Der Unterschied zwischen den Kulturen hat ökonomische Gründe

Das Leben von Menschen, die in der westlichen Kultur aufgewachsen sind, ist durch beträchtliche Freiräume und Autonomie geprägt. Häufig können sie ihren Interessen nachgehen, ohne sich groß um die Belange anderer Personen zu kümmern. In zahlreichen anderen Kulturen ist das Leben sehr viel eingeschränkter. Richard E. Nisbett fügt hinzu: „Die Freiheit des Westens hat ihren Ursprung im bemerkenswerten Begriff der persönlichen Handlungsmacht (personal agency), der von den antiken Griechen geprägt wurde.“ Im Gegensatz dazu legte die ebenso alte wie hochentwickelte Zivilisation Chinas sehr viel mehr Gewicht auf Harmonie mit den Mitmenschen als auf die Freiheit individueller Handlungen. In China erforderte effektives Handeln stets die reibungslose Interaktion mit anderen – sowohl mit Vorgesetzten als auch im Gleichgestellten. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Die Politik hat ihre Vorherrschaft an die Wirtschaft verloren

Die Welt erlebt nun seit einigen Jahren eine dreifache Krise. Thomas Seifert nennt sie beim Namen: „Eine Krise des Kapitalismus, die mit dem Beinahe-Kollaps der Weltwirtschaft nach dem Lehman-Pleite am 15. September 2008 offenbar geworden ist, eine Krise der westlichen (Parteien-) Demokratie, die die Probleme nicht lösen kann, und – durch die Verschiebung des Schwerpunkts des Globus von West nach Ost – eine Krise der Weltordnung, des Global Governance Systems.“ Die drei Krisen sind miteinander verwoben, bedingen und verstärken einander, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Wirtschaft hat die zentrale Funktion der Steuerung der Gesellschaft übernommen, die Vorherrschaft der Politik ist längst verloren. Die Wähler haben verstanden, dass die Politik das Gesetz des Handelns an die Ökonomie abgetreten hat, und strafen die politischen Akteure mit Ignoranz, Misstrauen, Totalverweigerung oder Anti-Politik. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Die deutsche Einheit war eine Erweiterung um fünf Bundesländer

Die deutsche Einheit hatte einen hohen Preis und veränderte die Bundesrepublik viel tiefer als 1990 geahnt. Zum Beispiel wurde der Sozialstaat, der nicht zuletzt wegen der Konkurrenz der Systeme zwischen Ost und West so stark ausgebaut war, infolge der Kosten der Einheit deutlich zurückgefahren. Philipp Ther nennt Zahlen: „Diese Kosten betrugen in den vergangenen 25 Jahren je nach Berechnung mindestens 1,5 Billionen Euro.“ Für die sozialen Einschnitte stehen vor allem Hartz VI und das Bündel der Sozial- und Arbeitsmarktreformen der Jahre 2001 bis 2005. Der Ausgang des Kalten Krieges wurde nicht nur in Deutschlands Hauptstadt Bonn, sondern im gesamten Westen als Überlegenheit des eigenen kapitalistischen Systems gegenüber dem Sozialismus verstanden. Der Kultur- und Zeithistoriker Philipp Ther ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Wien.

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