Der Mensch denkt in Begriffen

Es ist berechtigt und sogar zielführend, vom menschlichen Denken auszugehen und sich von dieser relativ sicheren Position aus den Leistungen von Tieren zu nähern. Schließlich wissen Mensch sowohl aus der Ich-Perspektive als auch durch die Du-Perspektive der gegenseitigen sprachlichen Vermittlung, wie sie bestimmte Entscheidungen treffen. Und sie erkennen dadurch die Motive ihres Handelns, welche Ziele sie verfolgen und wie sich dabei fühlen. Ludwig Huber erläutert: „Dieser Erlebens-Aspekt ist von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus nehmen wir als Wissenschaftler auch noch die Perspektive der Person ein. So machen wir menschliches Denken und Handeln zu einem objektiven Untersuchungsgegenstand.“ Ein zentraler Aspekt menschlichen Denkens ist die Begriffsbildung. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

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Thomas Nagel kennt die Bedeutung von Wörtern

Wie kann ein Wort etwas bedeuten? Normalerweise besteht zwischen einem Namen und dem Gegenstand, dessen Name er ist, keinerlei Ähnlichkeit. Die fragliche Relation muss grundsätzlich von ganz anderer Art sein. Thomas Nagel erklärt: „Es gibt viele Wortarten. Einige davon benennen Personen und Dinge, andere bezeichnen Qualitäten oder Tätigkeiten. Wieder andere bezeichnen Relationen zwischen Dingen oder Ereignissen.“ Einige benennen Zahlen, Örter oder Zeitpunkte. Und einige wie „und“ und „von“, verdanken ihre Bedeutung einzig ihrem Beitrag zur Bedeutung größerer Aussagen oder Fragen, in denen sie vorkommen. Wörter werden zumeist beim Sprechen und Schreiben verwendet und nicht einfach bloß als Namensschilder. Wenn man dies stillschweigend voraussetzt, stellt sich dennoch die Frage, wie ein Wort eine Bedeutung haben kann. Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel lehrt derzeit unter anderem an der University of California, Berkeley und an der Princeton University.

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Der Übersetzer muss die Originalsprache verstehen

Wer eine Fremdsprache verstehen möchte und sie nicht selbst beherrscht, braucht einen Übersetzer. Gerd Gigerenzer fügt hinzu: „Wenn ein Text aus einer Sprache in eine andere übertragen werden soll, muss ein Übersetzer die Originalsprache verstehen, aber einen besseren Zugang zur Zielsprache besitzen, um Redewendungen und Ironie ausdrücken zu können.“ Daher übersetzen professionelle Übersetzer in der Regel in ihre Muttersprache. Wie konstruiert man aber am besten eine Übersetzungsmaschine? Folgt man der psychologischen Künstlichen Intelligenz (KI), würde man professionelle Übersetzer und Linguisten in einem Raum versammeln. Dann würde man versuchen, ihre Intuitionen und Urteil in Regeln zu fassen, die sich in Software programmieren ließen. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

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Sprachliche Einrahmungen sind normal

Die Wortwahl der Alternative für Deutschland (AfD) erfüllt zwei Funktionen. Erstens sendet sie Signale an die rechtsradikalen Wähler. Zweitens verharmlost sie die Radikalität gegenüber der Mehrheitsgesellschaft. Die Horden auf den Straßen von Chemnitz richteten sich bewusst gegen die soziale Erwünschtheit. Rechtsradikale Politiker loten die Grenzen des Sagbaren immer wieder aufs Neue aus. Philipp Hübl ergänzt: „Politiker haben zu allen Zeiten ihre Programme in wirksame Worte verpackt. Vor allem in moralisch umstrittenen Fragen ist die sprachliche Fassung entscheidend.“ Deshalb nannte das US-Militär seinen Einsatz in Afghanistan „Operation dauerhafte Freiheit“ und nicht „Angriffskrieg“. Ein typisches Beispiel für eine sprachliche Einrahmung im Alltag ist der Euphemismus „Lebenskünstler“ für „Arbeitsloser“. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Markus Gabriel spürt dem Denken nach

Ohne zu denken kann sich ein Mensch nicht im Unendlichen orientieren. Die Art und Weise, wie man sich irgendeine Szene vorstellt, ist eine Ausübung der Einbildungskraft, die Teil des Denkens ist. Markus Gabriel fügt hinzu: „Sich etwas in der Einbildungskraft auszumalen ist eine Art und Weise, einen Gedanken zu erfassen, das heißt zu denken.“ Das Denken ist kein Privileg des Menschen. Andere Lebewesen orientieren sich auch. Sie verfügen ebenfalls über Begriffe, die sie im Denken als Wegmarken einsetzen.“ Ein Schwein denkt etwa, dass es Futter erhalten wird. Aber ein Mensch kann nicht einmal ahnen, was in einem Schweineleben alles vorfällt und welche Begriffe Schweine einsetzen. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Verschiebung und Verdichtung gestalten den Traum

Der Traum ist für Sigmund Freud das Ergebnis einer „sekundären Bearbeitung“ von Erfahrungsresten, die er in seiner „Bilderschrift“ gleichzeitig „verdichtet“ und „verschiebt“, das heißt: konzentriert und umlenkt. Sigmund Freud schreibt: „Traumverschiebung und Traumverdichtung sind die beiden Werkmeister, deren Tätigkeit wir die Gestaltung des Traumes hauptsächlich zuschreiben dürfen.“ Der Traum sei knapp, armselig, lakonisch im Vergleich zu dem Umfang und zur Reichhaltigkeit der Traumgedanken. Der Traum fülle niedergeschrieben eine halbe Seite; die Analyse, in der die Traumgedanken enthalten seien, bedürfe das sechs-, acht-, zwölffache an Schriftraum. Peter-André Alt ergänzt: „Der Traum ist überbestimmt, denn er entsteht aus der Konzentration, die im Verdichtungsprozess stattfindet.“ Dabei kommt es häufig zu einer direkten Veranschaulichung der in einem Wort bezeichneten Bedeutung. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Selbst vergessene Träume haben Einfluss auf das wache Leben

Wenn ein Mensch träumt, hat sein Gedächtnis das Sagen. Immer noch steht es in der Macht des bewussten Geistes, höchst beunruhigende Erinnerungen zurückzuweisen. Dennoch haben manchmal selbst vergessene Träume einen subtilen Einfluss auf das wache Leben. Während nahezu alle Träume vergessen werden, leuchten angenehme und insbesondere sexuelle Träume noch viele Stunden hell nach. David Gelernter ergänzt: „Erfreuliche Träume strahlen aus, ob wir uns an die Details erinnern oder nicht.“ Auch solche „entrückenden“ Träume tauchen nicht oft auf. Aber auch gewöhnliche Träume können das Alltagsleben selbst dann beeinflussen, wenn man sie nahezu vollständig vergessen hat. Zufällig tun oder sagen Menschen etwas, das mit einem fast vergessenen Traum zu tun hat – und dann spürt man eine schwache Reaktion unterhalb der Bewusstseinsebene des Gedächtnisses. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Prognosen sind ein Stochern im Nebel der Zukunft

Sogar die Wirtschaftswissenschaften beruhen auf der Vorstellung „offenbarter Präferenzen“. Was Leute denken, spielt für Nassim Nicholas Taleb keine Rolle, denn er will es sich ersparen, in die matschweiche, in sich selbst verschlungene Fachrichtung der Psychologie vorzudringen. Die „Erklärungen“, die Leute für das abgeben, was sie tun, sind nur Worte, Geschichten, die sie sich selbst erzählen und haben seiner Meinung nach mit eigentlicher Wissenschaft nichts zu tun. Andererseits ist das, was Menschen machen, dinghaft und messbar, und darauf sollte man sich konzentrieren. Dieses Axiom – womöglich könnte man es sogar ein Prinzip nennen – ist äußerst wirkmächtig, allerdings wird es von Forschern nicht sonderlich eifrig befolgt. Nassim Nicholas Taleb ist Finanzmathematiker, philosophischer Essayist, Forscher in den Bereichen Risiko und Zufall sowie einer der unkonventionellsten Denker der Gegenwart.

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Unklares Denken erzeugt unklares Sprechen

„… dazu sind wir gezwungen“, sagen jene, die manipulativ ihre Verantwortung verschleiern wollen. So sehen sich beispielsweise Regierungen „zur Reaktion gezwungen“, sobald sie sich provoziert fühlen. Sie konnten gar nicht anders, der andere hatte ihnen „keine Wahl“ gelassen. Genauso gut könnten sie behaupten, eine Marionette in den Händen des Provokateurs zu sein. Im Juli 1914 ist man in den Ersten Weltkrieg „hineingeschlittert“. Auch der Satz „Ich muss Ihnen leider sagen …“ verrät Feigheit. Unklares Denken erzeugt unklares Sprechen – und umgekehrt. Gegen die um sich greifende Unsicherheit und Deutschland-am-Abgrund-Neurose versprechen einige Ratgeber „die Kunst, sich von Ängsten zu befreien“. Reinhard K. Sprenger stellt fest: „In Deutschland wird das schlichte Wort „Angst“ fast nur noch im Plural verwendet. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Analphabetismus ist ein Skandal der modernen Gesellschaft

Der Analphabetismus ist für Konrad Paul Liessmann längst keine Metapher mehr für eine Unbildung, die nur wenige Menschen am Rande der Gesellschaft betrifft, sondern der Skandal einer modernen Gesellschaft schlechthin: dass junge Menschen nach Abschluss der Schulpflicht die grundlegenden Kulturtechniken wie das Lesen und das Schreiben nur unzureichend, manchmal gar nicht beherrschen. Neben der umstrittenen Methode, Schreiben nach dem Gehör zu lernen, zählt der Versuch, die Lesefähigkeit zu steigern, indem man die Texte drastisch vereinfacht, zu den problematischen Strategien einer umfassenden Praxis der Unbildung. Sprache, so suggerieren diese Konzepte, dient nur der Übermittlung simpler Informationen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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In allen Fragen der Moral gehen die Ansichten weit auseinander

Die große Vielfältigkeit des Geschmacks wie auch der Meinungen, die in der Welt herrscht, ist allzu offensichtlich, um nicht jedermann aufzufallen. Selbst Menschen mit sehr geringer Bildung können feststellen, dass es im engen Umkreis ihrer Bekannten Unterschiede des Geschmacks gibt, auch wenn sie alle dieselbe Erziehung genossen und von früh an denselben Vorurteilen ausgesetzt waren. Jene aber, die ihren Horizont vergrößern und fremde Völker und ferne Zeiten mit in den Blick nehmen, sind dann doch überrascht, wie groß die Unstimmigkeit und Gegensätzlichkeit ist. David Hume erklärt: „Wir neigen dazu, „barbarisch“ zu heißen, was nur weit genug von unserem Geschmack und von unserer Auffassung abweicht – um freilich bald festzustellen, dass das herabsetzende Epitheton uns selbst zurückgegeben wird.“ David Hume, der von 1711 bis 1776 lebte, gehört zu den Klassikern der europäischen Philosophie.

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Claude Simon revolutioniert die europäische Romankunst

Der Schriftsteller Claude Simon entwickelt in seinen Geschichten Erzählformen und Satzkonstruktionen, die nach Marcel Proust und James Joyce, dem europäischen Roman eine neue Form geben. Dafür hat Claude Simon im Jahr 1985 den Nobelpreis für Literatur erhalten. In den Romanen „Der Wind“ (1957) und „Das Gras“ (1960) wendet der Autor schon die für ihn typischen langen Sätze an, die alle Konventionen des Satzbaus zertrümmern. In seinem siebten Werk „Die Straße in Flandern“ (1960) löst Claude Simon auch die überkommene Form des Romans ab. Er nimmt Abschied von psychologisch kausaler Schlüssigkeit, Chronologie und Handlung. Stattdessen konfrontiert er seine Leser mit in einen suggestiven Mahlstrom rotierender und immer wieder variierten Bilder, der in die Tiefen des Lebens vordringt, wie es zuvor in der europäischen Literatur nicht dagewesen ist.

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In Deutschland können 7,5 Millionen Menschen kaum lesen

Viele Pädagogen und Politiker stellen sich die Frage, wie es sein kann, dass Kinder, die mindestens neun Jahre in die Schule gehen müssen, nach Abschluss ihrer Schulausbildung weder schreiben noch lesen können. Etwa 60 Jugendliche verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschluss. In dieser Gruppe befinden sich viele, die möglicherweise einzelne Wörter lesen können, aber weder Briefe noch E-Mails, geschweige denn Verträge und Dokumente. Mit Dummheit hat das in den wenigsten Fällen etwas zu tun, denn viele Analphabeten sind sogar besonders geschickt darin, trotz ihres Handikaps die Probleme ihres Alltags zu meistern. Doch die sogenannte Leo-Studie wies im vergangenen Jahr auf die dramatische Situation in Deutschland hin. Demnach gibt es hierzulande 7,5 Millionen Erwachsene, die kaum oder nur sehr schlecht lesen und schreiben können.

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Markus Hengstschläger erklärt den Begriff des Talents

Die Wörter Talent und Begabung werden von den meisten Menschen synonym verwendet. Markus Hengstschläger zitiert den Duden, der Talent wie folgt definiert: „Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen beziehungsweise überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet befähigt.“ Bei Wikipedia steht unter dem Begriff Begabung, dass er stets auch eine genetische Komponente voraussetzt. Markus Hengstschläger erklärt: „Das größte Problem an den Begriffen Talent und Begabung besteht darin, dass sie etwas beschreiben, was sich unserer Beobachtung und daher auch der Bestimmbarkeit und Messbarkeit eigentlich mehr oder weniger entzieht.“ Mit 16 Jahren war Markus Hengstschläger als Punk unterwegs. Mit 24 Jahren promovierte er zum Doktor der Genetik und 35-jährig zum jüngsten Universitätsprofessor für Medizinische Genetik berufen.

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Hermann Hesse liebt das Wort Glück seit Knabentagen

Für Hermann Hesse ist der Mensch mit einem Organ für das Schöne geboren, das ihm die Fähigkeit verleiht, sich an Dingen zu freuen, auch wenn sie ihm nicht nützen. An der Freude des Menschen am Schönen sind seiner Meinung nach stets der Geist und die Sinne im gleichen Maß beteiligt. Solange die Menschen dazu fähig sind, sich mitten in den Drangsalen und Gefährdungen ihres Lebens, sich an scheinbar Nebensächlichem zu erfreuen, wird er seinem Dasein immer wieder einen Sinn zuschreiben können. Hermann Hesse zählt zu diesen Dingen beispielsweise ein Farbenspiel in der Natur, das Kopfdrehen einer spielenden jungen Katze oder das Variationenspiel einer Sonate.

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Max Frisch erörtert die hohe Kunst der Rezension

Max Frisch zitiert Johann Wolfgang von Goethe, der den Rat gab, ein Schriftsteller solle einem Rezensenten niemals antworten, es sein denn, er behaupte in seiner Rezension, man habe zwölf silberne Löffel gestohlen. Es bleibt also nach Max Frisch nur eins übrig: zu schweigen und weiterzumachen, solange man Lust dazu hat. Der Schriftsteller kann nur dankbar sein, wenn eine Rezension, ob lobend oder tadelnd, ernsthaft und anständig ist, indem sie annimmt, dass der Verfasser selber keine Bedenken und Einwände gegen sein eigenes Werk hegt. Max Frisch gibt allerdings zu, dass das Unbehagen, das einen Rezensenten befällt, irgendwo berechtigt ist.

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Herta Müller erhält 2009 den Literaturnobelpreis

Herta Müller schreibt Sätze, die ihre Leser zwingen, die Luft anzuhalten. Sie beschreibt in ihren Büchern eine Welt, in der die Diktatur herrscht und in der die Menschen von der Demokratie träumen. Weltberühmt wurde die Schriftstellerin, als ihr 2009 der Literaturnobelpreis verliehen wurde. Dennoch blieb die aufrechte Frau bescheiden und sagte: „Ich werde mich doch jetzt nicht ändern, nur weil ich den Nobelpreis bekommen habe!“ Ihr ganzes Werk ist ein andauernder Kampf gegen Täuschungen. Sie wehrt sich mit ihren Werken gegen die Verdrehungen der Wahrheit und gegen die politischen Unterdrückungen, die das Leben eines Menschen zur Hölle machen können.

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