Das Böse ist das Fremde und radikal Andere

Das Böse. Dunkel, geheimnisvoll, furchteinflößend. Als das Unfassbare schlechthin, das menschliches Vertrauen in die Welt erschüttert, reizt es zu Dämonisierungen – und auch zu Projektionen. Das Böse ist das Fremde. Das radikal Andere. Ob Heimtücke, Falschheit oder Hinterlist, ob Missbrauch, Amoklauf oder Terrorismus: Den gesunden Menschenverstand übersteigend verursacht die böse Tat Abscheu, Angst und ein tiefes Schutzbedürfnis. Svenja Flaßpöhler fügt hinzu: „Das Böse muss bekämpft werden. Überwacht, weggesperrt, ausgeschlossen – gar ausgerottet.“ Aber könnte es nicht sein, dass das Böse gar nicht von außen kommt, verschlagen und verführerisch in Häuser und Herzen drängt – sondern vielmehr uranfänglich in uns selbst lebt? Tatsächlich zeigt sich ja gerade im Schlaf, wie ungeheuerlich die Phantasien eines Menschen sein können. Dr. Svenja Flaßpöhler ist Stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins.

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Die Nähe hüllt sich ständig in ein neues Gewand

Der Hirnforscher und Molekularbiologe Giovanni Frazzetto vermittelt in seinem neuen Buch „Nähe“ die aktuellsten Erkenntnisse der Neurobiologie über die Liebe, Partnerschaft, Freundschaft und Familie. Er beantwortet dabei unter anderem folgende Fragen: Warum betrügen wir unsere Partner, obwohl wir sie lieben? Weshalb fühlen wir uns häufig von Menschen angezogen, die sich überhaupt nicht binden wollen? Und welche Auswirkung kann Einsamkeit auf den Körper eines Menschen haben? Giovanni Frazzetto erklärt, wie das komplexe Zusammenspiel von Körper und Geist funktioniert, das Nähe zwischen Menschen erst ermöglicht. In acht „Liebesgeschichten“ beschreibt der Autor, wie Menschen versuchen, einander näherzukommen und welche Rolle Hormone, Gene und soziale Normen dabei spielen. Der Hauptdarsteller seines Buchs ist die Nähe, nach der sich fast jeder Mensch sehnt. Denn Einsamkeit kann töten, während das Zusammenleben mit einem geliebten Menschen euphorische Gefühle erzeugt.

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Das Sicherheitsgefühl der Deutschen ist stark angeschlagen

Der islamistische Terror ist auch in Deutschland angekommen – nicht nur örtlich und politisch, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Seit dem Sommer 2016 vergeht kaum eine Woche ohne Nachrichten über aktuelle Terroranschläge oder Terrorwarnungen, auch in Deutschland. Die anhaltende Bedrohung hinterlässt Spuren bei der Bevölkerung. Jens Gnisa erklärt: „Das Sicherheitsgefühl der Deutschen ist stark angeschlagen. Die Furcht vor islamischem Terror steigt nach einer Erhebung im Roland Rechtsreport (2017) stetig.“ Das ist nicht nur irgendeine abstrakte Einschätzung. Die Menschen beziehen die Gefahr auf sich persönlich und fühlen sich unmittelbar bedroht. Das beeinflusst auch ihr Verhalten: 45 Prozent sind in größeren Menschenansammlungen verunsichert. Jens Gnisa fordert, dass dies nicht so bleiben darf. Denn dann ginge die perfide Strategie der Terroristen auf, deren Ziel die Einschüchterung der Bevölkerung ist. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

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Blaise Pascal hat die Philosophiegeschichte nachhaltig beeinflusst

Blaise Pascals „Gedanken“ liegen nun im Marix Verlag vollständig in einer neuen präzisen Übersetzung von Bruno Kern vor. Die Fragmente aus dem Nachlass von Blaise Pascal wurden zu Themen gegliedert, die der heutigen Zeit entsprechen. Zudem erleichtern eine ausführliche Einleitung und zahlreiche Fußnoten die Orientierung und das Verständnis des Textes. Blaise Pascals Gedanken, die die Geistesgeschichte erschüttert haben, sind auch in der heutigen Zeit noch aktuell. Der französische Philosoph, Mathematiker, Physiker und Literat hat äußerst scharf über die menschliche Existenz nachgedacht und mit seinen „Pensées“ die Philosophiegeschichte und darin vor allem die Existenzphilosophie nachhaltig beeinflusst. Dem Rationalismus seiner Zeit antwortet er mit seinem „esprit de finesse“ und seiner „Logik des Herzens“. Der Übersetzer und Herausgeber Bruno Kern lebt in Mainz und arbeitet als selbstständiger Lektor, Übersetzer und Autor.

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Die Quelle der Leidenschaften ist die Selbstliebe

Die Leidenschaften sind die Hauptwerkzeuge zur Selbsterhaltung eines Menschen. Sie zerstören zu wollen wäre ebenso vergeblich wie lächerlich, denn das hieße die menschliche Natur kontrollieren zu wollen. Darum hält Jean-Jacques Rousseau jemanden, der verhindern möchte, dass Leidenschaften überhaupt aufkommen, für nahezu ebenso töricht wie den, der sie gänzlich zerstören möchte. Die Quelle der Leidenschaften, die man bei sich selbst und bei anderen feststellt, ist natürlichen Ursprungs. Jean-Jacques Rousseau schreibt: „Unsere natürlichen Leidenschaften sind sehr begrenzt; sie sind die Werkzeuge unserer Freiheit und dienen zu unsrer Selbsterhaltung. Alle jene, die uns unterjochen und zerstören, kommen von außen. Die Natur gibt sie uns nicht, wir eignen sie uns ihrer ungeachtet an.“ Die Quelle der Leidenschaften, Ursprung und Prinzip aller anderen, die einzige die mit dem Menschen geboren wird und ihn bis zum Tode nicht verlässt, ist die Selbstliebe.

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Gelassenheit ist die zentrale Zutat eines zufriedenen Lebens

Simon Hadler schreibt: „Leser von Boulevard- und Qualitätsmedien eint das Narrativ, dass es erstens eine unzweifelhafte Wahrheit gibt; zweitens, dass sie selbst die Wahrheit kennen; und drittens, dass sich der Kampf um die Durchsetzung der Wahrheit lohnt, obwohl er Opfer fordert, allen voran die Gelassenheit, immerhin zentrale Zutat eines dauerhaft zufriedenen Lebens.“ Eine große Zumutung des Lebens ist es, sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein, wenn man nicht mit einem religiösen Jenseitsglauben gesegnet ist. Jeder von uns kommt zur Welt, stirbt am Ende und weiß das auch. Immerhin hat Immanuel Kant für das Individuum einen weltlichen Trost parat: „Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, ist nicht tot. Er ist nur fern. Tot ist nur, wer vergessen wird.“ Simon Hadler ist seit 1999 Redakteur bei ORF.at, seit 2009 leitender Kulturredakteur.

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Viele Menschen leiden an unbegründeten Ängsten

Sehr viele Menschen fürchten sich vor Spinnen. Damit haben sie Angst vor etwas, das ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Schaden zufügen wird. Dazu zählen neben Spinnen, Schlagen und Höhen. Tali Sharot zählt noch mehr unbegründete Ängste auf: „Manchen Menschen erleiden auf offenen Plätzen eine Panikattacke, andere, wenn sie einem Hund begegnen oder einen Blitz sehen. Wieder andere fürchten sich vor Aufzügen oder vor dem Fliegen.“ Tatsächlich ist die einzige gerechtfertigte Angst in der Liste der Top Ten unter den Phobien die Furcht vor Krankheitserregern – die Mysophobie – auf Platz acht. Die Angst vor dem Tod selbst belegt Platz Nummer zwölf. Tali Sharot wurde an der New York University in Psychologie und Neurowissenschaften promoviert und ist Professorin am Institut für experimentelle Psychologie der University of London.

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Keiner kennt den Ort der ewigen Liebe

Die ewige Liebe ist wie ein Fabelwesen: „Dass es sie gibt, behauptet jeder; wo sie ist, weiß keiner“. Mit diesen wehmütigen Sätzen wird das Publikum in Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ auf eine Geschichte aus Liebesschwüren und schnödem Verrat eingestimmt. Glaubt man Romanen, Schauspielen und Filmen, dann lässt sich nur auf eine Weise verhindern, dass die Liebe an den Realitäten des Lebens scheitert. Die Liebenden müssen durch den Tod für immer getrennt werden. Traditionen, mit denen man aufwächst, wie Verliebtheit, Heirat und Familie, kann man leicht für selbstverständlich und naturgegeben halten, obwohl sie es vielleicht gar nicht sind. Thomas Junker erklärt: „Bevor man das tut oder sich gedankenlos am Vorbild der Eltern und Großeltern orientiert, kann es nicht schaden, die verschiedenen Optionen genauer unter die Lupe zu nehmen.“ Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Die Moderne ist die Zeit der universellen Sichtbarkeit

Da mit dem Tod Gottes kein zentrales Sinnprojekt mehr auszumachen ist, und es also auch keine zentrale Steuerungsinstanz gibt, kann die Gesellschaft nur funktionieren, wenn die Steuerung dem Einzelnen übertragen wird. Maximilian Probst ergänzt: „Das tut der Einzelne umso eher und vollständiger, je stärker er das Gefühl hat, selbst diese Steuerung zu wollen und ihre Ausrichtung zu bestimmen.“ So wie Hans-Georg Gadamer meinte, die Selbstbestimmung des Individuums sei „nur ein Flackern im Stromkreis des geschichtlichen Lebens“, so erscheint nun auch die eigene Freiheit, die eigene Freigeistigkeit als irrlichternde Chimäre im gesellschaftlichen Ganzen. Für Michel Foucault erscheinen die Menschen nur frei, wenn sie vergessen, dass sie lediglich frei sind, das zu tun, was die Gesellschaft ohnehin von ihnen verlangt. Der Journalist Maximilian Probst schreibt seit 2011 vorwiegend für die Wochenzeitung die „Zeit“.

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Der Mensch beherrscht die Erde wie keine ander Spezies

Alles was die Menschen tun und sind, ist in der einen oder anderen Weise das Resultat der evolutionären Prägungen, die sie zu der Spezies gemacht hat, die den Planeten Erde beherrscht wie keine andere. Matthias Horx ergänzt: „Was uns von allen anderen Tierarten unterscheidet, ist die extreme Empfindlichkeit und Hilfsbedürftigkeit unserer Brut. Keine andere Spezies muss einen derart komplexen Aufwand treiben, damit ihre Babys überleben.“ Dazu zählen unter anderem Zuneigung, Ernährung, Schutz, Wärme, Erkennen, Berühren, Wickeln, Spielen, Erziehen, Ermahnen. Zwar gibt es auch im Tierreich Fürsorge – Ratten, Katzen, Hunde lecken und „groomen“ ihre Brut, Vögel bauen Nester, die sie auskleiden und warten geduldig, bis ihre Kinder flügge sind. Aber der Aufwand für den menschlichen Nachwuchs ist so gigantisch, dass er das ganze Leben fordert. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Männerfreundschaften sorgen für die richtige Balance im Leben

Ein Mann sollte heutzutage stark sein, denn überall beherrscht unerbittliche Konkurrenz das Leben. Viele Männer stellen irgendwann einmal fest, dass sie sich ganz schön allein fühlen und mit niemanden über die Dinge sprechen, die wie wirklich im Innersten bewegen. Deshalb sind echte Männerfreundschaften so wichtig für die Balance im Leben. In seinem Buch „Männerabend“ zeigt Richard Schneebauer Frauen und Männern, warum wertschätzende Gespräche mit anderen Männern, ohne ständiges Vergleichen und sich beweisen müssen, zu echter Stärke und Erfolg führen. Richard Schneebauer schreibt: „Ein offenes und wertschätzendes Gespräch unter Männern ist wie Rock `n` Roll. Kraftvoll und emotional berührt es dich tief in deiner Seele.“ Sein Buch ist auch ein Plädoyer für Zeiten, in denen Männer unter sich sind. Dr. Richard Schneebauer ist Soziologe und seit 17 Jahren in der Männerberatung tätig.

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Die Religion ist nichts weiter als eine Illusion

Sigmund Freud leitete die Religion aus der kulturellen Entwicklung ab, als deren Bestandteil sie die Zumutungen der Natur und der Gesellschaft gleichermaßen zu bewältigen gestattet. Gegen die Zufälle und Gefahren der Natur erzeugt sie die Illusion, dass alles nach Plan erbaut und durch den Willen des Schöpfers kontrolliert wird. Peter-André Alt ergänzt: „Gegen die sozialen Zwänge setzt sie den Gedanken der Belohnung für entgangene Befriedigung in der Idee der Erlösung nach dem Tod.“ Betrachtet man den Kern religiöser Aussagen über Jenseits und ewiges Leben, Gottes Schöpfungsidee und die Segnungen des Paradieses genauer, dann kommt man allerdings schnell zur Einsicht in ihren irrationalen Charakter. Die religionsimmanenten Argumente, die ihrer Absicherung dienen, lassen sich, so Sigmund Freud, durchgehend als bedenklich bezeichnen. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Beim Sex ist die Lust besonders groß

Die Tatsache, dass Sex sehr lustvoll sein kann, ist ein überzeugender Hinweis darauf, dass er biologisch nützlich ist. Thomas Junker erklärt: „Denn wenn wir etwas als angenehm empfinden oder wenn das Gegenteil der Fall ist, dann ist dies ein sehr präzises Abbild dessen, was sich in vielen Millionen Jahren der Evolution als vorteilhaft bzw. als schädlich erwiesen hat.“ Da die Fortpflanzung zu den biologisch wichtigsten Verhaltensweisen gehört, ist schon von daher zu erwarten, dass Sex mit positiven Gefühlen belohnt wird – ähnlich wie man es genießt zu essen oder zu schlafen, weil man nur so überleben kann. Das erklärt aber noch nicht, warum die Lust beim Sex so besonders groß ist und warum ein Mensch bei Liebeskummer so verzweifelt sein kann. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Das Ende einer Liebe hat viel mit Hoffnungslosigkeit zu tun

Psychologen ergründen, ob es möglich ist, eine Liebe im Guten zu beenden oder ob ein Rosenkrieg unumgänglich ist. Das Ende einer Liebe hat einen geradezu brutalen Charakter. Mindestens einer sagt: Ich kann nicht mehr mit dir leben, du genügst nicht mehr meinen Ansprüchen. Das Ende einer Liebe hat auch viel mit Hoffnungslosigkeit zu tun denn es bedeutet das Aus von allem, das einmal das Wertvollste im Leben war. Selbst die Stärksten fühlen sich wie ein Häufchen Elend. Sie weinen, rasen und fluchen. Fast nichts kann einen Menschen so zertrümmern wie das Ende einer Liebe. Psychologen wissen, dass eine Trennung einen Menschen so erschüttern kann wie der Tod eines Angehörigen. Alles fällt auseinander. Sie stellt alles in Frage, das eigene Ich und die persönliche Zukunft.

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Der Glauben entspringt demselben Boden wie die seelische Pathologie

Sigmund Freud war fest davon überzeugt, dass der Mensch die Verantwortung für sein Schicksal tragen muss, ohne dass er sie an andere Instanzen abtreten darf. Peter-André Alt erklärt: „Allein dort, wo die Annahme von der Existenz guter oder böser Übermächte durchbrochen wird, kann das gelingen.“ Dass der Einzelne nicht selten durch seinen Glauben wie seinen Aberglauben an der Selbstbestimmung gehindert wird, gehört zu Sigmund Freuds tiefsten Überzeugungen: „Ich halte mich für einen sehr moralischen Menschen, betrachte aber jede Form öffentlicher Zurschaustellung sittlicher Tugenden, wie sie in religiösen Bekenntnissen erfolgt, als peinlich.“ Die Trennung von Ethik und Religion gehörte zu den systematischen Prinzipien, die Sigmund Freud zeitlebens verteidigte. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Das Über-Ich unterdrückt die aggressiven Triebe

Je höher der Kulturgrad des Menschen ist, desto mächtiger wird sein Über-Ich, das die Unterdrückung der Triebaggression sichert, zugleich aber selbst herrische Züge trägt. Das Ich-Ideal des kultivierten Individuums lädt sich mit jener Gewaltsamkeit auf, die es gerade bannen sollte. Peter-Andre Alt ergänzt: „Dort, wo Mangel existiert, verliert das Über-Ich dagegen seinen Einfluss.“ Sigmund Freund schreibt dazu: „Man denke an die Proletarier, deren Leben eine Häufung von Versagungen ist. Folge davon ist nicht ein besonders großartiges Schuldgefühl, sondern, was viel näher liegt, ein ungestillter Hunger nach Befriedigung mit Neigung zur rücksichtslosen Verleugnung der moralischen Schuld.“ Das Über-Ich leistet Widerstand gegen eine allzu direkte Triebabfuhr, was aber voraussetzt, dass das System der Überhöhung, Sublimierung und Idealisierung ausgebildet ist. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Zum Glück gibt es immer Alternativen

Als geistiger Baumeister der Welt hat der Psychologe William James schon vor mehr als hundert Jahren das Bewusstsein beschrieben: „Mein Erleben ist das, worauf ich mich entschieden habe, meine Aufmerksamkeit zu richten.“ Es ist also eine Frage des Blickwinkels: Für den einen ist das Glas halb voll, für den anderen halb leer. Offensichtlich sind es nicht die sogenannten Tatsachen, die die Welt regieren, sondern die innere Reaktion eines Menschen auf sie. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Es ist nicht der äußere Rahmen, sondern die Art des inneren Erlebens, die Einstellung, die die Erfahrung bestimmt. Uns bleibt immer ein Spielraum in der Interpretation des Vorgefundenen. Da gibt es immer Alternativen.“ Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Jedes Land hat seine eigenen Klassiker

Was „Klassik“ in der Literatur eigentlich ist, lässt sich nicht eindeutig festlegen. Zum einen ist sie verstanden worden als ein von Ausnahmekünstlern, von Genies geschaffenes überzeitliches Kunst- und Lebensideal, als Norm und Vorbild schlechthin, aus entschwundener Vergangenheit leuchtend und in die Zukunft weisend. So etwa begriffen von der Renaissance bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Humanisten das Klassische und hatten dabei als historische Ausformung stets nur einen Kulturraum vor Augen: die Antike – besonders die perikleische Glanzzeit Griechenlands im 5. Jahrhundert v. Chr. und die augusteische Blütezeit Roms um Christi Geburt. Die Tatsache jedoch, dass darüber hinaus die Italiener schon frühzeitig das 15. Jahrhundert (Leonardo da Vinci, Raffael), die Engländer und Spanier das 16. Jahrhundert (Shakespeare, Cervantes), die Franzosen das 17. Jahrhundert (Corneille, Molière, Racine) und schließlich die Deutschen die Goethezeit als die Epoche ihrer Klassik bezeichneten, zeigt ein verändertes Klassikverständnis an, das auch im Zusammenhang mit der Herausbildung moderner Nationalstaaten gesehen werden muss.

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Jeder Mensch hat das Recht auf Liebe

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 04/2017 dreht sich um das schönste Thema der Welt: die Liebe. Die Liebe ist vielleicht das stärkste Gefühl, das der Mensch kennt: magisch, mitreißend, buchstäblich unbeschreiblich. Chefredakteur Wolfram Eilenberger schreibt in seinem Editorial: „Zu keinen Zeitpunkt der Existenz erfahren wir uns als verletzlicher, unsicherer, ausgesetzter, machtloser als in dem Moment, indem wir einem anderen Menschen anvertrauen, ihn zu lieben, ohne dessen Antwort bereits zu kennen.“ Die Liebe hat das Potential – ob als romantisches Glück oder freundschaftliche Tiefe – die Menschen vor dem zu retten, was sie derzeit am meisten bedroht: Vereinzelung, Effizienzdenken und Identitätswahn. Das romantische Liebesideal der absoluten Einheit beruhte auf extremer Intensität und schloss Risiken bis hin zum Liebestod nicht aus. Heutzutage entsteht im Zeichen einer Schmalspurromantik der Dating Portale ein destruktiver Erwartungsdruck, die die Liebe erstickt, ja zur völligen Beziehungslosigkeit führen kann.

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Anfangs war die Judenpolitik im Dritten Reich widersprüchlich

Um der außenpolitischen Wirkung willen hatte das nationalsozialistische Regime seine Politik gegen die Juden während der Olympischen Spiele 1936 kurzzeitig zurückgefahren. Danach verstärkten sich die antisemitischen Kampagnen aber wieder und erreichten mit der rabiaten Entrechtung und Drangsalierung der Juden in Österreich seit dem März 1938 einen weiteren Höhepunkt. In zunehmenden Maße ging es den Nationalsozialisten nun um die „Lösung der Judenfrage in der Wirtschaft“. Ulrich Herbert stellt fest: „Die Ziele des Regimes in der Judenpolitik waren allerdings in sich widersprüchlich. Einerseits sollte die Auswanderung der Juden befördert werden, anderseits sollten die Juden ihr Vermögen in Deutschland zurücklassen, um die leeren Staatskassen aufzufüllen.“ Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Johann Wolfgang von Goethe arbeitete über 50 Jahre am „Faust“

Als Krönung, nicht nur des Altersschaffens, sondern des Werks insgesamt, gilt die Faust-Dichtung, an der Johann Wolfgang von Goethe über einen Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren als seinem „Hauptgeschäft“ gearbeitet hat. Noch vor 1775 schrieb der Schriftsteller einzelne Szenen nieder, die aber erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden und als „Urfaust“ bekannt geworden sind. Während seiner italienischen Reise (1786 – 88) arbeitete er erneut am „Faust“ und veröffentlichte 1790 „Faust, ein Fragment“. Um die Jahrhundertwende nahm er, inspiriert von Friedrich Schiller, die Arbeit am Faust-Thema wieder auf und veröffentlichte 1808 „Faust, der Tragödie erster Teil“. Dass für ihn das Thema keineswegs abgeschlossen war, macht nicht nur der Untertitel „erster Teil“ deutlich, sondern auch die Tatsache, dass Johann Wolfgang von Goethe sich damals bereits mit dem Helena-Akt beschäftigte.

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Allan Guggenbühl erklärt die Aufgaben des öffentlichen Diskurses

Die Vermittlung von Informationen, Kontrolle und Aufklärung sind Aufgaben, die man dem öffentlichen Diskurs zuschreibt. Erfüllt er einer dieser Aufgaben nicht, reagieren viele Bürger mit Befremden. Allan Guggenbühl fügt hinzu: „Der öffentliche Diskurs hat jedoch noch eine andere Aufgabe: Er liefert Material und Hintergrundszenarien, damit wir unser Dasein, uns selbst und unsere Mitmenschen ertragen und verstehen.“ Der öffentliche Diskurs hat die Rolle des Erzählers übernommen, wie es früher der Schamane oder Dorfweise tat. Wie und was ein Mensch denkt, hängt von seinem Beeinflussungsgrad durch den öffentlichen Diskurs ab. Um den roten Faden des öffentlichen Diskurses mit Klugheit zu verstehen, muss man über ihren Einfluss auf die Psyche nachdenken. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die chinesische Kulturrevolution war ein Jahrhundertverbrechen

Von dem niederländischen Historiker Frank Dikötter stammt das Standardwerk über den „Großen Sprung nach vorn“, bei dem unter der Herrschaft Mao Zedongs zwischen 1958 und 1962 rund 45 Millionen Chinesen den Tod fanden: größtenteils durch Hunger, mindestens zweieinhalb Millionen aber durch Misshandlung, Folter und andere Gewaltmaßnahmen und eine unbekannte Zahl durch Selbstmord. In seinem neue Buch „Mao und seine verlorenen Kinder“ der Großen Proletarischen Kulturrevolution zu, die Mao 1961 initiierte und die bis zu seinem Tod andauerte. Im Vergleich zu den Verheerungen des „Großen Sprungs“ verlief die Kulturrevolution milde, an allen anderen Maßstäben gemessen, war sie ein Jahrhundertverbrechen. In den zehn Jahren der Revolution zwischen 1966 und dem Tod Maos 1976 wurden zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Menschen getötet; ebenso viele trugen dauerhafte körperliche Schäden davon.

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Der Tod jedes Glücks ist der Vergleich

Das Vorbild definiert einen Sollwert, dem andere Menschen nacheifern. Dazu ist ein Vergleich nötig: Man ist offensichtlich nicht so, wie man sein sollte. Etwas fehlt im Vergleich zum Vorbild. Das Anerkennen des Vorbildlichen ist also eine vergleichende Handlung. Das es Reinhard K. Sprenger vor allem um die Bedingungen geglückten Lebens geht, bietet er diesen Gedanken an: „Der Tod jedes Glücks ist der Vergleich.“ Er weiß zwar, dass das eine gewagte These ist, die aber dennoch einen Moment des Nachdenkens wert ist. Denn ist gibt das interessante Phänomen, dass einerseits die Individualisierung der wohl bedeutendste gesellschaftliche Gegenwartstrend ist. Andererseits gestalten viele Menschen ihren Lebensentwurf über den Vergleich mit anderen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Albert Camus stellt sich sogar Sisyphos als glücklichen Menschen vor

Eine nüchterne Art der Lebensbejahung vertritt der in Algerien geborene französische Philosoph und Schriftsteller Albert Camus (1913 – 1960). Ludger Pfeil erläutert: „Er will sich sogar Sisyphos, der zum Synonym für den erfolglosen, niemals zum Ende kommenden Arbeiter wurde, als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ Die tragische Figur aus der griechischen Mythologie hatte sich dem Tod nicht ergeben wollen und muss zur Strafe für seine lebensverlängernden Tricks, die ihm immerhin einige zusätzliche Jahre beschert hatten, einen riesigen Stein einen Berg hinaufwälzen. Oben angekommen, rollt der Fels dann unvermeidlicherweise wieder hinunter, wo die Plackerei aufs Neue beginnt. Sisyphos wird so die Arbeit bis in alle Ewigkeiten nicht ausgehen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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