Negative Emotionen überwältigen das Denken

Zu den Pionieren der kognitiven Verhaltenstherapie zählt Aaron Beck, der seit den Siebzigerjahren maßgeblich an ihrer Entwicklung beteiligt war. Er vertritt die Auffassung, dass schwer depressive Menschen eine unrealistische, übermäßig negative Sicht auf die Welt, auf ihr eigenes Selbst und die Zukunft haben. Aaron Beck definierte die Depression als eine generalisierte negative Denkweise, vergleichbar mit einer dunklen Brille, die alles in Düsternis taucht. Was Walter Mischel immer wieder erstaunt, auch wenn er es schon oft gesehen hat, ist die Kraft, mit der starke negative Emotionen das kühle Denken überwältigen können. Sie können Konsequenzen haben, die nicht nur die aktuellen Erfahrungen, sondern auch die Zukunftserwartungen und die Selbstbeurteilung verzerren. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

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Die Generation Y wird zu den Verlierern der Zukunft gehören

Der Zukunftslobbyist Wolfgang Gründiger glaubt, dass die Jungen zu den Verlierern der Gesellschaft werden. Denn bei vielen wichtigen Themen wird nicht auf sie gehört. Er streitet für die Digitalisierung und polemisiert gegen „Alte-Säcke-Politik“. Der Publizist und Demokratieforscher ist eine Art Sprachrohr der vielbeschriebenen Generation Y. Wolfgang Gründiger erklärt den Begriff Zukunftslobbyist wie folgt: „Das Problem an der Zukunft ist ja, dass sie keine Lobby hat. Die zukünftigen Generationen sind noch nicht geboren und können daher ihre Interessen noch nicht in die Waagschale werfen. Deshalb braucht es Lobbyisten, die eine anwaltliche Funktion übernehmen für Menschen, die sich noch nicht selbst vertreten können.“ Dabei ist es keineswegs so, dass alte Menschen per se egoistisch wären. Aber selbst bei Themen, die die Generation Y unmittelbar betreffen – Umweltschutz, Rente, Arbeitsmarkt, Digitalisierung –, wird auf junge Menschen wenig gehört.

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Ohne Selbststeuerung lässt sich im Leben nichts erreichen

Joachim Bauer vertritt in seinem neuen Buch „Selbststeuerung“ die These, dass sich durch Selbststeuerung im Leben vieles erreichen lässt, ohne sie nichts. Allen Menschen ist die Fähigkeit angeboren, Selbststeuerung zu erlernen. Sie sorgt für eine ausgeglichene Balance zwischen der unmittelbaren Befriedigung von Bedürfnissen und dem Erreichen längerfristiger, höherstufiger Ziele. Die Selbststeuerung kann sogar niedergeschlagenen Menschen einen Weg aus Stress, innerer Leere und dem Gefühl der Sinnlosigkeit weisen. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer, der an der Universität Freiburg lehrt, beschreibt Selbststeuerung als Funktionen des menschlichen Stirnhirns. Die Philosophie nennt sie schlicht den freien Willen. Der tiefere Sinn der Selbststeuerung liegt darin, sein ganz eigenes, wahres Leben zu leben und zu sich selbst, zu seiner ureigenen Identität zu finden. Zum Selbst gehört es, einen Plan zu haben und auf dieser Basis etwas besonders Beglückendes zu tun, nämlich für sich eine eigene, ganz individuelle Zukunft zu entwerfen.

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Der Zusammenhalt in den modernen Gesellschaften geht verloren

Wenn an allen Orten und bei jeder Gelegenheit das Ideal des nur auf sich gestellten Individuums eingefordert wird, das sich allein seiner Selbstverwirklichung, Selbstoptimierung und Unabhängigkeit verpflichtet sieht, dann stellt sich für Ernst-Dieter Lantermann die Frage, wie unter diesen Bedingungen überhaupt noch so etwas wie sozialer Zusammenhalt zustande kommen kann. Untersuchungen zeigen in der Tat, dass moderne Gesellschaften sich immer rascher hin zu einer Auflösung des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts, zu eine fortschreitenden sozialen Desintegration entwickeln. Nicht wenige Menschen erkennen darin eine Chance, die in früheren Zeiten für sie undenkbar gewesen wäre: Unter der Voraussetzung, dass sie über die notwendigen Mittel und Ressourcen verfügen, dürfen und können sie selber entscheiden, welchen Organisationen, Institutionen, Lebensmilieus oder Gruppierungen sie sich zugehörig fühlen, wofür sie sich engagieren und wo sie sich integrieren möchten. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Die Verblödung aus Bequemlichkeit ist in Deutschland weit verbreitet

Unbändiger Hass, krude Verschwörungstheorien, die Suche nach autoritären antidemokratischen Leitfiguren – dahinter verbirgt sich für Jürgen Roth vielmehr als die Angst vor den Herausforderungen der Globalisierung oder vor den Fremden: „Viele Menschen sind verunsichert, die fehlenden stabilen Beschäftigungsverhältnisse, als das führt zu Ängsten vor der Zukunft. Und die politischen Eliten haben darauf immer noch keine befriedigende Antwort gefunden.“ Doch Unsicherheit und Angst sind die Seele des Spießers, der Haltegriff für die Mentalität eines Blockwarts, die Psyche der Empfänger von Befehlen. Das ist nicht nur das Einfallstor für Argumente, sondern auch für die Gewalt. Deshalb suchen sich die Ängstlichen, also die sogenannten besorgten Bürger, die Schwächsten einer Gesellschaft als Ventil für ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen aus. Jürgen Roth gilt als einer der bekanntesten Vertreter des investigativen Journalismus in Deutschland.

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Nichts bewegt sich schneller als das Licht

Die vom Menschen vorgenommene Einteilung der Natur in sichtbare und unsichtbare Vorgänge hängt davon ab, dass Menschen ein Wissen um ihre Erlebnisse haben, ohne welches sie die Natur gar nicht auf diese Weise einteilen würden. Markus Gabriel erklärt: „Die physikalischen Einteilungen sind deswegen auch weit davon entfernt, auch nur annähernd so objektiv und vom menschlichen Subjekt unabhängig zu sein, wie uns dies oft weisgemacht wird. Vielmehr spiegelt die Sprache der Physik unsere menschlichen Erkenntnisinteressen.“ Man muss sich nur klarmachen, dass das gegenwärtige physikalische Weltbild auf der gut belegten Annahme aufbaut, dass sich innerhalb des kosmischen Horizonts, also innerhalb der vom Menschen beobachtbaren Natur, nichts in der Raumzeit schneller bewegt als das Licht. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Es gibt sechs Grundregeln für das Zusammenwohnen

Wenn ein Paar in einen gemeinsame Wohnung zieht, ist das eine der härtesten Prüfungen für die Liebe, die es gibt. Die Partner müssen damit rechnen, dass es sich in naher Zukunft in einige unangenehme Diskussionen verwickeln wird. Bei Umfragen über Paarkonflikte liegt der gemeinsame Haushalt als Anlass für Auseinandersetzungen weit vorn. Christian Thiel nennt zwei Themen, die besonders häufig genannt werden: „Paare streiten gerne und viel über die Ordnung in der gemeinsamen Wohnung. Und Paare streiten über die gerechte Verteilung der Hausarbeit.“ Sicher ist es möglich, auch ohne das Abenteuer Zusammenwohnen ein Paar zu sein. Dauerhaft aber versuchen das die wenigsten Paare. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Nest ist zu groß. Christian Thiel ist freier Autor und Single- und Paarberater.

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Roboter und Algorithmen geben das Tempo der Arbeitswelt 4.0 vor

Josef Käser, Vorstandschef von Siemens, warnt Aktionäre und Mitarbeiter vor neuen Erschütterungen: „Schnelligkeit, Anpassungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft sind mehr denn je gefordert. Unordnung ist die neue Weltordnung.“ Siemens ist überall. „Change“ heißt im Manager-Denglisch die alles beherrschende Überlebensweisheit der Wirtschaftswelt. Wolfgang Kaden blickt zurück: „Während in früheren Zeiten, bis in die Siebziger des vorigen Jahrhunderts hinein, die Unternehmen vielleicht alle zehn Jahre ein Reformprogramm durchliefen, löst heutzutage eine Umorganisation die nächste ab.“ Man nennt das: „Never stop reorganizing.“ Und kaum einer fragt, ob die unmittelbar Betroffenen, die Mitarbeiter, dieses Tempo mitgehen können oder wollen. Die Geschwindigkeit und Häufigkeit von Veränderungen wird wie ein Naturgesetz vorgegeben – vom Wettbewerb, von der Technik, von der Beraterzunft. Wolfgang Kaden gehört zu den renommiertesten Wirtschaftsjournalisten Deutschlands.

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Wissenschaftler rufen das geologische Zeitalter des Anthropozäns aus

Der Berliner Geologe Reinhold Leinfelder ist davon überzeugt, dass die Menschheit die Erde in ein neues geologisches Zeitalter katapultiert hat. Es hängt allein von den Menschen selbst ab, ob sie das Anthropozän überleben werden. Reinhold Leinfelder hat einen Lehrstuhl an der Freien Universität Berlin und gehört einem internationalen Expertengremium an, das nach mehrjähriger Beratung empfohlen hat, das Erdzeitalter des Holozäns für beendet zu erklären. Nach dem Urteil der Wissenschaftler ist diese Epoche, die vor circa 11.700 Jahren begann und von stabilen Umweltbedingungen geprägt war, bereits um das Jahr 1950 einer neuen geologischen Ära gewichen – dem vom Menschen geprägten Anthropozän. Reinhold Leinfelder hat die Hoffnung auf eine Rettung der Erde noch nicht aufgegeben: „Wir Menschen mögen als Parasiten unseres Planeten erschienen, aber das muss ja nicht so bleiben. Gerade weil wir wissen, was die Stunde geschlagen hat, können wir gegensteuern.“

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Glück ist im Hier und Jetzt angekommen zu sein

Im Gegensatz zu dem Glück, das Menschen empfinden, wenn sie eine lebensnotwendige Handlung erfolgreich bewältigen, gibt es auch noch andere Formen des Glücks, die wissenschaftlich etwas schwieriger zu fassen sind. Sie basieren auf Gefühlen wie Verbundenheit, Liebe und Sicherheit und entstehen, wenn man für andere da sein kann, Fürsorge geben oder empfangen, wenn man eine innere Ruhe verspürt und im Hier und Jetzt angekommen ist. Professor Tobias Esch, der Als Mediziner seit 20 Jahren zu der Verarbeitung von Stress und Belohnung im Gehirn forscht, beschreibt dieses Glück so: „Es ist dieser Zustand des Nichtwollens, der so unscheinbar daherkommt und auf den ersten Blick gar nicht so sexy ist. Deswegen vielleicht spielte er in den Medien als auch in der Wissenschaft bislang keine große Rolle.“

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Die Wutwähler fühlen sich von den Einwanderern bedroht

Die Wutwähler aller Länder fühlen sich von Einwanderern bedroht im Kampf um die verbliebene Arbeit, ganz im Gegensatz zu den gut ausgebildeten Eliten. Die weiße amerikanische Unterschicht sieht sich von hispanischen Einwanderern bedroht, während die gut Ausgebildeten Zuwanderung oft begrüßen, weil sie dem Wachstum nützt, der Demografie oder dem kulturellen Reichtum einer Gesellschaft. Das Gefühl, von der Politik vergessen worden zu sein, dominiert bei den Wutwählern aller Länder – unabhängig davon, welche Regierung gerade am Ruder ist. David Brooks, Kolumnist bei der New York Times, schreibt: „Wenn Menschen den Eindruck haben, dass ihre Welt verschwindet, werden sie zu einer leichten Beute für faktenfreies magisches Denken und Demagogen, die Einwanderer beschuldigen. Die Eliten haben zu viel gewollt, und nun geht die Geschichte in die entgegengesetzte Richtung.“

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Der Rechtspopulismus ist eine Gefahr für die Demokratie

Der Rechtspopulismus denkt partikularistisch. Solidarität, Gerechtigkeit und Gleichheit gelten für Rechtspopulisten nur innerhalb der eigenen Gruppe: der Nation, der Steuerzahler, des Abendlandes. Kulturen und Identitäten sollen sich nicht vermischen. Das Fremde soll draußen bleiben, gerade weil die Welt so befremdlich geworden ist: der Fremde, die fremde Religion oder Lebensweise, der fremde Gedanke. Die mal latente, mal aggressive Ausländerfeindlichkeit der rechtspopulistischen Bewegung ist das auffälligste Symptom der Sorge um den Verlust der Identität. Sie muss in Abgrenzung zum Anderen gesichert und neu hergestellt werden. Der neue Rechtspopulismus ist keine konservative Bewegung. Er setzt im Gegenteil auf die Veränderung der Gesellschaft; darauf weist der Münchner Soziologe Armin Nassehi hin. Zwar stehen im Programm der AfD viele Forderungen aus dem klassischen Repertoire des Konservatismus. Wenn man die Forderungen aber zu Ende denkt, geht es bei ihnen weder um die Bewahrung des Bestehenden noch um die Wiedergewinnung des Verlorenen.

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Friedrich Nietzsche postuliert: „Gott ist tot.“

„Gott ist tot“. Das ist der berühmteste Satz des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche (1844 -1900). Wörtlich genommen, wollte er nicht sagen, Gott habe zu einer bestimmten Zeit gelebt oder lebe jetzt nicht mehr, sondern eher, dass der Glaube an Gott nicht mehr vernünftig ist. Ganz anders als zum Beispiel bei Immanuel Kant, der seine Gedanken zu einem strengen System ordnete, stürmen die Gedanken bei Friedrich Nietzsche von allen Seiten auf den Leser ein. Nigel Warburton erklärt: „Viele seiner Schriften sind in der Form von kurzen, bruchstückhaften Absätzen und Aphorismen, also Merksätzen, verfasst, einige ironisch, andere ernst, viele deutlich provokant. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Karl Marx identifizierte sich mit den Arbeitern

Karl Marx war ein Anhänger des „Egalitarismus“: Er vertrat die Meinung, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollten. Aber im kapitalistischen System wurden jene, die Geld besaßen – häufig durch Erbe – immer reicher. Und jene, die nichts als ihre Arbeitskraft zum Verkauf anbieten konnten, führten ein erbärmliches Leben und wurden ausgebeutet. Für Karl Marx stellte sich die Menschheitsgeschichte als ein Kampf zwischen diesen beiden Klassen dar: zwischen den reichen Besitzern von Kapital (dem Bürgertum) und der Klasse der Arbeiter (Proletariat). Nigel Warburton ergänzt: „Dieses „Klassenverhältnis“ hinderte die Menschen daran, ihr Potential voll zu entfalten und verwandelte die Arbeit in etwas Qualvolles statt in eine befriedigende Tätigkeit.“ Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Clemens Fuest unterscheidet zwei Arten von Deflation

Die Situation der Wirtschaft in Deutschland und ganz Europa ist schwierig, aber deutlich besser als in der massiven Krise vor acht Jahren. Die Inflation liegt derzeit bei null Prozent, das Ziel ist zwei Prozent. Insofern kann Clemens Fuest die Motive der Europäischen Zentralbank (EZB) nachvollziehen, die den Leitzins auf null gedrückt hat und massenweise Staatsanleihen aufkauft. Aber Clemens Fuest merkt kritisch an: „Die EZB versucht eben auch, mit den niedrigen Zinsen die hoch verschuldeten Krisenstaaten zu entlasten. Das ist aber nicht ihre Aufgabe. Sie versucht außerdem die Konjunktur anzuheizen. Aber man kann sich fragen, ob das alles wirksam ist.“ Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Zinsen nicht allein von der EZB gemacht werden. Clemens Fuest ist seit dem 1. April 2016 Präsident der angesehensten deutschen Forschungseinrichtung in Sachen Ökonomie, des Ifo-Instituts in München.

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Noch ist die Verbesserung des Menschengeschlechts Utopie

Das Bild, das der Mensch von sich entwirft, entspricht in der Regel dem, was der Mensch entwerfen kann. Modelle für die Selbstansichten des Menschen sind seit Anbeginn der Artefakte und Maschinen, die der Mensch selbst imstande war zu konstruieren und zu bauen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „In der Genetik schließlich skizzieren evolutionstheoretische und technizistische Pinselstriche ein Bild des Menschen, das diesen nun als Maschine zur Produktion und Streuung von Genen zeigt.“ Die Entzifferung des genetischen Codes des Menschen erschien vielen deshalb nicht nur als ein entscheidender Schritt zur Selbsterkenntnis, sondern auch als erster Schritt, um nun wirklich an der Verbesserung des Menschen arbeiten zu können. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Ein Leidender stößt in unbekannte Tiefen vor

Wenn die meisten Menschen an die Zukunft denken, wünschen sie sich einen Zustand stabiler Zufriedenheit im Leben. Aber es gibt ein interessantes Phänomen. Wenn sich Menschen an die entscheidenden Ereignisse erinnern, die ihre Persönlichkeit formten, sind dies in der Regel keine „Glücksmomente“. David Brooks erklärt: „Am prägendsten scheinen vielmehr die leidvollen Erfahrungen zu sein. Die meisten Menschen greifen nach dem Glück, haben aber das Gefühl durch Leiden geformt zu werden.“ Für die meisten Menschen ist Leiden nichts an sich Wertvolles oder Edles. So, wie Scheitern manchmal einfach nur Scheitern ist, so ist Leiden manchmal nur zerstörerisch und sollte so schnell wie möglich beendet oder therapeutisch behandelt werden. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Massenmörder ist heutzutage eine Karriere geworden

„Sinnlose“ Massenmorde gehören zu den großen Gesten in den Konsumgesellschaften des 21. Jahrhunderts. Wolfgang Schmidbauer stellt fest: „Sie werden zunehmen und uns bedrohen, bis wir ein wirksames Gegenmittel finden.“ Die meisten gewissenhaften Selbstbeobachter werden zugeben, dass ihnen Mordimpulse nicht gänzlich fremd sind. Massenmörder ist heutzutage eine Karriere geworden. Die meisten Täter schaffen sich durch die Tat aus der physischen Welt, hoffen aber auf unsterblichen Ruhm. Diese Formen des Massenmords sind wie eine Seuche. Sie breitet sich aus. Wenn wir eine Kurve der Zahlen von Tätern und Opfern zeichnen könnten, sie würde steil ansteigen. Wo die Suche nach den Wurzeln der Tat etwas tiefer graben kann, entdeckt sie den Zusammenprall von Krisen des Selbstwertgefühls mit dem als erlösend und ruhmreich imaginierten Endpunkt des Massenmordes.

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Nur der menschliche Geist kann gänzlich Neues schaffen

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis künstliche Intelligenz auch das menschliche Bewusstsein überformt – so das Credo der Naturwissenschaften. Doch David Gelernter, der „Rockstar der Computerwissenschaften“ so die New York Times, stellt in seinem neuen Buch „Gezeiten des Geistes“ dieser pessimistischen Annahme die Vielgestaltigkeit, Einzigartigkeit und Freiheit des menschlichen Geistes entgegen. Kreativität und die Fähigkeit zur Introspektion sind nur dem Menschen gegeben. Das zeigen beispielsweise die literarischen Werke von William Shakespeare, Homer und Marcel Proust. Die Erkenntnisse von René Descartes, John Searle und Sigmund Freud haben im digitalen Zeitalter eine größere Bedeutung denn je. In einer interdisziplinären Analyse zeigt David Gelernter, was das menschliche Bewusstsein auszeichnet und worauf es für den Menschen in Zukunft wirklich ankommen wird. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale Universität.

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Der reine Augenblick ist ein abstrakter Traum

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2016 spürt dem Augenblick nach. Der Augenblick – kaum ist er da, ist er auch schon wieder vorbei. Das moderne Leben gleicht einem Wettrennen. Umso größer ist bei vielen Menschen das Verlangen, die Zeit anzuhalten, präsent zu sein, die Welt wieder zu spüren. Kein Wunder, dass buddhistisch inspirierte Achtsamkeitspraktiken derzeit boomen. Meditierend kommt das Selbst zu sich, wird empfänglich für die Schönheit des Hier und Jetzt. Aber Denker wie Augustinus bis Edmund Husserl argumentieren, dass die Erfahrung des reinen Augenblicks für die Menschen eine Illusion bleiben muss. Aber nicht nur philosophisch ist die Sehnsucht nach totaler Präsenz problematisch. Es stellt sich auch die Frage, ob nicht der neue Achtsamkeitskult ein reaktionäres, gar narzisstisches Moment in sich trägt.

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Die Freiheit erschreckt viele Menschen zu Tode

Die Freiheit ist ein wundersames Ding. Die meisten Menschen sehnen sich danach, schätzen sie als höchstes Gut. Gleichzeitig aber erschreckt sie viele zu Tode. Weil aus ihr auch Schuld resultiert. Reinhard K. Sprenger schaut sich beispielsweise an, wie in modernen Gesellschaften Verbrechen reflektiert werden: „Der Bildungsbürger führt sie auf die Gräuel desolater Familienverhältnisse, auf seelische Defekte und soziale Missstände zurück. Da müsse man ja geradezu zwangsläufig kriminell werden!“ So werden die Dinge allerdings ins Gegenteil verkehrt – aus Tätern werden Opfer. Sie sind von vornherein unmündige Personen; ihr Rechtsbruch insofern verstehbar, ein Unfall. Der Unhold gehört dann in die Gesellschaft der Kranken, Armen und Ausgestoßenen, denen fürsorglich und therapeutisch zu begegnen ist. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Tyrannenkinder sind weder böse noch wahnsinnig

Martina Leibovici-Mühlberger übt in ihrem Buch „Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden“ herbe Kritik am bestehenden Gesellschaftssystem. Neben einer Gruppe von Kindern, die derart auffällig geworden sind, dass sie psychotherapeutisch behandelt werden müssen – jene Kinder also, die nach der langjährigen Einschätzung der Autorin nach einfach ganz, ganz laut werden müssen, um auf ihre innere Not und Verwirrung hinzuweisen –, neben dieser sichtbaren Spitze des Eisbergs gibt es eine weitere, noch viel größere und beständig wachsende Gruppe von Kindern, die gerade noch unterschwellig verhaltensauffällig sind. Aber auch sie sind in der einen oder anderen Form deutlich beeinträchtigt und geben Anlass zur Besorgnis, wenn Martina Leibovici-Mühlberger darüber nachdenkt, wie sie in Zukunft ein erwachsenes, selbstverwaltetes Leben führen und befriedigende respektvolle Beziehungen mit anderen Menschen eingehen sollen. Die Ärztin Martina Leibovici-Mühlberger leitet die ARGE Erziehungsberatung und Fortbildung GmbH, ein Ausbildungs-, Beratungs- und Forschungsinstitut mit sozialpsychologischem Fokus auf Jugend und Familie.

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Die Hälfte der Leute sind mit ihren Freundschaften unzufrieden

Trotz vieler guter Freundschaften such der Psychotherapeut Wolfgang Krüger dennoch ständig nach neuen Freundschaften: „Weil ich sehe, dass der Freundeskreis kleiner wird, je älter man wird. Manche Freunde sind schon gestorben, andere weggezogen, einige fangen im Alter an, Menschen zu meiden. Und es gibt Freundschaften, aus denen die Luft raus ist. Man muss also immer wieder neue Freunde finden.“ Schon ab 30 schrumpft der Freundeskreis. Solange man im Kindergarten, Schule, Ausbildung, Studium ist, befindet man sich in festen Gruppen. Man begegnet dort immer den gleichen Menschen. Da haben auch Schüchterne Freundschaften. Schwierig wird es dagegen nach der Ausbildung, denn dann muss man selbst die Initiative ergreifen, um Freunde zu finden. Dr. Wolfgang Krüger, Psychotherapeut in Berlin, forscht über Freundschaften und bietet auch Freundschaftsberatung an.

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Das subjektive Erleben verändert das Selbst

Viele Menschen manchen sich schnell Sorgen über Ereignisse, die unmittelbar bevorstehen und sie ängstigen, aber sie stellen sich die Zukunft nur selten in anschaulicher, emotionaler Weise vor. Walter Mischel fügt hinzu: „Die rosarote Brille und das psychische Immunsystem, die unser Wohlgefühl aufrechterhalten, schützen die meisten davor, länger bei solchen Ängsten zu verweilen.“ Sie erlauben es, bedrohlichen Risiken in der Zukunft wie Krankheiten, Verarmung und Einsamkeit im Alter weitgehend auszublenden. Wenn diese Ängste übermächtig werden, lenken sich die meisten Menschen schnell von ihnen ab. So vermeidet man Angst. Folglich gehen Menschen weiterhin alle möglichen Risiken ein, wobei sie die langfristigen Folgen ignorieren, die weit in der Zukunft liegen, die obendrein ungewiss sind und damit leicht abgetan werden können. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

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Die neuen Menschen sollen perfekte Wesen sein

Das 19. Philosophicum in Lech am Arlberg wagte unter dem Titel „Neue Menschen! Bilden, optimieren, perfektionieren einen kritischen Blick in die Zukunft. Thematisiert und debattiert wurden die neuesten Fortschritte in der Biomedizin und damit verbunden Visionen, aber auch Bedenken und ethische Fragesellungen. Immer mehr Menschen trainieren und modellieren ihren Körper, sorgen für die richtige Ernährung, nehmen leistungssteigernde Nahrungsergänzungsmittel zu sich und legen sich eine langfristige Anti-Aging-Strategie zurecht. Kleine Defizite und Verfallserscheinungen werden durch die Schönheitschirurgie, größere durch künstliche Implantate und intelligente Prothesen korrigiert. Im Klappentext des Buches „Neue Menschen!“ heißt es weiter: „Das Hirn wird umfassend gefördert, die Seele wird durch Psychopharmaka von allen Irritationen und durch permanente Kontrolle im Gleichgewicht gehalten. Am Ende solcher Optimierungsprozesse steht die Vision eines perfekten, transhumanen Wesens, das reibungslos funktioniert und dem alles Menschliche fremd geworden ist.“

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