Das Böse ist das Fremde und radikal Andere

Das Böse. Dunkel, geheimnisvoll, furchteinflößend. Als das Unfassbare schlechthin, das menschliches Vertrauen in die Welt erschüttert, reizt es zu Dämonisierungen – und auch zu Projektionen. Das Böse ist das Fremde. Das radikal Andere. Ob Heimtücke, Falschheit oder Hinterlist, ob Missbrauch, Amoklauf oder Terrorismus: Den gesunden Menschenverstand übersteigend verursacht die böse Tat Abscheu, Angst und ein tiefes Schutzbedürfnis. Svenja Flaßpöhler fügt hinzu: „Das Böse muss bekämpft werden. Überwacht, weggesperrt, ausgeschlossen – gar ausgerottet.“ Aber könnte es nicht sein, dass das Böse gar nicht von außen kommt, verschlagen und verführerisch in Häuser und Herzen drängt – sondern vielmehr uranfänglich in uns selbst lebt? Tatsächlich zeigt sich ja gerade im Schlaf, wie ungeheuerlich die Phantasien eines Menschen sein können. Dr. Svenja Flaßpöhler ist Stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins.

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Dauerhaftes Glück ist nicht möglich

Dem französischen Philosophen und Staatstheoretiker Charles-Louis de Montesquieu verdankt die Menschheit viele kluge Erkenntnisse über das menschliche Handeln und seine Bedingungen. Auch über das Glück hat der Baron im 18. Jahrhundert nachgedacht und dabei festgestellt, dass menschliche Grundproblem sei bar nicht das eigene fehlende Glück, sondern die Tatsache, dass man gern glücklicher als die anderen wäre – und das ist fast immer schwierig, weil man die anderen für glücklicher hält als sie sind. Dabei kannte dieser Vorläufer der Aufklärung noch gar nicht die moderne Mediengesellschaft, in der Montesquieus Analyse gleich doppelt zutrifft. Ulrich Schnabel erklärt: „Schließlich beziehen wir den Großteil unseres Wissens nicht mehr aus eigener Anschauung und Erfahrung, sondern aus der medialen Welt, in der sich ohnehin alle zufriedener geben, als sie tatsächlich sind.“ Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Die Tätigkeit des Verstehens hat einen ambivalenten Charakter

Mit dem Wunsch, verstanden zu werden, ist immer das Verlangen nach Einverständnis, manchmal nach Verzeihen verbunden. „Ich verstehe Dich!“, „Ich habe Verständnis für Dich!“ Wer diese Sätze hört, muss laut Wilhelm Berger allerdings oft einen hohen Preis dafür bezahlen, nämlich den Preis der Abhängigkeit und der Unterwerfung. Die Tätigkeit des Verstehens steht seiner Meinung nach auch theoretisch in einer tiefen Ambivalenz. Prinzipiell gilt das Verstehen im Verhältnis zum Beschreiben als tief und im Verhältnis zum Erklären als weich. Wilhelm Berger erläutert: „Während das Erklären seinen Gegenstand als Objekt sieht und zu einem sicheren, definitiven Ergebnis kommen will, scheint das Verstehen von Zuwendung und gutem Willen getragen zu sein.“ Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Der Liberalismus verbündet sich mit der Arbeiterklasse

Der Liberalismus wollte die Kultur außerhalb des Staats ansiedeln. Davon abgesehen wollte er den Staat nicht vernichten, sondern begnügte sich laut Otto Kircheimer damit, in ihm eine seiner ökonomischen Position äquivalente Machtstellung zu erringen. In diesem Kampf, der immer voll Respekt und geheimer Bewunderung für die diesen Staat repräsentierenden Mächte blieb, war die Waffe des Liberalismus die Konstitution. Otto Kirchheimer schreibt: „Der geringe politische Eigengehalt des Liberalismus ließ ihn in Frankreich zweimal dem Machtwillen eines Napoleon unterliegen, während er in Deutschland in vorbismarckscher und Bismarckscher Zeit seine Selbstständigkeit gegenüber der Staatsmacht immer wieder preisgab.“ Die Konstitution und der Rechtsstaatsgedanke überhaupt, in die der Liberalismus laut Otto Kirchheimer ein ihre wahre Bedeutung weit übersteigertes Vertrauen setzte, sollte ihm dazu verhelfen, die herrschenden Adelsschichten auf einen genau festgelegten Tätigkeitsbereich festzulegen.

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Das Demokratieverständnis in der Epoche der Aufklärung

Um das Jahr 1800 herum begann eine neue Epoche der Weltgeschichte, moderne Zeiten brachen an, gegenüber denen das Mittelalter und die Frühe Neuzeit altmodisch und rückständig wirkten. Dabei wirkte die Französische Revolution von 1789 beschleunigend auf diesen Umbruch. Auch im Bereich der Wirtschaft gab es Innovationen. Paul Nolte schreibt: „Neben die herkömmlichen Bereiche der ländlichen Agrarwirtschaft und des städtischen Gewerbes und Handels traten neue Formen der gewerblichen Produktion, in der Manufaktur oder der ländlichen Heimindustrie. Märkte und kommerzielle Beziehungen begannen den Alltag zu durchdringen.“ Die Kaufleute und Unternehmer wurden zur Vorhut des neuen Bürgertums. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kamen bahnbrechende Erfindungen dazu wie die Dampfmaschine, die den modernen Bergbau erst ermöglichte. Die Industrielle Revolution begann in England, andere Länder in Nordwesteuropa und Nordamerika folgten rasch dem englischen Beispiel.

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