Die Technik ist ein großer Wachstumsfaktor

Zwei Lager stehen sich bei der Debatte über die Zukunft der Arbeit gegenüber, deren Prognosen gegensätzlicher nicht sein könnten. Richard David Precht erläutert: „Die einen sehen Zeiten der Vollbeschäftigung voraus. Hat nicht der technische Fortschritt immer die Produktivität erhöht und die Anzahl der Arbeitenden?“ Sie können dabei auf den amerikanischen Nobelpreisträger Robert Solow verweisen. Seiner Meinung nach hat der technische Fortschritt stets eine gewaltige Steigerung der Produktivität ermöglicht. Nicht Arbeit und Kapital, sondern vielmehr die Technik sei der entscheidende Wachstumsfaktor. Auf der anderen Seite sagte der britische Ökonom John Maynard Keynes im Jahr 1933 voraus, der Fortschritt in den Industrieländern würde zu einer Massenarbeitslosigkeit führen. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Vertrauen lässt sich nicht erzwingen

Die Frage des Vertrauens ist es, die das aktuelle Geschehen tief durchdringt. Deshalb lautet das Titelthema des neuen Philosophiemagazins 01/2021 auch: „Worauf vertrauen?“ Grundsätzlich lässt sich Vertrauen nicht erzwingen. Es kann nur geschenkt und jederzeit wieder entzogen werden. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt im Editorial: „Wer das Vertrauen eines Menschen missbraucht, läuft Gefahr, es für immer zu verlieren.“ Das Wesen des Vertrauens liegt jedoch darin, dass es keine feste Basis hat. Es ist gerade die Freiheit, die es überhaupt erst ermöglicht und beginnt erst da, wo die eigene Verfügungsgewalt aufhört. Freiheit und Vertrauen bedingen sich also gegenseitig. Worauf vertrauen? In der Antwort offenbart sich, wer man ist und wer man sein will. Denn ohne Vertrauen in die Selbstdisziplin der anderen wären moderne Gesellschaften in ihrer extremen Komplexität undenkbar.

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Die Utopie spielt in der politischen Debatte keine Rolle mehr

Richard David Precht konstatiert, dass aus den politischen Debatten in der westlichen Welt die demokratische Utopie weitgehend verschwunden ist. Schon Karl Marx und Friedrich Engels wehrten sich dagegen, dass ihre Prophetie der Geschichte nur eine Utopie sei; sie verbannten das Wort aus ihrem Wortschatz. Und auch heute steht die Utopie gern als albern und weltfremd im Raum, jedenfalls dann, wenn sie sich nicht auf Technik, sondern auf Gesellschaft bezieht – so als hätte das eine mit dem anderen nichts zu tun. Irrlichternde Phänomene wie die Partei der „Piraten“ in Westeuropa haben noch das Ihre dazu beigetragen. Randvoll mit Selbstwidersprüchen und kindlichen Allmachtsfantasien zerstoben sie schneller als sie gekommen waren. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Alle Menschen sind frei und mit gleichen Rechten geboren

Nach Jahrtausenden der religiösen Dogmatik und des Aberglaubens entwickelten mutige Philosophen ein neues Menschenbild. Alle Menschen sind frei und mit gleichen Rechten geboren, alle sind gleich vor dem Gesetz, und die einzigen Kriterien für Wissen sind Fakten und Rationalität. Philipp Blom ergänzt: „Auf dieser Grundlage können Menschen in Frieden miteinander leben und Fortschritt schaffen, der das Leben aller verbessert. Die Erlangung und Verteidigung der Freiheit ist oberstes Ziel von Individuen und Gesellschaften.“ Dieses neue Denken, dass man als „Aufklärung“ bezeichnete, wurde anfangs bekämpft und unterdrückt, konnte sich aber im Laufe von zwei Jahrhunderten durchsetzen. Nach den Philosophen und der Französischen Revolution kamen die Arbeiterbewegung, die Abschaffung der Sklaverei und danach die Dekolonisierung, die Civil-Rights-Aktivisten in den USA, Feministinnen, die Entkriminalisierung der Homosexualität, die Achtung von Minderheiten als Gradmesser der Zivilisiertheit. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Der Liberalismus brachte Frieden und Wohlstand

Der Liberalismus hat trotz zahlreicher Defizite eine deutlich bessere Bilanz aufzuweisen als jede seiner Alternativen. Yuval Noah Harari stellt fest: „Die meisten Menschen genossen nie mehr Frieden oder Wohlstand als unter der Ägide der liberalen Ordnung des frühen 21. Jahrhunderts.“ Zum ersten Mal in der Geschichte sterben weniger Menschen an Infektionskrankheiten als an Altersschwäche, weniger Menschen sterben an Hunger als an Fettsucht, und durch Gewalt kommen weniger Menschen ums Leben als durch Unfälle. Doch der Liberalismus hat keine offenkundigen Antworten auf die größten Probleme, vor denen die Menschheit steht: den ökologischen Kollaps und die technologische Disruption. Der Liberalismus vertraute traditionell auf das Wirtschaftswachstum, um wie durch Zauberhand schwierige gesellschaftliche und politische Konflikte zu lösen. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Kultur kann auch eine Form des Widerstands sein

Intelligenz ist kein Kriterium für die Beurteilung kultureller Praktiken. Weder ist es intelligent, Bacardi zu trinken, noch besonders dumm, ein Flamenco-Tänzer zu sein. Anders sieht es bei der Ideologie aus. Terry Eagleton erläutert: „Obwohl sie in weiten Teilen plausibel, komplex und theoretisch anspruchsvoll sein kann, macht sich ihre Gegenwart häufig in einem plötzlichen und unerklärlichen Rückgang des intellektuellen Niveaus bemerkbar.“ Das ist der Fall, wenn gescheite, weltkluge Menschen plötzlich mit Äußerungen aufwarten wie „Wer Arbeit will, findet auch welche“ oder „2025 wird es in Großbritannien mehr Muslime als Nicht-Muslime geben“. Man spürt, dass hier Kräfte am Werk sind, die die Vernunft zum Schweigen bringen. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Faulheit wird fast reflexhaft als Gegensatz zur Arbeit bestimmt

Der Band 21 des Philosophicum Lech bietet wie immer einen anregenden Gedankenaustausch über gesellschaftlich fundamentale Fragen der Gegenwart. Der etwas provokante Titel lautete diesmal „Mut zur Faulheit. Die Arbeit und ihr Schicksal.“ Der breite thematische Bogen reicht von der Austreibung des Faulteufels und den Wonnen der Arbeit über ironisch-heitere Zukunftsvisionen einer Mußemaschine bis hin zu kulturellen Widersprüchen des Kapitalismus. Dennoch ist die Arbeit für viele Menschen offenbar die entscheidende Quelle für Wohlstand, Wert und Würde. Konrad Paul Liessmann, dem wissenschaftlichen Leiter des Philosophicum Lech ist es wieder gelungen, eine hochkarätige Referentenschar zu verpflichten. Dazu zählen unter anderem Univ.-Prof. Dr. Stephan Lessenich, Professor am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, den Bestsellerautor Ulrich Schnabel und Univ.-Prof. Dr. Martin Seel, Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Es steht schlecht um den Homo oeconomicus

Zwei unvereinbare Menschenbilder geistern durch die westliche Vorstellung dessen, was eine Gesellschaft ist. Diese Menschenbilder können zu unterschiedlichen politischen Richtungen und Bewegungen führen. Philipp Blom erläutert: „Von diesen beiden – dem Homo oeconomicus und dem irrationalen Herdentier – ist Letzteres historisch wesentlich robuster.“ Die dünne Silhouette des rationalen Menschen zerbrach an der heimtückischen Weigerung der Gesellschaften dieser Welt, nach dem Mauerfall sich der liberalen Demokratie zuzuwenden und sich einem freien Weltmarkt anzuschließen. Historische Feindschaften, hartnäckige Traditionen, brutale Diktatoren, blutrünstige Ideologien, fundamentalistische Religionen und irrationale Impulse, Dummheit, alternative Sichtweisen und kluge Einsicht in lokale Besonderheiten haben in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Modellen und sozialen Visionen geschaffen. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Verliebtsein ähnelt einem Drogentrip

Die meisten Menschen haben das in ihrem Leben schon einmal, oder auch öfters, erlebt: Der Herzschlag ist ständig leicht erhöht. Man fühlt sich leicht fiebrig und braucht wenig Schlaf. Die Welt wirkt über alle Maßen plastisch und greifbar. Man ist leicht konfus, aber auch wieder sehr konzentriert. Matthias Horx löst das Rätsel: „Verliebtsein ähnelt einem Drogentrip. Und genau das ist es auch. Die Droge heißt Dopamin.“ Schon der griechische Philosoph Platon formulierte: „Die Liebe erzeugt eine ähnliche Dringlichkeit wie Durst und Hunger.“ In seinem Buch „Resonanz“ schreibt der Soziologe Hartmut Rosa: „Wer verliebt ist, ist auf eine andere, verwandelte, neue Weise in die Welt gestellt, denn er oder sie verfügt nun übern den „vibrierenden Draht“ zur Welt – in Form des oder der Geliebten, das entscheidende Kriterium einer resonanten Weltbeziehung.“ Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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In Demokratien geht alle politische Gewalt vom Bürger aus

Lange Zeit befasste sich die Politische Philosophie vornehmlich mit sozialen Institutionen und Systemen. Otfriede Höffe ergänzt: „Die Politik erschien dabei als eine Auseinandersetzung mit Interessen und um Macht.“ Vernachlässigt wurden die Subjekte, von denen in Demokratien doch alle politische Gewalt ausgeht. Dieser Vernachlässigung steuert das Thema Bürgeridentität entgegen. Das entscheidende Objekt, den Bürger, darf man allerdings weder auf den Bürger im engeren Sinn, den Staatsbürger, verkürzen, noch bei diesem die Bürgertugenden vergessen. Die Bürgertugenden tragen als Rechtssinn, Gerechtigkeitssinn und Gemeinsinn zum Wohlergehen der Demokratie bei. Deshalb gehören sie zum Kern eines aufgeklärten Liberalismus. Neben dem Staatsbürger, dem Citoyen, dem Bourgeois und dem Gemeinschaftsbürger, gibt es mindestens noch als vierte Person den Kultur- und Bildungsbürger. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Otfried Höffe weist auf die Selbstgefährdung der Freiheit hin

Frei ist, wer sich von Verantwortung und den damit verbundenen Zwängen löst, unfrei, wer das Lösen nicht freiwillig, aus der eigenen Person selbst heraus vornimmt, sondern es von außen aufgezwungen findet. Otfried Höffe erklärt: „Und spätestens dort, wo man von allen Verantwortungen, zusätzlich von allen Bindungen und allen Ressourcen frei wird, verliert die emanzipatorische Freiheit jeden positiven Wert: Wer alles verloren hat, besitzt, weil er nichts mehr zu verlieren hat, fraglos keine beneidenswerte Freiheit.“ Verständlicherweise neigen Menschen, die diesen Radikalverlust erleiden, zur Verzweiflung. Das Gefühl, nichts mehr verlieren zu können, kann die Freiheit allerdings auch steigern. In der Epoche der Aufklärung dominiert die Freiheit im Zuge einer Universalisierung als die mächtige Vision, dass in Zukunft alles reicher, besser, schöner wird. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Der Cyborg ist die Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft

Die westlichen Gesellschaften der Moderne sind von Technik durchdrungen. Das prominenteste Beispiel dafür ist das Internet. Sascha Dickel stellt fest: „ES hat den Cyberspace verlassen und wuchert immer stärker in die materielle Welt hinein.“ Keiner weiß, wohin dieser Prozess der Technisierung führen wird. Jede Aussage über die Zukunft ist grundsätzlich mit dem Makel der Gegenwart behaftet, aus dem sich der Mensch nicht befreien kann. Daher braucht man Metaphern und Bilder, die als Wegweiser in das unbekannte Land des Übermorgen dienen. Ein solcher Wegweiser ist der Cyborg. Er ist der technisierte „Neue Mensch“ par excellence. Er ist eine Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft. Er verbindet visionäre Spekulation und erfahrbare Wirklichkeit. Er verwischt die Grenzen zwischen Mensch und Technik. Dr. Sascha Dickel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Friedrich Schiedel-Stiftungslehrstuhl für Wissenschaftssoziologie an der Technischen Universität München.

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Die Entschleunigung ist für Ralf Konersmann eine Illusion

Stress, Burn-out – fast jeder Mensch weiß, was damit gemeint ist. Vor hundert Jahren sprach man eher von Nervosität schreibt Ralf Konersmann in seinem Buch „Wörterbuch der Unruhe“. Auf die Frage, was sich seit früher verändert hat, antwortet Ralf Konersmann: „Die Nervosität wurde eher als kollektives Schicksal erlebt. Mit Nervosität meinte man eher die Atmosphäre der großen Stadt.“ Das Wort Stress steht mehr für einen Rückzug auf den Einzelnen. Stress wird vor allem als private Herausforderung gesehen, für die jeder seine eigenen Lösungen finden muss. Dieses Denken setzt auch voraus, dass Unruhe als eine Normalität behandelt wird. Die Unruhe der Gegenwart unterscheidet sich allerdings grundlegend von der „inquietas“, wie sie Seneca und andere Stoiker beschreiben. Ralf Konersmann ist Professor für Philosophie an der Universität Kiel.

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Die Demokratie ist nur durch eine prozessuale Definition zu begreifen

Die Globalisierung als chronische Mobilisierung, als Einladung zum Dasein in ständiger Bewegung, erfasst nur einen kleinen Teil der Menschheit, obwohl man den Tourismus als eine Schule des Weltbürgertums im weitesten Sinne auffassen darf. Peter Sloterdijk fügt hinzu: „Darin sind die Deutschen weit fortgeschritten. Für viele Menschen bedeutet das Reisen die Einlösung eines Guthabens an Globalisierungskapital.“ Für die vielen, deren Radius nur wenige Meilen um ihren Wohnort reicht, wie bei zahlreichen Menschen, die Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt haben, ist die kosmopolitische Tendenz furchteinflößend. Sie nehmen an der Res publica, am öffentlichen Raum, und am Weltverkehr fast gar nicht teil. Deshalb hilft es nicht weiter, Wähler populistischer Parteien oder beharrliche Nichtwähler als Idioten – im Gegenteil von Kosmopoliten – zu bezeichnen. Peter Sloterdijk gilt als einer der wirkungsmächtigsten und zugleich heftig umstrittenen Denker Deutschlands.

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Der Markt zählt zu den ältesten gesellschaftlichen Erfindungen

Die Menschheit kennt mehr als nur eine Ordnungsform visionärer Kraft, die sich dem Prinzip Freiheit verpflichtet. Zusätzlich zur dreidimensionalen Kultivierung, also den visionären Kräften von Technik, Medizin und Erziehung, gibt es die konstitutionelle Demokratie. In ihr wird die politisch notwendige Herrschaft von den Betroffenen selbst ausgeübt und dabei an Freiheitsrechte, an negative und positive Freiheiten, gebunden. Otfried Höffe fügt hinzu: „Eine dritte Vision, eine der ältesten gesellschaftlichen Erfindungen, der Markt, erlaubt den Menschen, das für sie notwendige Arbeiten und Wirtschaften sowie jede Form von Wettstreit und Konkurrenz frei und selbstbestimmt, ohne Einschränkung seitens Dritter, vorzunehmen.“ In Bezug auf die Arbeit ergänzt der Markt das Freiheitspotential der Technik. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Friedrich Nietzsche will denkend die Welt umgestalten

Friedrich Nietzsche stellt alles in Frage. Andreas Urs Sommer vertritt in seinem Buch „Nietzsche und die Folgen“ die These, dass ihm im Übergang vom letzten Ernst der ersten Werke zu ausgelassener Heiterkeit in späten Schriften die Lust zu unbedingten Festschreibungen immer mehr abhandenkam. Dennoch scheint er ein Denker zu sein, der zu Vereinseitigungen einlädt. Andreas Urs Sommer arbeitet in seinem Buch heraus, was seinen Lesern heute noch von Friedrich Nietzsches Denken bleibt. Das Buch erschließt, welchen Rollen Friedrich Nietzsche auf so unterschiedlichen Feldern wie der Literatur und der bildenden Kunst oder der Religion und der Politik bis heute spielt. Andreas Urs Sommer lehrt Philosophie an der Universität Freiburg i. B. und leitet die Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

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Der Homo Deus könnte das Ende des Homo sapiens bedeuten

In seinem neuen Buch „Homo Deus – Eine Geschichte von Morgen“ entwirft Yuval Noah Harari ein düsteres Bild des 21. Jahrhunderts, in dem gerade die idealisierten Träume zur technologischen Optimierung der Gesellschaft, an denen in Silicon Valley gearbeitet wird, schließlich zur Erschaffung eines neuen „Übermenschen“ und zum möglichen Ende des Homo sapiens führen. Außerdem behauptet der Autor, dass der Mensch sich im 21. Jahrhundert neuen Zielen zuwenden kann, weil er seine drei größten Feinde in den Griff bekommen hat, nämlich Krieg, Krankheiten und Hunger. Er nennt ein Beispiel: „Zum ersten Mal in der Geschichte sterben mehr Menschen, weil sie zu viel essen, nicht, weil sie zu wenig essen.“ Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Die Wutwähler fühlen sich von den Einwanderern bedroht

Die Wutwähler aller Länder fühlen sich von Einwanderern bedroht im Kampf um die verbliebene Arbeit, ganz im Gegensatz zu den gut ausgebildeten Eliten. Die weiße amerikanische Unterschicht sieht sich von hispanischen Einwanderern bedroht, während die gut Ausgebildeten Zuwanderung oft begrüßen, weil sie dem Wachstum nützt, der Demografie oder dem kulturellen Reichtum einer Gesellschaft. Das Gefühl, von der Politik vergessen worden zu sein, dominiert bei den Wutwählern aller Länder – unabhängig davon, welche Regierung gerade am Ruder ist. David Brooks, Kolumnist bei der New York Times, schreibt: „Wenn Menschen den Eindruck haben, dass ihre Welt verschwindet, werden sie zu einer leichten Beute für faktenfreies magisches Denken und Demagogen, die Einwanderer beschuldigen. Die Eliten haben zu viel gewollt, und nun geht die Geschichte in die entgegengesetzte Richtung.“

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Nur durch die Kultur lässt sich das Dasein ertragen

Der amerikanische Psychologe Sheldon Solomon hat sich fast sein ganzes Berufsleben lang mit der Angst vor dem Tod beschäftigt. Er hat erforscht, wie die Furcht vor dem Tod das menschliche Leben bestimmt. Das Großhirn erlaubt es den Menschen, abstrakt und symbolisch zu denken, aber zugleich ist es auch fähig zu begreifen, dass das Leben der Menschen endlich ist, wie dasjenige aller Lebewesen. Das erzeugt einen tiefen, lähmenden Schrecken. Jeder muss damit leben. Wie das gelingen kann, hat der Kulturanthropologe Ernest Becker beschrieben: „Um die Last des Daseins ertragen zu können, verankern wir uns in einem Glaubenssystem, das wir Kultur nennen. Kultur gibt unserem Leben einen Sinn, sie gibt uns einen Wert – und zwar, indem sie uns eine Vision von Unsterblichkeit liefert.“

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Karl Marx identifizierte sich mit den Arbeitern

Karl Marx war ein Anhänger des „Egalitarismus“: Er vertrat die Meinung, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollten. Aber im kapitalistischen System wurden jene, die Geld besaßen – häufig durch Erbe – immer reicher. Und jene, die nichts als ihre Arbeitskraft zum Verkauf anbieten konnten, führten ein erbärmliches Leben und wurden ausgebeutet. Für Karl Marx stellte sich die Menschheitsgeschichte als ein Kampf zwischen diesen beiden Klassen dar: zwischen den reichen Besitzern von Kapital (dem Bürgertum) und der Klasse der Arbeiter (Proletariat). Nigel Warburton ergänzt: „Dieses „Klassenverhältnis“ hinderte die Menschen daran, ihr Potential voll zu entfalten und verwandelte die Arbeit in etwas Qualvolles statt in eine befriedigende Tätigkeit.“ Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Die neuen Menschen sollen perfekte Wesen sein

Das 19. Philosophicum in Lech am Arlberg wagte unter dem Titel „Neue Menschen! Bilden, optimieren, perfektionieren einen kritischen Blick in die Zukunft. Thematisiert und debattiert wurden die neuesten Fortschritte in der Biomedizin und damit verbunden Visionen, aber auch Bedenken und ethische Fragesellungen. Immer mehr Menschen trainieren und modellieren ihren Körper, sorgen für die richtige Ernährung, nehmen leistungssteigernde Nahrungsergänzungsmittel zu sich und legen sich eine langfristige Anti-Aging-Strategie zurecht. Kleine Defizite und Verfallserscheinungen werden durch die Schönheitschirurgie, größere durch künstliche Implantate und intelligente Prothesen korrigiert. Im Klappentext des Buches „Neue Menschen!“ heißt es weiter: „Das Hirn wird umfassend gefördert, die Seele wird durch Psychopharmaka von allen Irritationen und durch permanente Kontrolle im Gleichgewicht gehalten. Am Ende solcher Optimierungsprozesse steht die Vision eines perfekten, transhumanen Wesens, das reibungslos funktioniert und dem alles Menschliche fremd geworden ist.“

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Die soziale Ungleichheit nimmt weiter zu

Lohndumping ist einer der Faktoren für die steigende Ungleichheit in Deutschland und bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass die Früchte der Produktion immer mehr jenen zugutekommen, die Karl Marx Kapitalisten nannte, und immer weniger jenen, die er als Proletariat bezeichnete und die man heute Prekariat nennt. Thomas Seifert erklärt: „Diese Entwicklung beschleunigt die Dynamik der privaten Kapitalakkumulation, die zwangsläufig zu einer immer stärkeren Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen weniger führt, wie Marx im 19. Jahrhundert annahm.“ Thomas Piketty schreibt in seinem Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“: „Durch die Fortschritte und die Ausbreitung des Wissens konnte die marxistische apokalyptische Vision zwar vermieden werden, aber dadurch hat sich an den Tiefenstrukturen des Kapitals und den Ungleichheiten nichts geändert.“ Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Eine antieuropäische Welle droht Europa zu zerreißen

Europa ist ein Paradies für Propheten des Niedergangs. Heute streitet in Europa eine Generation von orientierungslos, kurzatmig zu zänkisch gewordenen Politikern ums Geld, verheddert sich im Dickicht des europäischen Institutionengeflechts und ist in den komplexen Prozessen der „Brüsseler Blase“ eingeschlossen. Thomas Seifert fügt hinzu: „Dieser „Brüsseler Blase“ ist der real existierenden europäischen Außenwelt entfremdet – … Weiterlesen

Gewohnheitsveränderungen verlangen nach Durchhaltevermögen

Gewohnheiten entwickeln eine Kraft, gewinnen Macht über einen Menschen. Der schottische Philosoph Thomas Reid war der Überzeugung, dass eine Gewohnheit dann vorliegt, wenn sie eine kausale Kraft entfaltet, eine Neigung, einen Menschen in einer gewissen Weise handeln zu lassen, sodass es eine Anstrengung bedürfe, nicht so zu handeln. Clemens Sedmak fügt hinzu: „Wenn wir also eine Gewohnheit verändern wollen, verlangt das nach einer gewissen Anstrengung. Man könnte auch sagen: Ein Handlungsablauf wird dann zur Gewohnheit, wenn es mich anstrengt, anders zu handeln.“ Gewohnheiten bringen einen Menschen dazu, etwas zu tun, auf das er im Augenblick vielleicht gar keine Lust hat. Gewohnheiten sind kraftvoll und hartnäckig, sie weisen eine gewisse Beharrlichkeit auf, zu deren Überwindung Mühen aufzuwenden sind. Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderem eine Professur am Londoner King´s College inne.

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Die Deutschen wollen das lang verpasste Glück suchen

Helfen macht die meisten Menschen glücklich. In einem solchen Fall ist es ein beinahe anarchisches Glück. Eigentlich ist die Bundesrepublik Deutschland ein ziemlich glückliches Land. Es gibt seit sieben Jahrzehnten keinen Krieg und keine Diktatur. Deutschland und seine Bürger sind wohlhabend wie nie. Die Korruption ist auf einem niedrigen Level, das Bildungsniveau ist ganz ordentlich, die meisten Straßen sind in einem guten Zustand und in der Regel kommen auch die Züge pünktlich an. Und dennoch scheint die Hälfte der Bevölkerung gerade das Glück zu suchen: In Yogakursen, in Gruppen zur Selbsterfahrung und beim individuellen Coaching. Oder sie fahnden nach dem Glück auf Reisen in ihr Inneres, in der Wildnis oder in einem Wellnesshotel. Wieder andere hoffen das Glück an der Bar, beim Dating oder wenigstens mit einem Buch auf dem Sofa zu finden.

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