Die Menschheitsgeschichte ist noch nicht zu Ende

Bei evolutionären Abläufen und natürlichen Entwicklungsprozessen sind die Anfänge stets unscheinbar und unmerklich. Kaum einmal sind Evolutionsbiologen in der Lage jenen Punkt auf der Zeittafel zu bestimmen, an dem etwas Neues beginnt und das Alte endet. Matthias Glaubrecht fügt hinzu: „So geht es uns auch mit dem Anfang unserer eigenen Evolutionsgeschichte und dem tatsächlichen Beginn der Menschheit.“ Natürlich ist auch der Mensch nicht vom Himmel gefallen. Sondern er ist ein historisches Produkt seiner Ahnenreihe. Aber der Beginn lässt sich wahlweise und nach Gutdünken immer wieder anders bestimmen. Die Menschheitsgeschichte nur als die seiner kulturellen Evolution verstehen zu wollen, weist dabei in die Irre. Wer glaubt, dass es in der Entwicklung der Menschen nur um das erste Wort, um die Schrift oder um Kunst geht, verengt seinen Blick. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Die Menschen verdanken ihre Existenz dem Zufall

Jonathan Losos liefert in seinem neuen Buch „Glücksfall Mensch“ vollkommen neue Antworten auf die großen Frage nach der Entstehung und Entwicklung des Lebens. Die Evolution ist seiner Auffassung nach nicht langsam, sie läuft zuweilen in Windeseile ab – und sie wiederholt sich. Der Naturwissenschaftler erklärt, warum die Menschen ihre Existenz dem Zufall verdanken und man die Evolution dennoch vorhersagen kann. Jonathan Losos ist der prominenteste Vertreter der Experimentellen Evolutionsforschung, die er an Eidechsen, Schildkröten, Schlangen und Krokodilen betreibt. Die Experimentelle Evolutionsforschung bildet derzeit die Speerspitze der Evolutionsbiologie, und sie erlaubt, Theorien über Evolution in freier Natur, in Echtzeit zu überprüfen. In seinem Buch „Glücksfall Mensch“ geht es vor allem darum, in welchem Umfang sich das Leben wiederholt und in welchem Ausmaß verschiedene Arten ähnliche Anpassungen als Reaktion auf sich gleichende Umweltbedingungen entwickeln. Jonathan B. Losos ist Professor für Evolutionäre Biologie in Harvard.

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Menschen gehen gerne längerfristige Beziehungen ein

Das Leben der meisten Menschen hat seinen Schwerpunkt in einer Zweierbeziehung. Die Paarbindung wurde kritisiert und geschmäht, man hat die notwendigen Kompromisse beklagt und die drohende Langeweile beschworen – und doch hat sie sich als überraschend widerstandsfähig erwiesen. Schon vor zwei Jahrhunderten hielt Charles Fourier die Ehe für einen Irrweg, der „alle Keime der Zwietracht und des Überdrusses“ enthält. Thomas Junker schreibt: „Es ist richtig, dass der Staat mehr oder weniger sanften Druck ausübt, um die Ehe zu zementieren, so wie es in frühen Zeiten die Kirchen getan haben.“ Das würde aber nicht so gut funktionieren, wenn Menschen nicht von sich aus bereit wären, längerfristige Bindungen einzugehen. Leben Menschen also in einer dauerhaften Zweierbeziehung, weil es ihrer Natur entspricht? Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Keiner kennt den Ort der ewigen Liebe

Die ewige Liebe ist wie ein Fabelwesen: „Dass es sie gibt, behauptet jeder; wo sie ist, weiß keiner“. Mit diesen wehmütigen Sätzen wird das Publikum in Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ auf eine Geschichte aus Liebesschwüren und schnödem Verrat eingestimmt. Glaubt man Romanen, Schauspielen und Filmen, dann lässt sich nur auf eine Weise verhindern, dass die Liebe an den Realitäten des Lebens scheitert. Die Liebenden müssen durch den Tod für immer getrennt werden. Traditionen, mit denen man aufwächst, wie Verliebtheit, Heirat und Familie, kann man leicht für selbstverständlich und naturgegeben halten, obwohl sie es vielleicht gar nicht sind. Thomas Junker erklärt: „Bevor man das tut oder sich gedankenlos am Vorbild der Eltern und Großeltern orientiert, kann es nicht schaden, die verschiedenen Optionen genauer unter die Lupe zu nehmen.“ Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Der Mensch beherrscht die Erde wie keine ander Spezies

Alles was die Menschen tun und sind, ist in der einen oder anderen Weise das Resultat der evolutionären Prägungen, die sie zu der Spezies gemacht hat, die den Planeten Erde beherrscht wie keine andere. Matthias Horx ergänzt: „Was uns von allen anderen Tierarten unterscheidet, ist die extreme Empfindlichkeit und Hilfsbedürftigkeit unserer Brut. Keine andere Spezies muss einen derart komplexen Aufwand treiben, damit ihre Babys überleben.“ Dazu zählen unter anderem Zuneigung, Ernährung, Schutz, Wärme, Erkennen, Berühren, Wickeln, Spielen, Erziehen, Ermahnen. Zwar gibt es auch im Tierreich Fürsorge – Ratten, Katzen, Hunde lecken und „groomen“ ihre Brut, Vögel bauen Nester, die sie auskleiden und warten geduldig, bis ihre Kinder flügge sind. Aber der Aufwand für den menschlichen Nachwuchs ist so gigantisch, dass er das ganze Leben fordert. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Die Menschen sind lediglich Teil der Natur

Als das Werk „Über die Entstehung der Arten“ von Charles Darwin (1809 – 1882) im Jahr 1859 veröffentlicht wurde, sorgte es nicht nur in England für großen Wirbel. Fortan war es nicht mehr möglich, die Menschen völlig losgelöst vom übrigen Tierreich zu betrachten. Nigel Warburton erklärt: „Die Menschen waren nicht mehr etwas Besonderes, sondern lediglich Teil der Natur, wie jedes Tier. Vielleicht erscheint uns das heute nicht mehr überraschend, aber für die meisten Zeitgenossen des Viktorianischen Zeitalters war diese Theorie ein Skandal.“ Heute fällt es einem Menschen leicht, seine Ähnlichkeit mit den Affen zu erkennen. Dazu braucht er lediglich ein paar Minuten in der Gesellschaft eines Schimpansen oder Gorillas verbringen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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In Zukunft kann es zu weitreichenden Pandemien kommen

Zika, Eboloa, Grippe: Viren lösen immer wieder Seuchen aus, die tausende Menschen bedrohen. Auf die Frage wie groß die Gefahr ist, die von ihnen ausgeht, antwortet Christian Drosten: „Früher hat man sich Gedanken über Pocken und Kinderlähmung gemacht, heute herrschen andere Probleme vor – Infektionen wie HIV, die relativ lange unauffällig verlaufen und sich sehr langsam verbreiten. Gerade der langsame Krankheitsverlauf ist gefährlich bei solchen Krankheiten.“ Außerdem geht seiner Meinung nach eine große Gefahr von Viren aus, die ihren Ursprung im Tierreich haben, besonders von solchen, die über die Atemwege aufgenommen werden. Dazu zählt der Experte Influenzaviren, die sicherlich immer wieder kommen werden, und auch Coronaviren. Durch die verbesserte Mobilität in der globalisierten Welt verbreiten sich solche Viren natürlich noch stärker. Christian Drosten ist seit Anfang März Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité.

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Forscher bezweifeln die Freiheit des menschlichen Willens

Seit einigen Jahren erhitzt eine auch in Deutschland zwischen einigen Neuronenwissenschaftlern und Philosophen heftig geführte Debatte die Gemüter. Unter anderem geht es um die Frage, ob der menschliche Wille wirklich frei ist. Einige neuere Befunde aus der Hirnforschung schienen eine Zeitlang nahezulegen, dass selbst Entscheidungen, die man bewusst fällt und die dann das Handeln bestimmen, bereits unbewusst im Gehirn vorbereitet werden. Markus Gabriel ergänzt: „Es sieht so aus, als ob unsere Entscheidungen damit nicht in unserer Hand lägen. Hierher rührt die Idee, unser Gehirn könnte uns steuern.“ Diese Debatte ist nicht neu. Sie wurde vorwiegend schon im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert geführt. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Gier des Menschen ist älter als der Kapitalismus

Eckart Voland vertritt die These, dass die Gier eine natürliche Anlage des Menschen ist. Sie ist allerdings von Individuum zu Individuum unterschiedlich ausgeprägt und die Folgen sind verschieden. Bei der Gier geht es einem Menschen darum, seinen persönlichen Nutzen zu maximieren. Das ist für Eckart Voland eine Grundeigenschaft des Menschen. Der Biophilosoph würde allerdings nicht so weit gehen und sagen, dass der Kapitalismus durch seinen Konkurrenzgedanken die Gier im Menschen fördert. Denn die menschliche Gier ist älter als der Kapitalismus. Man muss seiner Meinung nach auch vorsichtig sein, dass man Gier nicht mit Ehrgeiz verwechselt. Eckart Voland ist Professor für Biophilosophie an der Universität Gießen und hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter anderem die Evolution des Gewissens analysiert.

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Die Menschen verfügen über außergewöhnlich große Gehirne

Bei allen Unterschieden hatten die verschiedenen Menschenarten, die einst existierten, einige entscheidende Gemeinsamkeiten, die sie überhaupt erst zu Menschen machten. Vor allem verfügten sie im Vergleich zu anderen Tieren über außergewöhnlich große Gehirne. Yuval Noah Hariri erläutert dies anhand eines Vergleichs: „Große Säugetiere mit einem Körpergewicht von 60 Kilogramm haben im Durchschnitt ein Gehirn mit einem Volumen von 200 Kubikzentimetern. Das Gehirn eines Homo sapiens misst dagegen stolze 1.200 bis 1.400 Kubikzentimeter. Die ersten Menschen, die vor rund 2,5 Millionen Jahren lebten, hatten zwar noch ein kleineres Gehirn, doch im Vergleich zu anderen Säugetieren, die genau so viel wogen, war es sehr groß. Im Laufe der Menschheitsgeschichte sollte sich dieser Unterschied immer mehr vergrößern. Yuval Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Richard David Precht denkt über die Intelligenz nach

Der Bestsellerautor und Philosoph Richard David Precht erklärt, was die menschliche Intelligenz von der eines klugen Tieres unterscheidet. Er sagt: „Die Reflexionen, zu denen Menschen in der Lage sind, erreichen ein Niveau, das es im Tierreich nicht annähernd gibt.“ Bei den Tieren gibt es seiner Meinung nach zwar Ansätze zur Moralfähigkeit, zu Lug und Trug und List und Taktik, aber es gibt keine Tiere, die eine Rechtssprechung entwickelt haben oder ethische Maxime aufstellen können. Die Möglichkeit, sich zu sich selbst in ein Verhältnis zu setzen ist mit der Sprache und der Fähigkeit zur Abstraktion verbunden. Der Mensch kann über Dinge sprechen, die es nicht gibt, während ein Tier niemals die Zukunft in Worten vorwegnehmen kann.

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