Traditionelle Tugenden sind nicht mehr zeitgemäß

Die vier alten Tugenden Tapferkeit, Klugheit, Gerechtigkeit und Mäßigung ragen aus der Antike in die Gegenwart. Die Dreiheit aus Glaube, Liebe, Hoffnung war lange die gültige christliche Ergänzung der griechisch-römischen Tugenden. Reimer Gronemeyer fügt hinzu: „Diese Klassiker wurden in der Industriegesellschaft noch durch Fleiß, Gehorsam, Sparsamkeit ergänzt.“ Die besagten Tugenden und Werte konnten in einem Milieu gedeihen, das gegenwärtig zerfällt: Familie, Nachbarschaft, Kommune, Vereine und Kirchen. Jenes Milieu bot den gesellschaftlichen Zusammenhang, es stellte sozusagen die Bausteine. Aber was bringt die Zukunft? Nur noch Menschen, die sich selbst vermessen und optimieren? Aus der Unternehmensberatung wird zum Beispiel von einem neuen „Werkzeug“ berichtet, das Personalentscheidungen auf eine sichere Basis stellen soll: Das Tool „Precire“ analysiert Sprachproben eines Menschen. Reimer Gronemeyer ist seit 1975 Professor für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, wo er 2018 zum Ehrensenator ernannt wurde.

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Ohne Glauben gibt es für Alain keine Hoffnung

Ein Mensch, der sich etwas vornimmt, aber schon bei der Planung am Gelingen zweifelt, hat kein Selbstvertrauen. Für den französischen Philosophen Alain, der von 1868 bis 1951 lebte, fürchtet ein solcher Mensch immer drei Dinge in einem: Die anderen Menschen, die äußere Notwendigkeit und sich selbst. Es ist offensichtlich nicht sehr klug, etwas unternehmen zu wollen, das man sich nicht zutraut. Alain sagt: „Wollen, ohne zu glauben, dass man zu wollen weiß, ohne bei sich einen Schwur zu tun, das ist kein Wollen.“ Auf der anderen Seite ist es auch nicht sicher, dass sich Wege auftun werden, wenn ein Mensch einen festen Glauben hat, aber es ist sicher, dass alle Wege versperrt sein werden, wenn man nicht zunächst den festen Glauben hat.

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Die drei spezifischen Merkmale der Bürgergesellschaft

Der Bürgerstatus markiert für Ralf Dahrendorf eine tief greifende Veränderung der sozialen Dinge, auch wohl einen bemerkenswerten Fortschritt im Sinne der Erweiterung der menschlichen Optionen. Als solcher begründet er allerdings noch nicht die Art von Gesellschaft, in der die Freiheit verankert ist. Ralf Dahrendorf schreibt: „Er ist ein Element der Bürgergesellschaft, doch verlangt diese andere, subtilere Bedingungen.“ Bei der Bürgergesellschaft geht es um das schöpferische Chaos der vielen, vor dem Zugriff des Staates geschützten Organisationen und Institutionen. Die Bürgergesellschaft als Medium der Freiheit hat für Ralf Dahrendorf drei spezifische Merkmale.

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Sekundärtugenden halten die Gesellschaft zusammen

Alle gesellschaftlichen Strukturen sind laut Immanuel Kant auf eine Ordnung angewiesen, die nach Regeln funktioniert. Die Bedeutung dieser Regeln wird erst sichtbar, wenn in einem Staat beispielsweise das Gerichtswesen nicht mehr funktioniert und die Gesellschaft im Chaos versinkt. Unordnung erzeugt Anarchie und Konfusion, die bis zur individuellen und kollektiven Hölle führen kann. Die postmodernen westlichen Gesellschaften haben diese Gefahr erkannt und haben Verfassungen und Rechtsordnungen geschaffen, die auf den Leistungen des erkennenden und gemäß seinem freien Willen handelnden Bürger aufbauen.

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Der radikal kritische Denker Ernst Tugendhat

Ernst Tugendhats Vorlesungen zur „Einführung in die sprachanalytische Philosophie“ von 1976 waren ein fundamentaler und wichtiger Einschnitt in die Geschichte der deutschen Philosophie nach dem Zweiten Weltkrieg. Ernst Tugendhat führte seinen Studenten vor, dass die analytische Philosophie über wirkungsvolle Instrumente verfügt, die in die Irre führende Vergegenständlichung von Bedeutungen zu berichtigen. Als philosophische Bedeutungs- und Wahrheitstheorie war sie außerdem in der Lage, die Wissenschaft vom Sein des Seienden, die Ontologie, die auf Aristoteles zurückgeht, kritisch fortzuführen.

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Friedrich Nietzsche: "Also sprach Zarathustra"

Das Werk „Also sprach Zarathustra“ ist eher die Schöpfung eines Dichters als eines Philosophen. Der berühmte deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche erschafft in der Figur des Zarathustras eine mächtige Traumgestalt, die den Menschen den Weg in eine neue Zukunft weisen soll. Der weise Zarathustra hat Zuflucht in der Einsamkeit auf den höchsten Bergen gesucht. Dort unterhält er sich mit der Sonne und seinen Tieren. Eines Tages steigt er in die verlorene Welt der Mittelmäßigkeit hinab, um die Einsichten, die er bei der Zwiesprache mit der Sonne und seinen Tieren gewonnen hat, unter den Menschen zu verbreiten. Friedrich Nietzsche schreibt, dass nur diese in der Einsamkeit gewonnenen Weisheiten, den in seiner Betriebsamkeit gefangenen Menschen, retten können.

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