Anne Applebaum kennt die Verlockung des Autoritären

In ihrem neuen Buch „Die Verlockung des Autoritären“ beantwortet Anne Applebaum die Frage was die Rückkehr zu autoritären Herrschaftsformen für viele Menschen so erstrebenswert macht. Dabei zeigt sie, welche Rolle dabei die sozialen Medien, Verschwörungstheorien und Nostalgie spielen. Sie unternimmt einen Streifzug durch die westliche Welt, die sich auf erschreckender Weise nach einer harten Hand und einem starken Staat sehnt. Zu in diesem Buch beschriebenen Menschen gehören nationalistische Ideologen genauso wie hochgesinnte politische Essayisten. Die einen verfassen anspruchsvolle Bücher, andere lancieren Verschwörungstheorien im Internet. Manche Menschen genießen das Chaos und wollen es herbeiführen, um der Gesellschaft eine neue Ordnung aufzuzwingen. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Es gibt verschiedene Formen der Gewalt

Ein zentrales Problem für die Verteidiger Gewaltlosigkeit liegt darin, dass die Begriffe „Gewalt“ und „Gewaltlosigkeit“ umstritten sind. So sind beispielsweise verletzende Äußerungen für die einen Akte der Gewalt. Dagegen sind andere der Auffassung, dass Sprache nur im Fall expliziter Drohungen als „Gewalt“ im eigentlichen Sinn gelten kann. Judit Butler fügt hinzu: „Wieder andere möchten den Begriff der Gewalt restriktiver handhaben und den versetzten „Schlag“ als entscheidendes physisches Moment des Gewaltakts verstehen.“ Andere wiederum beharren darauf, dass wirtschaftliche und rechtliche Strukturen „gewaltsam“ sind und auf Körper einwirken. Selbst wenn diese Einwirkung nicht in jedem Fall die Form physischer Gewaltakte annimmt. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

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Die Redefreiheit ist ein Recht für jedermann

„Wir – alle Menschen – müssen in der Lage und befähigt sein, frei unsere Meinung zu äußern und ohne Rücksicht auf Grenzen, Informationen und Ideen zu suchen, zu empfangen und mitzuteilen.“ Dieses Prinzip ist für Timothy Garton Ash diejenige Freiheit, von der alle anderen Freiheiten abhängen. Die Fähigkeit zu sprechen unterscheidet den Menschen von anderen Tieren und von allen bislang erfundenen Maschinen. Nur wenn man seine Gedanken und Gefühle voll und ganz ausdrücken kann, kann man sein Menschsein voll und ganz realisieren. Nur wenn man seine Mitmenschen sehen und hören kann, kann man wirklich verstehen, was es heißt, ein anderer zu sein. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Der Staat muss dem Bürger dienen

Zu den wichtigsten Aufgaben jedes Staates gehört es, die Bürger von der Selbstverteidigung ihrer Rechte zu entlasten. Aus diesem Grund übernimmt der Einzelstaat den Schutz der Bürger mitsamt ihren Rechten. Zu diesem Zweck erhält er innenpolitische Souveränität. Otfried Höffe ergänzt: „Das Gewaltmonopol, sofern er jede Privatjustiz verbietet, bleibt erhalten.“ Aber eine Relativierung muss sich der Staat freilich gefallen lassen. Weil kein Staat denselben rechtsmoralischen Rang wie ein Individuum hat, ist kein Staat, auch keine Religion oder Tradition „Zweck an sich selbst“. Er dient vielmehr dem einzigen Wesen, dem ein intrinsischer moralischer Wert zukommt, der einzelnen Person. Das Individuum bedarf freilich, um seine Freiheit im Zusammenleben zu wahren, des öffentlichen Rechts. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Grundrechte sind in Deutschland unverletzlich

Generell gilt mit Blick auf die Bundesrepublik unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers das Gegenteil von Restauration. Das Grundgesetz war die politische und juristische Antithese zur Weimarer Verfassung. Josef Joffe stellt fest: „Grundsätzlich gilt, dass auf dem Boden der Adenauer-Republik die erste solide verankerte liberale Demokratie mit klar begrenzter Staatsmacht entstand.“ Grundrechte durften überhaupt nicht angetastet werden; Änderungen der Verfassung, die in Weimar von Präsident oder Parlament verfügt werden konnten, erfordern eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Das Naziregime hatte die Gewaltenteilung eingestampft, das Grundgesetz hat sie in Beton gegossen. Dito den Rechtsstaat, ein kompliziertes Gebilde der deutschen und europäischen Jurisprudenz, das endlose philosophische Debatten erzeugt hat, das heißt machtbegrenzten Staat. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

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Die Kunstfreiheit gehört zur Demokratie

Martin Heideggers Ansicht, in der Kunst könne die für das Dasein des Menschen entscheidende Wahrheit geschehen, mag mit „Nein“ beantwortet werden, zumal die Kunst sich selbst zum Problem geworden ist. Für die Frage nach dem Freiheitsrang und Freiheitswerk der Kunst genügt laut Otfried Höffe die weit bescheidenere Annahme, die Kunst sei nicht belanglos geworden. Heutzutage hält man die Kunstfreiheit für ein selbstverständliches Recht, weshalb man gegen deren Nichtanerkennung protestieren muss und Staaten, in denen die Kunst systematisch unterdrückt wird, als Unrechtsstaaten kritisiert. Obwohl es zutrifft, dass die Kunstfreiheit zu den unverzichtbaren Elementen konstitutioneller Demokratien gehört, ist sie aber als Grundrecht relativ jung. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Antigone kämpft gegen ein korruptes Staatssystem

Das wagemutige Theater der griechischen Polis liebte und riskierte es, den Blick in die Abgründe und Gefährdungen des eigenen, fragilen Systems zu werfen. Wie auch Sophokles (497/6 – 406/5 v.u.Z.) dies getan hat. Selbst und gerade in seinem zu Recht berühmtesten und von der Jury der Dionysien ausgezeichneten Stück, „Antigone“. Jürgen Wertheimer erläutert: „Eine todesmutige junge Frau, die ihr Leben einsetzt für – scheinbar ein bloßes Beerdigungsritual, in Wirklichkeit für den Kampf gegen ein in ihren Augen korruptes Herrschaftssystem.“ Eine selbstbewusste junge Frau stellt den Staat auf offener Bühne infrage. Sie will den Ernstfall, sie schafft den Ernstfall. Sie ist der Ernstfall, entschlossen, die Grenzen des Systems zu erkunden und darüber hinauszugehen. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Das Dritte Reich begab sich auf Kriegskurs

Nach der Inkorporation des „Sudetenlandes“ ins Reichsgebiet richtete sich nun das Interesse des Deutschen Reichs auf die Tschechoslowakei beziehungsweise das, was von ihr nach der Münchener Konferenz übrig geblieben war. Ulrich Herbert erklärt: „Um das Land zu destabilisieren, unterstützte die deutsche Regierung die separatistische Bewegung in der Slowakei, die auf deutsches Drängen schließlich die Abtrennung vom tschechischen Teil des Landes und die Unabhängigkeit erklärte.“ Als die tschechische Regierung Truppen schickte, um die Unruhen niederzuschlagen, nutzte Adolf Hitler die so entstandene Situation der Unsicherheit, um den in Berlin weilenden tschechischen Staatspräsidenten Emil Hácha so stark unter Druck zu setzen, dass er sich bereit fand, Deutschland offiziell zu Hilfe zu rufen und das Schicksal seines Landes „vertrauensvoll in die Hände des Führers des Deutschen Reiches“ zu legen. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Caspar Dohmen stellt die Idee der Menschenrechte vor

Menschenrechte erkämpften Bürger ursprünglich als Schutz- und Freiheitsrechte jedes Einzelnen gegen die staatliche Obrigkeit. Für aufgeklärte Menschen ist es heute selbstverständlich, dass jeder Mensch die gleichen Rechte besitzt – das war früher nicht der Fall. Caspar Dohmen erläutert: „In den feudalistischen Gesellschaften bestimmte die Herkunft weitgehend über die Möglichkeiten jedes Menschen. Gut dotierte Posten in Staat und Kirche teilte der Adel gewöhnlich unter sich auf.“ Die Masse der Menschen lebte damals als einfache Bauern oder Handwerker, denen die Machthaber regelmäßig hohe Abgaben und Frondienste abpressten. Diese Ordnung galt als unangreifbar, da sie so von Gott gewollt war. Die Machthaber in Europa beuteten nicht nur ihre eigene Bevölkerung aus, sondern auch Menschen in den Kolonien, also vor allem in Lateinamerika, Afrika und Asien. Der Wirtschaftsjournalist, Buchautor und Dozent Caspar Dohmen studierte Volkswirtschaft und Politik in Köln.

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Das Kino verschränkt den Konsum mit der Kunst

Die Welt des Konsums entwickelt sich seit den 1920er Jahren zur neuen Kultursphäre. Es findet sozusagen eine Konsumrevolution statt. Andreas Reckwitz erläutert: „Güter, die bisher primär instrumentellen Zwecken dienten, kulturalisiert man nun mehr und mehr. Und sie erhalten einen narrativen, ästhetischen, expressiven oder ludischen Selbstzweck.“ Mit dem Konsum weitet sich jenseits von bürgerlicher Kunst und Kultur das Feld dessen, was Kultur sein kann, deutlich aus. Zentral ist: Die Güter in einer kommerziellen Marktkonstellation buhlen um die Gunst des Konsumenten. Daher koppelt man Kultur nun nicht mehr an den Staat, sondern an die Ökonomie. In einzelnen Segmenten lassen sich hier bereits Mechanismen von kultureller Innovation und Differenzierung nach Art eines „Modezyklus“ beobachten. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Autoritäre und totalitäre Regime sind paternalistisch

Der amerikanische Rechtsphilosoph Joel Feinberg schrieb ein maßgebliches Werk über die Rechtfertigungen für die Einschränkung der Redefreiheit durch das Strafrecht. Für Timothy Garton Ash ist sein Buch eine gute Grundlage, um darüber nachzudenken, mit welchen Mitteln, vom härtesten Gesetz bis zur weichsten Norm, die freie Meinungsäußerung legitimerweise beschränkt werden darf. Die ersten vier Rechtfertigungen, denen er je einen ganzen Band widmet, lauten: Schaden für andere, Beleidigung anderer, Schaden für die eigene Person und harmloses Fehlverhalten. Joel Feinberg beschreibt Versuche, die beiden Letzteren vom gesetzlichen Paternalismus und gesetzlichem Moralismus abzugrenzen. Gesetzlicher Paternalismus bedeutet, dass sich der Staat wie ein Vater zu seinen Kindern verhält und versucht, seine Bürger davon abzuhalten, sich selbst zu schaden. Der britische Zeitgeschichtler Timothy Garton Ash lehrt in Oxford und an der kalifornischen Stanford University.

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Die Ideale der Revolution sind Freiheit und das Neue

Gelungene Revolutionen mögen politische Verhältnisse umstürzen, alte Systeme hinwegfegen, Personen beseitigen. In der Regel schaffen sie mehr und länger andauernde Probleme, als sie unmittelbar lösen. Konrad Paul Liessmann nennt ein Beispiel: „Der Enthusiasmus, der mancherorts für den sogenannten Arabischen Frühling, den man sich nach dem Modell der europäischen Revolutionen dachte, um sich gegriffen hatte, was so auch Ausdruck einer eklatanten Geschichtsvergessenheit gewesen, letzter Reflex einer unwissenden Revolutionsromantik.“ Nicht nur frisst wie Saturn die Revolution ihre Kinder – wie Pierre Victurnien Vergniaud, einer der Protagonisten der Französischen Revolution, am Gang zum Schafott bemerkte. Sondern sie muss ihre Anhänger immer auch enttäuschen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien. Zudem ist er wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Die Vernunft führt zur Bildung von Urteilen

Weil der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist, sollten auch vernünftige Erkenntnisse und Überlegungen dazu führen, dass man sich gegen Unrecht stellt. Der Duden definiert Vernunft als „geistiges Vermögen des Menschen Einsichten zu gewinnen und Zusammenhänge zu erkennen. Dazu kommt die Fähigkeit, etwas zu überschauen, sich ein Urteil zu bilden und sich in seinem Handeln danach zu richten“. Klaus-Peter Hufer stellt fest: „Demzufolge müsste Vernunft zu einer unabhängigen und reflektierten Urteilsbildung führen.“ Damit ist jedoch noch kein Ziel gegeben, in welche Richtung diese Bildung des Urteils führt. Ein vernünftiger Mensch sollte erkennen können, dass die Billigung individueller Gewalt das zwischenmenschliche Zusammenleben unmöglich macht. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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Das Recht kann sich in Normen verwandeln

Das Recht ist eine Sammlung von Verhaltensregeln, die durch eine Kombination von Statuten und Gerichtsurteilen sorgfältig und detailreich formuliert ist. Die Rechtsprechung setzt es in einem Geltungsbereich durch, der sich gewöhnlich auf einen Staat oder den klar definierten Teil eines Staates erstreckt. Damit ist jedoch die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten noch nicht erfasst. Timothy Garton Ash erklärt: „Wenn wir „das Recht“ sagen, denen wir in der Regel an das „Strafrecht“: Wenn du dies oder jenes sagst oder tust, wirst du eingesperrt. Doch es gibt noch andere zunehmend weichere Formen des Rechts. Diese gehen schleichend in den Bereich bloßer Normen über.“ Es gibt das Zivilrecht, und es gibt das sogenannte „expressive Funktion“ des Rechts und Formulierungen, die eine allgemeine Botschaft verkünden, wie etwas in einer gegebenen Gesellschaft sein sollte. Timothy Garton Ash lehrt in Oxford europäische Geschichte und ist einer der angesehensten politischen Kommentatoren aus Großbritannien.

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Clemens Fuest kennt Wege aus der Rezession

Clemens Fuest beschreibt in seinem neuen Buch „Wie wir unsere Wirtschaft retten“, was die Wirtschaft und die Politik in Deutschland gegen die Rezession während und nach der Coronaepidemie tun kann. Zudem erklärt er die Auswirkungen der Coronakrise auf die deutsche, die europäische und die globale Wirtschaft. Er zeigt, wie sich die Staatsfinanzen konsolidieren lassen, die Digitalisierung nachhaltig gelingt und welche Reformen in der Eurozone notwendig sind. Bei allen Vorhaben spielt die Bildungspolitik seiner Meinung nach eine Schlüsselrolle. Vor allem beschäftigt sich Clemens Fuest in „Wie wir die Wirtschaft retten“, ob die Coronakrise dauerhafte Veränderungen mit sich bringt und falls ja, welche das sein werden und wie sich die Menschen darauf einstellen sollten. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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Die Deutschen mangelte es am Geist des Verhaltens

Nicht jeder Mensch, der sich liebt, wird zum Narzissten. Nicht jede Nation, die sich liebt, wird zum narzisstischen Monster. Thea Dorn erläutert: „Im Gegenteil: Für dergleichen Störungen und Exzesse sind gerade diejenigen Menschen und Nationen anfällig, die sich in Wahrheit selbst verachten.“ Denn sie verfügen eben über kein souveränes, gelassenes Selbstbewusstsein, sondern leiden vielmehr unter einem Minderwertigkeitskomplex. Unter einem groben Minderwertigkeitskomplex haben die Deutschen von Anfang an gelitten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichte Adolph Freiherr von Knigge seine berühmte Benimmfibel „Über den Umgang mit Menschen“. Die Notwenigkeit seiner Schrift begründete der Freiherr damit, dass es den Deutschen bei aller Gemütstiefe leider eklatant am „esprit de conduite“ mangele. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Freiheitsrechte bilden den Kern der Menschenrechte

Nach einem für die politische Moderne unverzichtbaren Prinzip, dem der allgemeinverträglichen Freiheit, gibt es Menschenrechte, und deren Kern bilden zwei Grundarten von Freiheitsrechten: Die negativen Freiheitsrechte schützen jeden Einzelnen vor Übergriffen seiten der Rechtsgenossen als auch seitens der Staatsgewalten. Und positive Freiheitsrechte bündeln sich im Staatsziel des Sozialstaates. Als Beispiel eines Freiheitsrechts greift Otfried Höffe ein junges, aber keineswegs geringes Recht heraus, den Datenschutz. Wegen des Internets verlieren räumliche Entfernungen an Gewicht, werden Ereignisse weltweit so gut wie gleichzeitig wahrgenommen und Informationen in Sekundenschnelle ausgetauscht. Nicht zuletzt sind die revolutionär neuen Formen audiovisueller Kommunikation enorm preisgünstig. Für Otfried Höffe geht damit ein erheblicher Demokratisierungsgewinn einher. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Märkte produzieren oft keine fairen Ergebnisse

Märkte erzeugen von sich aus keinen nachhaltigen Wohlstand für alle. Allerdings sind sie für jede gut funktionierende Volkswirtschaft äußerst wichtig. Dennoch produzieren sie oft keine fairen und effizienten Ergebnisse, sondern zu viel von gewissen Dingen, etwa Umweltverschmutzung, und zu wenig von anderen, etwa Grundlagenforschung. Joseph Stiglitz weiß: „Und wie die Finanzkrise von 2008 zeigte, sind Märkte von sich aus auch nicht stabil.“ Vor über 80 Jahren lieferte John Maynard Keynes eine Erklärung dafür, warum Marktwirtschaften oftmals unter anhaltender Arbeitslosigkeit leiden. Zudem lehrte er, wie der Staat dauerhaft für Vollbeschäftigung oder wenigstens annähernde Vollbeschäftigung sorgen kann. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Georg Simmel befasst sich als einer der Ersten mit der Armut

Armut ist die Hölle. Wenn Philipp Lepenies das behauptet, widerspricht kaum jemand. Wenn es um Armut, deren Beschreibung und Qualifizierung geht, sind es fast immer die von Armut nicht betroffenen, die sich ein Urteil darüber erlauben. Das ist für Philipp Lepenies ein ganz wichtiger Punkt, denn Armut ist kein alleinstehendes Phänomen von Individuen. Armut ist eingebunden in den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Armut in ihrer ganzen Tragweite kann man daher nur dann richtig erfassen, wenn man die Reaktion der Nichtbetroffenen auf Armut beleuchtet. Man kann schließlich nie arm und reich zugleich sein. Der deutsche Soziologe Georg Simmel hat sich am Anfang des 20. Jahrhunderts als einer der Ersten in seinem Aufsatz „Soziologie der Armut“ damit befasst, was eigentlich das Entscheidende an der Armut ist. Prof. Dr. Philipp Lepenies ist Gastprofessor für vergleichende Politikwissenschaft und Direktor des Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin.

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In Zeiten der Globalisierung wird Zuwanderung zur Normalität

Die Chronik der Menschheit ist eine Geschichte der großen Wanderungen und Flüchtlingsbewegungen. Horst Opaschowski erläutert: „Als Hauptursache gilt die wachsende Kluft zwischen armen und reichen Ländern in der Welt. Die Erfahrung zeigt: Armut benötigt keinen Pass, um Ländergrenzen zu überwinden.“ Internationale Migration, Bevölkerungsbewegungen aus weniger entwickelten Ländern in „Wohlstandsgesellschaften“, wird auch in den nächsten zwanzig Jahren problematische Entwicklungen mit sich bringen. Eine Zuwanderungskrise großen Ausmaßes kann die Folge sein. Im Zeitalter der Globalisierung wird Zuwanderung zur Normalität – zugespitzt in der These: „Die Welt wandert und wächst – Deutschland altert und schrumpft.“ Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

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Die deutsche Arbeiterklasse leistete keinen Widerstand gegen den Faschismus

Am 13. März 1933 wurde über dem Frankfurter Rathaus die Hakenkreuzfahne gehisst. Am selben Tag schloss die Polizei das Institut für Sozialforschung. Lediglich zwei Jahre nach der Antrittsvorlesung Max Horkheimers, in welcher er die multidisziplinäre Ausrichtung der Arbeit am Institut dargelegt hatte, aus der sich die Kritische Theorie entwickeln sollte, wurden er und seine Institutskollegen ins Exil gezwungen. Stuart Jeffries stellt fest: „Erich Fromms Ergebnis seiner Forschungen über die deutsche Arbeiterklasse hatte sich bestätigt: Was den Widerstand gegen Adolf Hitler betraf, war mit den deutschen Arbeitern nicht zu rechnen.“ Warum hatte der Faschismus in Deutschland triumphiert? An Theorien dazu gab es keinen Mangel, und tatsächlich sollte die Frage zu einer tiefen Spaltung der Frankfurter Schule führen. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

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Die Demokratie kann niemals vollständig realisiert werden

Als politische Ordnung will die Demokratie möglichst vielen Menschen möglichst viel Gleichheit bieten. Doch zugleich will sie der individuellen Freiheit eines jeden Rechnung tragen. Paul Verhaeghe ergänzt: „Im Streben nach und womöglich im Erzwingen von Gleichheit wird dem Individuum jedoch Gewalt angetan. Umgekehrt wird durch das Respektieren von Individualität die Gleichheit angegriffen.“ Jacques Derridas pragmatische Schlussfolgerung lautet, dass Demokratie niemals vollständig realisiert werden kann, es geht ausschließlich immer um eine kommende Demokratie. Sie kommt in Etappen und ohne einen definitiven Endpunkt. Demokratisierung ist nach wie vor „work in progress“, ein Prozess, bei dem man vor allem das Ziel vor Augen haben muss. Das Ziel ist, dass der „demos“, das Volk sich selbst regiert. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Der Kapitalismus droht vollends zu kollabieren

Joseph Stiglitz kritisiert in seinem neuen Buch „Der Preis des Profits“, dass es seit der Finanzkrise des Jahres 2008 nicht gelungen ist, den Kapitalismus wirksam zu reformieren. Seiner Meinung nach ist sogar das Gegenteil eingetreten: Er droht vollends zu kollabieren. Joseph Stiglitz zählt folgende Missstände auf: „Die Finanzindustrie schreibt sich ihre eigenen Regeln; die großen Tech-Firmen beuten unsere persönlichen Daten aus; die Machtballung in der Industrie nimmt zu und der Staat hat seine Kontrollfunktion praktisch aufgegeben.“ Der Autor erklärt, wie es dazu kommen konnte und warum es, was nicht zuletzt das Beispiel Donald Trump zeigt, dringend nötig ist, den Kapitalismus vor sich selbst zu schützen. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die Anzahl der Privatschulen nimmt rasant zu

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman hat einmal gesagt, dass jenes Land die beste Zukunft haben werde, das als erstes das Schulsystem aus den Händen des Staates befreit. Andreas Salcher ergänzt: „Aber auch ohne die Hauptverantwortung des Staates für das Schulsystem prinzipiell in Frage zu stellen, kann man bemerken, dass es der Politik bisher überall auf der Welt gelungen ist, ihr Monopol auf die Schulen mit zählen und Klauen erfolgreich zu verteidigen.“ Und die Konsequenzen von Monopolen sind immer die gleichen: schlechte Qualität zu hohen Kosten. Im Schulsystem reagieren Menschen so wie in allen Märkten, die ihre Bedürfnisse – in diesem Fall eine ausgezeichnete Ausbildung ihrer Kinder – nicht erfüllen können. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Autorität funktioniert durch freiwillige Unterwerfung

Die Suche nach dem Ursprung von Autorität führt laut Paul Verhaeghe zu keiner überzeugenden Antwort. Sämtliche Versuche laufen ins Leere und haben sogar den entgegengesetzten Effekt. Am erhellendsten beschreibt dies Hannah Arendt. Autorität beruht ihrer Meinung nach auf einer externen und höheren Instanz, von der man die Befehlsgewalt beziehen kann, die sie einem jedoch auch wieder entziehen kann. Das „Höhere“ bewirkt, dass Autorität nach einer Pyramidenstruktur funktioniert. Wer am oberen Ende der Pyramide steht, ist dem Allerhöchsten am Nächsten und besitzt daher die meiste Befehlsgewalt. Die Autorität nimmt ab, je weiter man in der Pyramide nach unten geht. Zudem sind die verschiedenen Ebenen eng integriert und miteinander verbunden. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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