revolution war jener Treibsatz, der den Westen davonziehen ließ: „Inder und Chinesen waren die großen Verlierer im Wettlauf zum Wohlstand“, schreibt der Geschäftsführer der deutschen Tageszeitung „Handelsblatt“, Gabor Steingart, in seinem Buch „Wettkrieg um Wohlstand“. Und weiter: „Das Wissen explodierte, aber nicht bei ihnen. Die Wirtschaft entfaltete sich, aber fernab ihrer Breitengrade.“ Der Westen zog mit ungeheurer Geschwindigkeit davon. Im Jahr 1820 war Europa bereits zum reichsten Kontinent aufgestiegen, aus dem die Niederlande als reichstes Land hervorragten.

Die Deindustrialisierung in China bremste dort das Wachstum

Die Einkommensschere zwischen Europa und den USA und dem Rest der Welt hat sich seit damals weiter vergrößert. Jene Länder, die 1820 am reichsten waren, sind seither auch am schnellsten gewachsen. Die Industrialisierung in Europa und der gegenläufige Trend, die Deindustrialisierung in Asien, waren die wichtigsten Gründe für die Divergenz bei den Welteinkommen. Im Jahr 1750 fand beispielsweise noch der Großteil der Weltproduktion von Gütern und Waren in China statt. Der Weltanteil betrug dreißig Prozent.

Um das Jahr 1820 steuerte Asien fast sechzig Prozent zur damaligen Weltwirtschaftsleistung bei, im Jahr 1950 waren es weniger als achtzehn Prozent. Bis zum Jahr 1913 drehte sich das aber komplett um. Thomas Seifert nennt Zahlen: „Der chinesische und indische Anteil der Weltproduktion war bis dahin auf vier beziehungsweise ein Prozent gesunken. Das Vereinigte Königreich, die USA und Europa produzierten nun drei Viertel der Weltproduktion. Die Pro-Kopf-Produktion in Großbritannien war 38 Mal größer als jene Chinas und 58 Mal größer als jene Indiens.“ Quelle: „Die pazifische Epoche“ von Thomas Seifert