Niccolò Machiavelli war kein Humanist

Niccolò Machiavelli (1469 – 1527) hält wenig von der gutgemeinten Idee oder Illusion, wonach die Regierten automatisch bessere Menschen wären als die Regierenden. Dass Macht korrumpiert, ist eine alte Weisheit, die gerne übersehen lässt, dass Ohnmacht es in nicht geringerem Maße tut. Die als unschuldig gewürdigten Opfer sind es oft bloß mangels Gelegenheit. Und ihre moralische Verklärung ist in den Auswirkungen manchmal gar nicht menschenfreundlich. Bis zu seinem Sturz im Februar 1513 ist Niccolò Machiavelli Kanzler für innere und äußere Sicherheit der Republik Florenz unter den Medici. Erst in der Verbannung, auf seinem kleinen Landgut Albergaccio im Dorf Sant` Andrea in Percusina, fünfzehn Kilometer südwestlich von Florenz, wird er zum Theoretiker. Sein Name ist durch seine endlosen Verunglimpfungen den Menschen bis heute so vertraut geblieben.

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In der Kunst spielt die Freiheit eine herausragende Rolle

Von vielen Theoretikern der Freiheit unterschätzt, spielen im Prozess der Moderne die Kunst und bei ihr das Prinzip der Freiheit eine herausragende Rolle. Ein Grund für das Unterschätzen liegt für Otfried Höffe auf der Hand: „Die wenigsten Freiheitstheoretiker verfügen über hinreichende Sachkenntnis für die so vielfältige wie vielseitige Kunst, reicht diese doch von der Musik über die bildenden Künste samt Architektur bis zur Dichtung, dem Theater und dem Film.“ Nicht minder vielfältig sind die freiheitstheoretischen Aspekte. Wie die frühe, später die klassische Philosophie Europas spricht auch die älteste europäische Literatur griechisch. Die ältesten Dichtungen des europäischen Kulturraums werden einem gewissen Homer zugesprochen, der die Epen „Ilias“ und „Odyssee“ schuf. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Eine Tragödie soll Furcht und Mitleid erregen

In den Dramen der französischen und englischen Schriftsteller fand Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) die Aufhebung der alten feudalen Ständeklausel, die das erwachende bürgerliche Selbstgefühl beleidigte, bereits in die Praxis umgesetzt: Der Bürger war dort tragödienfähig geworden. Gotthold Ephraim Lessing überwand die feudale Ständeklausel dadurch, dass er den Menschen abgelöst von seiner ständischen Gebundenheit zum Handelnden machen wollte: „Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stück Pomp und Majestät geben; zur Rührung tragen sie nichts bei. Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muss natürlicherweise am tiefsten in unsere Seele dringen; und wenn wir mit Königen Mitleid haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen und nicht als mit Königen.“ Diese Berufung Gotthold Ephraim Lessings auf das Menschliche hing eng zusammen mit seinem Bemühen um eine neue, differenzierte Funktionsbestimmung der Literatur.

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Prominente Persönlichkeiten führen oft ein Doppelleben

Westliche Vorstellungen von den Eigenschaften der Persönlichkeit und der menschlichen Natur sind lange Zeit davon ausgegangen, dass Selbstkontrolle und die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub feste Merkmale sind und das Verhalten von Individuen durchgehend – also in verschiedenen Situationen und Kontexten – kennzeichnen. Walter Mischel erklärt: „Deshalb geben sich die Medien jedes Mal erstaunt und erschüttert, wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass wieder eine prominente Persönlichkeit ein geheimes Doppelleben führte, das auf einen völligen Mangel an Urteilskraft und Selbstkontrolle hindeutet.“ Gerade diese Menschen müssten doch in der Lage sein, geduldig auf ihre Belohnung zu warten und in sie in vielen Situationen aufzuschieben, anderenfalls wären sie doch nie so erfolgreich gewesen. Walter Mischel ist der Frage nachgegangen, warum sich intelligente Menschen oft so töricht verhalten und es fertig bringen, ihr sorgsam geplantes Leben zu ruinieren. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

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Frank Schirrmacher bezeugt den Erfolg der Spieltheorie

Frank Schirrmacher vertritt in seinem Buch „Ego. Das Spiel des Lebens“ die These, dass die sogenannte Spieltheorie, mit der die Sozialwissenschaften das Aufeinandertreffen von Akteuren mit ihren jeweiligen Eigeninteressen beschreiben, im Kalten Krieg entwickelt worden sei. Mit dem Ziel, die Menschen nicht von den Routinen der Feindbeobachtung einzuschläfern, sondern ihnen hierbei eine gewisse aggressive Munterkeit zu bewahren. Man muss zu jedem Zeitpunkt damit rechnen, dass der andere die eigenen Schwächen zu seinem Vorteil nutzt, weil er ausschließlich seinen eigenen Interessen folgt, lautet die Devise der Spieltheorie. Frank Schirrmacher ergänzt: „Auf Moral, Anstand oder auch nur Abmachungen sollte man sich lieber nicht verlassen, sondern hinter allem das Schlimmste vermuten.“ Rupert M. Scheule ist Professor für Moraltheologie und Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Fulda.

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Platon denkt als einer der ersten über die Erkenntnis nach

Platon, der laut Wilhelm Berger als erster Erkenntnistheoretiker gelten kann, ist mit dem Zerfall seiner Welt konfrontiert. Die griechische „polis“ gerät immer mehr in eine Krise, die nicht nur politische, sondern auch ökonomischen Ursachen hat. Ab dem 7. Jahrhundert vor Christus beginnt sich die Geldwirtschaft durchzusetzen. Wilhelm Berger erklärt: „Das hat tiefgreifende Auswirkungen auf der Ebene des Sozialen und gefährdet den Zusammenhalt, der für das Überleben der „polis“ notwendig ist.“ Ungleichheit treibt die Bürger auseinander. Man weiß nicht mehr, was richtig und falsch, gut und böse ist. So hat Platons Nachdenken über das Erkennen ein ethisches Grundmotiv.“ Auch der englische Philosoph Francis Bacon (1561 – 1626) denkt mitten in einer Krise des Übergangs in die Neuzeit über die Erkenntnis nach. Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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In allen Fragen der Moral gehen die Ansichten weit auseinander

Die große Vielfältigkeit des Geschmacks wie auch der Meinungen, die in der Welt herrscht, ist allzu offensichtlich, um nicht jedermann aufzufallen. Selbst Menschen mit sehr geringer Bildung können feststellen, dass es im engen Umkreis ihrer Bekannten Unterschiede des Geschmacks gibt, auch wenn sie alle dieselbe Erziehung genossen und von früh an denselben Vorurteilen ausgesetzt waren. Jene aber, die ihren Horizont vergrößern und fremde Völker und ferne Zeiten mit in den Blick nehmen, sind dann doch überrascht, wie groß die Unstimmigkeit und Gegensätzlichkeit ist. David Hume erklärt: „Wir neigen dazu, „barbarisch“ zu heißen, was nur weit genug von unserem Geschmack und von unserer Auffassung abweicht – um freilich bald festzustellen, dass das herabsetzende Epitheton uns selbst zurückgegeben wird.“ David Hume, der von 1711 bis 1776 lebte, gehört zu den Klassikern der europäischen Philosophie.

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Jede Gesellschaft ist durch eine hierarchische Ordnung gegliedert

Alle historischen Herrschaftsverbände werden durch System der sozialen Ungleichheit geprägt. Immer weist ihre Sozialstruktur eine hierarchische Ordnung auf. Die schottischen Aufklärer Adam Smith, Adam Ferguson und John Millar beschreiben die Hierarchie der sozialen Ungleichheit in engster Verbindung mit der historischen Natur des jeweils herrschenden Wirtschaftssystems. Daran haben auch bedeutende Sozialwissenschaftler wie Max Weber, Émile Durkheim, Vilfredo Pareto, Talcott Parsons und Pierre Bourdieu festgehalten. Hans-Ulrich Wehler weist darauf hin, dass für die schottischen und englischen Sozialtheoretiker des ausgehenden 18. Jahrhunderts der Zerfall der überkommenen Ständeordnung unter dem Druck der voranschreitenden kapitalistischen Marktwirtschaft als Schlüsselerfahrung im Vordergrund stand. Sie erkannten den unauflöslichen Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Sozialverfassung, der wie eine Art von historischem Zwillingsphänomen wirkte. Hans-Ulrich Wehler war bis zu seiner Emeritierung Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Bielefeld. Sein Hauptwerk ist die fünfbändige „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“.

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Philosophen glauben zunächst einmal überhaupt nichts

Die philosophische Grundfrage schlechthin lautet: „Was ist das eigentlich, die Welt?“ Eines Tages werden Menschen geboren, ohne zu wissen woher und wohin. Danach finden sie sich durch Erziehung und Gewöhnung in der Welt zurecht. Und sobald sie sich an die Welt gewöhnt haben, vergessen sie meist zu fragen, was das Ganze soll. Im Leben eines Menschen geben Begegnungen, Hoffnungen und Wünsche in der Regel einen Sinn. Philosophen betrachten die Welt laut Markus Gabriel gewissermaßen wie Außerirdische oder Kinder: „Alles ist immer wieder völlig neu. Sie misstrauen fest verwurzelten Urteilen, ja, sie misstrauen sogar den Wissensansprüchen von Experten. Philosophen glauben zunächst einmal überhaupt nichts. „ Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie an der Universität Bonn inne. Er ist Deutschlands jüngster Philosophieprofessor. Außerdem leitet er das Internationale Zentrum für Philosophie in Bonn.

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Das Prinzip des Marktes besitzt nur eine begrenzte Autonomie

Die Theoretiker der sozialen Marktwirtschaft waren durchgehend davon überzeugt, dass die Markwirtschaft einer ethischen Einbettung bedarf. Ihrer Meinung nach stellt sie eine normativ vorzügliche Freiheitsordnung dar, deren wirtschafte und ethische Produktivität jedoch von nicht auf dem Markt zu erwirtschaftenden moralischen Ressourcen abhängig ist. Sie haben erkannt, dass über das Schicksal aller liberalen Ordnungsformen, insbesondere aber auch der Marktwirtschaft, jenseits von Angebot und Nachfrage entschieden wird. Wolfgang Kersting weist darauf hin, dass die Theoretiker der sozialen Marktwirtschaft gleichwohl keine Konzepte der Gerechtigkeit entwickelt haben. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Eine Regierung aus Experten hat mit Demokratie nichts zu tun

Als politischer Theoretiker betrachtet es der seit Kurzem emeritierte Münchner Philosophie-Professor Henning Ottmann mit Sorge, dass es inzwischen etwa in Italien eine reine Experten-Regierung gibt. Denn das bewährte Grundprinzip der liberalen Demokratie ist die Wahl der Machthabenden. Henning Ottmann kritisiert: „Experten wählen zu lassen, ist aber Unsinn. Dafür bräuchte man nur eine kundige Jury. Das hätte dann aber mit Demokratie nichts mehr zu tun.“ Ein guter Politiker zeichnet sich für Henning Ottmann durch Lebenserfahrung aus, die nicht in der Politik, sondern im bürgerlichen Leben erworben wurde. Seiner Meinung nach ist zum politischen Denken, zur Reflexion jedermann fähig. Zehn Jahre hat Henning Ottmann an den neun Bänden seiner jetzt vollendeten „Geschichte des politischen Denkens“ gearbeitet. Die Bücher sind im Metzler-Verlag erschienen und kosten je Band zwanzig Euro.

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Herwarth Walden erklärt die Begrifflichkeit in der Dichtung

Das Material der Dichtung ist das Wort, die Form ist der Rhythmus. In keiner Kunst sind laut Herwarth Walden die Elemente so wenig erkannt worden. Der Schriftsteller stellt die Schrift, statt das Wort zu setzen. Für den Sprachlehrer Herwarth Walden ist Schrift die Zusammenstellung der Wörter zu Begriffen. Er schreibt: „Mit diesen Begriffen arbeiten Schriftsteller und Dichter. Der Begriff ist aber etwas Gewonnenes. Die Kunst jedoch muss sich jedes Wort neu gewinnen.“ Wort zu Wort muss seiner Meinung nach gefügt werden, wenn ein Wortgebäude entstehen soll, dass man Dichtung nennt. Der Musikwissenschaftler und Sprachlehrer Herwarth Walden wurde 1878 in Berlin geboren. Er schrieb Romane, Dramen, Gedichte und Essays. Bleibendes Verdienst hat er als Theoretiker der expressionistischen Wortkunst, deren unermüdlicher Propagator, Mittler und Förderer er war. Herwarth Walden starb 1941 in Saratow/Wolga.

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Will Kymlicka fordert den Tieren Bürgerrechte zu verleihen

Der kanadische Philosoph Will Kymlicka, der zu den international bekanntesten Theoretikern des Multikulturalismus gehört, hat zusammen mit seiner Frau Sue Donaldson das Buch über Tierrechte mit dem Titel Zoopolis geschrieben. Politische Rechte für Tiere begründet man laut Will Kymlicka damit, dass Tiere dasselbe Recht auf Leben und Freiheit haben wie die Menschen, denn auch für sie ist ihr Leben kostbar, so wie dem Menschen sein Leben kostbar ist. Will Kymlicka ergänzt: „Tiere wollen leben und gedeihen. Für sie selbst macht es einen Unterschied, wie sich ihr Leben gestaltet. Genau darin liegt ja auch letztlich der Grund für die Menschenrechte.“ Für Will Kymlicka kommt es darauf an, dass man sein eigenes Leben wertschätzt und die anderen das respektieren. Die Mehrheit der Bevölkerung denkt ja auch nicht, dass klügere und produktivere Menschen weiter gehende Rechte haben als andere.

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T. S. Eliot ist das Vorbild für die lyrische Avantgarde

T. S. Eliot verkörpert auf dem Gebiet der Dichtung wie kein anderer Autor des 20. Jahrhunderts die lyrische Avantgarde. Seinen unsterblichen Ruhm begründete sein epochales Gedicht „Das wüste Land“. Er hat darin wie kein anderer Dichter die existentielle Krise der Moderne und deren möglichen Überwindung geschildert. T. S. Eliot schildert in seinem Hauptwerk den Geist seiner Zeit, der sich in der Trostlosigkeit der Großstadt manifestiert. „Das wüste Land“ wird zum Symbol für die Orientierungslosigkeit und einer Sprach- und Sinnkrise nach dem ersten Weltkrieg. Das Gedicht beginnt mit folgenden Zeilen:

“APRIL is the cruellest month, breeding
Lilacs out of the dead land, mixing
Memory and desire, stirring
Dull roots with spring rain.”

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