Es gibt drei Dimensionen der Resilienz

Im Titelthema beantwortet das neue Philosophie Magazin 02/2021 die Frage: „Was macht uns resilient?“ An Krisen nicht zugrunde gehen, sie gar als Anlass für Fortschritt nutzen: Das meint das Konzept der Resilienz im Kern. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt im Editorial: „Die resiliente Persönlichkeit oder Gesellschaft weiß um die Unvermeidbarkeit schlimmer Ereignisse. Nichts kann uns hundertprozentig vor Schicksalsschlägen, vor Trennung oder Tod schützen.“ Inzwischen hat auch die Soziologie die Resilienz entdeckt und fragt nach den Grundparametern gesellschaftlicher Stabilität. Ein resilientes System braucht eine gewisse Geschmeidigkeit, ja Plastizität. Es muss beweglich und dynamisch sein. Nur so kann es auf das reagieren, was ihm zustößt, sich auf kommende Krisen vorhersehen und sich flexibel auf sie einstellen. Dabei gibt es drei Dimensionen der Resilienz: Stabilisation, Transformation und schließlich Reduktion.

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Vier Dinge zeichnen eine vertraute Beziehung aus

Was zeichnet vertraute Beziehungen im Besonderen aus? Laut Martha Nussbaum sind dies vier Dinge: „Erstens nehmen diese Beziehungen einen außergewöhnlich zentralen Platz in unseren Vorstellungen von einem gelingenden Leben ein, oder, um den Ausdruck vor Aristoteles zu verwenden, in unseren Vorstellungen von der eudaimonia.“ Die andere Person und die Beziehung selbst sind ein geschätzter Teil des eigenen guten Lebens – wobei die Beziehung wiederum weit in das Leben der durch sie Verbundenen hineinwirkt, sodass aus viele Unternehmungen gemeinsame Unternehmungen und aus Ziele geteilte Ziele werden. Eine Entzweiung bedeutet folglich in vielerlei Hinsicht einen Bruch in der eigenen Existenz. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Johannes Steyrer kennt die Falle der Beständigkeit

Die meisten Menschen beharren umso mehr auf ihren Entscheidungen, je mehr sie Zeit, Energie, Gedanken, Gefühle oder Geld investiert haben. Johannes Steyrer fügt hinzu: „Wir tun das auch dann, wenn wir im Zuge dessen vorteilhafte Alternativen ausblenden oder nicht umsetzen, weil das Verlangen nach Konsistenz zur Falle wird. Jede Befreiung aus einer Selbstverpflichtung hieße, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.“ In Summe sind es fünf Faktoren, die schnurstracks in die „Beständigkeitsfalle“ führen. Erstens: Ein Mensch wird weniger durch Gedanken oder Gefühle als durch eigene Handlungen verpflichtet. Zweitens: Je größer das Publikum bei diesen Handlungen, umso stärker wirkt die innere Pflicht und Schuldigkeit. Drittens: Schrittweises, mehrmaliges Tun ergibt eine zunehmend solide und schwere Kette der Selbstverpflichtung. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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Ulrich Schnabel untersucht den Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl

Psychologen machen einen Unterschied zwischen den Begriffen „Mitleid“ und „Mitgefühl“. Das reine Mitleid ist dabei jene Art von teilnahmsvollen Kummer, die sich auf eine Zuschauerrolle beschränkt, passiv bleibt und einen sicheren emotionalen Abstand wahrt – es entspricht also jener Haltung, die die meisten Menschen zum Beispiel gegenüber Obdachlosen einnehmen. Ulrich Schnabel ergänzt: „Man fühlt sich betroffen, hat eventuell auch ein schlechtes Gewissen, spürt aber nicht den Antrieb oder hat nicht die nötigen Mittel, einzugreifen und die Situation des anderen substanziell zu verbessern.“ Anders hingegen ist es beim Mitgefühl, das mit der Bereitschaft einhergeht, sich persönlich zu engagieren – was zum beispielsweise der Fall ist, wenn ein naher Verwandter obdachlos wird. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Belohnungen aufzuschieben schützt vor Verletzlichkeiten

Die kognitiven und emotionalen Kompetenzen, dank deren Vorschulkinder auf größere Belohnungen warten können, ebnen ihnen den Weg zur Entwicklung psychischer Ressourcen, Einstellungen und sozialer Beziehungen, die ihre Chancen verbessern können, ein erfolgreiches Leben zu führen. Außerdem schützt die Fähigkeit, Belohnungen aufzuschieben, das eigene Selbst. Walter Mischel erklärt: „Denn sie hilft uns dabei, unsere persönlichen Verletzlichkeiten – Vulnerabilitäten – effektiver abzuschirmen und zu regulieren, unsere heißen, impulsiven Reaktionen abkühlen zu lassen und auch die Konsequenzen unseres Handelns zu bedenken.“ Zunächst einmal würdigt Walter Mischel das heiße System. Die Menschen sollten auf das hören, was es ihnen sagt, und von ihm lernen. Es schenkt ihnen die Emotionen und die Freude, ohne die das Leben nicht lebenswert ist, und es erlaubt reflexartige Urteile, die sich manchmal bewähren. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

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Viele Menschen wissen nicht um den Schmutz in ihrer Seele

Rotraud A. Perner kritisiert, dass leider die meisten Menschen auf die reinigende Kraft der Schuldverschiebung vertrauen. Der Psychologe Thomas Kornbichler mahnt: „Viele wissen nicht um den Schmutz in der eigenen Seele und projizieren ihn deshalb fanatisch auf ihre Feindobjekte.“ Denn das ist die Funktion von Feindbildern: Man kann ihnen leichter Schuld andichten als Nahestehenden, die einen zur Rechenschaft ziehen könnten. Da wird meist weitergelogen, obwohl das eine Chance wäre, sich echt zu entschuldigen. Unecht sind auch stellvertretende Entschuldigungen. Egal ob sich Politiker mit der Gnade der späten Geburt für den Holocaust entschuldigen oder irgendwelche Funktionsträger für katastrophale Fehlhandlungen ihrer Soldaten – es wird die direkte Konfrontation mit den Geschädigten oder ihren Nachfahren vermieden. Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie. Eines ihrer zahlreichen Bücher heißt „Die reuelose Gesellschaft“ und ist im Residenz Verlag erschienen.

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Mentale Vergewaltigungen in der Kindheit sind keine Seltenheit

Redlichkeit bedeutet, wie schon der Name sagt, dass man offen darüber reden kann. Was hingegen unredlich ist – was man nicht ohne Negativfolgen, egal für wen oder was, bereden kann –, sollte man gar nicht denken. Die Menschen tun es aber, da die Gedanken bekanntlich frei sind. Daher gilt es seelische und geistige Inhalte, egal ob fremdinduziert oder selbst kreiert, einer Prüfung auf Nachhaltigkeit zu unterziehen. Rotraud A. Perner gibt dabei zu bedenken: „Da wir Menschen meist nicht die Instinktsicherheit von Tieren besitzen und Hochsensibilität von klein auf bekämpft wird, fehlen vielfach genau die Wahrnehmungsnervenzellen, die präventiv erkennen lassen, wo Schädigung droht. Man darf jemand anderem nichts Böses unterstellen ist zum Beispiel ein Kindheitsgebot, mit dem Kinder einerseits an Kritik an Erwachsenen und andererseits an Selbstschutz gehindert werden. Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie.

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Die Unsicherheit im Internet nimmt bedrohliche Ausmaße an

Die Affäre um Edward Snowden und zahlreiche Diebstähle von Daten bei Internet-Unternehmen haben das Vertrauen vieler Bundesbürger in die neuen Technologien nachhaltig zerstört. Über zwei Drittel der Deutschen trauen weder dem Staat noch der Wirtschaft beim Umgang mit ihren persönlichen Daten über den Weg. Viele Menschen verzichten deshalb sogar darauf, Dienstleistungen im Internet in Anspruch zu nehmen, so dass der Netzwirtschaft mittlerweile ein enormer finanzieller Schaden droht. Zudem häufen sich die Warnungen vor der Verlust der Kontrolle im Word Wide Web. Laut einer amerikanischen Studie sind 41 Prozent der Jugendlichen süchtig nach Chatten und Posten. Die meiste Angst haben die Webuser vor Schadprogrammen auf ihren Rechnern (61 Prozent) und vor einer Ausspähung durch Organisationen des Staates (49 Prozent), wie eine Studie belegt.

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