Das mentale Leben ist von Subjektivität geprägt

Häufig wissen andere Menschen, was eine Person denkt und fühlt, weil sie es ihnen sagt. Manchmal tut man das absichtlich, bei anderen Gelegenheiten aber auch mit Minenspiel und Körpersprache. Ludwig Wittgenstein schreibt: „Der menschliche Körper ist das beste Bild der menschlichen Seele.“ David Gelernter fügt hinzu: „Manchmal wissen andere Menschen besser, was wir fühlen, als wir selbst.“ Mit dem Verstand weiß man, wie andere Menschen sich fühlen. Was aber noch wichtiger ist: Man empfindet die Gefühle des anderen, man sympathisiert mit ihm, man hat Mitgefühl. Das Menschen die Gefühle ihrer Mitmenschen spüren können, liegt daran, dass sie selbst fühlende Wesen sind und wissen, wie sie sich fühlen, wenn sie bestimmte Dinge sagen oder auf eine bestimmte Weise blicken. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Matthew B. Crawford widmet sich der Wiedergewinnung des Wirklichen

Die sie umgebende Welt flutet die Menschen mit immer mehr und stärkeren Reizen. Es gibt sie, eine Krise der Aufmerksamkeit. Das geistige Leben wird zunehmend durch äußere Einflüsse manipuliert und fragmentiert. Zugleich wird die eigene Selbstverortung beeinträchtigt, denn viele Menschen eigenen sich die Wirklichkeit oft nur mittelbar an – aus zweiter Hand, über die Medien, nach Vorgaben der Wirtschaft oder des Mainstream. Der Philosoph Matthew B. Crawford fordert, dass sich die Menschen wieder einen direkten Zugang zu ihrer Umgebung erschließen müssen. Denn nur im konzentrierten Gesprächen und Auseinandersetzung mit echten Menschen und konkreten Tätigkeiten wird es den Individuen gelingen, eine wahre Individualität zu entwickeln. Dazu ist es erforderlich im Einklang mit der Welt zu handeln und sie nicht nur zu beobachten. Am Beispiel des Handwerks zeigt Matthew B. Crawford, wie wichtig dabei die konkrete Praxis ist. Denn diese hilft den Menschen dabei, sich in der Welt außerhalb ihres Kopfes zu verankern. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Große Umbrüche führen zu besonderer Erregung

Es entspricht der Logik der Gefühle, dass permanente Vergnügungen sich abnutzen und permanente Entbehrungen ihre Schärfe verlieren. Das gilt auch für die Liebe. So zeigen zum Beispiel Studien, dass die Häufigkeit sexueller Kontakte mit einem Partner umso mehr sinkt, je länger eine Beziehung besteht. Nach einem Jahr Ehe ist die sexuelle Frequenz in der Regel nur noch halb so groß wie im ersten Ehemonat, danach sinkt sie langsamer. Der Gefühlsforscher Aaron Ben-Ze`ev stellt fest: „Das mag man zwar bedauern, aber so funktioniert nun einmal unser emotionales System.“ So sei etwa ein gewisses Maß an Veränderung die Voraussetzung für Glücklichsein. Besondere Erregung spüren Menschen immer bei großen Umbrüchen im Leben. Ulrich Schnabel nennt Beispiele: „Bei einer Hochzeit, der Geburt eines Kindes, bei einem neuen Job, aber auch bei einer Trennung oder Scheidung.“

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Der Selbstmord ist eine furchteinflößende Sache

Unter allen Lebewesen sind nur die Menschen in der Lage, über den Selbstmord nachzudenken und ihn in einer bewussten Entscheidung auszuführen. Daniel Klein ergänzt: „Wenn aber ein Mensch bei Sinnen, bewegungsfähig und einigermaßen findig ist, kann er frei entscheiden, sich selbst zu töten, und es dann auch tun.“ Die meisten Menschen haben diese Möglichkeit allerdings niemals wirklich in Betracht gezogen. Der Verstand sagt ihnen, dass Selbstmord eine Option ist, sich aber nie mit dem Herzen und Kopf auf ihn konzentriert, während sie allein in einem schummrigen Zimmer saßen. Denn der Selbstmord ist eine furchteinflößende Sache. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Emotionen dienen der sozialen Kommunikation

Der Rolle der Gefühle hat als einer der Ersten Antonio Damasio erkannt. Der Neurologe, der fast sein ganzes Forscherleben dem Zusammenspiel zwischen Fühlen und Denken gewidmet hat, belegte, was Philosophen wie David Hume schon im 18. Jahrhundert postuliert hatten: Erst die Emotionen geben dem Verstand eine Richtung und dem Handeln einen Sinn. Ulrich Schnabel fügt hinzu: „Wer keinen Zugang zu seinen Gefühlen hat, dem fällt auch das sogenannte vernünftige Denken enorm schwer.“ Antonio Damasio ist fest davon überzeugt, dass ein Leben ohne Gefühle zwar theoretisch möglich, aber nicht von langer Dauer wäre. So sind Gefühle aus Sicht der Biologie entscheidende Instrument des Überlebens. Sie vermitteln wichtige Informationen, die man oft gar nicht bewusst zur Kenntnis nimmt, die einen aber dennoch leiten und steuern, weil man sie körperlich spürt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Verzeihen bedeutet Verzicht auf Vergeltung und Wiedergutmachung

Verzeihen ist grundlegend für das menschliche Zusammenleben. In ihrem Buch „Verzeihen“ beantwortet die Philosophin Svenja Flaßpöhler unter anderem die Frage, wie Menschen, die schuldig geworden sind, der Spirale aus Schuld und Sühne entkommen können. Außerdem lotet sie mittels philosophischer Gedankengänge die Grenzen des Verzeihbaren aus. Wer verzeiht, beschuldigt nicht länger andere für das eigene Leid, fordert keine Rache oder ein Urteil vor Gericht, sondern lässt die Sache auf sich beruhen. Svenja Flaßpöhler ergründet, indem sie Opfer wie Täter zu Wort kommen lässt, unter welchen Bedingungen ein Schuldenschnitt im moralischen Sinne gelingen kann. Svenja Flaßpöhler schreibt, dass ihr Buch ein Versuch sei, das Verzeihen zu verstehen: „Wer verzeiht, handelt weder gerecht noch ökonomisch, noch logisch. Verzeihen bedeutet dem Wort nach: Verzicht auf Vergeltung. Verzicht auf Wiedergutmachung.“ Svenja Flaßpöhler ist promovierte Philosophin und stellvertretende Chefredakteurin des „Philosophie Magazin“.

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Der Traum ist der Königsweg zum Unbewussten

Sigmund Freud (1856 – 1939) nannte die Träume „den Königsweg zum Unbewussten“ – also eine der besten Möglichkeiten, verborgene Gedanken aufzuspüren. Die Dinge, die Menschen in Träumen sehen oder erleben, sind nicht das, was sie zu sein scheinen. Nigel Warburton erklärt: „Das ist das oberflächliche Traummaterial, aber die wahre Bedeutung des Traums findet man im latenten (verborgenen) Trauminhalt.“ Genau den versuchte der Psychoanalytiker Sigmund Freud zu verstehen. Die Dinge, auf die Menschen im Traum stoßen, sind Symbole. Sie stehen für die Wünsche, die sich im Unbewussten eines Menschen verstecken. Ein Traum, in dem eine Schlange, ein Schirm oder ein Schwert vorkommen, ist sehr häufig ein verdeckter sexueller Traum. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Sigmund Freud entdeckt das Unbewusste

Sigmund Freud (1856 – 1939) war der Entdecker des Unbewussten. Er erkannte, dass vieles von dem, was ein Mensch tut, von versteckten Wünschen motiviert wird, zu denen man keinen direkten Zugang hat. Aber trotzdem beeinflussen sie die menschlichen Handlungen. Nigel Warburton erklärt: „Es gibt Dinge, die wir tun wollen, dies aber nicht erkennen. Diese Wünsche üben großen Einfluss auf unser Leben aus und auf unsere Art und Weise, die Gesellschaft zu organisieren. Sie sind die Quelle der besten und schlimmsten Aspekte der menschlichen Zivilisation.“ Sigmund Freud war verantwortlich für diese Entdeckung, auch wenn sich ähnliche Vorstellungen schon in einigen Schriften von Friedrich Nietzsche finden. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Der Form nach sind alle Vorurteile falsch

Dass die Aufklärung Vorurteile zu entdecken und zu zerstören sucht, ist philosophie- und sozialhistorisch nicht zu bestreiten. Das Vorurteil ist sogar eine ihrer zentralen Kampfideen. Vorurteile werden in materialen Definitionen als falsche Urteile, Meinungen, Stellungnahmen, Thesen, geistige Einstellungen oder Annahmen verstanden. Im deutschen Sprachraum we3rden solche Definitionen, die Vorurteile als Irrtum, als falsches, unwahres Urteil ansehen, in philosophischen Logiken breit tradiert. René Descartes (1596 – 1650) band den Begriff des Vorurteils an die Dauerhaftigkeit von Meinungen, die durch einmal gefällte Urteile glaubhaft bleiben. Diese Urteile und die auf ihnen basierenden Ansichten müssen nicht falsch sein. In der deutschsprachigen Aufklärung entwickelt erstmals Georg Friedrich Meier (1718 – 1777) systematisch einen formalen Vorurteilsbegriff. Vorurteile sind bei Meier vorgefasste Meinungen, ungeprüfte Einstellungen, die nicht unbedingt auch inhaltlich falsch sind.

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Für viele Menschen sind Bilder die Sprache des Denkens

Es gibt zwei Bereiche des Bewusstseins: einen äußeren und einen inneren. Der äußere umfasst Wahrnehmungen der Außenwelt und des eigenen Körpers. Der innere besteht aus Erinnerungen und Gedanken, die sich ein Mensch macht. Natürlich kann man Dinge, an die man sich erinnert oder die man sich ausgedacht hat, im übertragenen Sinn ebenso wahrnehmen und überprüfen wie die Außenwelt. David Gelernter stellt fest: „Für viele Menschen ist visuelles Denken – einschließlich der Erfindung von und den Umgang mit abstrakten Bildern – ausgesprochen wichtig. Aber das visuelle Denken ist kaum erforscht.“ Für viele Menschen sind Bilder die Sprache des Denkens. David Foulkes schreibt: „Träumen ist die bruchlose Fortsetzung unseres wachen reflexiven Vermögens, in Bildern zu denken.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Ulrich Schnabel beschreibt den Zirkel der Freude

Das anfängliche emotionale Leben eines Kindes ist einem ständigen Wechselspiel zwischen Erfahrung und Entwicklung unterworfen. Ulrich Schnabel erläutert: „Zwar ist die nötige genetische Grundausstattung in uns allen angelegt, doch die einzelnen Funktionen müssen erst durch die konkrete Erfahrung aktiviert werden.“ Fehlt eine Rückmeldung von außen, verschalten sich zum Beispiel im Gehirn die einschlägigen Neuronen und Areale nicht richtig, sodass sich die entsprechenden Fähigkeiten sich nicht entwickeln können. Zugleich wird in den ersten Tagen und Wochen der emotionale „Grundton“ gesetzt, der für das Gefühlsleben eines Kindes entscheidend wird. Denn das innere Erleben eines Kleinkindes wird vor allem über die emotionalen Reaktionen seiner Bezugspersonen definiert. Wird es babygerecht angesprochen und angelächelt, erlebt sich das Kind selbst als freudeerzeugendes Wesen, das Liebe hervorruft. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Die Welt existiert als Wille und Vorstellung

Das Leben ist voller Leiden, und es wäre besser, nicht geboren worden zu sein. Nur wenige Menschen haben eine so pessimistische Weltsicht wie Arthur Schopenhauer (1788 – 1860). Seiner Meinung nach sind die Menschen alle in einem Teufelskreis gefangen, in dem sie Dinge wollen, sie bekommen, nur umso gleich wieder neue Dinge zu wollen. Dies setzt sich bis zum Tod fort. Nigel Warburton ergänzt: „Wir sind nie zufrieden, hören nie auf, nach mehr zu verlangen, als wir besitzen. Das ist in der Tat alles sehr deprimierend.“ Aber Arthur Schopenhauers Philosophie ist nicht ganz so düster wie sie klingt. Er dachte, wenn man lediglich das wahre Wesen der Wirklichkeit erkennen würde, käme es zu ganz anderen Verhaltensweisen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Logisches Denken vermeidet unselige Handlungen

Jeden Tag treffen Menschen Entscheidungen, fällen Urteile. Oft sind ihnen die Mechanismen, die dahinterstehen, nicht bewusst – und das ist nicht gut für die Entscheidungen und Urteile. Doch Richard E. Nisbett sorgt für Abhilfe. Der renommierte amerikanische Psychologe hat in seinem neuen Buch „Einfach Denken“ eine Werkzeugkasten für optimales Schlussfolgern zusammengestellt. Die Werkzeuge erlauben Korrekturen von alltagspsychologischen Strategien der Problembewältigung, die Fehleinschätzungen und daraufhin vielleicht unselige Handlungen zur Folge haben. In sechs Abschnitten erläutert er, wie Menschen angemessener über die Welt und sich selbst denken, klügere Entscheidungen treffen, echte Kausalzusammenhänge von falschen unterscheiden und besser logisch schlussfolgern. Mit zahlreichen Beispielen aus dem Alltag zeigt Richard E. Nisbett, wie man erfolgreich Denkfallen vermeiden kann. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Erfindungen fördern die Bewegung der Aufklärung

Die Bewegung der Aufklärung wurde beflügelt durch die großen Erfindungen der Neuzeit wie Buchdruck, Seekompass, Schiffsuhr, Fernglas, Mikroskop und so weiter. Diese Innovationen trugen direkt oder indirekt zur Verbesserung der Erfahrungserkenntnis bei. Entdeckungsreisen erweiterten die Kenntnis der Erde und der auf ihr lebenden Menschen, Tiere und Pflanzen in ungeheurem Ausmaß. Die Weltumsegelungen von James Cook, der von 1728 bis 1779 lebte, bildeten das eindrucksvollste Beispiel. Sein wissenschaftlicher Begleiter Georg Forster schrieb: „In einem gleichen Zeitraum hat niemand je die Grenzen unseres Wissens in gleichem Maße erweitert.“ Mithilfe von Fernrohr und Mikroskop eröffneten sich neue Makro- und Mikrowelten. Die Grenzen dieser Instrumente ließen aber auch ahnen, wie viele Dinge im Universum weiter verborgen bleiben müssen. Eine besondere Leitbildfunktion hatte die wissenschaftliche Revolution des 17. Jahrhunderts.

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Der Liberalismus sollte vom Geist der Aufklärung inspiriert sein

Als Neoliberalismus etikettiert und in Verruf geraten, hat das Denken, dass das Prinzip Freiheit an vorderster Stelle vertritt, der Liberalismus, vielerorts keinen guten Klang. Ein Liberalismus, der Wertschätzung verdient, unterzieht sich laut Otfried Höffe einer Regeneration, für die er Elemente der Aufklärung übernimmt. Dazu gehört eine Erweiterung des Themenspektrums. Die Worterklärung ist für Otfriede Höffe einfach. „Liberalismus“ heißt ein Denken, das die Freiheit als Mittel- und Angelpunkt versteht. Keineswegs auf die Wirtschaft beschränkt, versteht sich der Liberalismus als eine soziale und politische Theorie und Bewegung, die man in erster Annäherung als thematisch dreidimensional charakterisieren kann: Es ist eine Wirtschafts-, eine Gesellschafts- und eine Politiktheorie. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Der Verstand filtert die Wahrnehmung der Welt

Der deutsche Philosoph Immanuel Kant, der von 1724 – 1804 lebte, vertrat die Auffassung, dass alle Menschen die Welt durch einen Filter wahrnehmen. Dieser Filter ist der menschliche Verstand. Er bestimmt, wie Menschen die Dinge wahrnehmen, und verleiht dieser Wahrnehmung ihre Form. Nigel Warburton erklärt: „Alles, was wir wahrnehmen, findet in Zeit und Raum statt, und jede Veränderung hat eine Ursache. Aber laut Kant liegt dies nicht an der Wirklichkeit, wie sie an sich ist, sondern ist eine Leistung unseres Verstands.“ Menschen haben keinen direkten Zugang zur Beschaffenheit der Welt. Sie können den Verstand ja nicht abschalten und die Dinge so sehen, wie sie wirklich sind. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Die Vernunft kennt nicht die Gründe des Herzens

Gefühle verweisen nicht nur auf einschneidende Veränderungen, sie können einen Menschen auch zu ethisch hochstehenden Handlungen motivieren, die jenseits des Horizonts des Verstandes liegen. Blaise Pascal hat das im 17. Jahrhundert auf die berühmte Formel gebracht: „Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt.“ Die Emotionen ermöglichen eine Art von Wirklichkeitserfahrung als es der bewussten Vernunft möglich ist. Ulrich Schnabel erläutert: „Denn das rein analytische Denken bezieht immer nur jene Informationen in sein Kalkül ein, die unserem Bewusstsein zugänglich sind – doch diese liefern lediglich einen begrenzten Ausschnitt der Realität und niemals das vollständige Bild. Die Emotionen sind zwar weniger zielgenau, greifen aber auf ein viel größeres Reservoir an Erfahrung zurück. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Jeder möchte einzigartig und authentisch sein

Im Titelthema des aktuellen Philosophie Magazins 03/2016 wird die Frage beantwortet: „Wer ist mein wahres Selbst?“ Fast jeder möchte echt sein, einzigartig erscheinen und authentisch wirken. Gerade in den Zeiten der digitalen Selbstdarstellung zum Beispiel bei Facebook ist der Übergang von der gekonnten Verstellung in die dauerhafte existenzielle Entfremdung fließend. Auch der Alltag ist bei genauerer Betrachtung eine Abfolge von Situationen, in denen man eine bereits vorbestimmte Rolle möglichst überzeugend zu spielen hat. Die Frage „Wer bin ich wirklich?“ wird durch den tiefen Wunsch hervorgebracht, das eigene Leben selbst zu führen, anstatt geführt zu werden. Der Philosoph Byung-Chul Han kritisiert in seinem Beitrag den „Terror des Andersseins“. Im Kapitalismus wollen sich vielen Menschen von der Masse unterscheiden. Doch gerade die Abgrenzung und der permanente Vergleich führen laut Byung-Chul Han in die Hölle der Konformität.

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Der Weise fürchtet weder die Menschen noch die Götter

Laut Seneca unterscheidet die törichte Habsucht der Menschen zwischen Besitz und Eigentum und zählt den öffentlichen Besitz nicht zum persönlichen Eigentum. Der Weise dagegen betrachtet gerade dies als den ureigensten Besitz, was er mit der gesamten Menschheit gemeinsam hat. Seneca erklärt: „Denn Gemeingut, das in seinen Teilen nicht auch jedem einzelnen gehörte, wäre auch kein richtiges Gemeingut. Gemeinsamkeit stiftet auch das, was nur zum kleinsten Teil Gemeingut ist.“ Da die wahren und wesentlichen Güter seiner Meinung nach nicht so verteilt sind, dass für die einzelnen auch nur ein winziger Bruchteil abfällt, gehört jedem einzelnen das Ganze. Zum Beispiel gehöre Frieden und Freiheit voll und ganz sowohl allen wie jedem einzelnen.

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Für Baruch de Spinoza sind Gott und die Natur identisch

Baruch de Spinoza, der von 1632 bis 1677 lebte, glaubte, dass Gott die Welt ist. Er sprach von Gott oder Natur, um dies deutlich zu machen. Beide Begriffe waren für ihn identisch. Gott ist Natur, und die Natur ist Gott. Nigel Warburton ergänzt: „Später hat man dies Pantheismus genannt, womit ein Glaube gemeint ist, bei dem Gott nicht als eigenes Wesen gedacht wird, sondern alles ist.“ Mit dieser Ansicht handelte sich Baruch de Spinoza eine Menge Ärger ein. Baruch de Spinoza glaubte, dass die Welt und die Rolle des Menschen in dieser Welt einer Logik folgt, die durch die Vernunft offengelegt werden kann. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Georg Ernst Stahl stellt eine Affektentheorie auf

Um das Jahr 1700 herum kommt in die Theorie über die Affekte in wörtlichem Sinne Bewegung. Der Naturforscher und Mediziner Georg Ernst Stahl, der von 1660 bis 1734 lebte, gilt als Erfinder des Panpsychismus oder auch des Vitalismus beziehungsweise des Animismus. Er verstand die Seele als Triebfeder, als inneres bewegendes Prinzip. Alle Lebenserscheinungen seien durch unmittelbares Eingreifen der „anima“ bedingt, die Georg Ernst Stahl von der unsterblichen Psyche trennt. Die Seele baue sich den Körper auf und bediene sich des Kreislaufs. Die verschiedenen Dispositionen des Körpers und seiner Säfte könnten oft Anlass verschiedenartiger Bewegungen des Gemüts sein. Die raschen Effekte würden buchstäblich von Bewegungen begleitet und durch Bewegungen des Herzens charakterisiert. So gibt es um die Jahrhundertwende das Stahlsche System der kontinuierlichen Bewegung im Körper und das Leibniz’sche System der Darstellungsbewegungen im Vorstellen von Welt.

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Das Gefühl der Sorge unterhöhlt den Mut

Manchmal, aber nur wenn es niemand hört, kann es hilfreich sein, sich die eigene Feigheit einzugestehen. Uwe Böschemeyer gibt zwar zu: „Ein solches Eingeständnis schmerzt die Seele wie Jod die Wunde des Körpers. Dann aber, wenn man sich des ganzen Ausmaßes seiner Feigheit bewusst geworden ist, kommt Empörung über sich selbst auf. Diese kann stark genug sein, dass man sich aufzurichten beginnt und tut, worum es gehen sollte.“ Wer der eigenen Feigheit ins Auge sieht und ein gesundes Maß an Scham zulässt, verschafft dem Mut den Raum, den er braucht, um Großes erreichen zu können. Im Jahr 1975 erwarb Uwe Böschemeyer bei Prof. Viktor Frankl sein Zertifikat in Logotherapie und Existenzanalyse. 1982 gründete er das Institut für Logotherapie in Hamburg. Die Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Wertimagination und die Wertorientierte Persönlichkeitsbildung.

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Disziplin bringt Qualität und Freude in das menschliche Leben

Die Kunst des Lebens besteht für Andreas Salcher in der Verbindung von zwei Welten: der Welt in der man lebt, mit jener, nach der man sehnt. Die regelmäßige Arbeit an sich selbst funktioniert seiner Meinung nach vor allem dann, wenn ein Mensch sie mit etwas verbinden kann, dass er gerne tut. Die drei Dimensionen der persönlichen Weiterentwicklung lauten: Verstand, Spiritualität und sozialer Mechanismus. Andreas Salcher fügt hinzu: „Die erste und zweite Kategorie bieten einen reich gedeckten Gabentisch, von dem wir nur auswählen müssen, was wir zum besten Zeitpunkt in unseren Tagesablauf integrieren.“ Dr. Andreas Salcher ist Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule und initiierte die Waldzell Meetings im Stift Melk. Er ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs. Sein aktuelles Buch heißt: „Erkenne dich selbst und erschrick nicht.“

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Beobachtungen sind immer Interpretationen

Im „Versuch über den menschlichen Verstand“ schreibt der englische Philosoph John Locke, der von 1632 bis 1704 lebte, folgendes: „Niemand kann im Ernst so skeptisch sein, dass er über die Existenz der Dinge, die er sieht und fühlt, ungewiss wäre.“ John Locke war der erste große Vertreter des empirischen Denkens. Er vertritt die These, dass sich etwas Reales aus unterschiedenen und mit hin unterscheidbaren Elementen zusammengesetzt ist. Diese Annahme wird später von Ludwig Wittgenstein zum Begriff der Tatsache verallgemeinert. Seiner Meinung nach ist die Tatsache das Bestehen von Sachverhalten und der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen wie Sachen oder Dingen. Ludwig Wittgenstein schreibt: „Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.“ Mit dem Begriff der Tatsache ist der Ausgangspunkt einer Tätigkeit gesetzt, die seit Aristoteles Induktion heißt, ein Denkweg vom Einzelnen zum Allgemeinen, aus dem Geschehen in eine Distanz hinein.

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Das Verhalten wird vom emotionalen Umfeld bestimmt

Fast jeder Mensch lächelt unwillkürlich, wenn er von jemanden angelächelt wird. Schlechte Laune dagegen erfasst eine Person, wenn ihr ein mürrischer Blick begegnet. Diese sogenannte „emotionale Ansteckung“ haben Wissenschaftler in vielen Situationen nachgewiesen. In seinem neuen Buch „Was kostet ein Lächeln?“ beschreibt Ulrich Schnabel wie das menschliche Verhalten hauptsächlich vom emotionalen Umfeld bestimmt wird. Umso wichtiger ist der intelligente Umgang mit den Kräften der Emotionen, die jeden Tag an einem Menschen zerren und ziehen. Ulrich Schnabel erklärt: „Denn zum einen sind unsere Gefühle wichtige Navigationsinstrumente, mit deren Hilfe wir durchs Leben steuern. Zum anderen sind sie in der modernen Mediengesellschaft auch das Ziel massiver Interessen.“ Wer immer einem anderen etwas verkaufen möchte, spricht primär die Gefühle an, appelliert an den Wunsch nach Liebe und Zugehörigkeit oder an die Wut beziehungsweise Ängste. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „ZEIT“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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