Die Deutschen sind liberaler und friedlicher geworden

Innerhalb der letzten 30 Jahren sind die Mehrheit der Deutschen und der übrigen Welt deutlich fürsorglicher, liberaler und friedlicher, kurz: progressiver geworden. Dieser Wandel veranschaulicht allerdings nicht, warum am rechten Rand der deutschen Parteienlandschaft eine Lücke aufgeklafft ist. Diese besetzt jetzt eine neue Partei, die Alternative für Deutschland (AfD). Philipp Hübl blickt zurück: „Fast alle Länder und Kulturen haben in den letzten Jahrhunderten eine Entwicklung vom kollektivistischen Stammesmodell zu modernen Gesellschaftsnormen durchgemacht.“ Die Menschen legen mehr Wert auf Individualismus und universelle Gesetze, sodass der moralische Kompass immer weniger in Richtung Autorität und Loyalität ausschlägt. Fairness und Freiheit rückt in den Vordergrund, wie der amerikanische Anthropologe Alan Fiske zeigt. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Die Bürger sollten die Werte des Staates teilen

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Richard David Precht erläutert: „Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des Einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert.“ Andererseits kann er nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwangs und autoritativen Gebots, zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben. Denn dadurch würde er auf säkularisierter Ebene in jenen Totalitätsanspruch zurückfallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Paul Kirchhof kennt die Freiheitsrechte

Die Verfassung gewährleistet nicht Freiheit, sondern ein Freiheitsrecht, das definiert, begrenzt, auf die Freiheiten anderer und das Gemeinwohl abgestimmt ist. Paul Kirchhof betont: „Im Mittelpunkt des Rechtsstaates steht die Freiheit.“ Die Menschen wehren sich gegen Sklaverei, gegen willkürliche Verhaftung, gegen Entrechtung und Verachtung bestimmter Gruppe und Einzelpersonen. Im Kern weist das Freiheitsanliegen die Obrigkeit in Distanz und unterbindet deren Willkür durch Recht. Ist dieses Freiheitsziel erreicht, beginnt der Aufbau einer vorbereitenden Freiheitsordnung. Diese verhindert zukünftige Freiheitsverletzungen und fördert den Freiheitsberechtigten in der Freiheitswahrnehmung und der Mitgestaltung des Gemeinwesens. Der Gesetzgeber erlässt ein Bürgerliches Gesetzbuch, gibt damit der Eigentümer- und Berufsfreiheit die Möglichkeit verbindlichen Gestaltens. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.

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Autonomie beruht auf Grundfreiheiten

Der Schutz politischer Freiheit verlangt nicht bloß die Gewährung des Rechts zu wählen, ein Amt zu bekleiden oder als Geschworener zu fungieren. Dazu gehören auch Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, die politische Partizipation erst möglich machen. Danielle Allen erklärt: „Letztere Rechte bilden natürlich auch eine wertvolle Grundlage für die Äußerungen von privater und nicht bloß von öffentlicher Autonomie.“ Die Dynamik des Sozialen und Ökonomischen darf dabei die gleichen Grundfreiheiten, einschließlich der politischen Freiheiten, nicht untergraben. In Bezug auf diesen Punkt setzt sich Danielle Allen ganz entschieden von John Rawls ab. Dieser behauptet immerhin, dass die Grundfreiheiten, auf denen private Autonomie beruht, niemals dem materiellen Wohlstand geopfert werden dürfe. Die Politikwissenschaftlerin und Altphilologin Danielle Allen lehrt als Professorin an der Harvard University. Zugleich ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

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Geldgier ist in der Plutokratie legitim

In der Plutokratie – anders als in der Demokratie – ist schrankenlose Geldgier legitim. Im Falle von Donald Trump sogar legitimierend. Und Plutokraten dürfen die öffentliche Meinung herrisch ignorieren. Roger de Weck stellt fest: „So faszinierend Milliardäre für die Medien sind, so autoritär ist ihr Kommando. Selbst wenn die politische Korrektheit hegemonial wäre, wie ihre Kritiker jammern, könnte sie gegen die Oligarchie nichts ausrichten.“ Wie wenig kulturelle Hegemonie bewirkt, erfuhren nach ihrer Revolte vom Mai 1968 die linken Studenten. Von ihnen hatte einige den italienischen kommunistischen Philosophen Antonio Gramsci gelesen. Den 68ern gelang es damals – breiter als heute den Aktivisten der Korrektheit –, die Begriffe zu besetzen. Ihr Denken sickerte in viele Kreise. Sie hatten den Löwenanteil an der öffentlichen Debatte. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Einparteienstaaten fördern Scharlatane und Narren

Die schlimmsten Einparteienstaaten sind diejenigen, die unerbittlich alle Talente und Begabungen durch Scharlatane und Narren ersetzen. Ihre Dummheit und ihr Mangel an Einfällen sind so lange die Bürgschaft für die Sicherheit des Regimes, als dieses noch nicht seine eigene Funktionärsschicht herangezogen hat. Lenins Verachtung für die Vorstellung von einem neutralen Staat, einer unpolitischen Beamtenschaft und neutralen Medien war ebenfalls ein wichtiger Bestandteil seines Einparteiensystems. Anne Applebaum weiß: „Die Pressefreiheit bezeichnete er als Täuschung und die Versammlungsfreiheit als leeres Gerede. Die parlamentarische Demokratie war für nichts als eine Maschinerie zur Unterdrückung der Arbeiterklasse.“ Die Presse konnte nur frei und staatliche Institutionen nur fair sein, wenn sie der Kontrolle der Arbeiterklasse oder genauer gesagt der Partei unterstanden. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Der Einzelne ist gefährdet und anfällig

Die Einzelnen, so der von Georg Wilhelm Friedrich Hegel bis George Herbert Mead durchgespielte Gedanken, gewinnen nur in Bezug auf die anderen einen Begriff ihrer selbst. Das Leben schreitet unaufhörlich durch verschiedene Lebensphasen fort. Dazu zählen ein Ortswechsel, ein neuer Lebenspartner oder völlig zufällige Begegnungen. Deshalb verstricken sich die Menschen in ein immer dichteres und weiteres Netz wechselseitiger Abhängigkeiten. Dabei entstehen existentielle Schutzbedürfnisse. Heinz Bude ergänzt: „Wir suchen uns im Blick der anderen zu erkennen, und erleben in solchen Momenten, wie gefährdet und anfällig wir sind.“ Die Integrität des Einzelnen lässt sich nicht ohne die Integrität der sie haltenden Beziehungen und Verhältnisse wahren. Denn ein Individuum kann seine Identität niemals für sich allein behaupten. Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Bude Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

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Der Staat muss legitime Rechte garantieren

Der Staat muss Gerechtigkeit walten lassen, die Zivilgesellschaft kann sich Solidarität erlauben. Heinz Bude erläutert: „Gerechtigkeit bedeutet dabei die Zuerkennung legitimer Anrechte. Dafür existieren rationale Verfahren. Diese legen fest, was einem in einer bestimmten Lage zusteht und wofür man selbst geradestehen muss. Es gibt Menschen, die mit ihrer vollzeitigen und unbefristeten Beschäftigung noch unter dem offiziell errechneten Existenzminimum bleiben. Diese können mit einer Aufstockung ihres Einkommens durch einen staatlichen Zuschuss rechnen, der sie noch etwas über den Betrag der Mindestsicherung hebt. Es ist ungerecht, dass man von seinem Verdienst in einem Knochenjob wie der Gebäudereinigung nicht leben und nicht sterben kann. Ebenso ungerecht ist es, wenn man ohne Arbeit genauso viel Geld in der Tasche hätte wie mit Arbeit. Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Bude Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

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Aus den Grundrechten folgen auch Pflichten

Für den Philosophen Markus Gabriel ist die heutige Wertekrise zugleich eine Krise der Demokratie. Wer den Universalismus beschädigt, wendet sich gegen die Idee, dass eine Gemeinschaft darauf aufbaut, dass alle Menschen den gleichen Wert besitzen. Schon allein deshalb haben sie bestimmte Rechte und Pflichten. Markus Gabriel erläutert: „Dazu gehören das Recht auf freie Entfaltung unserer Persönlichkeit, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Außerdem gehören dazu die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Recht darauf vor Gericht nicht aufgrund von Geschlecht, Sprache, Herkunft, Einkommen usw. benachteiligt zu werden. Gerne übersieht man, dass aus den Grundrechten auch Pflichten folgen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Der Markt regelt Angebot und Nachfrage

Nicht nur Wirtschaftstheoretiker, sondern auch Philosophen setzen sich für den Wettbewerb ein. In der Neuzeit etwa von Montesquieu über David Hume und Condorcet bis Immanuel Kant. Montesquieu spricht im „Esprit des Lois“ (Geist der Gesetze, 1748) von der zivilisierenden Kraft des „sanften Handels“. Denn dieser löst den Krieg der Leidenschaften durch den Kompromiss zwischen divergierenden Kräften ab. Otfried Höffe ergänzt: „Und nach Kant ist der Mensch dazu bestimmt, alle seine auf den Vernunftgebrauch abzielenden Naturanlagen vollständig zu entwickeln. Das geschieht wiederum außer durch gezielte Förderung mittels eines Wettbewerbs. Denn dieser erweckt „alle Kräfte des Menschen. Er bringt ihn dahin, seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen“.“ Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Caspar Dohmen stellt die Idee der Menschenrechte vor

Menschenrechte erkämpften Bürger ursprünglich als Schutz- und Freiheitsrechte jedes Einzelnen gegen die staatliche Obrigkeit. Für aufgeklärte Menschen ist es heute selbstverständlich, dass jeder Mensch die gleichen Rechte besitzt – das war früher nicht der Fall. Caspar Dohmen erläutert: „In den feudalistischen Gesellschaften bestimmte die Herkunft weitgehend über die Möglichkeiten jedes Menschen. Gut dotierte Posten in Staat und Kirche teilte der Adel gewöhnlich unter sich auf.“ Die Masse der Menschen lebte damals als einfache Bauern oder Handwerker, denen die Machthaber regelmäßig hohe Abgaben und Frondienste abpressten. Diese Ordnung galt als unangreifbar, da sie so von Gott gewollt war. Die Machthaber in Europa beuteten nicht nur ihre eigene Bevölkerung aus, sondern auch Menschen in den Kolonien, also vor allem in Lateinamerika, Afrika und Asien. Der Wirtschaftsjournalist, Buchautor und Dozent Caspar Dohmen studierte Volkswirtschaft und Politik in Köln.

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Konsequent gedacht gibt es gar keine Pflicht

Leiden wird oft mit der „Pflicht“ erklärt. Wer seine Pflicht tut, scheint vor jedermann gerechtfertigt – vor anderen und sich selbst. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Pflichtbewusst erfreut man sich allseitiger Wertschätzung: als Mutter, als Vater, als Briefträger, als Beamter, als Soldat. Wer seine Pflicht tut, tut das, was sich gehört.“ Die Pflicht kommt dabei meist im grauen Leinensack der Entbehrung daher und wird begleitet von einer Aura der Selbstaufopferung. Viele Menschen kennen das Gefühl der Pflichterfüllung, einige seufzen unter dieser Last. „Dazu fühle ich mich verpflichtet“ oder „Dafür habe ich mich in die Pflicht nehmen lassen“, sagen jene, die irrigerweise glauben, eigentlich etwas anderes zu wollen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Freiheitsrechte bilden den Kern der Menschenrechte

Nach einem für die politische Moderne unverzichtbaren Prinzip, dem der allgemeinverträglichen Freiheit, gibt es Menschenrechte, und deren Kern bilden zwei Grundarten von Freiheitsrechten: Die negativen Freiheitsrechte schützen jeden Einzelnen vor Übergriffen seiten der Rechtsgenossen als auch seitens der Staatsgewalten. Und positive Freiheitsrechte bündeln sich im Staatsziel des Sozialstaates. Als Beispiel eines Freiheitsrechts greift Otfried Höffe ein junges, aber keineswegs geringes Recht heraus, den Datenschutz. Wegen des Internets verlieren räumliche Entfernungen an Gewicht, werden Ereignisse weltweit so gut wie gleichzeitig wahrgenommen und Informationen in Sekundenschnelle ausgetauscht. Nicht zuletzt sind die revolutionär neuen Formen audiovisueller Kommunikation enorm preisgünstig. Für Otfried Höffe geht damit ein erheblicher Demokratisierungsgewinn einher. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Der Glaube an das Individuum ist ein kulturell tief verankerter

Thea Dorn betont, dass der Glaube ans Individuum und seine unveräußerlichen Rechte eben kein universeller, sondern ein kulturell tief verankerter und damit spezieller Glaube ist. Er nahm seine ersten Anfänge in der griechischen Philosophie und Kunst, entwickelte sich durch das Christentum und das Römische Recht, durch die Renaissance und den Protestantismus weiter, bis er in der Neuzeit, durch die hellen Köpfe der Aufklärung und die freiheitsliebenden Revolutionäre in England, Frankreich und Amerika, zum leitenden Welt- und Rechtsbild des Westens wurde. Wenn man für dieses Bild in der restlichen Welt werben will, bleibt einem nichts anderes übrig, als Ausschau nach Kulturen zu halten, in denen sich der Glaube an das Individuum und seine unveräußerlichen Rechte zumindest in Ansätzen entdecken lässt. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Carol Gilligan reklamiert eine eigene weibliche Auffassung der Moral

Carol Gilligan, die in Harvard als Psychologie-Professorin lehrte, erhebt gegen die ihrer Ansicht nach männlich geprägte individualistische und rationale Moral der Gerechtigkeit „Die andere Stimme“ eines solidarischen, gemeinschaftsorientierten Entwurf einer Moral, der aus Beziehungen und Kontexten erwachsende Pflichtgefühl in den Mittelpunkt stellt. Ludger Pfeil erklärt: „Gilligan fand in ihren Untersuchungen zur Moralpsychologie heraus, dass Frauen moralische Konflikte lösen, indem sie auf bestimmte Tugenden wie Rücksichtnahme und Hilfeleistung Bezug nehmen, während sich Männer eher an Gerechtigkeitsidealen orientieren und eine damit verbundene abstraktere Perspektive einnehmen.“ Rollen- und kontextbezogene Informationen wie persönliche Bindungen sind für Frauen wichtiger, um eine Entscheidung zu treffen. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Alle Menschen sind frei und mit gleichen Rechten geboren

Nach Jahrtausenden der religiösen Dogmatik und des Aberglaubens entwickelten mutige Philosophen ein neues Menschenbild. Alle Menschen sind frei und mit gleichen Rechten geboren, alle sind gleich vor dem Gesetz, und die einzigen Kriterien für Wissen sind Fakten und Rationalität. Philipp Blom ergänzt: „Auf dieser Grundlage können Menschen in Frieden miteinander leben und Fortschritt schaffen, der das Leben aller verbessert. Die Erlangung und Verteidigung der Freiheit ist oberstes Ziel von Individuen und Gesellschaften.“ Dieses neue Denken, dass man als „Aufklärung“ bezeichnete, wurde anfangs bekämpft und unterdrückt, konnte sich aber im Laufe von zwei Jahrhunderten durchsetzen. Nach den Philosophen und der Französischen Revolution kamen die Arbeiterbewegung, die Abschaffung der Sklaverei und danach die Dekolonisierung, die Civil-Rights-Aktivisten in den USA, Feministinnen, die Entkriminalisierung der Homosexualität, die Achtung von Minderheiten als Gradmesser der Zivilisiertheit. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Ein Gemeinwesen braucht eine politische Herrschaft

Der Kernbestandteil eines jeden Gemeinwesens besteht in einem Recht, das sich wesentlich mit Zwangsbefugnis verbindet. Seinetwegen hat jedes Gemeinwesen einen Herrschaftscharakter, weshalb nicht die „geordnete Anarchie als philosophisches Leitbild des freiheitlichen Rechtsstaates“ behauptet werden kann. Otfried Höffe erklärt: „Weil angeblich jede Regierung Rechte von Individuen verletzt, taucht selbst gegen eine von den Betroffenen ausgeübte Herrschaft Skepsis auf.“ Es ist überraschend, dass ursprünglich, im Griechischen, die Herrschaftslosigkeit durchweg negativ bewertet wird. Auch in der politischen Neuzeit, etwa von Niccolò Machiavelli über Montesquieu bis Voltaire, herrscht die negative Einschätzung vor. Erst in Karl Marx` und Friedrich Engels` These vom Absterben des Staats, bei dem davon beeinflussten Herbert Marcuse, auch in der subversiven Institutionenkritik eines Michel Foucault und nicht zuletzt in antiautoritären Bewegungen lebt der Gedanke der Herrschaftsfreiheit auf. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Politik muss die gesellschaftlichen Werte schützen

Georg Pieper vertritt die These, dass beim Thema Werte zunächst einmal die Politik gefragt ist. Die Werte zu schützen ist ihre große Aufgabe: „Politiker müssen unmissverständlich vermitteln, dass Werte wie Demokratie, Akzeptanz des Andersartigen, Freiheitsrechte oder Gleichberechtigung unantastbar sind und absolute Gültigkeit haben.“ Sie müssen Regeln formulieren und deutlich machen, dass diese Regeln von jedem Einzelnen einzuhalten sind. Hier sind nach der Überzeugung von Georg Pieper Klarheit und Konsequenz gefragt. Sowohl was den Umgang mit Gruppierungen und Bewegungen angeht, welche die Werte in Deutschland in Frage stellen oder sogar bekämpfen, als auch im Zusammenleben mit Geflüchteten, die eine andere Sozialisation als die Deutschen haben. Das konsequente Eintreten des Staates für die Grundwerte des Zusammenlebens gibt den Bürgern ein Sicherheitsgefühl und psychischen Halt und Orientierung. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Wie Gott ist die Nation heilig

Der Nationalismus sollte sich als die erfolgreichste revolutionäre Bewegung der Moderne erweisen. Er sollte Reiche zu Fall bringen, Tyrannen stürzen und zur Gründung einer Vielzahl neuer politischer Staaten führen. Er war gewissermaßen auch, wie ein Interpret schrieb, „die Erfindung der Literaten“, was man nicht unbedingt mit weltverändernden Projekten verbindet. Terry Eagleton ergänzt: „Und der wichtigste Grund dafür war die Bedeutung, die der Nationalismus dem Kulturbegriff beimaß.“ Vor allem durch den revolutionären Nationalismus gelang es dem Kulturbegriff, so abstrakt und ungreifbar er zunächst auch erscheinen mochte, das Antlitz der Erde zu verändern. Das Verlangen der Nationen, von ihren Kolonialherren frei zu sein, erwies sich als die wirkungsvollste Verbindung von Kultur und Politik in der Moderne, weit effektiver als die sogenannte Kulturpolitik der Gegenwart. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Die Postmoderne hält das Gerede von Identität für einen Wahn

Um kaum einen Begriff herrscht seit Jahrzehnten solch ein Gezerre wie um das Wort „Identität“. Die Linke trägt ihn stolz vor sich her, wenn sie „Identitätspolitik“ betreibt. Die Rechte, allen voran die „Identitäre Bewegung“, versucht, ihn neuerdings für ihre Zwecke zu kapern. Die Postmoderne hält jegliches Geschwätz von Identität für einen Wahn. Vielleicht kann die Wissenschaft hier für mehr Klarheit sorgen. Thea Dorn schreibt: „Die Freiheit der Forschung ist ein weiteres hohes Gut, auch in unserem Land. Ebenso wie die Freiheit des Glaubens.“ Aber sobald im politischen Diskurs wissenschaftliche Annahmen – keine hinreichend gesicherten Erkenntnisse – und religiöse Überzeugungen als vermeintlichen Totschlagargumente aus der Tasche gezogen werden, sind sie tatsächlich nur noch eins: Totschläger. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Die Aufklärung stellte die Vernunft ins Zentrum des Denkens

Die Aufklärung bot eine Möglichkeit, den erwachenden Machtanspruch der urbanen Mittelschicht argumentativ zu untermauern. Philipp Blom zählt die Argumente auf: „Wir sind alle gleich, alle frei, haben alle dieselben Rechte, jeder von uns muss die Möglichkeit haben, sein Leben zu gestalten und in der Gesellschaft eine Rolle zu spielen.“ Jeder Mensch hat ein Anrecht auf Respekt, unabhängig von seiner Religion, seinen Überzeugungen, seiner Herkunft. Gleichzeitig machte es das Zusammenleben von sehr unterschiedlichen Menschen möglich, solange sich alle, wie die Aufklärer argumentierten, an die Gesetze hielten, welche die Vernunft diktierte und die im Allgemeinen Willen zum Ausdruck kamen. Sowohl die Aufklärer als auch ihr erklärter Feind Jean-Jacques Rousseau argumentierten mit dem Allgemeinen Willen, der von der Gemeinschaft ausgedrückt wird. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Deutschland hat sich einst nur über seine Kultur definiert

Wer eine deutsche Zeitung aufschlägt, landet mit großer Wahrscheinlichkeit bei einem Teil, über dem „Feuilleton“ steht. Oder eben „Kultur“. Hier meint „Kultur“ nicht mehr und nicht weniger als „Kunst“. Es ist Thea Dorn wichtig, darauf hinzuweisen, dass es möglicherweise doch einen Bereich gibt, in dem der Staat bestimmte Aspekte der Kultur besonders fördern und privilegieren, in diesem Sinne von „Leitkultur“ sprechen darf: „Eben wenn es um Kunst, wenn es um die geistig-kulturellen Fundamente unseres heutigen Selbstverständnisses geht.“ Kein anderes Land der Welt – außer vielleicht Italien, die zweite der „verspäteten“ europäischen Nationen, und Griechenland als Erbe des antiken Hellas – hat sich so stark, ja in einer bestimmten Epoche sogar ausschließlich über seine Kultur im Sinne von Kunst, Philosophie und Geisteswissenschaft definiert, wie Deutschland dies getan hat. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Paul Kirchhof stellt das Ideal der Freiheit vor

Freiheit ist ein Ideal. Der Mensch soll selbstbestimmt, unbedrängt von fremden Mächten, sein Leben gestalten und sein Handeln verantworten. Paul Kirchhof weiß: „Dieses Ideal greift über das in der Wirklichkeit mögliche hinaus, setzt ein Ziel, das stetig verfolgt, aber nie gänzlich erreicht wird.“ Die Freiheit wird den Menschen nicht vor Krankheit noch Gebrechlichkeit bewahren, nicht Krieg und Hunger fernhalten, nicht gegen Hass und Häme abschirmen. Doch gibt das Ideal der Freiheit dem Menschen täglich den Impuls, sich seiner selbst und seiner Verantwortung anzunehmen. Dieser Leitstern des freiheitsfähigen und freiheitsbereiten Menschen formt die Freiheitsidee, die dem Menschen Rechte gibt. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Paul Kirchhof weist den Weg zu einer beherzten Freiheit

Paul Kirchhof fordert in seinem neuen Buch „Beherzte Freiheit“ ein neues Denken der freiheitlichen Autonomie des Menschen. An zahlreichen Beispielen zeigt er, wie Menschen durch das Recht und die Politik aus falschem Wohlmeinen eingeschränkt werden. Die Globalisierung und Digitalisierung kann eine Person von einem handelnden Subjekt in ein lenkbares Objekt verwandeln. Paul Kirchhof warnt: „Wenn wir die Sorge für die Freiheit allein dem Staat überlassen, verkümmert unsere innere Kraft dazu.“ Echte Freiheit, so zeigt der Autor, lässt sich in einer an Gütern, Chancen und Informationen übervollen Gesellschaft nicht allein durch die Verbesserung der äußeren Lebensbedingungen gewinnen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Demokratien brauchen Märkte

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden das liberale Denken und die Marktwirtschaft zum Traumpaar der politischen und ökonomischen Theorie. Philipp Blom erläutert: „Der Gedanke, dass alle Menschen gleiche Rechte haben, dass Wissen besser ist als Ignoranz, dass Menschen einander tolerieren müssen, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung sind, wurde auf einem Markt geboren.“ Händler müssen pragmatisch und nicht ideologisch urteilen, sie brauchen sachliche Informationen, die ihnen bei der Urteilsfindung helfen, Informationen, auf die sie Geld wetten können, ohne ruiniert zu werden. Die ersten Zeitungen entstanden im 16. Jahrhundert in Handelszentren, um Kaufleute darüber zu informieren, was bei ihren Handelspartnern geschah, welche Investitionen sicher waren. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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