Die Leistungsgesellschaft ist extrem konkurrenzorientiert

Der Siegeszug des Leistungsprinzips hat unter anderem dazu beigetragen, dass fast jeder Mensch davon überzeugt ist, im Grunde eine großartige Persönlichkeit zu sein. David Brooks fügt hinzu: „Er hat außerdem Tendenzen zu Selbstverherrlichung verstärkt. Jeder, der die letzten sechzig bis siebzig Jahre durchlebt hat, ist das Produkt einer Leistungsgesellschaft, die extrem konkurrenzorientiert geworden ist.“ Die meisten dieser Menschen haben ihr Leben mit dem Versuch verbracht, etwas aus sich zu machen, etwas zu bewirken, einigermaßen erfolgreich zu sein. Das bedeutete, sich im Wettstreit mit anderen durchzusetzen und möglichst gute Leistungen zu erzielen – in der Schule gute Noten zu bekommen, an einer renommierten Hochschule zu studieren, den richtigen Job zu ergattern, beruflich erfolgreich zu sein und sozial aufzusteigen. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Das Leib-Seele-Problem ist noch immer nicht gelöst

Auf die Frage „Was ist Schmerz?“ kann man zwei Antworten geben. Erstens: „Schmerz ist, wenn es weh tut“, zweitens: „Schmerz ist ein Zustand, der von Gewebeverletzungen verursacht wird und der seinerseits Schmerzverhalten wie Schreien verursacht.“ Philipp Hübl erklärt: „Die erste Antwort nennt das subjektive Erleben von Schmerz aus der Innenperspektive, die zweite die objektive, von außen beschreibbare Ebene der kausalen Prozesse.“ Die Geschichte der Philosophie kennt zahlreiche Lösungsvorschläge des Leib-Seele-Problems. Doch die meisten verkennen den schwierigen Forschungsgegenstand, nämlich das phänomenale Bewusstsein. So sagen zum Beispiel die Computer-Funktionalisten, der menschliche Geist verhält sich zum Gehirn wie eine Software zu einer Hardware. Wenn man den Geist als ein Computerprogramm auffasst, kann man die Verarbeitung von Informationen im Gehirn gut veranschaulichen. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Die Kunst des Zweifelns zählt zu den philosophischen Tugenden

Das neue Philosophie Magazin 03/2017 stellt im Titelthema seinen Lesern die Frage: „Und woran zweifelst du?“ In der Rolle des Skeptikers stellt der amerikanische Präsident Donald Trump gerade die Säulen der freien Gesellschaft infrage: Justiz, Wissenschaft und die Medien. Dabei ist die Kunst des Zweifelns ursprünglich eine befreiende und ursprüngliche philosophische Tugend. Welches Schicksal droht einer Gesellschaft, die keinen Unterschied mehr zwischen Fakten und Fiktion anerkennt? Herrscht totale Faktenverwirrung geht in einer freien Gesellschaft die öffentliche Ordnung verloren. Und diese Dynamik dient letztlich vor allem dem, der an der Macht ist – und diese weiter totalisieren will. Donald Trumps dunkler Skeptizismus arbeitet nach dem Imperativ: „Verwirre und unterdrücke! Dessen gesellschaftszersetzende Kraft bedroht zunehmend auch die demokratische Demokratie.

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Mit jeder Tugend geht ein Laster einher

Augustinus, der lateinische Kirchenlehrer der Spätantike, glaubte nicht daran, dass die Welt feinsäuberlich in die Kräfte des reinen Guten und des reinen Bösen geschieden werden könne. Vielmehr gehe jede Tugend mit einem Laster einher – Selbstvertrauen mit Stolz, Aufrichtigkeit mit Brutalität, Mut mit Leichtsinn und so weiter. Der Ethiker und Theologe Lewis Smedes beschreibt die menschliche Natur der Innenwelt wie folgt: „Unser Seelenleben ist nicht so scharf geschieden wie Tag und Nacht – mit reinem Licht auf der einen Seite und totaler Finsternis auf der anderen. Unsere Seelen sind überwiegend Schattenräume; wir leben an der Grenze, wo unsere dunklen Seiten uns Licht blockieren und einen Schatten auf unsere inneren Plätze werfen. Wir können nicht immer sagen, wo unser Licht endet und unser Schatten beginnt und wo unser Schatten endet und unsere Finsternis beginnt.“

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Der Mensch bleibt von Gott und der Idee getrennt

Die Bibel verrät seinen Lesern, dass Gott den Menschen als sein Ebenbild geschaffen hat. Der Mensch ist also „imago dei“. Man könnte meinen, er könnte sich erkennen, indem er das betrachtet, wovon er Abbild ist. Unglücklicherweise ist aber ihm das genau nicht möglich, denn in den Zehn Geboten ist unmissverständlich festgehalten, dass sich der Mensch kein Bild von Gott machen darf. Thomas Damberger geht davon aus, dass es sich bei dem Bilderverbot nicht um Bösartigkeit handelt. Denn es geht nicht darum, dass ein Gott seiner Schöpfung die Selbsterkenntnis verwehrt. Thomas Damberger erklärt: „Vielmehr ist es so, dass der Mensch sich in diesem Bild gar nicht erkennen könnte, denn sowohl Gott als auch die Idee bei Platon sind im Gegensatz zum Menschen in einem anderen Seinsmodus.“ Dr. Thomas Damberger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Auch Angst kann ein Motiv für Aggression sein

So wie Gewalt ein Mittel des Erwerbs von Macht sein kann, dient sich auch der Abwendung des Verlusts der Macht. Insbesondere Politiker in diktatorischen Systemen bangen nicht nur um ihr Leben, sondern auch um ihre Machtposition und bauen deshalb riesige Sicherheitsapparate auf, mit denen politische Gegner aufgespürt, bestraft und vernichtet werden. Hans-Peter Nolting fügt hinzu: „Angst vor dem Verlust der Macht kann aber auch im familiären Bereich ein Motiv für Drohungen und Gewaltanwendung sein, so etwa, wenn sich ein einer Familie mit patriarchalischer Struktur die Frau der Kontrolle des Mannes oder ein Kind sich der Kontrolle der Eltern zu entziehen droht. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Sigmund Freud revolutionierte das Verständnis vom Seelenleben

Peter-André Alt erzählt in seinem neuen Buch „Sigmund Freud“ von der Bewegung der Psychoanalyse, ihrem Siegeszug und ihren Niederlagen. Er porträtiert Sigmund Freud als selbstkritischen Dogmatiker und wissenschaftlichen Eroberer. Der Begründer der Psychoanalyse war auch selbst ein Zerrissener, der die Nöte der Seele, von denen seine neue Therapie die neurotischen Menschen befreien sollte, aus eigener persönlicher Erfahrung kannte. Der Nervenarzt Sigmund Freud arbeitete in Wien an seinen wegeweisenden Theorien zu Sexualität und Neurose, Traum und Unbewusstem, Familie und Gesellschaft, Märchen und Mythos. In seinen Behandlungsräumen in der Berggasse 19 vollzog sich die Erfindung einer neuen Lehre vom Menschen, die das Verständnis des Seelenlebens umfassend und eingreifend veränderte. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Gottfried Wilhelm Leibniz gilt als der Optimist unter den Philosophen

Gemeinhin gilt unter den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) als der Optimist im wahrsten Sinne des Wortes – insbesondere, weil Optimismus vom lateinischen „Optimum“ (das Beste) abgeleitet ist und Gottfried Wilhelm Leibniz die reale Welt als die bestmögliche betrachtet. Dieser Denker zählt zu den letzten Universalgelehrten, der als studierter Jurist leidenschaftlich Mathematik und Naturwissenschaften betrieb. Ludger Pfeil erklärt: „Er erfand das duale Rechnen, dass ausschlich Nullen und Einsen kennt, und eine dazu passende Rechenmaschine.“ Daneben vertiefte er als politischer Berater des Hauses Hannover sein Interesse an Ökonomie und Geschichtswissenschaft. Seine unermüdliche Suche nach Harmonie prädestinierte ihn dabei zum Diplomaten. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Die Freiheit von Naturzwängen ist heute weniger denn je gegeben

Zwei Dinge erwartete einer der Pioniere der neuzeitlichen Philosophie, René Descartes, von der von ihm mitbegründeten Naturforschung, und beide Dinge sind für die Freiheit relevant: ein müheloses Genießen der Früchte der Erde und eine Befreiung von unendlich vielen Krankheiten, sowohl des Körpers als auch der Seele. Otfried Höffe ergänzt: „Auch heute, bald 400 Jahre später, zeichnet sich selbst im wohlhabenden Westen weder ein müheloses Genießen noch eine Befreiung von unendliche vielen Krankheiten ab.“ Trotzdem kann man die glänzenden Erfolge einer noch immer wachsenden Naturforschung schwerlich bestreiten, weder für den Bereich der Arbeitserleichterung durch die Kunst der Ingenieure samt den neuen Informationstechniken noch für den Bereich von Gesundheit und verlängerter Lebenserwartung mit Hilfe von Medizin, Medizintechnik und Pharmazie. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Das mentale Leben ist von Subjektivität geprägt

Häufig wissen andere Menschen, was eine Person denkt und fühlt, weil sie es ihnen sagt. Manchmal tut man das absichtlich, bei anderen Gelegenheiten aber auch mit Minenspiel und Körpersprache. Ludwig Wittgenstein schreibt: „Der menschliche Körper ist das beste Bild der menschlichen Seele.“ David Gelernter fügt hinzu: „Manchmal wissen andere Menschen besser, was wir fühlen, als wir selbst.“ Mit dem Verstand weiß man, wie andere Menschen sich fühlen. Was aber noch wichtiger ist: Man empfindet die Gefühle des anderen, man sympathisiert mit ihm, man hat Mitgefühl. Das Menschen die Gefühle ihrer Mitmenschen spüren können, liegt daran, dass sie selbst fühlende Wesen sind und wissen, wie sie sich fühlen, wenn sie bestimmte Dinge sagen oder auf eine bestimmte Weise blicken. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Nach innen schauend sah Augustinus eine unermessliche Welt

Mit Ende zwanzig hatte Augustinus das Gefühl, von sich selbst entfremdet zu sein. Er führte ein beschwerliches Leben, und es verschaffte ihm nicht jene tiefere Sättigung, die er sich wünschte. Er hatte Begierden, deren Befriedigung ihn nicht glücklich machte, und dennoch folgte er weiterhin seinen Lüsten. Augustinus reagierte auf diese Lebenskrise, indem er seinen Blick nach innen richtete. Eigentlich sollte man meinen, dass jemand, der über seine Ichbezogenheit entsetzt ist, nach Selbstvergessenheit strebt. David Brooks fügt hinzu: „Sei Rat wäre: Sieh von dir selbst ab und wende deine Aufmerksamkeit anderen zu.“ Aber Augustinus unternahm zunächst eine beinahe wissenschaftliche Entdeckungsreise in sein Inneres. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Die Verblödung aus Bequemlichkeit ist in Deutschland weit verbreitet

Unbändiger Hass, krude Verschwörungstheorien, die Suche nach autoritären antidemokratischen Leitfiguren – dahinter verbirgt sich für Jürgen Roth vielmehr als die Angst vor den Herausforderungen der Globalisierung oder vor den Fremden: „Viele Menschen sind verunsichert, die fehlenden stabilen Beschäftigungsverhältnisse, als das führt zu Ängsten vor der Zukunft. Und die politischen Eliten haben darauf immer noch keine befriedigende Antwort gefunden.“ Doch Unsicherheit und Angst sind die Seele des Spießers, der Haltegriff für die Mentalität eines Blockwarts, die Psyche der Empfänger von Befehlen. Das ist nicht nur das Einfallstor für Argumente, sondern auch für die Gewalt. Deshalb suchen sich die Ängstlichen, also die sogenannten besorgten Bürger, die Schwächsten einer Gesellschaft als Ventil für ihre Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen aus. Jürgen Roth gilt als einer der bekanntesten Vertreter des investigativen Journalismus in Deutschland.

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Hinter Gefühlen verbergen sich oft vernünftige Überlebensstrategien

Eyal Winter zeigt in seinem Buch „Kluge Gefühle“, dass sich selbst hinter vermeintlich irrationalen Gefühlen wie Liebe und Hass vernünftige Überlebensstrategien verbergen. Dabei rehabilitiert der Autor auch negative Gefühle wie Neid und Angst, die produktiv sind, wenn man sie nicht leugnet. Eyal Winter erklärt mit Erkenntnissen aus den aus den Forschungsgebieten der Evolution, Neurologie und Spieltheorie sowie anhand von zahlreichen Fallgeschichten, warum Gefühle die meisten Menschen schnell und zuverlässig das Richtige tun lassen. Die emotionalen und rationalen Mechanismen eines Menschen arbeiten Hand in Hand und unterstützen sich gegenseitig. Bisweilen lassen sie sich überhaupt nicht voneinander trennen. Sehr häufig ist eine auf Emotion oder Intuition beruhende Entscheidung viel effizienter – und im Grunde viel besser – als eine Entscheidung, die nach einer gründlichen und genauen Beurteilung aller denkbaren Ergebnisse und Folgerungen getroffen wurde. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

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Eine Tragödie soll Furcht und Mitleid erregen

In den Dramen der französischen und englischen Schriftsteller fand Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) die Aufhebung der alten feudalen Ständeklausel, die das erwachende bürgerliche Selbstgefühl beleidigte, bereits in die Praxis umgesetzt: Der Bürger war dort tragödienfähig geworden. Gotthold Ephraim Lessing überwand die feudale Ständeklausel dadurch, dass er den Menschen abgelöst von seiner ständischen Gebundenheit zum Handelnden machen wollte: „Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stück Pomp und Majestät geben; zur Rührung tragen sie nichts bei. Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muss natürlicherweise am tiefsten in unsere Seele dringen; und wenn wir mit Königen Mitleid haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen und nicht als mit Königen.“ Diese Berufung Gotthold Ephraim Lessings auf das Menschliche hing eng zusammen mit seinem Bemühen um eine neue, differenzierte Funktionsbestimmung der Literatur.

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Mäßigung hat nichts mit Gleichmut zu tun

Mäßigung ist eine vielfach missverstandene Tugend. Zunächst einmal stellt David Brooks klar, was sie nicht ist: „Mäßigung besteht nicht einfach darin, die Mitte zwischen zwei entgegengesetzten Polen zu finden und sich opportunistisch dort aufzustellen. Und Mäßigung ist auch nicht zu verwechseln mit mildem Gleichmut.“ Sie ist auch nicht gleichbedeutend mit einem gezügelten Temperament, das rivalisierende Leidenschaften oder konkurrierende Gedanken überwunden hätte. Im Gegenteil, Mäßigung basiert auf dem Wissen, dass Konflikte unvermeidlich sind. Wenn man glaubt, die Welt füge sich nahtlos zusammen, benötigt man keine Mäßigung. Wenn man glaubt, alle persönlichen Eigenschaften ließen sich auf einfache Weise miteinander in Einklang bringen, dann muss man sich nicht bremsen. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Der Begriff der Sünde ist aufgegeben worden

Heute hat das Wort „Sünde“ seine Macht und furchteinflößende Eindringlichkeit verloren. Es wird heute vor allem in Verbindung mit dick machenden Nachspeisen verwendet. David Brooks erläutert: „Die meisten Menschen sprechen in der alltäglichen Unterhaltung kaum über individuelle Sünden. Wenn sie überhaupt über das Böse sprechen, dann verorten sie dieses gewöhnlich in den Strukturen der Gesellschaft – in Ungleichheit, Unterdrückung, Rassismus und so weiter –, nicht im Einzelnen.“ Die Menschen haben den Begriff der Sünde aufgegeben, weil sie, erstens, die Auffassung, die menschliche Natur sei verdorben, hinter sich gelassen haben. Zweitens wurde das Wort „Sünde“ zu vielen Zeiten und an vielen Orten dazu verwendet, der Lust den Krieg zu erklären, selbst den gesunden Freuden der Sexualität und der Unterhaltung. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Viele Menschen gehen gewandelt aus einem Leid hervor

Leiden lehrt seltsamerweise auch Dankbarkeit. In normalen Zeiten behandeln Menschen die Liebe, die sie empfangen, als einen Grund zur Selbstzufriedenheit, aber in Zeiten des Leidens erkennen sie, wie unverdient diese Liebe ist und dass sie viel mehr ein Grund zur Dankbarkeit sein sollte. In stolzen Momenten will man unter keinen Umständen das Gefühl haben, in jemandes Schuld zu stehen, doch in Momenten der Demut wissen Menschen, dass sie die Zuneigung und Anteilnahme, die sie erhalten, nicht verdienen. David Brooks fügt hinzu: „Menschen in solcher Situation haben oftmals auch das Gefühl, Teil eines umfassenden Schicksalszusammenhangs zu sein.“ Inmitten von Bedrängnissen beginnen Menschen, eine Berufung zu spüren. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Viele Menschen sind von der Sünde fasziniert

Viele Menschen begehen unentwegt kleine moralische Verfehlungen, die Ausdruck einer tief verwurzelten Selbstgefälligkeit ist. Die Neigung zu verwerflicher Leidenschaft, zur Sünde steht im Zentrum der menschlichen Persönlichkeit. Die Menschen sündigen nicht nur, sie sind auch in absonderlicher Weise von der Sünde fasziniert. David Brook nennt ein Beispiel: „Wenn wir hören, dass ein Prominenter in einen empörenden Skandal verwickelt ist, sind wir irgendwie enttäuscht, wenn sich herausstellt, dass das Gerücht falsch ist.“ Und wenn man brave Kinder sich selbst überlässt, dauert es meist nicht lange, bis sie für Scherereien sorgen. Selbst an sich positive zwischen menschliche Verbindungen wie Kameradschaft und Freundschaft können verfälscht werden, wenn sie nicht an ein höheres Ziel gebunden sind. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Thomas Damberger skizziert Platons Höhlengleichnis

Platon, der im 4. Jahrhundert vor Christus lebte, hat im 7. Buch seines wohl bekanntesten Werkes, der „Politeia“, das Höhlengleichnis festgehalten. Thomas Damberger skizziert es kurz: „Die Ausgangssituation ist folgende: In der Höhle sitzt ein Mensch, an einen Stuhl gefesselt und mit dem Gesicht zur Wand gerichtet. Der Höhlenbewohner sieht an der Wand Schatten und hält diese für das Eigentliche, das Wahre.“ In einer solchen Lage hat der Gefesselte keine Chance zu erkennen, dass es sich bei den Schatten ja tatsächlich nur um Schatten von den eigentlichen Dingen handelt. Damit er zu einer solchen Erkenntnis gelangen kann, muss er bereit werden. Diese Befreiung ist übrigens eine Zwangsbefreiung, denn der Gefesselte erlebt sich ja nicht als gefesselt. Dr. Thomas Damberger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Friedrich Nietzsche: „Sei dir selber treu!“

Friedrich Nietzsche war der Meinung, dass Menschen ihr eigenes Leben erschaffen, aber er behauptet, dass nicht alle Lebenssinne gleichrangig seien. Wenn man eine kritische Messlatte anlegt, seien manche grundsätzlich besser als andere. Daniel Klein beschreibt, was Friedrich Nietzsche meinte: „Manche von uns haben das Potential, auf eine Weise zu leben, die weit jenseits des Gewöhnlichen liegt, und es ist unsere Pflicht, nach einem solchen Leben zu streben, uns voll und ganz auf das einzulassen, was er das „Ja zu Leben“ nannte.“ Friedrich Nietzsche nennt Menschen Schwächlinge, die das Drehbuch, das ihnen die Gesellschaft in die Hand gedrückt hat, einfach nur abnicken und nach dessen Vorgaben leben. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Gute Freunde halten Körper und Seele gesund

Gute Freunde helfen nicht nur Hindernisse zu meistern, sie halten außerdem gesund. Denn gegen Übergewicht und Bluthochdruck helfen sie offenbar besser als Sport und gesunde Ernährung. Wer kaum freundschaftliche Kontakte pflegt, schläft nicht nur schlechter und ist öfter gestresst. Er hat auch ein höheres Risiko, früher zu sterben. Professor Franz Neyer, Direktor des Instituts für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, erklärt: „Ohne soziale Beziehungen können Menschen überhaupt nicht existieren.“ Was ihn an dieser Tatsache besonders fasziniert, dass der Mensch freiwillig enge Bande zu Fremden knüpft. Das ist der Unterschied zu vielen Tieren, die ohne ihr Rudel kaum überleben könnten. Seit mehr als 20 Jahren untersucht Franz Neyer was Menschen abseits von Verwandtschaft, Sexualität und oberflächlichem Nutzen aneinander bindet.

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Nur durch die Kultur lässt sich das Dasein ertragen

Der amerikanische Psychologe Sheldon Solomon hat sich fast sein ganzes Berufsleben lang mit der Angst vor dem Tod beschäftigt. Er hat erforscht, wie die Furcht vor dem Tod das menschliche Leben bestimmt. Das Großhirn erlaubt es den Menschen, abstrakt und symbolisch zu denken, aber zugleich ist es auch fähig zu begreifen, dass das Leben der Menschen endlich ist, wie dasjenige aller Lebewesen. Das erzeugt einen tiefen, lähmenden Schrecken. Jeder muss damit leben. Wie das gelingen kann, hat der Kulturanthropologe Ernest Becker beschrieben: „Um die Last des Daseins ertragen zu können, verankern wir uns in einem Glaubenssystem, das wir Kultur nennen. Kultur gibt unserem Leben einen Sinn, sie gibt uns einen Wert – und zwar, indem sie uns eine Vision von Unsterblichkeit liefert.“

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Ein Leidender stößt in unbekannte Tiefen vor

Wenn die meisten Menschen an die Zukunft denken, wünschen sie sich einen Zustand stabiler Zufriedenheit im Leben. Aber es gibt ein interessantes Phänomen. Wenn sich Menschen an die entscheidenden Ereignisse erinnern, die ihre Persönlichkeit formten, sind dies in der Regel keine „Glücksmomente“. David Brooks erklärt: „Am prägendsten scheinen vielmehr die leidvollen Erfahrungen zu sein. Die meisten Menschen greifen nach dem Glück, haben aber das Gefühl durch Leiden geformt zu werden.“ Für die meisten Menschen ist Leiden nichts an sich Wertvolles oder Edles. So, wie Scheitern manchmal einfach nur Scheitern ist, so ist Leiden manchmal nur zerstörerisch und sollte so schnell wie möglich beendet oder therapeutisch behandelt werden. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Der reine Augenblick ist ein abstrakter Traum

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2016 spürt dem Augenblick nach. Der Augenblick – kaum ist er da, ist er auch schon wieder vorbei. Das moderne Leben gleicht einem Wettrennen. Umso größer ist bei vielen Menschen das Verlangen, die Zeit anzuhalten, präsent zu sein, die Welt wieder zu spüren. Kein Wunder, dass buddhistisch inspirierte Achtsamkeitspraktiken derzeit boomen. Meditierend kommt das Selbst zu sich, wird empfänglich für die Schönheit des Hier und Jetzt. Aber Denker wie Augustinus bis Edmund Husserl argumentieren, dass die Erfahrung des reinen Augenblicks für die Menschen eine Illusion bleiben muss. Aber nicht nur philosophisch ist die Sehnsucht nach totaler Präsenz problematisch. Es stellt sich auch die Frage, ob nicht der neue Achtsamkeitskult ein reaktionäres, gar narzisstisches Moment in sich trägt.

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Ludger Pfeil stellt neun philosophische Denkweisen vor

In seinem Buch „Du lebst, was du denkst“ will Ludger Pfeil seinen Lesern mit der Aufdeckung philosophischer Hintergründe begreiflich machen, warum ein Mensch denkt, was er denkt. Menschen denken unterschiedlich. Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit, deshalb vergessen es viele Menschen gerne und sind enttäuscht, wenn sie sich nicht verstanden fühlen. Doch gerade bei wichtigen Fragen und Entscheidungen ist die eigene Perspektive alles andere als allgemeingültig, denn man argumentiert vor dem Hintergrund unausgesprochener Grundannahmen, die man sich selten bewusst macht. Hinter diesen Phänomenen verbergen sich die philosophischen Denkgebäude, in denen sich dieses Geschehen abspielt. Sie bestimmen, wie und was ein Mensch denkt, wie er die Welt betrachtet und wie er mit sich selbst und anderen Menschen umgeht, was er für wichtig oder unwichtig hält und wie er Entscheidungen trifft.

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