Auch innere Impulse werden als Aggressionen bezeichnet

Als Aggression werden im Deutschen häufig nicht nur sichtbare Verhaltensweisen bezeichnet, sondern auch innere Impulse, nämlich Emotionen wie Ärger, Wut und Hass. In dieser Bedeutung wird dann meistens die Pluralform „Aggressionen“ bevorzugt: Aggressionen haben, Aggressionen ausleben, Aggressionen loswerden und so weiter. Das wäre für Hans-Peter Nolting unproblematisch, wenn aggressives Verhalten und aggressive Emotionen lediglich zwei Seiten desselben Prozesses wären. Aber das ist nicht so. Hans-Peter Nolting erklärt: „Es gibt aggressives Verhalten, dass nicht auf aggressiven Emotionen beruht, sondern zum Beispiel auf Habgier oder Angst, und umgekehrt werden aggressive Emotionen keineswegs immer in aggressives Verhalten umgesetzt.“ Daher sollte man beides auseinanderhalten. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Selbst- und Nächstenliebe bilden eine Einheit

Obwohl in der Geschichte der Ethik von Cicero bis Friedrich Nietzsche immer wieder Argumente vorgetragen wurden, die es verbieten sollten, Egoismus und Altruismus als Gegensätze zu behandeln, herrscht im alltäglichen Urteil wie auch in öffentlichen Debatten die Neigung vor, in beiden eine Art ewiger Alternative auszumachen. Volker Gerhard kann das verstehen, wenn er es mit den individuellen und kollektiven Erscheinungsformen des persönlichen, ökonomischen und politischen Egoismus zu tun hat. Volker Gerhardt schränkt allerdings ein: „Blickt man hingegen auf die Entwicklung einzelner Individuen und stellt sie in Relation zu dem was wir überhaupt über den Umgang mit Neugeborenen, heranreifenden Kindern und Jugendlichen sagen können, wird man das allgemeine Urteil nicht zurückhalten können, dass ohne den Altruismus der Eltern und ohne den Egoismus ihrer Schützlinge gar nichts geht.“ Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Selbstmitleid kann schnell zu einer Paranoia führen

Selbstmitleid ist eine der unfruchtbarsten Reaktionen auf die Widrigkeiten des Lebens. Rolf Dobelli ergänzt: „Selbstmitleid verändert nichts. Im Gegenteil, Selbstmitleid ist ein emotionaler Wirbel, ein Strudel, der einen, je länger man darin schwimmt, nur noch weiter hinunterzieht.“ Darin gefangen, verfallen Menschen schnell der Paranoia. Sie haben dann das Gefühl, eine Gruppe von Menschen, die ganze Menschheit oder gar das Universum habe sich gegen sie verschworen. Ein Teufelskreis für die Betroffenen, aber auch für die Mitmenschen, die sich verständlicherweise irgendwann von ihnen fernhalten. Sobald Rolf Dobelli bei sich die ersten Anzeichen von Selbstmitleid wahrnimmt, versucht er sich sofort aus diesem gefährlichen Sog zu befreien. Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

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Martha Nussbaum beschreibt wichtige Facetten des Ekels

Martha Nussbaum schreibt: „Ekel ist eine starke Abneigung gegenüber Aspekten oder Teilen des Körpers, die als „animal reminders“ bezeichnet werden – das heißt Aspekten von oder Seiten an uns selbst, die uns daran erinnern, dass wir sterbliche und animalische Wesen sind.“ Seine primären Objekte sind Fäkalien und andere körperlichen Ausscheidungen, die Verwesung und Tiere oder Insekten, die schleimig, schmierig oder übelriechend sind bzw. anderweitig an die abgelehnten Körperflüssigkeiten oder -ausscheidungen erinnern. Der Kerngedanke des Ekels ist der an eine (potenzielle) Verunreinigung durch Kontakt oder Nahrungsaufnahme: Wer das Unedle, das Niedrige zu sich nimmt, zieht in das auf sein Niveau hinunter. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Richard E. Nisbett weist auf die Macht der Situation hin

Die meisten Menschen unterschätzen – oder ignorieren völlig – einige höchst bedeutsame und nachhaltige situative Einflüsse auf Überzeugungen und Verhalten. Richard E. Nisbett erklärt: „Als direkte Konsequenz dieser „Kontextblindheit“ neigen wir dazu, den Einfluss persönlicher, „dispositioneller“ Faktoren – Präferenzen, Persönlichkeitsmerkmale, Fähigkeiten, Pläne und Motive – auf das Verhalten in einer bestimmten Situation zu unterschätzen.“ Die Vernachlässigung einer bestimmten Situation wie auch die Überbewertung innerer Faktoren treten selbst dann auf, wenn man versucht, die Gründe für die eigenen Urteile und Handlungen zu analysieren. Noch viel schwerwiegender ist das Problem jedoch, wenn ein Mensch die Ursachen für das Verhalten seiner Mitmenschen zu ergründen sucht. Er muss viele kontextuelle und situative Aspekte berücksichtigen, wenn er sich ein Urteil bilden oder etwas Bestimmtes tun will. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Allan Guggenbühl erklärt die Aufgaben des öffentlichen Diskurses

Die Vermittlung von Informationen, Kontrolle und Aufklärung sind Aufgaben, die man dem öffentlichen Diskurs zuschreibt. Erfüllt er einer dieser Aufgaben nicht, reagieren viele Bürger mit Befremden. Allan Guggenbühl fügt hinzu: „Der öffentliche Diskurs hat jedoch noch eine andere Aufgabe: Er liefert Material und Hintergrundszenarien, damit wir unser Dasein, uns selbst und unsere Mitmenschen ertragen und verstehen.“ Der öffentliche Diskurs hat die Rolle des Erzählers übernommen, wie es früher der Schamane oder Dorfweise tat. Wie und was ein Mensch denkt, hängt von seinem Beeinflussungsgrad durch den öffentlichen Diskurs ab. Um den roten Faden des öffentlichen Diskurses mit Klugheit zu verstehen, muss man über ihren Einfluss auf die Psyche nachdenken. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Das Ich will an die Stelle von Gott treten

Das Ich hat sich zum kleinen Gott auf Erden entwickelt. Alle reden vom Ich. Markus Gabriel nennt Beispiele: „Es geht um die Frage, inwieweit der Egoismus gerechtfertigt sein soll, um die Ich-AG und vieles mehr.“ Neurozentriker schwanken zwischen der Identifikation des Ich mit dem Gehirn und der Bestreitung seiner Existenz – auf die man zurückgreift, wenn man merkt, dass der Reduktionismus in keiner Spielart so recht auf das Ich passen will. An dieser Stelle rät Markus Gabriel einen Blick auf die Geistesgeschichte zu werfen. Einer der Ersten, die das Personalpronomen „ich“ in der deutschen Sprache zu „das Ich“ substantiviert haben, war der mittelalterliche Philosoph Meister Eckhart (1260 – 1328). Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Ein freundliches Nein ist besser als ein hartes Nein

Es liegt zum großen Teil am Auftreten der eigenen Person, wie das Umfeld auf ein Nein kurzfristig reagiert. Tanja Baum kann sich vorstellen, dass ein knappes und hart formuliertes Nein eher auf Unverständnis beim Gegenüber stößt als eine freundliche Absage. Schnell wird dieses Verhalten als fehlende Hilfsbereitschaft, Antipathie, Gleichgültigkeit oder Ablehnung interpretiert. Tanja Baum betont: „Mithilfe der Körpersprache, der Art des Sprechens, der Wortwahl und des gesamten Auftretens kann ein Nein verbindlich und dennoch bestimmt formuliert werden. Die Reaktion der Umwelt fällt dann weniger scharf aus.“ Die Reaktionen auf ein Nein sind natürlich auch unterschiedlich, da jede Situation in einen bestimmten Zusammenhang eingebettet ist. Tanja Baum, systemische Organisationsberaterin und Coach, gründete 1999 in Köln die Agentur für Freundlichkeit mit den Arbeitsschwerpunkten Beratung, Coaching, Training und Meditation.

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Alles wirklich Wichtige kann der Mensch selbst bestimmen

Als Daniel Klein Jean-Paul Sartre und seinen existentialistischen Mitstreiter Albert Camus zum ersten Mal las, war er hingerissen. Das war eine Philosophie, in der es um das Leben ging, um Sinnfindung und das persönliche Verhalten. Es war die Art von Philosophie, nach der er von Anfang an gesucht hatte. Jean-Paul Sartre sagt, dass menschliche Wesen im Unterschied zu den Gegenständen in der Welt nicht durch ihre Eigenschaften definiert werden können. Denn Menschen können über ihr ganzes Leben hinweg ihre grundlegenden Eigenschaften und Zwecke selbst erschaffen und verändern. Es ist also sinnlos zu sagen, ein Mensch hätte eine unveränderliche, ihn festlegende Essenz. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Die Philosophen sind von der Sprache verhext

Die meisten Menschen, die den Philosophen Ludwig Wittgenstein begegneten, hielten ihn für ein Genie. Sein Kollege Bertrand Russell beschrieb ihn als „leidenschaftlich, tiefsinnig und sehr bestimmend“. Er prägte seinen Studenten ein, keine Zeit mit dem Lesen von Philosophiebüchern zu vergeuden. Nigel Warburton ergänzt: „Wenn sie, die Studenten, diese Bücher ernst nähmen, sollten sie sie durch den Raum werfen und selbst über die Fragen weiter nachdenken, um die es in diesen Büchern geht.“ Sein erstes Buch „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) bestand aus einzelnen nummerierten kleinen Abschnitten, von denen viele eher wie Gedichte klangen und weniger als philosophische Erörterungen. Seine zentrale Botschaft lautete, dass die wichtigsten Fragen über Ethik und Religion außerhalb der Grenzen des menschlichen Verständnisses lägen, und dass man, wenn man nicht sinnvoll darüber reden kann, lieber schweigen sollte. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Das Leben wird stark vom Denken geprägt

Die meisten Menschen leben, was sie denken. Hinter den Phänomenen der Oberflächen ihres Einschätzens, Verhaltens und Entscheidens im Alltag erheben sich philosophische Denkgebäude, in denen sich dieses Geschehen abspielt. Ludger Pfeil erklärt: „Sie sind errichtet als Annahmen über die erfahrbare Welt und was über sie hinausgehen könnte, über richtiges Denken und Kommunizieren, über unser Zusammenleben in Beziehungen und in der Gesellschaft und bilden damit unausgesprochene philosophische Theorien, die maßgeblich prägen, was wir wahrnehmen und wie wir unsere Beobachtungen und Erfahrungen einordnen und miteinander verknüpfen.“ Was und wie ein Mensch denkt, beeinflusst, wie er die Welt betrachtet, wie er mit sich selbst, anderen Menschen und Dingen umgeht, was er für wichtig und unwichtig hält und wie er Entscheidungen trifft. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Bill Gates kämpft mit seiner Stiftung weltweit gegen Armut

Der Gründer von Microsoft, Bill Gates, ist mit einem Vermögen von mehr als 80 Milliarden Dollar der reichste Mensch der Welt. Gleichzeitig ist er einer der großzügigsten und ehrgeizigsten. Mit der „Bill und Melinda Gates Foundation“ will der Philanthrop extreme Armut abschaffen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Wohl Afrikas zum deutschen Interesse erklärt. Bill Gates sieht die Flüchtlingskrise auch als Chance, neue Verbündete im Kampf gegen globale Armut zu finden. Der Multimilliardär erklärt: „Die Flüchtlingskrise macht deutlich, dass es uns alle betrifft, wenn Menschen in harten Umständen leben. Es ist furchtbar mit anzusehen und schafft riesige Probleme. Wir sind weder vor Armut noch vor ansteckenden Krankheiten in fernen Ländern sicher. Die Probleme bleiben nicht dort.“ Bill Gates empfindet es als traurig, dass erst die Krise in Syrien ein stärkeres Bewusstsein über die schlimmen Lebensumstände in armen Ländern schafft.

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Das Wort wird als Waffe entdeckt

Der Siegeszug der zugleich religiösen wie politischen Neuerung des 16. Jahrhunderts im Norden Europas, die unter dem Namen „Reformation“ bekannt ist, wurde hauptsächlich durch Literatur mitentschieden, insbesondere durch ein literarisches Medium, das damals seine Blütezeit erlebte: die Flugschrift. Die im Spätmittelalter, seit etwa dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts sich anbahnende Veränderung der Gesellschaftsstruktur bewirkte einen Prozess der Veränderung des Bewusstseins breiter Kreise, und diese wiederum konnten au die Praxis einwirken. Ein Vorgang, der sich in Sprache vollzog, mittels des geschriebenen und gesprochenen Wortes, der Literatur vor allem, die am weitesten wirkte, das hieß in erster Linie in Form der Gebrauchs- und didaktischen Literatur und Polemik. Was die Menschen neu erfuhren, war die Macht des Worts. Das auf diesem Wege entstehende Bewusstsein bedeutete: Gewinnung von Einsichten in den Zusammenhang der sozialen Realität; Formulierung dieser Einsichten unter den Bedingungen des Zeitalters, Gedanken, Vorstellungen, Ratschläge, Pläne.

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Gewohnheiten hinterlassen immer Spuren

Kleine Ursache – große Wirkung. Die menschliche Persönlichkeit wird nach dem Modell „Steter Tropfen höhlt den Stein“ geformt. Der Autor Charles Duhigg erklärt in seinem Buch „Die Macht der Gewohnheit“: „Obwohl jede Gewohnheit für sich genommen relativ wenig bedeutet, haben die Speisen, die wir bestellen, das, was wir allabendlich unseren Kindern erzählen, ob wir sparen oder Geld ausgeben, wie oft wir Sport treiben und die Art und Weise, wie wir unsere Gedanken und Arbeitsabläufe organisieren, enorme Auswirkungen auf unsere Gesundheit, unsere Produktivität, unsere finanzielle Situation und unser Wohlbefinden.“ Clemens Sedmak ergänzt: „Immer wieder dasselbe zu tun, führt dazu, dass die Spurrillen zunehmend tiefer werden, bis sie einen Weg vorgeben.“ Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderem eine Professur am Londoner King´s College inne.

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Jeder möchte einzigartig und authentisch sein

Im Titelthema des aktuellen Philosophie Magazins 03/2016 wird die Frage beantwortet: „Wer ist mein wahres Selbst?“ Fast jeder möchte echt sein, einzigartig erscheinen und authentisch wirken. Gerade in den Zeiten der digitalen Selbstdarstellung zum Beispiel bei Facebook ist der Übergang von der gekonnten Verstellung in die dauerhafte existenzielle Entfremdung fließend. Auch der Alltag ist bei genauerer Betrachtung eine Abfolge von Situationen, in denen man eine bereits vorbestimmte Rolle möglichst überzeugend zu spielen hat. Die Frage „Wer bin ich wirklich?“ wird durch den tiefen Wunsch hervorgebracht, das eigene Leben selbst zu führen, anstatt geführt zu werden. Der Philosoph Byung-Chul Han kritisiert in seinem Beitrag den „Terror des Andersseins“. Im Kapitalismus wollen sich vielen Menschen von der Masse unterscheiden. Doch gerade die Abgrenzung und der permanente Vergleich führen laut Byung-Chul Han in die Hölle der Konformität.

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Prominente Persönlichkeiten führen oft ein Doppelleben

Westliche Vorstellungen von den Eigenschaften der Persönlichkeit und der menschlichen Natur sind lange Zeit davon ausgegangen, dass Selbstkontrolle und die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub feste Merkmale sind und das Verhalten von Individuen durchgehend – also in verschiedenen Situationen und Kontexten – kennzeichnen. Walter Mischel erklärt: „Deshalb geben sich die Medien jedes Mal erstaunt und erschüttert, wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass wieder eine prominente Persönlichkeit ein geheimes Doppelleben führte, das auf einen völligen Mangel an Urteilskraft und Selbstkontrolle hindeutet.“ Gerade diese Menschen müssten doch in der Lage sein, geduldig auf ihre Belohnung zu warten und in sie in vielen Situationen aufzuschieben, anderenfalls wären sie doch nie so erfolgreich gewesen. Walter Mischel ist der Frage nachgegangen, warum sich intelligente Menschen oft so töricht verhalten und es fertig bringen, ihr sorgsam geplantes Leben zu ruinieren. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.

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Für Baruch de Spinoza sind Gott und die Natur identisch

Baruch de Spinoza, der von 1632 bis 1677 lebte, glaubte, dass Gott die Welt ist. Er sprach von Gott oder Natur, um dies deutlich zu machen. Beide Begriffe waren für ihn identisch. Gott ist Natur, und die Natur ist Gott. Nigel Warburton ergänzt: „Später hat man dies Pantheismus genannt, womit ein Glaube gemeint ist, bei dem Gott nicht als eigenes Wesen gedacht wird, sondern alles ist.“ Mit dieser Ansicht handelte sich Baruch de Spinoza eine Menge Ärger ein. Baruch de Spinoza glaubte, dass die Welt und die Rolle des Menschen in dieser Welt einer Logik folgt, die durch die Vernunft offengelegt werden kann. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Die Europäische Union muss den Finanzkapitalismus zähmen

Die Konturen der pazifischen Epoche lassen sich bereits erahnen, denn das Schwergewicht der Weltwirtschaft wandert Richtung Osten. Das hat auch für Europa und die USA Auswirkungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht nur eine atlantische, sondern auch eine pazifische Macht. Thomas Seifert erläutert: „Die Westküste – bereits heute der Motor wirtschaftlicher Dynamik und Innovation in den USA – wird noch weiter an Bedeutung gewinnen.“ Ebenso könnten der Südosten und Osten Europas eines Tages von einer Landverbindung nach China profitieren, auch logistische Knotenpunkte könnten dort entstehen. Thomas Seifert fordert, das die Europäische Union (EU) eine eigenständigere Außenpolitik verfolgen muss, denn die USA und Europa haben in verschiedenen Regionen jeweils ihre eigenen Interessen. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Philosophische Texte wollen interpretiert werden

Die praktische Erfahrung beim Lesen philosophischer Bücher ist gleichermaßen faszinierend wie potentiell frustrierend. Wilhelm Berger erklärt: „Wer zu lesen beginnt, tritt in einen ungeheuren historischen und aktuellen Fundus ein, der sich noch dazu in alle möglichen Richtungen öffnet, zur Literatur hin genauso wie zum Beispiel zur Geschichtswissenschaft. Jedes einzelne philosophische Buch ist lesenswert, wenn es diese Öffnung ermöglicht.“ Das Wort Text kommt vom lateinischen textus, das bedeutet Geflecht oder Gewebe. Ein Text gehört also der Ordnung einer Kultur an, die er als dieses Gewebe zugleich reproduziert und erweitert. Auf dieser Ebene geht es um Verweise, um die offensichtlichen oder hintergründigen Beziehungen zwischen einzelnen Texten. Wenn er gelungen ist, wirkt ein Text oft wie ein Stein, der in einen Teich von Begriffen und Problemen fällt. Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Jesse Prinz forscht nach dem Ort des Geistes im Körper

Zu den geistigen Dingen zählt Jesse Prinz Vorstellungen, Gedanken und Gefühle. Er setzt als bekannt voraus, dass der Geist eine enge Verbindung zum Gehirn hat. Wenn Philosophen der komplizierten Frage nachgehen wie menschliche Gehirnzellen mit den Emotionen zusammenhängen, spricht man vom „Geist-Körper-“ oder „Leib-Seele-Problem“.  Jesse Prinz erklärt: „Dieses Leib-Seele-Problem“ ist deshalb so herausfordernd, weil der Geist über Eigenschaften verfügt, die offenbar sonst nirgendwo in der natürlichen Welt vorkommen.“ Viele geistige Vorgänge sind den Menschen nicht nur bewusst, sondern haben dazu noch die Eigenschaft, sich Dinge vorstellbar zu machen. Jesse Prinz ist Professor für Philosophie an der City University of New York.

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Die Würde hat in den meisten Fällen sehr viel mit Mut zu tun

Es gibt Situationen im Leben, in denen Menschen eine Würde ausstrahlen, die sie ihrer Aufrichtigkeit und dem Mut verdanken, zu sich selbst zu stehen, auch vor anderen. Erfahrungen der Würde durch Aufrichtigkeit macht man nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Privatbereich. Peter Bieri nennt Beispiele: „Nach langer Zeit und heftigem Widerstand bringen wir den Mut auf, uns schwierige Dinge einzugestehen: die Erleichterung bei einem Tod oder einer Trennung; das Bedürfnis nach Vergeltung bei einer Kränkung; die Kränkung selbst; eine Wut eine Eifersucht.“ Und auch noch etwas anderes gibt es: sich einzugestehen, dass man ein Gefühl nicht besitzt, beispielsweise Zuneigung oder Mitleid. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Angst und Abwehr führen zur Ausgrenzung des Anderen

Das Titelthema des Philosophie Magazins 03/2015 beschäftigt sich mit den Anderen, deren Anwesenheit scheinbar nicht immer ein Segen ist. Denn allzu oft stören die Mitmenschen, nerven und machen einem im schlimmsten Fall das Leben zur reinen Hölle. Andererseits, wer wollte und könnte ernsthaft ohne andere Menschen leben – ohne deren Berührung, Mitgefühl und Inspiration? Besonders herausfordernd ist der Andere, wenn er aus einer fremden Kultur stammt. Was soll man mit einem solchen Menschen tun? Es gibt verschiedene Möglichkeiten: tolerieren, diskutieren oder drangsalieren oder ihn einfach zum Freund erklären. Fritz Breithaupt, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Indiana University, Bloomington, behauptet: „Wer den Anderen nur als konkretes Gegenüber denkt, verfehlt den sozialen Kern unserer Existenz. Denn in Wahrheit sind wir keine dialogischen, sondern triadische Wesen.“ Der Dritte in unser aller Bunde nimmt die friedensstiftende Rolle ein.

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Ein Gesichtsverlust ist immer mit einer Demütigung verbunden

Die Menschen leben einen großen Teil ihres Lebens unter dem Blick der anderen. Sie müssen sich für sie auf eine bestimmte Weise darstellen. Sie zeigen ihnen ihr Gesicht. Dieses Gesicht ist für Peter Bieri die sichtbare Identität, die soziale Fassade, auch die Maske, hinter der sich Menschen verstecken können. Gesicht im engeren Sinne bedeutet die Gesichtszüge und der Ausdruck, die eine Person hineinlegt. Peter Bieri fügt hinzu: „Es gehört aber auch vieles dazu, was mit den Gesichtszügen nichts mehr zu tun hat: die soziale Rolle; all das, was wir uns an Fähigkeiten, Einfluss und Macht zuschreiben; das Muster aus Gewohnheiten und Einstellungen, dass wir Charakter nennen; die nach außen hin verkündeten Gedanken und Gefühle.“ Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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Markus Gabriel analysiert den Begriff des Universums

Markus Gabriel schärft die Bedeutung von zwei Begriffen, über die in der Wissenschaft, im Alltag, aber auch in der Philosophie ein ziemliches Durcheinander herrscht, nämlich die Begriffe Welt und Universum. Der Begriff des Universums ist heutzutage seiner Meinung nach mythisch und religiös aufgeladen. In esoterischen Bestsellern und in zeitgenössischen Filmen wird das Universum häufig als ein Ort des Schicksals angesehen. Markus Gabriel erläutert: „Das Universum will etwas von uns oder teilt uns etwas mit. Das Universum steht hier für das maximale Ganze, in dem wir uns befinden.“ Die Frage nach dem Sinn des Lebens und was das Ganze überhaupt ist, hängen für Markus Gabriel eng zusammen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie an der Universität Bonn inne. Er ist Deutschlands jüngster Philosophieprofessor. Außerdem leitet er das Internationale Zentrum für Philosophie in Bonn.

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Der Kaiser wurde zum Symbol der neuen deutschen Nation

Mit der Gründung des Deutschen Reichs im Januar 1871 war das seit Beginn des Jahrhunderts offene Problem eines deutschen Nationalstaats mit dem Schwert gelöst worden. Alle anderen Anläufe, insbesondere der bürgerlich-revolutionäre Versuch von 1848/49 waren vorher gescheitert. Ulrich Herbert erläutert: „Das Reich war von Fürsten, Beamten und Militärs geschaffen worden, nicht von Bürgern, Bauern oder Arbeitern. Das spiegelte sich in Verfassung und politischer Struktur ebenso wider wie in den gesellschaftlichen Rangordnungen.“ Das politische Herrschaftssystem basierte auf vier Verfassungsorganen: Kaiser, Kanzler, Reichstag und Bundesrat. Das Parteiensystem setzte sich aus fünf relativ stabilen Parteirichtungen zusammen: Konservative, Nationalliberale, Linksliberale, Zentrum und Sozialdemokratie. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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