Tania Blixen greift die Idee paradiesischer Zustände auf

Tania Blixen behauptet, dass in der ganzen Geschichte der Menschheit kein Ideal aufgegeben wurde, weil zu hohe Hürden mit ihm verbunden waren, sondern es sind alte Ideale verworfen worden, die ihren Glanz verloren hatten und kein Mensch mehr Lust auf sie hatte oder sich wirklich von ihnen angezogen fühlte. Tania Blixen schreibt: „Es gibt keine Anstrengung, Gefahr oder Qual, die die Menschheit dauerhaft auf ihrem Wege zum Erreichen eines Ideals aufhalten kann, aber die Stunde des Ideals hat geschlagen, wenn allgemein gefragt wird: wozu soll das gut sein?“ Wenn es heutzutage keine Menschen mehr gibt, die sich um des Paradieses willen verbrennen oder sich aus der Gesellschaft verbannen lassen, hat das ihrer Meinung nach den Grund, dass die Menschen keine Lust mehr auf das Paradies haben und überhaupt nicht hineingelangen wollen, selbst wenn der Eintritt kostenlos wäre.

Der Jugendwahn der Frauen

Als die Menschen anfingen, zu glauben, die Seligkeit ließe sich in einem schnellen Auto oder einem großen Weinkeller finden, fanden sich viele dazu bereit, den größten Teil ihres Leben in Büros, Fabriken und sonstigen Unternehmen große Qualen zu ertragen, in der Hoffnung, am Ende diese Seligkeit zu erlangen. Manche Frauen ertragen laut Tania Blixen ungeheures Leid, die einer täglichen Schinderei gleichkommen, um nicht etwa ihre Jugend, sondern den Schein davon zu bewahren, und würden was auch immer erdulden, um wirklich die Jugend, die für sie scheinbar das Paradies war, zurückzubekommen.

Tania Blixen schreibt: „Es ist stets die Idee des Paradieses, auf die es ankommt, und wenn eine hinreichend ansprechende Illusion erschaffen werden kann, folgt die Wirklichkeit von selbst.“ Das gilt ihrer Meinung nach für alle Unternehmungen, die erst einmal in Gang gekommen, wenn sie auf die eine oder andere Weise zu einer Angelegenheit der Seligkeit werden. Für Tania Blixen ist es falsch zu sagen, dass dieses oder jenes Ideal zu erhaben sei, selbst wenn es an sich begehrenswert wäre. Sie erklärt: „Es hat sich stets gezeigt, dass kein Ideal zu erhaben war.“

Die Ideale der Romantik

Als Beispiel führt Tanja Blixen die selig machenden Ideale der Romantik an. Damals war es ihrer Meinung nach für junge Liebende die einfachste Sache der Welt, das ganze Leben zu warten, vor Liebeskummer zu sterben, das Leben in der Erinnerung an eine Jugendliebe zu gestalten, wegen Liebesnöten in Tränen auszubrechen oder beim Wiedersehen mit dem Geliebten in Ohnmacht zu fallen. Für die heutige Generation wären das schwierige oder sogar unlösbare Aufgaben.

Ein Ideal wie die Treue in der Ehe oder vollkommene Keuschheit hat sich laut Tania Blixen leicht verwirklichen lassen, als es noch in das eine oder andere Paradies führte und würde noch heute verwirklicht werden können, wenn die Menschen nicht fragen würden: wozu soll das gut sein? Tania Blixen widerspricht der Meinung, dass in der Frage der Liebe und des Glaubens, der persönliche Wille zu kurz käme. Sie schreibt: „Aber die Wahrheit ist, dass er sich nirgends stärker zeigt.“

Kurzbiographie: Tania Blixen

Als Karen Cristence Dinensen wurde die dänische Schriftstellerin Karen Blixen am 17. April in Rungsted bei Kopenhagen geboren. Nachdem sie in ihrer Kindheit privat unterrichtet worden war, studierte sie Kunst in Kopenhagen, Paris und Rom. 1907 veröffentlichte Tania Blixen unter dem Pseudonym Osceola Kurzgeschichten. 1914 heirate sie in Afrika den Dänen Baron Bror von Blixen-Finecke, mit dem sie zusammen eine Kaffeefarm betrieb.

1918 lernt Tania Blixen den englischen Offizier und Großwildjäger Denys Finch kennen, mit dem sie eine leidenschaftliche Liebesbeziehung eingeht. 1925 lässt sie sich von ihrem Mann scheiden und leitet die Kaffeefarm allein. Sie ging nach Dänemark zurück, nachdem sie Konkurs anmelden musste und ihr Geliebter bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen war. Sie starb am 7. September 1962 auf dem elterlichen Gut Rungstedlund. Zu ihren bekanntesten Büchern zählen „Jenseits von Afrika“, „Phantastische Erzählungen“, und „Briefe aus Afrika 1914 – 1941“.

Von Hans Klumbies