Beim Orgasmus entlädt sich große sexuelle Erregung

Das Gefühl des Orgasmus und seine körperlichen Begleiterscheinungen lassen sich auch in der Sprache der Wissenschaft beschreiben. Weitgehende Einigkeit besteht, dass es sich um die plötzliche Entladung großer sexueller Erregung handelt, die als extrem lustvoll und entspannend empfunden wird. Thomas Junker erklärt: „Beim Mann ist damit meist eine Ejakulation verbunden, bei der Frau kommt es zu Kontraktionen von Vagina und Uterus.“ Begleitet wird der Orgasmus bei beiden Geschlechtern von rhythmischen Muskelkontraktionen im ganzen Körper, unwillentlichen Lautäußerungen wie Stöhnen oder Schreien, Bewusstseinseintrübung und einem Gefühl der Euphorie. Hauptsächlicher Auslöser ist die Stimulation des Penis beziehungsweise der Klitoris bei der Masturbation, beim Geschlechtsverkehr oder bei anderen erregenden Aktivitäten. Worin besteht der Zweck eines so komplexen Vorgangs? Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

Beim Mann geht der Orgasmus meist mit einer Ejakulation einher

Thomas Junker kennt die Antwort: „Für den Mann ist das scheinbar leicht zu beantworten: Der Orgasmus geht meist mit einer Ejakulation einher, was wiederum eine Voraussetzung für die Zeugung eines Kindes ist. Schwieriger ist die Frage für den Höhepunkt der Frau zu beantworten, da er für eine Schwangerschaft nicht nötig ist.“ Ausgehend von dieser Beobachtung haben einige Autoren bestritten, dass der weibliche Orgasmus einen biologischen Nutzen hat. Stattdessen soll er ein funktionsloses Nebenprodukt der Evolution sein, ähnlich wie man das umgekehrt für die Brustwarzen des Mannes unterstellt.

Beim Mann gibt es also einen Zusammenhang zwischen Orgasmus, Ejakulation und Zeugung. Ist das bei Frauen ähnlich? Eine Frau muss zwar keine Lust empfinden, um schwanger zu werden. Aber es könnte sich dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es dazu kommt. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die Psychoanalytikerin Helene Deutsch die Vermutung geäußert, dass die Kontraktionen der Scheidenmuskulatur beim Höhepunkt einen Saugeffekt erzeugen und so den Transport der Spermien beschleunigen.

Fast alle Männer masturbieren

Die weibliche Ejakulation ist immer noch sehr geheimnisvoll. Dabei wird während des Orgasmus Drüsenflüssigkeit aus der Harnröhre ausgestoßen. Die Reaktion ähnelt der männlichen Ejakulation, da sie aber weder für die Befruchtung noch für den Geschlechtsverkehr eine Bedeutung zu haben scheint, ist unklar, warum es sie gibt. Eine indirekte Wirkung könnte sie haben, beispielsweise dadurch, dass eine Frau, die beim Sex Lust verspürt, häufiger Geschlechtsverkehr hat, als wenn sie keine oder wenig Freude empfindet.

Die sexuelle Lust der Frauen wurde jahrhundertelang unterdrückt und verteufelt, verleugnet und entwertet. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts sollen viele Männer und Frauen gar nicht gewusst haben, dass es einen weiblichen Orgasmus gibt, und wenn, hielten sie ihn oft für „schimpflich“. Das könnte ein Grund dafür sein, dass Frauen sich weniger selbst befriedigen und seltener zum Orgasmus kommen als Männer. Umfragen zufolge masturbieren fast alle Männer zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens, während es bei Frauen nur rund zwei Drittel sind. Quelle: „Die verborgene Natur der Liebe“ von Thomas

Von Hans Klumbies