Der Populismus kritisiert die Eliten

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es die verschiedensten Definitionen für Populismus. Eine davon lautet: „Im Zentrum des Populismus stehen die Kritik er herrschenden Eliten und der Rückgriff auf das einfache Volk. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Agitationsform oder ein politisches Stilmittel, wie gelegentlich behauptet wird, sondern auch um ein ideologisches Merkmal.“ Klaus-Peter Hufer ergänzt: „Im Unterschied zum Rechtsextremismus versteht sich der Rechtspopulismus keineswegs als antidemokratisch. Er beansprucht im Gegenteil die Vertretung der wahren Demokratieform, indem er den vermeintlichen Volkswillen gegen die Rechte der Einzelnen oder Minderheiten in Stellung bringt. Je antiliberaler und antipluralistischer er auftritt, desto größer sind seine Schnittmengen zum Extremismus.“ Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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Manchmal fächert sich die eigene Identität regelrecht auf

Im neuen Philosophie Magazin 01/2024 geht es im Titelthema um alternative Leben nach dem Motto: „Wer wäre ich, wenn …?“ Viele Möglichkeiten, sich zu entwerfen, bleiben im Laufe eines Lebens unverwirklicht. Die Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt: „Es gibt Momente, in denen sich die eigene Identität regelrecht auffächert.“ Tatsächlich sind Lebensumstände ja nicht einfach wie Kleider, die man einer festen, unveränderbaren Identität überwirft. Lebensumstände haben die Macht, einen Menschen tief zu verändern. Oder noch stärker: Sie haben die die Kraft, einer Person die Möglichkeit eines ganz anderen Ich zu eröffnen. Zunächst einmal kann man das eigene Leben nur vor dem Hintergrund vorstellbarer Alternativen als gestaltbar erfahren. Es stimmt, dass man die Vergangenheit nicht ändern kann. Und doch gibt es auch Entscheidungen, die sich zurücknehmen oder mindestens überdenken lassen.

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Korruption ist in Regierungen die Regel

Die Kunst der Politik ist realer als die Kunst des Diebstahls, weil der Diebstahl – wie ein Parasit – von der Politik abhängig ist. Ned O’ Gorman fügt hinzu: „Damit gelogen werden kann, muss es eine Wahrheit geben. Damit getötet werden kann, muss es Leben geben.“ Ned O’ Gorman will damit nicht sagen, dass etwas nicht wirklicher wird, nur weil es schockierender, grotesker oder kränker ist. Korruption ist in heutigen Regierungen oft nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Nichtsdestotrotz stellt Korruption immer die Korruption von etwas dar, und vieles von dem, was man heute Politik nennt, ist nur die Korruption von Politik. Und eben dieses grundlegende Phänomen, das Phänomen der Politik steht im Zentrum von Ned O’ Gormans Buch „Politik für alle“. Ned O’ Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.

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Auch Linkspopulisten untergraben die Demokratie

Rechts- und Linkspopulisten mögen nicht ganz Unrecht haben, wen sie auf ihre Weise von der Sezession bestimmter Eliten sprechen. Sie haben jedoch sicher Unrecht, wenn sie alle Konflikte auf Fragen der Zugehörigkeit reduzieren oder jeden Dissens mit ihnen per se für illegitim halten. Jan-Werner Müller stellt fest: „Wegen dieses Impulses sind echte Linkspopulisten gleichfalls geneigt, demokratische Institutionen zu untergraben.“ Dabei handelt es sich um politische Akteure, die auf der Basis der einen oder anderen linksgerichteten Ideologie einen Alleinanspruch auf die Vertretung des Volkes erheben. Schließlich gibt es keinen Grund, die politischen Grundrechte ihrer Gegner zu schützen. Denn es ist doch klar, dass diese eigentlich gar keinen Platz im demokratischen Spiel verdienen. Jan-Werner Müller ist Roger Williams Straus Professor für Sozialwissenschaften an der Princeton University.

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Die Weltspitze stellt eine Elite dar

Das Menschen unterschiedlich leistungsfähig und auch leistungswillig sind, ist unbestritten. In nahezu allen Bereichen in denen Menschen tätig werden, gibt es begabte und weniger begabte, fähige und weniger fähige sowie erfolgreiche und weniger erfolgreiche. Das muss nicht besonders betont werden. Jeder will von einem ausgezeichneten Arzt behandelt, von einem hervorragenden Lehrer unterrichtet sowie von einem exzellenten Banker beraten werden. Konrad Paul Liessmann ergänzt: „Und selbstverständlich gehen wir davon aus, dass es in Wissenschaft, Kunst und Sport unterschiedliche Niveaus gibt. Dass sich Herausragendes vom Mittelmäßigen unterscheidet und dass diejenigen, die an die Weltspitze kommen, einem strengen Prozess der Selektion unterworfen waren, also im Wortsinn eine Auslese, eine Elite darstellen.“ Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Kevin Dutton plädiert für eine Welt der Grautöne

Kevin Dutton legt in seinem neuen Buch „Schwarz. Weiß. Denken!“ die evolutionären und kognitionspsychologischen Grundlagen des menschlichen binären Denkens dar. Außerdem zeigt er, wie man den Grautönen wieder zu ihrem Recht verhelfen kann. Kevin Dutton ist sich sicher: „Wenn wir uns unserer Anlagen bewusst werden, können wir künftig nuanciertere und klügere Entscheidungen treffen.“ Der Autor gibt seinen Lesern hervorragende Hilfsmittel an die Hand, die sie vor Beeinflussung schützen und ihnen dabei helfen, selbst überzeugender aufzutreten. Kevin Dutton weist darauf hin, dass das Schwarz-Weiß-Denken unübersehbare gefährliche Folgen hat. Die Unterschiede zwischen gegensätzlichen Meinung vergrößern sich. Zudem gedeihen der Populismus, der Extremismus und der Rassismus in nicht für möglich gehaltener Stärke. Die Fähigkeit der Menschen zu rationalem Denken beginnt zu schwinden. Kevin Dutton ist Forschungspsychologe an der University of Oxford und Mitglied der British Psychological Society.

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Populisten simplifizieren die Welt

Jan-Werner Müller stellt fest: „Der Populismus ist nicht alleine verantwortlich für Spaltungen in der Gesellschaft. Allerdings setzen die Populisten Polarisierung als ihre Schlüsselstrategie ein.“ Sie versuchen, das politische Gemeinweisen in homogene Gruppen aufzuspalten. Und dann insinuieren sie, dass einige Gruppen grundsätzlich irgendwie illegitim sind oder gar eine existenzielle Bedrohung darstellen. Populisten gehen nicht davon aus, dass die politische Welt durch Identitäten und Interessen gekennzeichnet ist, die sich zum Teil auch quer durch gesellschaftliche Gruppen ziehen. Sie simplifizieren die Welt und stellen die Behauptung einer zentralen Spaltung auf, die zudem von existenzieller Bedeutung sei. Ein Sieg der gegnerischen Seite interpretiert man nicht als zeitweilige Niederlage, sondern als eine grundsätzliche Bedrohung des gesamten Gemeinwesens. Jan-Werner Müller ist Roger Williams Straus Professor für Sozialwissenschaften an der Princeton University.

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Die Demokratie ist in Gefahr

Die Demokratie durchlebt gefährliche Zeiten. Die Gefahr erkennt man in zunehmender Fremdenfeindlichkeit und wachsender öffentlicher Unterstützung für autokratische Gestalten. Diese testen die Grenzen demokratischer Normen aus. Das ist an sich schon beunruhigend. Michael J. Sandel warnt: „Ebenso alarmierend ist jedoch die Tatsache, dass Parteien und Politiker der Mitte kaum verstehen, welche Unzufriedenheit die Politik in aller Welt in Aufruhr versetzt.“ Manche prangern das Anschwellen des Populismus als wenig mehr denn eine rassistische, fremdenfeindliche Reaktion auf Immigranten und Multikulturalismus an. Ander betrachten ihn vorwiegend in ökonomischen Begriffen. Nämlich als Protest gegen den Verlust von Arbeitsplätzen, den der globale Handel und neue Technologien mit sich bringen. Michael J. Sandel ist ein politischer Philosoph, der seit 1980 in Harvard lehrt. Er zählt zu den weltweit populärsten Moralphilosophen.

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Populisten glauben nicht an ihre eigene Rhetorik

Woran kann man populistische Parteien erkennen? Der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller antwortet: „Linke und rechte Politiker verwandeln sich in Populisten, wenn sie behaupten, das wahre, echte und einzige Volk zu repräsentieren.“ Diese Aussage enthält drei Teilaspekte. Erstens die Idee einer korrupten Elite, die nicht zum wahren Volk gehört. Zweiens die Idee eines homogenen Volkswillens, den nur der Populist vertreten kann. Und drittens Antipluralismus, also die Idee einer homogenen Wählerschaft. Philipp Hübl ist da anderer Ansicht: „Bei genauer Betrachtung jedoch sind die Teilelemente der Analyse fraglich. Erstens glauben weder die Populisten an ihre eigene Rhetorik noch ihre Wähler.“ Die Alternative für Deutschland (AfD) positioniert sich beispielsweise gegen alle anderen Parteien, die über 80 Prozent der Wähler repräsentieren. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Deregulierung nährt den Populismus

Im Zeichen des Neoliberalismus hatten westliche Demokratien die Bankenwelt dereguliert. Roger de Weck fügt hinzu: „2008 mussten sie aber – da eine Katastrophe drohte und es keinen Ausweg gab – Milliardenverluste schultern.“ Seither bedrückt viele Bürger ein halb bewusstes, halb unterschwelliges Gefühl demokratischer Ohnmacht. Die Harvard-Ökonomen Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff haben Dutzende Bankenkrisen untersucht. Das Bankwesen solle man aggressiv regulieren. Denn sonst entflamme die Spekulation, die in Verwerfungen resultiere, empfehlen sie. Nach 2008 folgte man ihrem Rat. Aber nur kurze zehn Jahre lang und auch nur für die Geschäftsbanken. Nicht für das riesige „Schattenbankensystem“ der Fonds und Vermögensverwalter wie Blackrock. Von Neuem deregulierte nun Donald Trump die amerikanischen Banken, obwohl viele von ihnen zu wenig flüssige Mittel haben und zuweilen Geldspritzen der Federal Reserve benötigen. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die Demokratie lebt von der Klugheit seiner Bürger

Für Silvio Vietta ist klar, dass die Demokratie als politische Verwaltungsform ein hohes Maß an Klugheit und eigener Denkarbeit seiner Bürger verlangt. Die antike Athener Demokratie ist nicht zuletzt daran zugrunde gegangen, dass ihre Bürger diese Form der politischen Klugheit nicht aufgebracht haben. Der große Kulturhistoriker Jakob Burckhardt nannte die Griechen ein „hochbegabtes Volk“. Jedoch agierte es in der Athener Demokratie auch politisch undiszipliniert und häufig geradezu chaotisch. Jakob Burckhardt beschreibt, wie sich dasjenige Volk in Athen von der ehrlichen Arbeit abwendet und an lauter Volksversammlungen und Gerichthalten gewohnt war. Dabei unterlag es einer völlig verdrehten und lüsternen Phantasie. Angetrieben durch eine Kultur der Korruption und „fake news“, verrieten die Athener schließlich sogar ihre eigenen Feldherren. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Das Vertrauen befindet sich weltweit in einer Krise

Jede Studie über Vertrauen fängt mit der großen Krise an. Das einflussreiche „Edelman Trust Barometer“ formuliert 2017 unumwunden: Überall auf der Welt befindet sich das Vertrauen in einer Krise. Martin Hartmann erläutert: „Ob Unternehmen, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen oder die Medien – fast überall leiden diese Institutionen unter einem Vertrauensschwund.“ Entsprechend dramatisch und alarmistisch sind die Formulierungen: Das „System“ sei zerbrochen. Die Führungsebenen in Wirtschaft und Politik hätten an Glaubwürdigkeit verloren. Eine Welt des Misstrauens breite sich aus. Für die Daten von 2017 gilt dabei folgende Auffälligkeit: Vor allem die allgemeine Bevölkerung verliert ihr Vertrauen, während die Daten der Meinungsführer stabil bleiben oder sogar steigen. Die Diskrepanz zwischen den Eliten und der Bevölkerungsmehrheit bleibt hoch und scheint sich sogar zu vergrößern. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

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Eigenständiges Denken führt zu Anfeindungen

Die neue Sonderausgabe des Philosophie Magazins über Platon eignet sich hervorragend dafür, in die Welt der Ideen des griechischen Meisterdenkers einzutauchen. Laut Chefredakteurin Catherine Newmark gehört Platon eindeutig nicht zu den trockenen Denkern der Philosophiegeschichte: „Was er immer wieder lebhaft darstellt, ist nicht so sehr eine bestimmte Erkenntnis als vielmehr der Prozess des Suchens und Findens von Erkenntnis.“ Für Platon ist das philosophische Gespräch weniger ein Kampf um das siegreiche Argument als vielmehr eine gemeinsame Suchbewegung. Seine Themen haben auch nach mehr als zwei Jahrtausenden nichts an Aktualität eingebüßt. Die Frage nach der ethischen Gerechtigkeit treibt ihn ebenso um wie die Gefahr des politischen Populismus. In seinem berühmten Höhlengleichnis entwirft Platon eine anspruchsvolle Ethik des Denkens. Es bedarf der Ausdauer und Anstrengung – und wer sich von gängigen Meinungen löst, muss mit Anfeindungen rechnen.

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Der Populismus macht sich zum Anwalt der Beleidigten

Der Populismus bezieht sich unter anderem auf die negativen Gefühle, die beim Brüchigwerden von Einbindungen freigesetzt werden. Er bezieht sich auf Kränkungserfahrungen. Isolde Charim erläutert: „Diese sind wesentlich an die Veränderungen gebunden, die mit der Pluralisierung der Gesellschaft einhergehen.“ Früher war der Anhänger des Populismus Teil der Gruppe, die fürs Ganze stand, er war Teil jener, die vorgaben, was Normalität ist. Und nun, zurückgeworfen auf seine Einzelheit, auf sein prekarisiertes Weniger-Ich, fühlt er sich nicht gehört, vergessen, unverstanden, ausgeschlossen, entmächtigt. Die Reaktion darauf ist das grundlegende Begehren nach Anerkennung. Es geht dabei nicht darum, ob der Populismus dieses Begehren erfüllt. Es geht auch nicht darum, ob diese Kränkung berechtigt ist. Es geht darum, dass der rechte Populismus genau hier einhakt – und sich zum Advokaten der Beleidigten macht. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Der Feind des Rechtspopulismus ist ein doppelter

Die zentrale Abwehr der Pluralisierung im Politischen lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Rechtspopulismus. Will man den Begriff näher bestimmen, dann muss man festhalten: Populismus ist eine politische Strategie, um das Phantasma eines homogenen, eben nicht pluralen, Volkes zu konstruieren. Isolde Charim erläutert: „Eine Strategie, die über die Herstellung einer Freund-Feind-Konstellation funktioniert. Wobei dieser Feind ein doppelter ist: Nach oben sind es die „Eliten“, nach unten sind es die Migranten, die Asylanten, die Flüchtlinge.“ Das sind die notwendigen, aber noch nicht die hinreichenden Bedingungen, denn zum Populismus wird solch eine Strategie erst, wenn sie einen „moralischen Alleinvertretungsanspruch“ erhebt, wie der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller aufgezeigt hat: „Wir – und nur wir – vertreten das wahre Volk.“ Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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In der westlichen Welt macht sich ein Gefühl des Niedergangs breit

In der westlichen Welt hat sich ein seltsames Gefühl der Ohnmacht ausgebreitet angesichts einer technischen Revolution, die dem Einzelnen doch eigentlich alle Möglichkeiten in die Hand zu geben scheint. Emmanuel Todd erläutert: „Worte, Bilder und Waren zirkulieren frei und in rasantem Tempo. Wir sehen eine medizinische Revolution, die eine fortschreitende Verlängerung des Lebens verheißt.“ Zwischen 1999 und 2014 stieg der Anteil der Internetnutzer von 5 auf 50 Prozent. Ländern verwandelten sich in Dörfer, Kontinente in Kantone. Dennoch macht sich in den hochentwickelten Staaten das Gefühl eines unaufhaltsamen Niedergangs breit. So sank beispielsweise im gleichen Zeitraum in den USA das durchschnittliche Einkommen von 57.909 auf 53.718 Dollar. Die Sterblichkeit der weißen Amerikaner zwischen 45 und 54 ist gestiegen. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Ohne Eliten wären die restlichen 99 Prozent der Bevölkerung verloren

Das Philosophie Magazin 06/2018 stellt im Titelthema die Frage: „Brauchen wir Eliten?“ und erhält darauf die unterschiedlichsten Antworten. Der Philosoph und Bestsellerautor Wolfram Eilenberger beantwortet die Frage mit einem klaren Ja, denn ohne die wahre Elite wären die übrigen 99 Prozent der Bevölkerung verloren. Was dieses 1 Prozent dieser Individuen herausragen lässt, sind ihre besonderen Talente und Sehnsüchte. Was sie zu sozialen Störenfrieden macht, ist ihr Beharren auf dem Willen zum exzellenten Ausscheren. „Elite“ ist der gängige Begriff für sie, „Gründer“ wäre ein weitaus treffender. Wolfram Eilenberger erläutert: „Denn ihre eigentliche Funktion für das Ganze besteht eben darin: Sie gründen relevante Anfänge – sei es in Form einer Religion, einer Philosophie, einer Technik, eines Unternehmens, eines Stils, eines Systems oder auch nur Standards.“

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Eine Wirtschaftskrise wie 2008 darf sich nicht wiederholen

Philipp Blom ist fest davon überzeugt, dass sich eine Wirtschaftskrise wie 2008 nicht wiederholen darf, weder moralisch noch finanziell: „Mit der Bankenrettung verloren demokratische Regierungen ihre Legitimität in den Augen vieler Bürger, die begriffen oder zu begreifen meinten, dass hier eine Seilschaft sich selbst versorgte, während sie zahllose einfache, hart arbeitende Leute in den Abgrund stürzen ließ.“ Diese Krise hat nicht nur finanzielle Reserven nutzlos verbrannt, sondern auch sehr öffentlich und ohne jedes Schamgefühl den Glauben an die fundamentale Gerechtigkeit einer Gesellschaft, die ehrliche Arbeit belohnt und Verbrechen bestraft. Wenn die liberale Demokratie in den Augen so vieler dramatisch versagt und so offensichtlich immer weniger imstande ist, die fundamentalen Versprechen des Gesellschaftsvertrags einzuhalten, dann ist es verständlich, dass sich die Menschen nach Alternativen umsehen, die ihnen eher geeignet erscheinen, ihre Interessen zu wahren, und die auch ihrem Selbstbild besser entsprechen. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Niemand ist seinen Ängsten hilflos ausgeliefert

Islamistischer Terror, rechtsextremistische Gewalt, die Umtriebe antidemokratischer Bewegungen, zunehmender Nationalismus und rechter Populismus in den westlichen Demokratien, die Herausforderungen, die die Flüchtlingskrise mit sich bringt, die vermeintlich zunehmende Ungleichheit: Die Welt scheint sich im Dauerkrisenmodus zu befinden und ein Ende der schlimmen Ereignisse und negativen Entwicklungen scheint nicht in Sicht zu sein. Georg Pieper versucht, diesen Ängsten zu trotzen und sagt sich, dass man sich von ihnen nicht unterkriegen lassen darf. Als verantwortungsbewusster Bürger muss dagegenhalten, auch wenn es manchmal schwerfällt. Georg Pieper stellt fest: „Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten konnte ich beobachten, wie auch bei besonnenen, reflektierten Menschen durch ein Schlüsselereignis die Angst plötzlich übermächtig werden kann und beginnt, das Denken und Handel zu beeinflussen.“ Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Der Nationalismus ist eine typische Ausformung des Populismus

Wo Autorität schwindet, tritt Macht an ihre Stelle. Die aktuelle politische Weltlage zeigt diese Gefahr anschaulich. Die Gefahr kommt aus verschiedenen Richtungen. Die politische Ordnung ist immer weniger demokratisch, besitzt kaum noch Autorität und regiert auf Basis von Macht – häufig genug ist das Ohnmacht, doch das ändert nichts daran. Paul Verhaeghe erklärt: „Die Wähler sehen das, interpretieren es jedoch zu Unrecht als ein Scheitern der Demokratie an sich.“ Das birgt das größte Risiko, das David Van Reybrouck sehr treffend als neue Epidemie beschrieben hat: DES, das demokratische Erschöpfungssyndrom. Der Bürger glaubt nicht mehr an Demokratie, er ist bereit für zwei „Lösungen“, die schlimmer sind als die Krankheit selbst. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Die Deutschen leben in einer zunehmend populistischen Gesellschaft

In seinem neuen Buch „Die Stunde der Populisten“ will der Politologe Florian Hartleb Aufklärungsarbeit leisten und aufzeigen, wie man die Demagogen aufhalten kann. Er definiert Populismus wie folgt: „Populismus heißt erst mal vom Wortlaut her die ständige Beschäftigung mit dem Volk. Populismus heißt im Guten, dass man das Ohr an der Stimme des Stammtisches hat, die Belange des kleinen Mannes berücksichtigt und Politik so runterbricht, dass sie jedermann versteht.“ Im Negativen ist seiner Meinung nach der Begriff stark verbunden mit „nach dem Mund reden“ und mit Blick auf Agitation gegen „die da draußen“ sowie gegen die Eliten, indem der Populist behauptet, die politische Klasse sei korrupt. Der Passauer Politologe und Buchautor Florian Hartleb forscht seit dem Jahr 2000 zu Populismus und Radikalismus.

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Die Meinungs- und Redefreiheit sind der „Lebenssaft“ der Demokratie

Auf der einen Seite gibt es für Timothy Garton Ash tatsächliche eine Explosion der Hassrede im weitesten Sinn; das meiste davon kann seiner Meinung nach getrost ignorieren. Auf der anderen Seite besteht die pathologische Bereitschaft, sich sofort verletzt zu fühlen, schon bei der allerkleinsten Kränkung. Timothy Garton Ash stellt fest: „Das ist eine Infantilisierung des öffentlichen Diskurses, die ich leider bei meinen Studenten in Oxford und Stanford beobachten kann. Die Universitäten sollten Tempel der Redefreiheit sein, in denen alles, auch die anstößigste Meinung, auf zivilisierte Weise diskutiert werden kann.“ Selbst anstößige Geschichten sind kein Grund, jemanden von der öffentlichen Debatte auszuschließen. Es gibt verschiedene Hypothesen, die sich allerdings teilweise widersprechen, woher die Überempfindlichkeit vieler Menschen in liberalen Gesellschaften kommt. Der britische Zeitgeschichtler Timothy Garton Ash lehrt in Oxford und an der kalifornischen Stanford University.

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Der Nationalismus ist das schlimmste Gesicht des Populismus

In seinem neuen Roman „Die Enthüllung“, der im Suhrkamp Verlag erschienen ist, geht es um den Missbrauch der Macht und um Korruption. Doch nicht nur in seinen Büchern prangert der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa (80) Missstände an. In den sozialen Netzwerken wurde viel über den Literaturnobelpreis für Bob Dylan diskutiert. Mario Vargas Llosa hat diese Entscheidung sehr überrascht: „Ich glaube, das ist Ausdruck der zunehmenden Frivolität der Kultur in unserer Zeit. Bob Dylan ist ein guter Sänger, aber er ist längst kein großer Schriftsteller.“ Für Mario Vargas Llosa gibt es viele Schriftsteller, die den Nobelpreis verdient hätten und beiseitegelassen worden sind. Aber dies ist seiner Meinung nach die Zivilisation des Spektakels, und sie reicht inzwischen bis zur Schwedischen Akademie.

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Bill Gates kämpft mit seiner Stiftung weltweit gegen Armut

Der Gründer von Microsoft, Bill Gates, ist mit einem Vermögen von mehr als 80 Milliarden Dollar der reichste Mensch der Welt. Gleichzeitig ist er einer der großzügigsten und ehrgeizigsten. Mit der „Bill und Melinda Gates Foundation“ will der Philanthrop extreme Armut abschaffen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Wohl Afrikas zum deutschen Interesse erklärt. Bill Gates sieht die Flüchtlingskrise auch als Chance, neue Verbündete im Kampf gegen globale Armut zu finden. Der Multimilliardär erklärt: „Die Flüchtlingskrise macht deutlich, dass es uns alle betrifft, wenn Menschen in harten Umständen leben. Es ist furchtbar mit anzusehen und schafft riesige Probleme. Wir sind weder vor Armut noch vor ansteckenden Krankheiten in fernen Ländern sicher. Die Probleme bleiben nicht dort.“ Bill Gates empfindet es als traurig, dass erst die Krise in Syrien ein stärkeres Bewusstsein über die schlimmen Lebensumstände in armen Ländern schafft.

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Niall Ferguson nennt fünf Gründe für den Populismus

Der in diesen Tagen um sich greifende Populismus versetzt die Regierungen in Europa und den USA in Alarmstimmung. Der Duden beschreibt dieses Phänomen „als eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft auch demagogische Bewegung, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“. Im Klartext wird den Politikern die Bereitschaft abgesprochen, dem Volk zu dienen. Sie hätten keine Antworten auf die großen Probleme der Zeit. Die Populisten sind daher tief davon überzeugt, dass nur sie die wahren Interessen der schweigenden Mehrheit mit ihrem gesunden Menschenverstand vertreten. Wie konnte es überhaupt zu so einer, die repräsentative Demokratie gefährdenden Entwicklung kommen? Der amerikanische Historiker Niall Ferguson von der Harvard-Universität macht dafür fünf Faktoren verantwortlich.

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