Steinwerkzeuge gibt es seit drei Millionen Jahren

Die Vorläufer des Homo sapiens stellten vor mehr als drei Millionen Jahren die ersten Steinwerkzeuge her. Schon damals war die schöpferische Intelligenz schon lange nichts Neues mehr. Ein Werkzeug herzustellen, das man später für einen bestimmten Zweck einsetzt, erfordert Einsicht, Planung und Vorstellungskraft. Stefan Klein erklärt: „Erst nach vielen Arbeitsgängen ist aus einem rohen Stein eine Klinge geformt. Jeder einzelne Schritt verlangt eine präzise Idee von dem, was noch nicht ist, aber sein soll.“ Nur Menschenaffen und einige Vögel bringen die zur Werkzeugherstellung nötigen geistigen Voraussetzungen mit. Aber nur die Menschen haben es so weit gebracht, Gene zu entschlüsseln, Symphonien zu komponieren und ihre Zeit in Videokonferenzen zu verbringen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Adalbert Stifter will nicht Tugend oder Sitte predigen

In einer Vorrede zu den sechs Erzählungen, denen er nach mehrfacher Umarbeitung schließlich den programmatisch gemeinten Obertitel „Bunte Steine“ gab, erläutert Adalbert Stifter (1805 – 1869) seine literarischen Absichten und einige Grundsätze seiner Weltanschauung auf wenigen Seiten. Diese sind in Aufbau und einfacher, aber einprägsamer Gedankenführung kaum zu überbieten. Ausgehend von einer dreifachen Verneinung. Er sei kein Künstler (Dichter). Er wolle nicht Tugend oder Sitte predigen und er habe weder „Großes“ noch „Kleines“ als Ziel. Damit will Adalbert Stifter sich und seine Freunde abgrenzen gegen die alles zersetzende Außenwelt. Denn, so sagt er, er wolle nur „Geselligkeit unter Freunden“ und ein Körnchen Gutes zum Bau der Welt beitragen – und natürlich wolle er auch vor falschen Propheten schützen. Erst nach dieser fast familiären Erklärung greift Adalbert Stifter weiter aus und erläutert, was er mit dem Großen und dem Kleinen meint.

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Gute Erziehung ist weder streng noch liberal

Auch der Bereich der Erziehung – ob in der Familie, der Kita oder anderswo – ist bekanntlich keine konfliktfreie Zone. Nicht zuletzt ist gerade aggressives Verhalten von Kindern immer wieder ein Thema für pädagogische Diskussionen. Hans-Peter Nolting stellt fest: „Wenn Kinder sich rücksichtslos verhalten oder als kleine Tyrannen aufspielen, wird in breitem Konsens vor allem ein Erziehungsprinzip hervorgehoben: Man muss Kindern Grenzen setzten.“ Das stimmt sicherlich, dennoch ist mit dieser Einsicht nicht viel gewonnen. Zum einen kommt es sehr darauf an, auf welche Weise man Grenzen setzt, denn zuweilen geschieht das mit Methoden, die das Problem eher noch verschärfen. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Cicero war einer der bedeutendsten Redner der Antike

Der bei weitem wichtigste Vermittler griechischen Denkens in Rom war der Redner und Philosoph Marcus Tullius Cicero (105 – 43 v. Chr.), als Staatsmann und Theoretiker ein leidenschaftlicher Verteidiger der untergehenden Republik. Bernd Roeck fügt hinzu: „Cicero war nicht nur einer der bedeutendsten Redner der Antike, sondern zugleich einer der brillantesten Stilisten lateinischer Sprache. Die technische Seite des Diskutierens, die Form der Rede und des Schreibens, gewann in seinen Schriften überragende Bedeutung.“ Als junger Mann war Cicero in Athen bei dem Platoniker Antiochos von Askalon in die Schule gegangen. Hier hatte er die Lehren der Akademie kennengelernt. Sie befand sich in einem Gymnasium nahe der Akropolis. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Ungleichheit wird immer weiter vererbt

Viele Funktionäre, die in der Wirtschaft tätig sind und zahlreiche Ökonomen betonen gern, wie sehr eine Marktwirtschaft der Gegensätze bedarf. Wer wenig verdient, wird durch erfolgreiche Vorbilder angespornt und steigert dadurch das Wirtschaftsprodukt. Wer in einer Villa wohnt, darf daher nicht durch hohe Steuern belastet werden, denn das mindert die Leistungsbereitschaft aller. Aus dieser Sicht ist finanzielle Ungleichheit kein Problem, sondern ein Anreiz. Alexander Hagelüken kritisiert: „Viele Wirtschaftsfunktionäre und Ökonomen gehen aber zu weit, weil sie Ungleichheit gleich zum Mantra erfolgreicher Marktwirtschaften erheben.“ Sie sehen nur die glänzenden Oberflächen, nicht die Ambivalenz der Ungleichheit. Sie konzentrieren sich auf Ungleichheit als Anreiz und vernachlässigen, wie sehr zu große Ungleichheit zum Problem wird. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

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Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller wurden Freunde

Die Ablehnung der Französischen Revolution war die gemeinsame Basis, auf der sich die Annäherung zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller in den 1790er Jahren vollziehen konnte; sie führte schließlich zu dem viel beschworenen „Freundschaftsbund“, der das Bild nachfolgender Generationen von der Klassik geprägt hat. Bereits im Jahr 1787 war Friedrich Schiller – angezogen von dem kulturellen Zentrum und in der Hoffnung auf materielle Sicherheit – nach unruhigen Wanderjahren nach Weimar gekommen, ohne dass sich die beiden Schriftsteller in den ersten Jahren näher kamen. Der langsame Annäherungsprozess, der nicht widerspruchsfrei verlief, führte zu einer engen und intensiven Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten. Es kam zu einem regen Austausch der literarischen und philosophischen Arbeiten, wobei insbesondere Friedrich Schiller durch seine produktive Kritik Johann Wolfgang von Goethe in seiner Arbeit an den „Lehrjahren“ entscheidend förderte.

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Keiner kennt den Ort der ewigen Liebe

Die ewige Liebe ist wie ein Fabelwesen: „Dass es sie gibt, behauptet jeder; wo sie ist, weiß keiner“. Mit diesen wehmütigen Sätzen wird das Publikum in Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ auf eine Geschichte aus Liebesschwüren und schnödem Verrat eingestimmt. Glaubt man Romanen, Schauspielen und Filmen, dann lässt sich nur auf eine Weise verhindern, dass die Liebe an den Realitäten des Lebens scheitert. Die Liebenden müssen durch den Tod für immer getrennt werden. Traditionen, mit denen man aufwächst, wie Verliebtheit, Heirat und Familie, kann man leicht für selbstverständlich und naturgegeben halten, obwohl sie es vielleicht gar nicht sind. Thomas Junker erklärt: „Bevor man das tut oder sich gedankenlos am Vorbild der Eltern und Großeltern orientiert, kann es nicht schaden, die verschiedenen Optionen genauer unter die Lupe zu nehmen.“ Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Richard Schneebauer blickt hinter die Fassade der Männer

Viele Männer verstecken sich hinter einer Fassade aus Coolness und hippen Accessoires, hinter poliertem Machotum und derben Witzen – oder aufgesetztem Verständnis für die Welt der Frauen. Dennoch herrscht bei den meisten von diesen Männern ein tiefer Wunsch nach dem Gefühl, wirklich gebraucht zu werden, in einer Zeit, in der einem suggeriert wird, dass Frauen mittlerweile alles können, selbst Kinder zu kriegen geht mittels Samenbank. Richard Schneebauer stellt fest: „So rackern sich Männer ab, versuchen, alles besser zu machen als ihre Väter, können sich und Umfeld kaum zufriedenstellen und vor allem werden sie selbst nicht zufrieden. Der Druck auf sie steigt an allen Ecken und Enden. Irgendetwas Entscheidendes fehlt ihnen. Dr. Richard Schneebauer ist Soziologe und seit 17 Jahren in der Männerberatung tätig.

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In Deutschland herrscht ein Klima der Angst

Im Zuge von Terror und Gewalt werden zunehmend immer mehr Menschen von ihren Ängsten beherrscht. Der Traumapsychologe und Experte für Krisenintervention Dr. Georg Pieper zeigt in seinem Buch „Die neuen Ängste“, was sie auslöst, welche Wirkung sie haben und vor allem, welche Gegenstrategien man als Einzelner oder Gesellschaft gegen die neuen Ängste entwickeln kann. Besonders treffen die neuen Ängste vor dem Terror, den Folgen der gewaltigen Migrationsbewegungen und vor politischem Extremismus vor allem Menschen, die ohnehin schon ängstlich sind. Zusammen mit den Sorgen um die Zukunft, der Furcht vor dem sozialen Abstieg, entsteht eine gefährliche Mischung aus Bedrohung, Lähmung und Stress. Wir alle müssen zwar lernen, die Unsicherheit als unvermeidlichen Teil der Gegenwart zu akzeptieren, doch trotzdem kann man seine Ängste besiegen und dabei persönliche Stärke gewinnen.

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Für den richtigen Lebensweg braucht man Orientierung

Warum sich Wahlfreiheit und Optionsvielfalt für viele Menschen überhaupt nicht gut anfühlen, lässt sich in erster Näherung recht einfach sagen. Aber wie das oft so ist bei den vermeintlich einfachen Dingen des Lebens – es wird komplexer, je genauer man es betrachtet. Es ist allerhöchste Zeit, darüber nachzudenken, welchen Gebrauch man von seiner Wahlfreiheit machen soll. Das erfordert eine Umorientierung. Anja Förster und Peter Kreuz erklärten: „Weg von der extrinsischen Ausrichtung „Wie soll ich funktionieren?“ hin zur intrinsischen „Welchen Wert kann uns will ich beitragen?“ Aber dazu müssen wir lernen, mit unserer Wahlfreiheit zurechtzukommen.“ Eine der wichtigsten Fragen überhaupt lautet: „Welcher der vielen Wege ist der richtige für mich?“ Für deren Beantwortung ist eine Sache essentiell: Orientierung. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Jedes Land hat seine eigenen Klassiker

Was „Klassik“ in der Literatur eigentlich ist, lässt sich nicht eindeutig festlegen. Zum einen ist sie verstanden worden als ein von Ausnahmekünstlern, von Genies geschaffenes überzeitliches Kunst- und Lebensideal, als Norm und Vorbild schlechthin, aus entschwundener Vergangenheit leuchtend und in die Zukunft weisend. So etwa begriffen von der Renaissance bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Humanisten das Klassische und hatten dabei als historische Ausformung stets nur einen Kulturraum vor Augen: die Antike – besonders die perikleische Glanzzeit Griechenlands im 5. Jahrhundert v. Chr. und die augusteische Blütezeit Roms um Christi Geburt. Die Tatsache jedoch, dass darüber hinaus die Italiener schon frühzeitig das 15. Jahrhundert (Leonardo da Vinci, Raffael), die Engländer und Spanier das 16. Jahrhundert (Shakespeare, Cervantes), die Franzosen das 17. Jahrhundert (Corneille, Molière, Racine) und schließlich die Deutschen die Goethezeit als die Epoche ihrer Klassik bezeichneten, zeigt ein verändertes Klassikverständnis an, das auch im Zusammenhang mit der Herausbildung moderner Nationalstaaten gesehen werden muss.

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Jeder Mensch stellt eine einzigartige Persönlichkeit dar

Die bedingungslose Ausrichtung des eigenen Leben nach Vorbildern macht erwachsene Menschen zu Marionetten, die leicht zu beeinflussen sind, jedem kontrollierenden Zugriff gehorchen, die aber niemals selbst Verantwortung übernehmen. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Nein, es kann nicht darum gehen, einem Vorbild hinterherzurennen. Es geht darum, glaubwürdig und einzigartig und echt zu sein. Es geht darum, das Vorbild in jedem Einzelnen zu entwickeln.“ Denn jeder Mensch stellt eine einzigartige Persönlichkeit dar. Jeder Mensch darf beanspruchen, in seiner Einzigartigkeit respektiert zu werden. Die Voraussetzung für eine echte Persönlichkeit ist, sich von der ständigen Außenleitung zu lösen und die Verantwortung für das Handeln selbst zu übernehmen. Außerdem sollte man aufhören, anderen um jeden Preis gefallen zu wollen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Der Tod jedes Glücks ist der Vergleich

Das Vorbild definiert einen Sollwert, dem andere Menschen nacheifern. Dazu ist ein Vergleich nötig: Man ist offensichtlich nicht so, wie man sein sollte. Etwas fehlt im Vergleich zum Vorbild. Das Anerkennen des Vorbildlichen ist also eine vergleichende Handlung. Das es Reinhard K. Sprenger vor allem um die Bedingungen geglückten Lebens geht, bietet er diesen Gedanken an: „Der Tod jedes Glücks ist der Vergleich.“ Er weiß zwar, dass das eine gewagte These ist, die aber dennoch einen Moment des Nachdenkens wert ist. Denn ist gibt das interessante Phänomen, dass einerseits die Individualisierung der wohl bedeutendste gesellschaftliche Gegenwartstrend ist. Andererseits gestalten viele Menschen ihren Lebensentwurf über den Vergleich mit anderen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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In der Kunst spielt die Freiheit eine herausragende Rolle

Von vielen Theoretikern der Freiheit unterschätzt, spielen im Prozess der Moderne die Kunst und bei ihr das Prinzip der Freiheit eine herausragende Rolle. Ein Grund für das Unterschätzen liegt für Otfried Höffe auf der Hand: „Die wenigsten Freiheitstheoretiker verfügen über hinreichende Sachkenntnis für die so vielfältige wie vielseitige Kunst, reicht diese doch von der Musik über die bildenden Künste samt Architektur bis zur Dichtung, dem Theater und dem Film.“ Nicht minder vielfältig sind die freiheitstheoretischen Aspekte. Wie die frühe, später die klassische Philosophie Europas spricht auch die älteste europäische Literatur griechisch. Die ältesten Dichtungen des europäischen Kulturraums werden einem gewissen Homer zugesprochen, der die Epen „Ilias“ und „Odyssee“ schuf. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Reinhard K. Sprenger deckt die Schattenseite der Vorbilder auf

Es gibt einen Trick, Menschen vom Steuer ihres Lebensautos auf die Rückbank zu drängen: das Gerede von Vorbildern. Während einerseits von Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Unternehmergeist gefordert werden, heißt es andererseits: „Wir brauchen wieder Vorbilder!“ Reinhard K. Sprenger stellt fest: „Überall werden – häufig mit den besten Absichten – Modelle von Tugend, Moral und Werten öffentlich gefordert und gegen gesellschaftlichen Werteverfall und wirtschaftliche Schieflagen aufgeboten.“ Eine vom Ideal der Vorbilder – gleich welcher Art – geprägte Kultur unterscheidet zwischen denen, die nachahmenswerte Eigenschaften aufweisen, und jenen, die sich diese aneignen sollten. Reinhard K. Sprenger spricht Klartext: „Es gibt offensichtlich viele Menschen, die ein Vorbild zum Nacheifern brauchen oder denen man ein Vorbild meint geben zu müssen.“ Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Albert Camus stellt sich sogar Sisyphos als glücklichen Menschen vor

Eine nüchterne Art der Lebensbejahung vertritt der in Algerien geborene französische Philosoph und Schriftsteller Albert Camus (1913 – 1960). Ludger Pfeil erläutert: „Er will sich sogar Sisyphos, der zum Synonym für den erfolglosen, niemals zum Ende kommenden Arbeiter wurde, als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Die tragische Figur aus der griechischen Mythologie hatte sich dem Tod nicht ergeben wollen und muss zur Strafe für seine lebensverlängernden Tricks, die ihm immerhin einige zusätzliche Jahre beschert hatten, einen riesigen Stein einen Berg hinaufwälzen. Oben angekommen, rollt der Fels dann unvermeidlicherweise wieder hinunter, wo die Plackerei aufs Neue beginnt. Sisyphos wird so die Arbeit bis in alle Ewigkeiten nicht ausgehen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Jede Art von Kommunikation ist auf Normen angewiesen

Nun ist die Existenz von Gefühlsnormen unvermeidlich, wenn Menschen in Gesellschaften zusammenleben. Denn jede Art von Kommunikation ist auf Normen angewiesen. Problematisch wird es allerdings, wenn Menschen sich ihres Vorhandenseins nicht bewusst sind und es zum Konflikt zwischen inneren und äußeren Vorstellungen kommt. Ulrich Schnabel erläutert: „Dann erleben wir uns als emotional zerrissen und leiden darunter, dass Anspruch und Realität unseres Gefühlslebens massiv auseinander klaffen.“ Nirgendwo wird das deutlicher als in der Liebe, die als Herzens- oder Himmelsmacht hochgehalten wird und von Klischees, Vorstellungen und Idealen nur so umstellt sind. Alle Menschen stehen unter dem Einfluss jener Bilder und Geschichten, die das kollektive Gedächtnis dazu gesammelt hat: Romeo und Julia, Aschenputtel und der Märchenprinz, Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in „Casablanca“ … Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Die Scham und die Freiheit bedingen einander

Die Scham, die keinem Menschen fremd sein dürfte, ist ein urmenschliches Gefühl. Wer sich nicht zu schämen vermag, ist keine erwachsene Person, das bemerkte bereits Charles Darwin. Ulrich Greiner erläutert: „Scham bedingt Reflexivität, welche die Abweichung vom Ideal für den Handelnden erst einsichtig macht.“ Im Augenblick der Scham erkennt sich ein Mensch als eine Person, die einen Fehler gemacht hat oder zumindest meint, einen gemacht zu haben, und das Bild, das ihm jetzt entgegentritt, verletzt oder beleidigt jenes Bild, das er von sich selbst hat und er wahren möchte. Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

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Gewalt von Kindern gegenüber ihren Eltern ist ein Tabuthema

Wenn Kinder ihre Eltern schlagen, wird darüber in der Öffentlichkeit meist geschwiegen. Anstatt Hilfe zu suchen, fragen sich die Betroffenen, was sie falsch gemacht haben. Deshalb hört man so selten von Eltern, die von ihren Kindern beschimpft, bedroht oder angegriffen werden. Doch sind diese Fälle gar nicht mal so selten. Experten schätzen, dass in Deutschland rund zehn bis 16 Prozent der Familien Kinder seelische oder körperliche Gewalt gegen ihre Eltern anwenden. Viele schweigen aus Scham, bräuchten in Wirklichkeit aber dringend Hilfe. Eine Anlaufstelle für solche Fälle ist zum Beispiel die Kinder- und Jugendpsychiatrie Passau. Dort wird in Gesprächen mit den betroffenen Familien herausgearbeitet, warum die Patienten zu Aggression neigen. Der leitende Oberarzt Dr. Burkhard Wolff erklärt: „Im Grunde genommen ist das aggressive Verhalten nur ein Symptom“.

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Der Mensch wird am Du zum Ich

Die Liebe macht einen Menschen reifer. Diese Ansicht wird von der Forschung eindrücklich belebt, aber auch die allgemeine Lebenserfahrung legt das nahe. Wer sich auf eine längere Beziehung einlässt, der verändert sich in der Folge tiefgreifend. Christian Thiel betont: „Wer eine Beziehung eingeht, der wird weltoffener, gewissenhafter und selbstbewusster. Schüchternheit und neurotische Verhaltensweisen nehmen ab.“ Diese positiven Veränderungen der Persönlichkeit halten an, auch nachdem eine Partnerschaft zu Ende ist. Die Liebe kann also vergehen, die durch eine Partnerschaft erreichte persönliche Reife aber bleibt erhalten. Auch einzelne Verhaltensweisen und Charakterzüge verändern sich im Laufe einer Beziehung. Diese Veränderung hat in aller Regel eine für die Partner erfreuliche Richtung: Sie werden einander ähnlicher. Christian Thiel arbeitet seit vielen Jahren als Single- und Paarberater.

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Ulrich Schnabel stellt die Norm der Gefühle vor

Die Soziologin Arlie Hochschild hat den Begriff der „Gefühlsnorm“ geprägt. In jeder Kultur gibt es allgemein akzeptierte Vorstellungen vom „richtigen“ oder angemessenen Gefühlsverhalten, denen Menschen unbewusst zu entsprechen suchen. Arlie Hochschild schreibt: „Der Partybesucher bemüht sich nach Kräften um die dem Gastgeber geschuldete Fröhlichkeit, wie der Trauergast um angemessene Gefühle der Trauer beim Begräbnis. Jeder präsentiert seine Gefühle als situationsangemessenen Beitrag zum Gelingen des gemeinsamen Ziels.“ Dabei geht es laut Ulrich Schnabel nicht nur um passende Worte und einen passenden Gesichtsausdruck, sondern auch um möglichst authentisches Fühlen. Denn Menschen haben in der Regel ein sehr feines Gespür für die Echtheit von Gefühlen. Das angemessen Fühlen ist allerdings ungleich schwieriger als die Auswahl des richtigen Anzugs oder das Üben von Beileidsfloskeln. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Gute Freunde halten Körper und Seele gesund

Gute Freunde helfen nicht nur Hindernisse zu meistern, sie halten außerdem gesund. Denn gegen Übergewicht und Bluthochdruck helfen sie offenbar besser als Sport und gesunde Ernährung. Wer kaum freundschaftliche Kontakte pflegt, schläft nicht nur schlechter und ist öfter gestresst. Er hat auch ein höheres Risiko, früher zu sterben. Professor Franz Neyer, Direktor des Instituts für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, erklärt: „Ohne soziale Beziehungen können Menschen überhaupt nicht existieren.“ Was ihn an dieser Tatsache besonders fasziniert, dass der Mensch freiwillig enge Bande zu Fremden knüpft. Das ist der Unterschied zu vielen Tieren, die ohne ihr Rudel kaum überleben könnten. Seit mehr als 20 Jahren untersucht Franz Neyer was Menschen abseits von Verwandtschaft, Sexualität und oberflächlichem Nutzen aneinander bindet.

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Äsop ist das Vorbild für alle Fabeldichter

Die Fabel erlebte im 18. Jahrhundert den Höhepunkt ihrer mehr als zweitausendjährigen Entwicklung. Bereits im 6. Jahrhundert vor Christus schrieb der griechische Sklave Äsop die ersten Fabeln, die Vorbild für alle nachfolgenden Fabeldichter wurden und deren Wirkung bis in die Modere reicht. Schon in ihren Anfängen war die Fabel eine literarische Kampfform. Äsop sah in ihr nach der Aussage von Phädrus, der die äsopischen Fabeln im 1. Jahrhundert nach Christus bearbeitete, „ein passendes Mittel, da auf eine versteckte Weise die Wahrheit zu sagen, wo man nicht wagen durfte, es offen zu tun“. In Deutschland wurden seit dem Mittelalter Fabeln geschrieben. Einen ersten Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die Fabel in der Reformationszeit, wo sie insbesondere von Martin Luther als Mittel in der politisch-religiösen Auseinandersetzung eingesetzt wurde.

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Die Aufklärer geben dem Roman eine neue Bestimmung

Neben dem Drama war der Roman die zweite Gattung, die im 18. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte und mit der Entwicklung des neuen Selbstverständnisses im engen Zusammenhang steht. Ebenso wie das Drama war auch der Roman am Anfang des 18. Jahrhunderts eine verachtete und als minderwertig eingeschätzte Literaturform. Im Gegensatz zum Drama war der Roman jedoch noch nicht einmal als Gattung in der Poetik der damaligen Zeit anerkannt. Das Heldengedicht, das heißt das Epos, das sich auf antike Traditionen berief, galt als einzig legitime Form. Dennoch gab es in der damaligen Zeit eine Vielzahl von Romanen, die vom tradierten Epos abwichen und das Bedürfnis nach Unterhaltung zu befriedigen versuchten. Schwülstige Liebesromane, galante Schäferromane, verwirrende Abenteuerromane und zahlreiche Übersetzungen von spanischen, englischen und französischen Romanen fanden zwar ihre vor allem adlige Leser, von der zeitgenössischen Kritik wurden sie jedoch als „Lugen = Kram“ abgelehnt und mit moralischen Argumenten bekämpft.

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Die Renaissance hat ihren Ursprung in Italien

Die Renaissance war eine neuartige kulturelle Erscheinung, die zahlreiche bis in die Gegenwart nachwirkende künstlerische und wissenschaftliche Impulse hervorbrachte. Die Zeitgenossen bezeichneten sie als „rinascita“, mit einem italienischen Begriff, den die französische und deutsche Geschichtsschreibung im 19. Jahrhundert den inzwischen geläufigeren der „Renaissance“ ersetzten. Beide Begriffe bedeuten „Wiedergeburt“. Die Antike sollte der Renaissance als Vorbild dienen. Die Renaissance hat ihre Ursprünge in Italien, also in einem Land, indem zahlreiche Überreste der römischen Antike vorhanden waren und die Erinnerung an diese gespeist hatten. Die Anfänge der Renaissance werden von der neueren Forschung überwiegend in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vermutet. Nach 1250, dem Todesjahr Kaiser Friedrich II. beziehungsweise nach dem Ende der Stauferzeit mit dem Jahr 1254 entstand in Italien ein politisches Machtvakuum.

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