Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Leibeigenschaft aufgehoben

Das 18. Jahrhundert wird als „Pädagogisches Jahrhundert“ bezeichnet. Die Pädagogik etablierte sich in dieser Zeit als eigenständische wissenschaftliche Disziplin. Im Jahr 1779 gab es den ersten Lehrstuhl für Pädagogik. In der Zeit um das 18. Jahrhundert herum geschahen in Europa bedeutende Umwälzungen, die ganz entscheidend für das heutige vorherrschende ökonomische Bildungsverständnis sind. Thomas Damberger erklärt: „Die damalige, vormoderne Gesellschaft kann als eine Agrargesellschaft bezeichnet werden. Die meisten Menschen lebten als Bauern auf dem Land. Sie waren Leibeigene, das heißt, sie gehörten nicht sich selbst, sondern waren Eigentum ihres Feudalherrn.“ Das Land, das sie zu beackern hatten, gehörte ihnen ebenfalls nicht und auch nicht die Werkzeuge und Gerätschaften, mit denen sie tagtäglich arbeiteten. Dr. Thomas Damberger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Die Städte waren schon in der Zeit des Feudalismus kleine Enklaven

Zugleich waren die Bauern in hohem Maße von der Natur abhängig. Die meiste Arbeit konnte nur dann verrichtet werden, wenn es draußen hell war. Es bestand folglich eine Abhängigkeit vom Tag-Nacht-Rhythmus und natürlich auch vom Rhythmus der Jahreszeiten. Anders verhielt es sich in den Städten. Sie waren schon in der Zeit des Feudalismus kleine Enklaven, in denen der Keim einer neuen Wirtschaftsordnung und letztlich auch eine neue Gesellschaftsform entstehen konnte. Als Handwerker waren die Menschen zwar abhängig von den vorherrschenden Zunftordnungen, aber die Abhängigkeit von der Natur war nicht in dem Maße gegeben, wie das auf dem Land der Fall war.

Hinzu kommt, dass Werkzeuge und Geräte weiterentwickelt werden konnten und andere Techniken zum Einsatz kamen. Thomas Damberger erläutert: „Um bessere Geräte zu entwickeln und die eigenen handwerklichen Fähigkeiten zu verbessern, war Bildung vonnöten.“ Durch bessere Technik konnte mehr produziert werden. Schnell aber wurde klar, dass die Produktion auch mehr Arbeitskräfte benötigte. Die „Preußischen Reformen“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts sorgten unter anderem für eine Aufhebung der der Leibeigenschaft.

Bildung diente der ökonomischen Wertgenerierung

In der Folge wanderten die nun freien Bauern zuhauf in die Städte ab und boten ihre Arbeitskraft auf dem entstehenden Arbeitsmarkt zum Verkauf an. Natürlich war die Konkurrenz groß. Damit nun der Einzelne bessere Chancen hatte, an Arbeit zu kommen, musste er dafür sorgen, dass seine Arbeitskraft für potentielle Arbeitgeber möglichst attraktiv war. Thomas Damberger stellt fest: „Es galt also, den eigenen Marktwert zu verbessern. Genau hier kommt eine Form von Bildung ins Spiel, die wir heute als dominante Form kennen: Bildung als ökonomische Wertgenerierung.“

Die Aufgabe des Einzelnen bestand nun darin, einerseits zu schauen, was auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich gesucht wird, wofür also Arbeitgeber bereit sind, Geld zu bezahlen. Auf der anderen Seite galt es, Innenschau zu halten, das heißt, einen Blick für die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln. Zuletzt musste beides miteinander vermittelt werden. Bildung im Sinne von Selbstbearbeitung und Selbstverbesserung wurde zunehmend wichtig. Nicht mehr die Herkunft oder der Stand, in den der Mensch hineingeboren wurde, zählte. Was galt, war von nun an, wie sehr es dem Menschen gelungen ist, sich selbst zu bilden. Quelle: „Neue Menschen!“ von Konrad Paul Liessmann (Hrsg.)

Von Hans Klumbies