Jean-Jacques Rousseau misstraut der Aufklärung

Die Rebellion gegen eine alles zermalmende Moderne ist kein Phänomen der Gegenwart. Sie hat ihre Wurzeln in der Zeit der Aufklärung und beginnt mit einem erbitterten Streit zwischen zwei brüderlichen Freunden, Jean-Jacques Rousseau und Denis Diderot. Philipp Blom weiß: „Persönliche und intellektuelle Fragen vermischen sich in diesem jahrelangen Disput, aber sie brachten Rousseau dazu, den aufgeklärten Idealen seiner Freunde zu misstrauen.“ Die Zivilisation, die Großstadt und die Unterdrückung aller Menschen gehören zusammen, räsonierte er, die Aufklärung befreit nicht, sondern entfernt die Gesellschaft mit ihrer kultivierten Kompliziertheit immer weiter von ihrer ursprünglichen Tugend und versklavt sie gleichzeitig durch Mode, gesellschaftliche Anerkennung und Lohnarbeit. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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So sah Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus

Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die deutschen Städte in Trümmern. Ihre historischen und industriellen Zentren waren bis zu 80, 90 Prozent zerbombt. Josef Joffe ergänzt: „Total war die moralische Zerstörung nach dem Vernichtungskrieg gegen Juden und andere „Untermenschen“. Die „Stunde null“ wurde zum geflügelten Wort.“ Vor den Deutschen lagen Ächtung und Vergeltung, so weit das Auge reichte. Selbst ein freundlicher Beobachter wie der amerikanischen Deutschland-Historiker Fritz Stern erinnert sich an sein Gefühl des „Misstrauens und der Abscheu“. Doch den Westdeutschen sollte ein dreifaches Glück zuteilwerden. Einmal in der Gestalt von Konrad Adenauer, der 1949 im Bundestag mit nur einer Stimme Mehrheit gewählt wurde – seiner eigenen. Sein Widersacher, der Sozialdemokrat Kurt Schumacher, stand für einen national-neutralistischen Kurs kontra Westbindung und Integration. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

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Tony Judt und Timothy Snyder sprechen über das 20. Jahrhundert

Tony Judt verbindet in seinem Buch „Nachdenken über das 20. Jahrhundert“, das in Zusammenarbeit mit Timothy Snyder entstand, die persönliche Erinnerung mit der kenntnisreichen und kritischen Darstellung der großen politischen Ideen der Moderne wie Kommunismus, Liberalismus und Faschismus. Im Vorwort bezeichnet Timothy Snyder das gemeinsame Werk als Geschichte, Biographie und moralphilosophische Abhandlung. Er schreibt: „Es ist eine politische Ideengeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, in der es um die Themen Macht und Gerechtigkeit geht.“ Das  Buch ist zugleich die intellektuelle Biographie des Historikers und Essayisten Tony Judt. Timothy Snyder vertritt die These, dass Tony Judt der einzige war, der eine so breit angelegte Ideengeschichte schreiben konnte. Der britische Historiker Tony Judt lehrte in Cambridge, Oxford und Berkeley. Er starb 2010 in New York. Der amerikanische Historiker Timothy Snyder lehrt an der Yale University.

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Maurice Merleau-Ponty: "Humanismus und Terror"

In den beiden Bänden von „Humanismus und Terror“ formulierte Maurice Merleau-Ponty unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg seine Stellungnahme zum Marxismus, Sozialismus und Kapitalismus. Er forschte nach einem humanistischen Sozialismus, der sich von der Anbetung der Sowjetmacht befreien müsse. Es war für ihn nicht nachvollziehbar, dass man auf dem Wege über eine absolute Diktatur zum Reich der Freiheit gelangen könne. Maurice Merleau-Ponty machte darauf aufmerksam, dass der Marxismus von seiner Ideologiegeschichte her auf den Liberalismus folgte. Die Lehre von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, die von der Französischen Revolution vereinnahmt wurde, war eine Errungenschaft des revolutionären Bürgertums.

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