Der Klimawandel ist eine Tatsache

Tatsachen sind Wahrheiten, so viel steht fest. Peter Trawny beginnt mit dieser weitverbreiteten Feststellung und bezieht sich dabei auf einen Streit über eine Reaktion auf die Klimakrise. Die Aktivistin Greta Thunberg sagt, dass die Menschheit „schon sämtliche Tatsachen und Lösungen“ zum Problem kennt. Sie muss nur noch „aufwachen und etwas verändern“. Deshalb fordert sie: „Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ In Panik geraten kann man in der Tat nur, wenn eine wirkliche Gefahr schon sehr bedrohlich geworden ist. Wenn man nicht mehr daran zweifeln kann, dass man ohne unmittelbare Gegenmaßnahmen Schaden nehmen wird. Daher fügt sie hinzu: „[…] ich sage das nur, weil es wahr ist.“ Peter Trawny gründete 2012 das Matin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat.

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Der Neue Moralische Realismus klärt auf

Markus Gabriel stellt die ethischen Grundbegriffe der neuen Aufklärung vor, die sich aus einigen Kernthesen ergeben. Die Kernthesen des Neuen Moralischen Realismus lauten wie folgt. Erstens gibt es von den Privat- und Gruppenmeinungen unabhängige moralische Tatsachen. Diese bestehen objektiv. Zweitens sind die objektiv bestehenden moralischen Tatsachen durch den Menschen erkennbar, also geistabhängig. Sie richten sich an Menschen und stellen einen Moralkompass dessen dar, was man tun soll, tun darf oder verhindern muss. Sie sind in ihrem Kernbestand offensichtlich und werden in dunklen Zeiten durch Ideologie, Propaganda, Manipulation und psychologische Mechanismen verdeckt. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Markus Gabriel erforscht soziale Tatsachen

Die Sozialontologie untersucht die Frage, worin die Existenz sozialer Tatsachen besteht. Dabei ist die Hauptströmung der Sozialontologie laut Markus Gabriel naturalistisch massiv vorbelastet: „In der Regel wird sie nämlich unter der Auflage eines Verortungsproblems motiviert.“ Die Frage dabei lautet: Wie passen soziale Tatsachen in eine letztlich oder fundamental nicht-soziale Wirklichkeit, die Natur, hinein? Die Natur wird in diesem Rahmen als dasjenige in Anschlag gebracht, was ohne menschliches Zutun vorfindlich ist. Das Soziale wird hingegen nach dem aristotelischen Modell als Menschenwerk aufgefasst. Die gegenwärtige Sozialontologie verdankt sich einer Variante der Frage, ob es metaphysisch irreduzible Elemente des objektiven Geistes gibt. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Im Bereich der Werte gibt es moralische Tatsachen

Eine „Tatsache“ ist eine objektiv bestehende Wahrheit. Doch auch im Bereich der Werte gibt es Tatsachen – moralische Tatsachen. Viele Menschen glauben allerdings, dass es keine moralischen Tatsachen gibt. Dies wirft für Markus Gabriel eine grundlegende Frage auf, die in verschiedenen Varianten auftaucht: Gibt es überhaupt objektive Werte? Diese Frage hängt eng damit zusammen, was man tun soll. In den Tagen der Corona-Krise kommen verhaltensökonomische Modelle zum Einsatz. Markus Gabriel stellt fest: „Der Mensch wird in vielen Ländern – gerade jenen in denen eine Ausgangssperre verhängt wird – als Herdentier betrachtet, das nicht wirklich zu moralischen Entscheidungen fähig ist.“ Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Markus Gabriel weist den Wertepluralismus zurück

Der Wertepluralismus meint, in der Moral gelte: Andere Länder, andere Sitten. Jedes Land werde von einer Kultur geprägt, die einen eigenen Moralkodex habe. Und einige Länder bildeten Gruppen, die miteinander kommunizieren können. Markus Gabriel erläutert: „So stellt man sich dann den Westen im Unterschiede zum Osten oder Europa im Unterschied zu Afrika als Werteordnungen vor.“ Der Irrtum besteht seiner Meinung nach jedoch in der Annahme, es gäbe voneinander abgegrenzte Wertesysteme. Diese Überzeugung führt schnell zur zurückweisenden Annahme der Inkommensurabilität. Also der Vorstellung, es gäbe radikal voneinander verschiedene und nicht mit demselben Maß messbare Moralsysteme. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Wahrheit ist in großer Gefahr

Es tobt eine Riesenschlacht um die Wahrheit. Es gibt Fake News, alternative Fakten, Verschwörungstheorien, die Lügenpresse und ein postfaktisches Zeitalter. Die Öffentlichkeit wird erschüttert von Schlagworten und Diskussionen um alles oder nichts. Peter Trawny warnt in seinem neuen Buch „Krise der Wahrheit“: „Die Situation ist unübersichtlich. Es droht ein allgemeiner Orientierungsverlust. Alles weist darauf hin, dass es einen gefährlichen Anschlag auf die Wirklichkeit gibt, eine Krise der Wahrheit.“ Aus unsichtbaren Informationskanälen bricht ein Virus hervor und vergiftet die Gesellschaft. Ein Streit um die Deutungshoheit der Wahrheit ist unvermeidbar. Der Naturwissenschaft liegen Regeln zugrunde, die alle kennen können und wenig Anlass zu Misstrauen bieten. Die Frage wäre also, warum man diese Regeln zu ignorieren versucht. Peter Trawny gründete 2012 das Matin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat.

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Aus den Grundrechten folgen auch Pflichten

Für den Philosophen Markus Gabriel ist die heutige Wertekrise zugleich eine Krise der Demokratie. Wer den Universalismus beschädigt, wendet sich gegen die Idee, dass eine Gemeinschaft darauf aufbaut, dass alle Menschen den gleichen Wert besitzen. Schon allein deshalb haben sie bestimmte Rechte und Pflichten. Markus Gabriel erläutert: „Dazu gehören das Recht auf freie Entfaltung unserer Persönlichkeit, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Außerdem gehören dazu die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Recht darauf vor Gericht nicht aufgrund von Geschlecht, Sprache, Herkunft, Einkommen usw. benachteiligt zu werden. Gerne übersieht man, dass aus den Grundrechten auch Pflichten folgen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Gottlob Frege hat die Logik revolutioniert

Informationen im modernen Sinn des Wortes, der in die wissenschaftliche Disziplin der Informatik und damit ins digitale Zeitalter führt, entsprechend dem, was man in der Philosophie seit Gottlob Frege als den Sinn von Gedanken versteht. Markus Gabriel ergänzt: „Die Informatik baut auf den Errungenschaften der modernen Logik und Mathematik auf, wozu insbesondere Freges Arbeiten zur Grundlegung der modernen Logik gehören.“ Ohne Gottlob Frege und an ihn anknüpfende Denker, wie insbesondere Bertrand Russell (1872 – 1970) und Alfred North Whitehead (1861 – 1947), wäre es niemals zur digitalen Revolution gekommen. Denn sie haben die Logik dadurch revolutioniert, dass sie Denken als die Verarbeitung von wirklich existierenden Informationen begriffen haben. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Guter Journalismus versucht der Wahrheit auf die Spur zu kommen

Timothy Garton Ash ist seit 40 Jahren als Journalist und Wissenschaftler tätig. In dieser Zeit hat sich die Antwort auf die Frage „Was ist ein Journalist?“ dramatisch verändert, während die Antwort auf die Frage „Was ist guter Journalismus?“ völlig gleich geblieben ist. Es ist völlig gleichgültig, ob jemand als Journalist betrachtet wird oder nicht, er kann auf jeden Fall guten Journalismus machen. Im Oxford English Dictionary lautet die erste Definition von Journalist: „eine Person, die durch Redigieren oder Schreiben für eine oder mehrere Zeitschriften ihren Lebensunterhalt verdient.“ Das wirkt heute herrlich altmodisch. Denn sehr schlecht bezahlte freie Mitarbeiter und frisch entlassene Redakteure sind heute eher die Regel. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Sigmund Freud unterscheidet zwischen Sexualtrieb und Todestrieb

In der Philosophie der Gegenwart wurden verschiedene Modelle entwickelt, um in der Struktur dessen, was Sigmund Freud „das Ich“ nennt, die menschliche Rationalität auszumachen. Der amerikanische Philosoph Robert Brandom spricht hier vom „Spiel des Gebens und Verlangens von Gründen“ und er hat auch dafür plädiert, das Ich gleichsam als den allgemeinen Namen für Mitspieler an diesem Spiel aufzufassen. Markus Gabriel erklärt: „Ein Ich zu sein heißt, für die Beschreibungsebene zugänglich zu sein, auf der wir unsere Einstellungen zu uns selbst und zu anderen durch Gründe stützen und rechtfertigen.“ Sigmund Freud selber neigt leider häufig dazu, das Ich wie einen Homunculus zu behandeln, der seines Erachtens dadurch auf die Bühne tritt, das Wahrnehmungen im Menschen durch Reizungen entstehen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Sadismus und Masochismus sind allgegenwärtig

Erinnerungen an intensive emotionale Situationen üben einen starken Sog auf alle Menschen aus – insbesondere Erinnerungen an Schmerzen oder Gewalt. David Gelernter erklärt: „Dass solche Erinnerungen uns anziehen, liegt an unserer morbiden Faszination, unserem angeborenen Sadismus oder Masochismus.“ Ein Sadist ist man insofern, als man sich von den Schmerzen anderer Menschen angezogen fühlt, und ein Masochist ist man, weil einen Erinnerungen auch dann anziehen, wenn man sie unangenehm, schmerzlich oder abstoßend findet. Sadismus und Masochismus sind allgegenwärtig und so menschlich wie das Atmen. Vor allem aber ziehen Menschen diese Erinnerungen wegen ihrer schieren Intensität an. Das Hellste, Lauteste, Größte, Stärkste weckt immer die Aufmerksamkeit, ganz gleich, was es ist. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Die Normen einer Gesellschaft muss man immer wieder infrage stellen

Die Normen einer Gesellschaft und einer Kultur ändern sich mit der Zeit. Man muss sie immer wieder infrage stellen. Timothy Garton Ash erklärt: „Darum geht es bei der Redefreiheit: dass man die normative Kraft des Faktischen nicht ohne weiteres akzeptiert.“ Wenn man Probleme, die real sind oder von vielen für real gehalten werden, in der Öffentlichkeit und vor allem in der Berichterstattung nicht anspricht, etwa im Zusammenhang mit Einwanderern, dann bricht plötzlich etwas hervor – explosionsartig, wie zum Beispiel in Form dieses wirklich schlechten und giftigen Buchs „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin. Es wäre viel besser gewesen, diese schwierigen Themen viel früher anzusprechen, aber eben auf der Basis von Tatsachen und mit der Haltung robuster Zivilcourage. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Zum Glück gibt es immer Alternativen

Als geistiger Baumeister der Welt hat der Psychologe William James schon vor mehr als hundert Jahren das Bewusstsein beschrieben: „Mein Erleben ist das, worauf ich mich entschieden habe, meine Aufmerksamkeit zu richten.“ Es ist also eine Frage des Blickwinkels: Für den einen ist das Glas halb voll, für den anderen halb leer. Offensichtlich sind es nicht die sogenannten Tatsachen, die die Welt regieren, sondern die innere Reaktion eines Menschen auf sie. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Es ist nicht der äußere Rahmen, sondern die Art des inneren Erlebens, die Einstellung, die die Erfahrung bestimmt. Uns bleibt immer ein Spielraum in der Interpretation des Vorgefundenen. Da gibt es immer Alternativen.“ Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Markus Gabriel stellt Johann Gottlieb Fichte vor

In der Wissenschaftslehre von Johann Gottlieb Fichte gibt es drei Grundsätze. Sie zeigen, worum es beim Ich eigentlich geht. Markus Gabriel erklärt: „Der erste Grundsatz der Wissenschaftslehre lautet: „Ich = Ich“.“ Das sieht auf den ersten Blick trivial aus, ist es aber nicht. Denn man könnte ja meinen, dass man alles mit sich selbst uninformativ gleichsetzen könne. Dies nennt man eine Tautologie. Damit etwas mit sich selbst identisch sein kann, muss es anscheinend überhaupt existieren können. Das Ich bedeutet zunächst nichts weiter als diejenige, derjenige, dasjenige, das etwas weiß. Dies kann man nicht bestreiten. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Menschen sind zum Guten und zum Bösen fähig

Eine Antwort auf die Frage, warum Menschen nicht einfach nur gnadenlose egoistische Raubtiere sind – obwohl sie sich so verhalten können –, lautet, dass Menschen die Fähigkeit haben einzusehen, dass andere Menschen respektiert werden sollen. Um dies weiter zu begründen, weist Markus Gabriel darauf hin, dass auch andere Menschen ein bewusstes Leben führen. Ein bewusstes Leben zu führen heißt, sich als subjektives Zentrum eines Geschehens, als Ich zu erleben. Das menschliche bewusste Leben verfügt überdies über die Möglichkeit, verstehen zu können, dass es andere Zentren des Geschehens gibt als das eigene. Diese Einsichten hält der amerikanische Philosoph Thomas Nagel für die Grundlage der Ethik. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Markus Gabriel verteidigt die geistige Freiheit

Markus Gabriel zählt zu den Verteidigern des Begriffs „geistiger Freiheit“. Zu diesem gehört, dass Menschen sich täuschen und irrational sein können. Zu dem gehört aber auch, dass Menschen imstande sind, herauszufinden, was der Fall ist. In der Philosophie ist es wie in jeder anderen Wissenschaft auch: Wissenschaftler formulieren Theorien, geben Gründe für diese, berufen sich auf Tatsachen, die man erkennen und in einem bestimmten Licht verstehen sollte und so weiter. Markus Gabriel erklärt: „Eine Theorie besteht aus Überlegungen, die wahr oder falsch sein können. Infallibel ist niemand, auch und vor allem nicht auf dem Gebiet der Selbsterkenntnis. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Beobachtungen sind immer Interpretationen

Im „Versuch über den menschlichen Verstand“ schreibt der englische Philosoph John Locke, der von 1632 bis 1704 lebte, folgendes: „Niemand kann im Ernst so skeptisch sein, dass er über die Existenz der Dinge, die er sieht und fühlt, ungewiss wäre.“ John Locke war der erste große Vertreter des empirischen Denkens. Er vertritt die These, dass sich etwas Reales aus unterschiedenen und mit hin unterscheidbaren Elementen zusammengesetzt ist. Diese Annahme wird später von Ludwig Wittgenstein zum Begriff der Tatsache verallgemeinert. Seiner Meinung nach ist die Tatsache das Bestehen von Sachverhalten und der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen wie Sachen oder Dingen. Ludwig Wittgenstein schreibt: „Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.“ Mit dem Begriff der Tatsache ist der Ausgangspunkt einer Tätigkeit gesetzt, die seit Aristoteles Induktion heißt, ein Denkweg vom Einzelnen zum Allgemeinen, aus dem Geschehen in eine Distanz hinein.

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Die Figur des Bürgers ist das logische Subjekt der Aufklärung

Immanuel Kant betrachtet die Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist dabei das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Der Verstand ohne Leitung eines anderen dagegen, ist von Vernunft geleitete Geisteskraft. Laut Theodor W. Adorno und Max Horkheimer ist Denken im Sinn der Aufklärung die Herstellung von einheitlicher, wissenschaftlicher Ordnung und die Ableitung der Erkenntnis von Tatsachen aus Prinzipien. Diese können als willkürlich gesetzte Axiome, eingeborene Ideen oder höchste Abstraktionen gedeutet werden. Die Sozialforscher fügen hinzu: „Die logischen Gesetze stellen die allgemeinsten Beziehungen innerhalb der Ordnung her, sie definieren sie. Die Einheit liegt in der Einstimmigkeit. Der Satz vom Widerspruch ist das System in nuce. Erkenntnis besteht in der Subsumtion unter Prinzipien.“

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Der Wille zur Wahrhaftigkeit prägt die intellektuelle Redlichkeit

In dem Maße, in dem die menschliche Würde durch den Willen zur Wahrhaftigkeit bestimmt wird, hat sie mit einer Einstellung zu tun, die Peter Bieri intellektuelle Redlichkeit nennt. Als Maxime formuliert lautet sie: „Man soll nicht vorgeben, Dinge zu wissen, die man nicht weiß und nicht wissen kann.“ Allerdings kann jeder viele Annahmen und Überlegungen aussprechen und zur Diskussion stellen. Selbst Vermutungen und Denkübungen, die auf wackligen Füßen stehen. Das ist für Peter Bieri nichts, was die intellektuelle Redlichkeit verbietet. Was sie nicht erlaubt, ist, dass man sie als Wissen ausgibt – als etwas, worauf man bauen kann. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Die Erinnerung ist die Schwester des kritischen Bewusstseins

Die Geschichtsschreibung ist eine uralte Form der Dokumentation der Vergangenheit. Als Beispiele für frühe Dokumentoren nennt Helmut Reuter Caesar, Tacitus und Herodot. Eine solche Arbeit hat mehrere Funktionen, die offenen und versteckten Zielsetzungen, Ideologien oder Zeitstilen folgen. Die Geschichtswissenschaft erklärt, welche Akzente dabei eine Rolle spielen und wie diese Akzente sich abhängig vom gesellschaftlichen und politischen Wandel verbünden können. Als Beispiel nennt Helmut Reuter zunächst die Geschichte der großen Männer, eine weit bis in das 20. Jahrhundert als selbstverständlich verwendete Form der Darstellung. Neueren Datums ist dagegen die Beschreibung des sozialen Wandels einer Gesellschaft, oft mit einem deutlichen Akzent von unten. Damit sind die Erzählungen und die Lebenserfahrungen des Alltags und der Menschen, die den Alltag gestalten, gemein. Helmut Reuter ist seit 2004 Professor am Institut für Psychologie und Kognitionsforschung (IPK) der Universität Bremen.

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Das Verhältnis zwischen Gesetz und Moral ist sehr kompliziert

Obwohl die meisten Menschen erwarten, dass es zwischen Moral und Gesetz eine Beziehung gibt, ist es für Julian Baggini keine einfache Sache, die beiden Dinge so nahe wie möglich zusammenzubringen. Vieles, was Menschen als falsch erachten, ist nicht gesetzwidrig, und vieles, was gesetzwidrig ist, ist in sich nicht falsch. Und die meisten möchten, dass dies so bleibt. Der Philosoph Julian Baggini ist 1968 in Dover, Kent geboren. Er ist Mitbegründer und Herausgeber des „Philosopher´s Magazine“. Er schreibt regelmäßig für große Zeitungen und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Eines seiner Bücher trägt den Titel „Der Sinn des Lebens“ und ist 2005 im Piper Verlag erschienen. Sein neuestes Werk trägt den Titel „Ethik“ und ist im Verlag Springer Spektrum veröffentlicht worden.

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Thomas Rentsch erklärt die Philosophie des 20. Jahrhunderts

Thomas Rentsch erklärt in seinem Buch „Philosophie des 20. Jahrhunderts“ die Höhepunkte der modernen und gegenwärtigen Philosophie wie zum Beispiel die Sprachkritik Ludwig Wittgensteins, die Onotologiekritik Martin Heideggers, die Verdinglichungskritik Theodor W. Adornos sowie die französisch geprägte Postmoderne. Dabei zeigt er, wie sich die auf den ersten Blick gegensätzlichen Philosophierichtungen immer wieder ergänzen und so produktiv fortentwickeln. Die Philosophie des 20. Jahrhunderts ist für Thomas Rentsch ein Höhepunkt der 2500-jährigen Philosophiegeschichte: „Geprägt sowohl durch eine weitreichende Ausdifferenzierung der thematischen Schwerpunkte und Schulbindungen als auch durch eine Radikalisierung der Vernunftkritik auf allen Ebenen – vom Unbewussten über die menschliche Existenz und die Sprache bis zu Gesellschaft und Wissenschaft.“ Thomas Rentsch ist Professor für Philosophie an der TU Dresden. Er arbeitet vor allem zur Hermeneutik, zur Sprachphilosophie und zur praktischen Philosophie.

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Aufgedeckte Lebenslügen stellen den Sinn des Lebens in Frage

Lebenslügen müssen sich nicht dadurch auszeichnen, dass man andere belügt. Viele Menschen machen sich auch selbst etwas vor. Was dann gefälscht wird, ist nicht die soziale Identität, sondern das Selbstbild. Man sieht und beurteilt sich so, wie man nicht ist. Peter Bieri nennt einfache, harmlose Irrtümer: „Es stellt sich heraus, dass man in einer Sache weniger Einfluss hat als angenommen; dass die Leistung weniger groß oder eine Verfehlung weniger schwerwiegend war als angenommen; dass einen der Tod eines Bekannten weniger berührt als vermutet.“ Harmlose Irrtümer im Selbstbild sind solche, die auch wenn sie aufgedeckt werden, die seelische Identität eines Menschen nicht ins Wanken bringen. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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John Searles sieht sich die Konstruktion der Gesellschaft ganz genau an

Nur der Mensch verfügt über die Fähigkeit Personen oder Dingen Funktionen zuzuweisen. Die Natur dagegen weiß nichts von Funktionen. Einige Gegenstände stellen Unternehmen direkt für spezifische Funktionen her. John Searle, Professor für Philosophie an der University of California, Berkeley, nennt dafür als Beispiele die Badewanne, den Schraubenzieher oder den Computer. Andere natürliche Dinge kann der Mensch sozusagen zweckentfremden – beispielsweise einen Baumstamm als Bank, einen Stein als Briefbeschwerer oder einen Ast als Hebelwerkzeug. John Searle erklärt: „Um eine Funktion auszuführen, muss einem Objekt und namentlich einer Person ein Status zugeschrieben werden.“ Er nennt als Beispiele den Präsidenten, den Ehepartner oder den Bürger. Alle institutionellen Tatsachen verdanken ihre Existenz performativen Sprechakten, nämlich Deklarationen: „Wir ernennen X zum Vorsitzenden“; „Hiermit ist der Krieg erklärt“, „Wir verurteilen sie zu …“.

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Markus Gabriel seziert die Schwächen des Konstruktivismus

Die Menschheit befindet sich über ziemlich viele Dinge im Irrtum. Die Wissenschaft kann nicht einmal ermessen, wie weit das menschliche Nichtwissen reicht, da der Mensch in vielen Fällen überhaupt keine Ahnung davon hat, was er alles nicht weiß. Doch daraus folgt für Markus Gabriel nicht, dass alle Gegenstandsbereiche nur menschliche Projektionen, nützliche Einteilungen einer im Übrigen von der Erkenntnis weitgehend unabhängigen, homogenen Wirklichkeit sind. Friedrich Nietzsche hat zu diesem Thema eine berühmte Aussage gemacht: „Nein, gerade Tatsachen gibt es nicht, nur Interpretationen. Wir können kein Faktum an sich feststellen: vielleicht ist es ein Unsinn, so etwas zu wollen.“ Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie an der Universität Bonn inne. Er ist Deutschlands jüngster Philosophieprofessor. Außerdem leitet er das Internationale Zentrum für Philosophie in Bonn.

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