Vor der Vergebung steht die Mäßigung des Zorns

Laut Charles Griswold ist Vergebung ein Prozess zwischen zwei Menschen, der eine Mäßigung des Zorns und das Aufgeben von Racheplänen umfasst. Aussicht auf Vergebung hat demnach nur, wer anerkennt, dass er der verantwortliche Täter war, sich von seinen Taten und von sich selbst als ihrem Urheber distanziert, dem oder der Verletzten gegenüber sein Bedauern ausdrückt, dass er ihr oder ihm diese Verletzung zugefügt hat und sich verpflichtet, jemand zu werden, der keine Verletzungen mehr zufügt, und diese Verpflichtung durch Taten und Worte unter Beweis stellt. Außerdem sollte er zeigen, dass er den durch die Verletzung zugefügten Schaden aus der Perspektive der verletzten Person versteht und glaubwürdig machen können, was ihn zudem Unrecht veranlasst hat, inwiefern sein Fehlerverhalten nicht alles über seine Person aussagt und was er unternimmt, um sich der Gewährung der Vergebung als würdig zu erweisen.

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Bei guten Entscheidungen geht es um die bestmögliche Lösung

Wer gute Entscheidungen treffen will, muss sich von der Idee verabschieden, dass dies eine einsame Angelegenheit ist. Dennoch ist diese Idee immer noch insbesondere in Unternehmerkreisen weit verbreitet. Der Hirnforscher Ernst Pöppel ist davon überzeugt, dass Entscheidungen nur dann als gut empfunden werden, wenn die emotionalen Aspekte und Facetten beim Abwägen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mit einbezogen werden. Ina Schmidt erklärt: „Bei jeder guten Entscheidung geht es darum, den Rahmen des Möglichen einzubeziehen: Welche Gründe führen zu meiner Entscheidung, wer ist an meiner Entscheidung beteiligt, in welcher Situation befinde ich mich, und welche Konsequenzen erwarte ich von meiner Entscheidung?“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Der Gebildete scheint aus der Zeit gefallen zu sein

Alle reden von Bildung. Nur mit ihr lässt sich in rohstoffarmen Ländern wie Deutschland und Österreich der Wohlstand von heute auch in Zukunft erhalten. Während das Schlagwort Bildung jeden Tag in vielen Medien an vorderster Stelle steht, ist der Gebildete, das eigentliche Ziel aller Bildungsanstrengungen, nicht nur aus dem Wortschatz verschwunden. Es scheint sogar so, als hätte sich jeder ernsthafte Bildungsanspruch zu einem Ärgernis entwickelt. Die Gründe dafür nennt Konrad Paul Liessmann in seinem neuen Buch „Bildung als Provokation“. Um zu fundierten Ergebnissen zu gelangen, hat er die Parteienlandschaft und soziale Netzwerke untersucht. Außerdem geht er der Frage nach, warum es für viele Menschen so unangenehm ist, gebildeten Personen zu begegnen. Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien.

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Traumatisierungen entstehen durch emotional nicht anwesende Eltern

Eine Gruppentherapie hilft vor allem bei Angsterkrankungen, sozialer Phobie, Schizophrenie und Persönlichkeitsstörungen, so eine Analyse der Universität Jena. Sie ist nicht nur wirksam in mancherlei Fällen, sondern auch kostengünstiger im Vergleich zu Einzeltherapien. Und sie hilft mehreren Menschen gleichzeitig – in Zeiten von knappen Therapieplätzen ist die Gruppentherapie unter Umständen eine sinnvolle Alternative. Bei zugelassenen Therapeuten übernehmen die Kassen die Kosten grundsätzlich genauso wie für die Einzeltherapie. Alle Menschen brauchen eine Verbindung zu anderen Menschen. Ohne sie kann man nicht leben. Aber viele haben damit Probleme wie beispielsweise Beziehungen zu führen, in Kontakt mit anderen zu treten – das fällt ihnen schwer. Oder sie haben nie gelernt, sich selbst wahrzunehmen. Etwa zu fühlen, wie sich Wut von Trauer unterscheidet. Sie haben vielleicht nie gelernt, Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken. Sie haben nie erfahren, wie wichtig diese sind.

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Selbstbezogenheit führt zu Selbstsucht und Stolz

Die Selbstbezogenheit eines Menschen führt ihn in mehrere unerfreuliche Richtungen. David Brooks erläutert: „Sie führt zu Selbstsucht, dem Verlangen, andere Menschen als Mittel einzusetzen, um sich Dinge zu verschaffen. Sie führt auch zu Stolz, dem Wunsch, sich allen anderen überlegen zu fühlen. Sie führt zu der Fähigkeit, die eigenen Unzulänglichkeiten zu ignorieren und zu rationalisieren und die eigenen Vorzüge zu überhöhen.“ Im Verlauf ihres Lebens vergleichen sich diese Menschen in einem fort mit anderen und fühlen sich ihnen durchweg leicht überlegen. Sie glauben, sie wären tugendhafter, hätten ein besseres Urteilsvermögen und einen besseren Geschmack. Sie streben unentwegt nach Bestätigung. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Selbstmitgefühl bietet Trost und Unterstützung

Wenn es einem Menschen schlechtgeht, ist es hilfreich, das eigene Leid zunächst zu sortieren und richtig wahrzunehmen. Leider haben aber viele Menschen nicht gelernt oder wieder verlernt, zu erspüren, warum es ihnen nicht gutgeht und was ihnen möglicherweise fehlt. Werner Bartens nennt ein Beispiel: „Sie erkennen dann beispielsweise nicht, dass ein Großteil ihres Unbehagens damit zusammenhängt, dass sie sich permanent selbst fertigmachen, weil sie den eigenen, viel zu hoch gesetzten Ansprüchen nicht genügen und diesen Kampf nur verlieren können.“ Es gibt inzwischen eine Reihe von Übungen und Meditationspraktiken, die dabei helfen, das verschüttete Selbst wieder freizulegen. Wer das hinbekommt und Selbstmitgefühl entwickelt, blendet schmerzhafte Einsichten und Emotionen zwar nicht aus, schützt sich aber davor, sich mit den negativen Grübeleien und Vorwürfen über alle Maßen zu identifizieren. Werner Bartens ist Autor von Bestsellern wie „Das Ärztehasser-Buch“, „Körperglück“ und „Was Paare zusammenhält“.

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Rudolf Eucken vergleicht die Aufstiege und Abstiege des Lebens

Jede Lebensgestaltung muss sich am Dasein des Menschen erproben. Sie tut dies, indem sie dem Einzelleben eine spannende Aufgabe stellt, ihm einen inneren Zusammenhang gibt, es den Widersprüchen entreißt, die es zu zerstören drohen. Diese Widersprüche wurzeln laut Rudolf Eucken vornehmlich darin, dass der Mensch als denkendes Wesen über die bloße Natur hinauswächst und bei ihr kein Genüge mehr findet. Der Durchschnitt seines Daseins zeigt die geistige Tätigkeit allerdings nicht stark genug, um ein neues Leben hervorzubringen. Rudolf Eucken, der im Jahr 1908 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, schreibt: „So schwebt der Mensch in unsicherer Mitte, und da die Versuche einer Hilfe sich bald als unzulänglich erweisen, so endet das ganze schließlich in trüber Resignation; das Leben erscheint, um mit Schopenhauer zu reden, als ein Geschäft, das seine Kosten nicht deckt.“

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Tomáš Sedláček erwartet keine Veränderungen im Finanzsystem

Tomáš Sedláček ist als Banker ein Teil der dominierenden Machtstrukturen der Finanzmärkte. Auf die Frage, ob man dieses System eher von innen oder von außen verändern könne, antwortet der Ökonom, dass es besser sei als Kritiker innerhalb des Systems zu leben. Tomáš Sedláček erklärt: „Meine Kritik zielt in erster Linie auf mich selbst, sodann auf die Institutionen, für die ich arbeite, und schließlich auf unsere Zivilisation und ihre Werte.“ Veränderungen am Finanzsystem sind seiner Meinung nach schwierig, weil die Geschichte lehrt, dass grundsätzliche Veränderungen dessen, woran die Menschen glaubten, jedes Mal zum Problem wurden. Den Glauben an etwas aufzugeben, ist extrem schwer, wobei die Ökonomie ein Glaube ist wie jeder andere. Tomáš Sedláček lehrt an der Karls-Universität in Prag, ist Chefökonom der größten tschechischen Bank und Mitglied des Prager Nationalen Wirtschaftsrats.

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Henri Lefebvre stellt den griechischen Denker Sokrates vor

Im Lauf ihrer Geschichte haben die Griechen in der Antike nicht wenige philosophische und politische Projekte erprobt. So gründeten sie zum Beispiel die Polis und wagten sich an die Schaffung eines Staatsgebildes. Außerdem erprobten sie äußerst unterschiedliche Verhältnisse von Theorie und Praxis, einschließlich der Rhetorik, der Sophistik und der Dialektik, in der Praxis. Philosophische Probleme versuchten die griechischen Denker mit der spekulativen, logischen und ontologischen Methode zu lösen. Zudem haben sie die Umrisse des Systems an sich entworfen, die Lehre vom Sein. Henri Lefebvre schränkt ein: „Sokrates allerdings konfrontiert lieber die Lehrsätze, als dass er ihnen beipflichtete oder dagegen argumentierte.“ Er ist weder ein Anhänger der unwandelbaren Ontologie des Parmenides noch der dialektischen Philosophieauffassung eines Heraklit.  

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Das Unbewusste prägt den Lebensweg mehr als die Rationalität

An zwei fiktiven Charakteren, Harold und Erica, zeigt David Brooks in seinem Buch „Das soziale Tier“, was die Wissenschaft heute über die menschliche Natur weiß und wie sich das Menschenbild in den vergangenen drei Jahrzehnten grundlegend geändert hat. Anhand der neuesten Erkenntnisse der Psychologie, Neurowissenschaft, Verhaltensforschung und Biologie erklärt der Autor wie stark der Lebensweg eines Menschen von seinen Intuitionen, Gefühlen, Beziehungen, Veranlagung und Verlangen geprägt ist. Der Mensch ist in erster Linie nicht das Produkt seiner bewussten Denkprozesse, sondern vielmehr weitgehend von seinen unbewussten Gedanken gesteuert. Die unbewussten Teile bilden den Hauptteil der Psyche, hier finden die meisten Entscheidungen und eindrucksvollsten Denkvorgänge statt. Deshalb lautet die Hauptthese von David Brooks: der Mensch ist kein rationales Individuum, sondern ein soziales Tier.

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Paul Nizon wird immer noch als Geheimtipp gehandelt

Zu den Bewunderern des Schweizer Schriftstellers Paul Nizon zählten unter anderem Max Frisch, Elias Canetti und Frédéric Beigbeder, der ihn als einen der wichtigsten Autoren der Gegenwart bezeichnete. Paul Nizon war der erste deutsch schreibende Schriftsteller, der seine Figuren neben einem Herz und einem Hirn auch mit einer Sexualität ausstattete. Paul Nizon sagt: „Ich habe den Sexus in die deutsche Literatur eingeführt.“ Seine eigenen Beziehungen mit dem weiblichen Geschlecht sind seiner Meinung nach vor allem deswegen alle gescheitert, weil er zu sehr mit dem verdammten Schreiben liiert ist. Erst kürzlich hat er seine Tagebücher aus den Jahren 2000 bis 2010 veröffentlicht, die den Titel „Urkundenfälschung“ tragen.

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Thomas Rietzschel sieht überall Dilettanten am Werk

Der Kulturgeschichtler und Autor Thomas Rietzschel schreibt in seinem neuen Buch „Die Stunde der Dilettanten“ folgendes: „Je weniger wir Herr der Dinge sind, desto mehr haben wir gelernt, den Anschein zu erwecken.“  Er geißelt darin, dass in der Politik, der Finanzbranche und im Showgeschäft an die Stelle des Könnens die des Wollens getreten ist. Der Dilettantismus breitet sich in Deutschland wie ein Krake aus. Doch Thomas Rietzschel spricht die Normalbürger dabei nicht frei von Schuld, da sie selbst all zu oft nur Dilettanten sind, die sich nur allzu gerner verschaukeln lassen. Thomas Rietzschel studierte Germanistik, Geschichte und Psychologie in Leipzig und ist Herausgeber mehrerer Bücher zur Kulturgeschichte der Moderne.

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Julian Barnes hinterfragt die Relevanz von Erinnerungen

Julian Barnes beschreibt in seinem Roman „Vom Ende einer Geschichte“ die Erinnerungen Tony Websters, die in den 60er-Jahren in einer Schule im Zentrum von London ihren Ausgangspunkt beginnen. Der pensionierte Tony Webster erinnert sich an seine Schulfreunde Adrian, Tony, Colin und Alex, mit denen er eine Viererbande bildete. Die Jungs waren hungrig nach Büchern, nach Sex, orientiert an den Maximen der Leistung, aber auch kleine Anarchisten. Während Tony in Bristol Geschichte studiert, wird Veronica Mary Elizabeth Ford für zwei Studienjahre seine Freundin. Auf die beiden trifft wahrscheinlich die Vermutung zu, dass es Menschen gibt, die füreinander geschaffen sind, aber dies nicht wissen. Darum müssen sie in der Folge ihres Lebens viel Leid ertragen.

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Aristoteles

Der Philosoph Aristoteles wird 384 vor Christus in Stageira (Starro), einer kleinen Stadt im Nordosten Griechenlands, geboren. Aristoteles ist der Sohn eines mazedonischen Hofarztes namens Nikomachos und erhält eine ausgezeichnete Ausbildung. Im Jahr 367 kommt er nach Athen, um beim Rhetor Isokrates und besonders bei Platon zu studieren. 20 Jahre lernt er in dessen Akademie, dem internationalen Treffpunkt von Wissenschaftlern und Philosophen der damaligen Zeit. Hier lernt er nicht nur die Schriften Platons und Sokrates, sondern auch die Werke der Sophisten, der Vorsokratiker und der Mediziner kennen. Selbst mit altgriechischer Lyrik, Epik und Dramatik macht sich Aristoteles vertraut.

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