Die Täuschung setzt eine Rücksichtnahme auf andere voraus

Täuschungen erfüllen eine wichtige soziale Funktion. Von ihnen kann sogar eine beträchtliche zivilisierende Wirkung ausgehen. Robert Pfaller zieht eine wichtige Schlussfolgerung über die Rolle der Täuschung innerhalb der Kultur: „Die Täuschung setzt eine Rücksichtnahme auf den anderen voraus. Um jemanden täuschen zu können, müssen Sie sich ein Bild von den Wünschen und Erwartungen des anderen gemacht haben.“ Um die Wahrheit zu sagen, braucht man das hingegen nicht. Da muss man sich nur mit dem Sachverhalt beschäftigen, den man beschreibt, nicht aber mit der Person, zu der man spricht. Die Wahrhaftigkeit ist also oft nicht mehr als eine Form der Bequemlichkeit. Man erspart es sich einfach, sich mit dem anderen zu beschäftigen, mit dem man kommuniziert. Prof. Dr. Robert Pfaller lehrt Philosophie an der Kunstuniversität Linz.

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Freiheit ist tief im Leben verankert

Verschiedene Freiheitsaspekte sind für die Moderne wesentlich. Dazu zählt die Gedankenfreiheit, die jenseits von Autoritäten selbst zu denken erlaubst. Sie beschert als Freiheit von Wissenschaft und Forschung diesen eine nie nachlassende Blüte. Und jene Freiheit der Person, die sich mit den anderen Freiheitsbereichen, etwa der sozialen und politischen Freiheit, nicht zufriedengibt, sondern eine „Willensfreiheit“ innere Freiheit meint. Otfried Höffe fügt hinzu: „Zu den Merkwürdigkeiten unserer Zeit gehört, dass sich die erstgenannte Freiheit gegen die zweite wendet. Denn im Rahmen der Forschungsfreiheit werden gegen die Annahme der inneren, personalen Freiheit Einwände laut.“ Zunächst sind es Philosophen, später Einzelwissenschaftler, die sich der Annahme, der Mensch sei frei, widersetzen und die personale Freiheit rundum leugnen. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Manipulation spielt sich im Verborgenen ab

In seinem Buch „Mach doch, was ich will“ enthüllt Thorsten Havener die Geheimnisse der Manipulation. Er beschreibt darin die psychologischen Strategien, mit denen man Meinungen und Entscheidungen sabotieren kann. Er erklärt, welche Schwachstellen eines Menschen ihn angreifbar machen und der unbewussten Einflussnahme anderer aussetzen. Vor allem aber verrät er, wie man sich gegen diese mächtigen Kräfte wehren und die Selbstbestimmung zurückgewinnen kann. Dies gelingt, indem man die häufigsten und wirksamsten Manipulationsmethoden durchschaut und die verborgenen Interessen seiner Mitmenschen erkennt. Thorsten Havener ist unter anderem deswegen so von der Manipulation fasziniert, weil sie sich im Verborgenen abspielt. Eines der wesentlichen Werkzeuge der Beeinflussung ist dabei die Sprache. Der Autor hat sein Buch aus der Sicht eines „Gedankenlesers“ geschrieben. Thorsten Havener ist Deutschlands bekanntester Mentalist.

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Lügen zerstören eine Beziehung

Martin Hartmann definiert Lüge als Behauptung, deren Inhalt der Sprecher für falsch hält. Er stellt sie aber mit der Absicht auf, andere mit Blick auf diesen Inhalt zu täuschen. Es ist relativ leicht zu erkennen, dass Lügen das Vertrauen in einer Beziehung empfindlich stören oder sogar zerstören. Deswegen sagt man oft, die Lüge, wenn sie denn bemerkt wird, markiere das eigentliche Ende des Vertrauens. In manchen Beziehungen kann es jedoch durchaus sinnvoll sein zu lügen oder unaufrichtig zu sein. Aber unter normalen Umständen gehen Menschen davon aus, dass andere die Wahrheit sagen. Martin Hartmann ergänzt: „Wenn jemand uns dauerhaft anlügt, brechen wir in der Regel das Verhältnis zu ihm ab.“ Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

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Ohne Wahrheit gibt es kein Vertrauen

Kann es sein, dass viele Menschen niemandem mehr vertrauen, weil sie niemandem Aufrichtigkeit unterstellen? Weil sie annehmen, fast jeder belüge sie? Martin Hartmann weiß: „Wenn es keine Wahrheit gibt, kann es kein Vertrauen geben – das ist ein häufig hergestellter Zusammenhang. Ebenso üblich ist es, einen Zusammenhang zwischen Vertrauen und Aufrichtigkeit herzustellen.“ Die meisten Menschen vertrauen denen, von denen sie glauben, dass sie aufrichtig sagen, was sie denken oder beabsichtigen. Sie vertrauen jenen nicht, die sie anlügen, täuschen oder die unwahrhaftig sind. Wenn sie doch jemandem Vertrauen schenken, der sie anlügt, kann das ein Unglück sein. All diese Zusammenhänge sind in Wirklichkeit viel komplizierter, als man es gemeinhin annimmt. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

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Die Wahrheit befindet sich in einer tiefen Krise

Es ist schwer und oft prinzipiell unmöglich, unter der herrschenden Flut von Informationen zu entscheiden, was denn nun stimmt und was nicht. Bernhard Pörksen schreibt: „In der Situation einer allgemeinen Verunsicherung wuchert der Verdacht, regiert der Zweifel und dominiert das Geraune. Es suggeriert den Durchblick, aber offenbart eigentlich doch nur Verwirrung und Verstörung.“ Zudem kommuniziert der vernetzte Mensch unter den gegenwertigen Medienbedingungen konstant mit „Entitäten“. Deren Absichten und Interessen, deren Integrität oder Status – Mensch oder Maschine, neutraler Beobachter oder Propagandist – lassen sich nicht sicher einschätzen. Daher stellt sich die Frage, was überhaupt als echte, wahrheitsgetreue und authentische Kommunikation betrachtet werden kann – und was eben nicht. Die digitale Öffentlichkeit stellt den vernetzten Menschen also vor das Problem, die zahlreich verbreiteten Falsch- und Fehlinformationen überhaupt zu erkennen. Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen.

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Die meisten Menschen beherrschen die Kunst der Verstellung

Wenn Fehleinschätzungen der eigenen Fähigkeiten und Gründe oft und systematisch auftauchen, dann stellt sich für Philipp Hübl die Frage, wie sie evolutionär von Vorteil gewesen sein können. Als Antwort darauf gibt es mehrere Vorschläge. Der Evolutionsbiologe Robert Trivers nimmt an, dass Selbsttäuschung sich im Dienste der sozialen Täuschung entwickelt hat. Friedrich Nietzsche hat diese soziobiologische Grundidee schon 150 Jahre früher so zusammengefasst: „Der Intellekt, als ein Mittel zur Erhaltung des Individuums, entfaltet seine Hauptkräfte in der Verstellung. Im Menschen kommt diese Verstellungskunst auf ihren Gipfel: hier ist die Täuschung, das Schmeicheln, Lügen und Trügen, das Hinter-dem-Rücken-reden, das Repräsentieren, das im erborgten Glanze Leben, das Maskiertsein, die verhüllende Konvention, das Bühnenspiel vor anderen … die Regel und das Gesetz.“ Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Die Urteilskraft minimiert die Gefahr der Täuschung

Der Besitz von Urteilskraft ist eine der wesentlichen Eigenschaften eines Philosophen. Diese Fähigkeit besteht darin, vor der Äußerung eines Urteils, der Zustimmung zu einer Aussage beziehungsweise ihrer Ablehnung oder der Entscheidung für eine Handlungsweise die dazu leitenden Vorstellungen beziehungsweise Beweggründe präzise zu analysieren und so alles auf sein wahren Prinzipien zurückzuführen. Da dieses Vorgehen eine klare Erkenntnis der Wahrheit, der Wahrscheinlichkeit, der Zweifelhaftigkeit oder der Falschheit der untersuchten Aussagen mit sich bringt, minimiert der Besitz von Urteilskraft die Gefahr diesbezüglicher Täuschung. Urteilskraft fungiert also als Instanz zur Bewertung des Verhältnisses von Aussagen zu den unabhängig von Aussagen bestehenden Sachverhalten und bewirkt die treffende, obgleich nicht schnelle Bewertung der Weise, in der Aussagen Aufschluss über die Wirklichkeit geben. Allgemein gefasst heißt das, dass die Urteilskraft Aussagen überhaupt erst in eine bewertbare Beziehung zur Wirklichkeit setzt.

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Ein Mensch ohne Besitz ist wenig wert

Der beste Wegbereiter eines Burn-out ist das Ego eines Menschen. Ein solches Ego lebt nach dem Motto: Mehr haben wollen, besser sein als andere, immer mehr Dinge auf einmal tun können, Gewinner sein, sich anstrengen für Anerkennung, stärker sein. Klaus Biedermann stellt fest: „Solche Dinge werden uns von Kindesbeinen an ständig eingetrichtert und sind in einer Konsumgesellschaft Grundvoraussetzung für deren Funktionieren. Wir bekommen vorgelebt, gezeigt und gesagt, dass ein Mensch, der nichts besitzt oder nichts leistet, wenig wert ist.“ Mehr noch: Man darf sich sogar über ihn lustig machen. Irgendwann übernehmen Besitz und Leistungsstreben die Herrschaft über das gesamte Leben eines Menschen, obwohl ihm rational durchaus klar ist, dass er nackt kam und mit leeren Taschen wieder gehen wird. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

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Betrogene Partner neigen nach einer Affäre zur Besessenheit

Betrogene Partner scheinen ihre Besessenheit von einer Affäre nicht ablegen zu können, bis sie im Besitz aller Antworten sind – was Monate dauern kann. Sie wälzen die Lügen und unbeantworteten Fragen ständig in ihrem Kopf. Shirley P. Glass fügt hinzu: „Sie entwickeln Fixierungen auf visuelle Eindrücke, Gesprächsschnipsel oder verwirrende Erinnerungen, deren Sinn sie nicht verstehen. Sie investieren eine Menge Energie, um die Wahrheit über frühere Lügen herauszufinden.“ Der betrogene Partner beginnt, frühere Lügen wie Puzzleteile zu einem Gesamtbild der Täuschung zusammenzufügen. Etwas zu vergessen, wäre fatal. Vor dem Hintergrund der zerstörten Erwartungen wird die gesamte Geschichte der Ehe durchgegangen. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

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Im öffentlichen Diskurs wird selten kritisch debattiert

Der öffentliche Diskurs vermittelt vielen Menschen das Gefühl, die wesentlichen Herausforderungen der Gesellschaft, in der sie leben, erkannt zu haben. Doch sie können dabei auch einer Täuschung unterliegen. Vielleicht werden sie umnebelt und entfernen sich von den Realitäten des Lebens? Aufgrund des Mainstreams werden Themen selten kritisch debattiert und Widersprüche übersehen. Allan Guggenbühl ergänzt: „Debattieren hieße ja, dass es eine Vielzahl verschiedener Positionen gibt, die alle legitim und die Anlass für Auseinandersetzungen sind. Eindrücklich zeigt sich dies bei den Themen Gender und Sexualität.“ Studiert man den aktuellen öffentlichen Diskurs, dann werden Geschlechtsunterschiede im Verhalten und Denken fast ausschließlich auf die Sozialisation und Stereotypien zurückgeführt. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Philipp Hübel weist auf die Tücken der Selbstbeobachtung hin

Menschen schmecken hauptsächlich mit ihrer Nase. Der Geruchssinn gehört evolutionär zu den ältesten Sinnesorganen. Die Verarbeitung olfaktorischer Reize ist dabei zehnmal langsamer als bei visuellen. Philipp Hübl erklärt: „Gut möglich, dass der Geschmack deshalb so leicht von unserem dominanten Sinn, dem Sehen, überschrieben wird.“ Für die Selbstbeobachtung sind das schlechte Nachrichten. Ein Mensch kann seinen primären Eindrücken nicht trauen, weil sie sofort von anderen Sinnen und seinem Vorwissen überlagert, verzerrt und ersetzt wird. Es kann deshalb gut sein dass man das reine Schmecken, genauer das Riechen, niemals von den umgebenden Eindrücken, Gedanken und Erinnerungen trennen kann. Die vielen Täuschungen zeigen allerdings nicht, dass man überhaupt keine Geschmacksunterschiede wahrnehmen kann. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Gottfried Wilhelm Leibniz gilt als der Optimist unter den Philosophen

Gemeinhin gilt unter den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) als der Optimist im wahrsten Sinne des Wortes – insbesondere, weil Optimismus vom lateinischen „Optimum“ (das Beste) abgeleitet ist und Gottfried Wilhelm Leibniz die reale Welt als die bestmögliche betrachtet. Dieser Denker zählt zu den letzten Universalgelehrten, der als studierter Jurist leidenschaftlich Mathematik und Naturwissenschaften betrieb. Ludger Pfeil erklärt: „Er erfand das duale Rechnen, dass ausschlich Nullen und Einsen kennt, und eine dazu passende Rechenmaschine.“ Daneben vertiefte er als politischer Berater des Hauses Hannover sein Interesse an Ökonomie und Geschichtswissenschaft. Seine unermüdliche Suche nach Harmonie prädestinierte ihn dabei zum Diplomaten. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Friedrich Nietzsche: „Sei dir selber treu!“

Friedrich Nietzsche war der Meinung, dass Menschen ihr eigenes Leben erschaffen, aber er behauptet, dass nicht alle Lebenssinne gleichrangig seien. Wenn man eine kritische Messlatte anlegt, seien manche grundsätzlich besser als andere. Daniel Klein beschreibt, was Friedrich Nietzsche meinte: „Manche von uns haben das Potential, auf eine Weise zu leben, die weit jenseits des Gewöhnlichen liegt, und es ist unsere Pflicht, nach einem solchen Leben zu streben, uns voll und ganz auf das einzulassen, was er das „Ja zu Leben“ nannte.“ Friedrich Nietzsche nennt Menschen Schwächlinge, die das Drehbuch, das ihnen die Gesellschaft in die Hand gedrückt hat, einfach nur abnicken und nach dessen Vorgaben leben. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Philipp Hübl dringt in den Untergrund des Denkens vor

Ein großes Thema unserer Zeit ist der unvernünftige und verführbare Mensch, der der Macht des Unbewussten hilflos ausgeliefert ist. Philipp Hübl klärt in seinem neuen Buch „Der Untergrund des Denkens“ darüber auf, dass das nicht immer so war: „Von der antiken griechischen Philosophie über die europäische Aufklärung bis in die Moderne galt eigentlich die Vernunft als dasjenige Merkmal, das uns Menschen von Tieren unterscheidet.“ Die Vernunft zeigt sich in der Art und Weise, wie Menschen etwas tun, nämlich wenn sie gründlich nachdenken und bewusst handeln. In der Kulturgeschichte konkurrieren also, grob gesprochen, zwei Bilder über die Natur des Menschen. Das klassische Bild stellt den Menschen als selbstbestimmte Person dar, die bewusst über sich und die Welt nachdenken und vernünftige Entscheidungen treffen. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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René Descartes suchte nach der absoluten Gewissheit

Der Philosoph René Descartes, der von 1596 bis 1650 lebte, erforschte in zwei seiner Werke die Grenzen dessen, was Menschen wissen können. Die Schriften heißen „Meditationen über die Grundlagen der Philosophie“ und „Methode des richtigen Vernunftgebrauchs“. Wie die meisten Philosophen wollte René Descartes nicht etwas glauben, ohne es vorher genau untersucht zu haben. Nigel Warburton erklärt: „Er liebte es, abwegige Fragen zu stellen, auf die andere gar nicht kamen. Natürlich war René Descartes klar, dass man nicht durchs Leben gehen konnte, indem man ständig alles hinterfragte.“ Das Leben würde sich als extrem schwierig erweisen, wenn man nicht auch einige Dinge einfach glaubte. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Das Bewusstsein bildet die Voraussetzung für eine Illusion

Ist das menschliche Bewusstsein eine Illusion? Das könnte man denken, wenn man annimmt, dass das Bewusstsein vollständig vom Gehirn abhängt. Kann das Bewusstsein eine Täuschung sein? Das wäre laut Philipp Hübl allerdings seltsam, denn das Bewusstsein ist ja gerade die Voraussetzung, um sich überhaupt in etwas täuschen zu können. Ohne Bewusstsein würde ein Mensch nichts sehen und könnte folglich auch keiner Illusion erliegen. Ja, man könnte nicht einmal sagen, „wer“ sich da eigentlich täuscht, denn das Bewusstsein scheint die Spezies Mensch überhaupt erst auszumachen. Es ist ein Mythos, dass Menschen nur zehn Prozent ihrer potentiellen Gehirnleistung nutzen. Denn niemand weiß, was die Nutzung des Gehirns überhaupt ist und wie man sie quantifizieren sollte. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Die Weltbevölkerung produziert täglich 3,5 Millionen Tonnen Müll

„Reduzieren“ bedeutet für Serge Latouche zunächst einmal, eine Produktionsweise und ein Konsumverhalten zu entwickeln, die sich weniger negativ auf die Biosphäre auswirken. Dabei geht es vor allem darum, den Überkonsum zu beschränken und die weitverbreitete Wegwerfmentalität abzulegen. Serge Latouche kritisiert: „80 Prozent der auf den Markt gelangenden Güter werden, wenn überhaupt, nur ein einziges Mal benutzt, bevor sie direkt in den Abfalleimer geworfen werden.“ Im Jahr 2013 produzierte die Weltbevölkerung rund 3,5 Millionen Tonnen Müll pro Tag. Die Industrieländer in Europa und Nordamerika produzieren dabei den meisten Müll: Ein Europäer 522 Kilogramm Hausmüll pro Jahr, ein Amerikaner 675 Kilogramm. Serge Latouche ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Paris-Sud. Der Ökonom und Philosoph gilt als einer der wichtigsten Vordenker des französischen Konzepts der Rücknahme des Wachstums.

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Herbert Marcuse wagt eine Neubestimmung der Kultur

Zur Neubestimmung der Kultur nimmt Herbert Marcuse eine Definition von Webster zum Ausgangspunkt, wonach Kultur als der Komplex spezifischer Anschauungen des Glaubens, Errungenschaften, Traditionen und so weiter zu verstehen ist, die den Hintergrund einer Gesellschaft bilden. In den Mittelpunkt seiner Analyse stellt Herbert Marcuse das Verhältnis von Hintergrund und Grund einer Gesellschaft. Er schreibt: „Kultur erscheint so als der Komplex moralischer, intellektueller und ästhetischer Ziel, die eine Gesellschaft als den Zweck der Organisation, Teilung und Leitung ihrer Arbeit betrachtet – das Gut, das durch die von ihr eingerichtete Lebensweise erlangt werden soll.“ Herbert Marcuse betrachtet nur dann eine Kultur als existent, wenn die repräsentativen Ziele und Werte erkennbar in die gesellschaftliche Wirklichkeit übersetzt wurden. Das heißt, die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der jeweiligen Gesellschaft müssen eine nachweisbare Affinität zu den verkündeten Werten aufweisen.

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Jede Liebesgeschichte ist eine potentielle Leidensgeschichte

Der „Independent“ schrieb über das neue Buch „Lebensstufen“ von Julian Barnes folgendes: „Jeder, der einen geliebten Menschen verloren hat und leidet, oder jeder, der leidet, sollte es lesen.“ Wie Julian Barnes im dritten Kapitel „Der Verlust der Tiefe“ seine Trauer um seine geliebte Frau Pat beschreibt, mit der er 29 Jahre verheiratet war, ist in der Tat einzigartig. Die Liebe schenkt dem Menschen zwar ein Gefühl von Glaube und Unbesiegbarkeit, aber Julian Barnes glaubt, dass jede Liebesgeschichte gleichzeitig eine potentielle Leidensgeschichte sei. Seine Frau Pat war für den Schriftsteller sein Herzblut und sein Lebenssinn. Umso tragischer war es für ihn, dass zwischen der Diagnose und dem Tod seiner Frau nur 37 Tage lagen. Julian Barnes erhielt zahlreiche europäische und amerikanische Buchpreise. Im Jahr 2011 wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet.

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Pyrrhon von Elis war der extremste Skeptiker von allen

Die Menschen wissen nichts und nicht einmal das ist sicher. Keiner sollte sich auf das verlassen, was er für wahr hält, denn man könnte ihn missverstehen. Nigel Warburton erklärt: „Alles kann infrage gestellt werden, alles kann angezweifelt werden. Es ist am besten, man fällt überhaupt kein abschließendes Urteil. Wenn man für alle Meinungen offen bleibt, kann man nicht enttäuscht werden.“ Das waren die Hauptgedanken des Skeptizismus, einer Strömung in der Philosophie, die mehrere Hundert Jahre im alten Griechenland und später in Rom viele Anhänger hatte. Der Grieche Pyrrhon von Elis (ca. 365 – ca. 270 v. Christus) war der berühmteste und vermutlich der extremste Skeptiker von allen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Cicero bekämpft mit der Vernunft die Zügellosigkeit

Nach Cicero soll der Mensch auch unter günstigen und nach seinem Willen sich gestaltenden Umständen die Überheblichkeit, den Stolz und den Hochmut meiden. Denn seiner Meinung nach ist es ebenso ein Beweis von Haltlosigkeit, im Ertragen von Unglück wie von Glück maßlos zu sein. Er schreibt: „Und etwas Treffliches ist die Ausgeglichenheit in allen Lebenslagen und immer dasselbe Gesicht und dieselbe Stirn, wie wir von Sokrates und auch von C. Laelius erfahren haben.“ Für Cicero sind diejenigen Vorschriften die Richtigen, die den Menschen mahnen, dass er sich, je überlegener er ist, umso bescheidener benehmen soll.

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Wolfgang Hetzer erläutert die Erfindung des Kapitalismus

Der Kapitalismus ist eine Erfindung. Er ist für Wolfgang Hetzer jedenfalls keine Konsequenz naturgesetzlicher Verhältnisse, obwohl manche Ökonomen immer wieder über seine angeblichen Zwangsläufigkeiten schwadronieren. In Wahrheit ist der Kapitalismus laut Wolfgang Hetzer eine Rettungserfindung. Er nennt den Grund: „Selten sind sich in dieser Wirtschafts- und Lebensform Geschichte und Aktualität so nahe gewesen wie in jüngster Zeit. Die Erfindung des Kapitalismus hatte dereinst den Staat gerettet.“ Der Schotte John Law, der von 1671 bis 1729 lebte, hatte vom Herzog Philippe II. von Orléans die Erlaubnis erhalten, die erste Bank Frankreichs zu gründen. John Law hielt eine Währung in Form von Papiergeld für das zweckmäßigste Mittel der Geldvermehrung. Wolfgang Hetzer, Dr. der Rechts- und Staatswissenschaft, leitete von 2002 bis 2011 die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel.

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Paul Nolte beschreibt die scheinbaren Vorzüge der Diktatur

Selbst in Großbritannien und Amerika kamen in der Zwischenkriegszeit neue Zweifel an der Demokratie auf, doch diese Zweifel griffen im kontinentalen Europa viel weiter und grundsätzlicher um sich und mündeten häufiger, über Skepsis hinaus, in Gegnerschaft gegen die Demokratie oder jedenfalls Gleichgültigkeit gegenüber ihrer möglichen Zerstörung. Die Aussicht auf eine Diktatur erschien in den 1920er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht so schrecklich wie in der Gegenwart. Erst aus der konkreten Erfahrung des Nationalsozialismus, der für Verfolgung und Massenmord verantwortlich war, teils auch aus den parallelen Gegebenheiten im Stalinismus der Sowjetunion, entstand laut Paul Nolte jenes Bild der Diktatur als alles umgreifender und kontrollierender, totaler Herrschaft, die sich auf Willkür und die Entfesslung von Gewalt stützt. Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Jack Nicholson ist schon zu Lebzeiten eine Filmlegende

Die Präsenz des amerikanischen Filmschauspielers Jack Nicholson auf der Leinwand ist schier übermächtig. Er besticht nicht nur durch große Schauspielkunst, sondern auch durch das markanteste Grinsen in Hollywood. Am vergangen Sonntag ist der Superstar 75. Jahre alt geworden. Seine Kindheit begann allerdings mit einer Täuschung. Seine Mutter Jane, die bei der Geburt von Jack Nicholson in New York gerade einmal 17 Jahre alt und unverheiratet war, gab sich in den folgenden 37 Jahren als seine Schwester aus. Den Mutterpart musste Großmutter Ethel übernehmen. Als er die Wahrheit erfuhr, reagierte Jack Nicholson völlig unaufgeregt: „Schwester, Mutter? Setzen Sie einfach einen Bindestrich dazwischen.“

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