Philipp Hübl erklärt den ästhetischen Kapitalismus

Besonders verfeinerte Speisen und Getränke sind Teil eines größeren Phänomens der Moderne, nämlich der Individualisierung. Philipp Hübl stellt fest: „Sobald wir alles besitzen, müsste unser Konsum eigentlich deutlich nachlassen.“ Das ist aber nicht der Fall, denn in diesem Moment setzt der „ästhetische Kapitalismus“ ein. Jetzt will man das ästhetisch Neue und Besondere, die „Singularitäten“, wie der Soziologe Andreas Reckwitz sagt. Man wünscht sich originelle oder seltene Einzelstücke und unwiederholbare Ereignisse. Und daher konsumiert man immer weiter. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat schon vor einem halben Jahrhundert in seiner Studie „Die feinen Unterschiede“ herausgearbeitet, dass es beim Konsum genau darauf ankommt. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

Weiterlesen

Man muss ein schlechtes Leben mehr fürchten als den Tod

Im Titelthema geht das neue Philosophie Magazin 01/2020 der Frage nach „Wofür es sich zu leben lohnt“. Was erfüllt das Dasein mit Sinn? Ist es die Verantwortung für das Morgen oder die Intensität des Jetzt? Antworten auf diese Fragen geben namhafte Denker und Denkerinnen wie Robert Pfaller, Barbara Vinken, Markus Gabriel oder Dieter Thomä und viele andere. Ihre Beiträge schärfen den Blick für das, was wirklich zählt. Viele Menschen ziehen die Bilanz ihres Lebens leider erst dann, wenn es schon zu spät. Läge es nicht näher, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu einem Gradmesser von Gegenwart und Zukunft zu machen. Dadurch ist man gegen spätere Gefühle der Reue weitestgehend geschützt. Der Philosoph Søren Kierkegaard unterscheidet eine ästhetische, auf Selbstgenuss und Sinnlichkeit ausgerichtete Existenz, die sich auf das Hier und Jetzt konzentriert. Und eine ethische, die sich der Verantwortung – und damit eher der Zukunft – verschreibt.

Weiterlesen

Gute Gewohnheiten prägen ein gutes Leben

Gewohnheiten sind der Schlüssel zur persönlichen Entwicklung und Lebensgestaltung. Clemens Sedmak erklärt: „Ein gutes Leben ist ein solches, in dem man gute Gewohnheiten etabliert hat.“ Ähnlich wie man von Basisgütern eines guten Lebens spricht, könnte man von grundlegenden Gewohnheiten sprechen, wie etwa das frühe Aufstehen. Basisgewohnheiten sollen persönliches Wachstum ermögliche, verstanden als Weg zur Reife im Sinne eines wohlgeformten Charakters – mit den Elementen: gefestigte, einzigartige, integre Persönlichkeit. Die Einzigartigkeit ergibt sich aus der Realisierung de je einzigartigen Gaben; die Gefestigtheit hat mit stabilen Gewohnheiten zu tun; Integrität bedeutet: Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit, Respekt – die ernsthafte und aufrichtige Anstrengung, mit respektvollem Blick auf andere aus dem eigenen Leben etwas zu machen. Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderen Tätigkeiten eine Professur am Londoner King´s College inne.

Weiterlesen

Die Armut und die Abhängigkeit unterscheiden sich fundamental

Der amerikanische Sozialpolitiker Daniel Patrick Moynihan stellt fest: „Arm u sein ist eine objektive, abhängig zu sein, auch eine subjektive Bedingung.“ Damit meint er, dass Armut für den Betroffenen kein Grund zur Scham sein muss, vor allem dann nicht, wenn er keine Vergleichsmaßstäbe besitzt, also nur von Menschen seinesgleichen umgeben ist, oder wenn er mit denjenigen, deren besseres Los er zu Gesicht bekommt, keinesfalls konkurrieren möchte. Ulrich Greiner nennt ein Beispiel: „Im Märchen möchte der Arme zwar reich werden, doch seiner Armut schämt er sich nicht. Sie ist eine objektive Bedingung, die er allerdings loswerden möchte, weil sie Not und Entbehrung bedeutet. Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

Weiterlesen

Jede Gesellschaft ist durch eine hierarchische Ordnung gegliedert

Alle historischen Herrschaftsverbände werden durch System der sozialen Ungleichheit geprägt. Immer weist ihre Sozialstruktur eine hierarchische Ordnung auf. Die schottischen Aufklärer Adam Smith, Adam Ferguson und John Millar beschreiben die Hierarchie der sozialen Ungleichheit in engster Verbindung mit der historischen Natur des jeweils herrschenden Wirtschaftssystems. Daran haben auch bedeutende Sozialwissenschaftler wie Max Weber, Émile Durkheim, Vilfredo Pareto, Talcott Parsons und Pierre Bourdieu festgehalten. Hans-Ulrich Wehler weist darauf hin, dass für die schottischen und englischen Sozialtheoretiker des ausgehenden 18. Jahrhunderts der Zerfall der überkommenen Ständeordnung unter dem Druck der voranschreitenden kapitalistischen Marktwirtschaft als Schlüsselerfahrung im Vordergrund stand. Sie erkannten den unauflöslichen Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Sozialverfassung, der wie eine Art von historischem Zwillingsphänomen wirkte. Hans-Ulrich Wehler war bis zu seiner Emeritierung Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Bielefeld. Sein Hauptwerk ist die fünfbändige „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“.

Weiterlesen

Andreas Wirsching nennt Gründe für die Globalisierung

Das nachhaltigste Schlagwort der beiden Jahrzehnte nach dem Umbruch von 1989 lautete ohne Zweifel „Globalisierung“. Das damit bezeichnete Phänomen hat laut Andreas Wirsching, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, eine Unmasse von Beschreibungen und Analysen hervorgebracht. Und kaum ein anderes zeitgenössisches Thema ist seiner Meinung nach ähnlich unterschiedlich, ja konträr bewertet worden. Andreas Wirsching schreibt: „Geradezu messianischem Lobpreis stand und steht nicht selten ein Verdammungsurteil entgegen, das praktisch alle sozialen und politischen Probleme des neuen Europa durch die Globalisierung bedingt sieht.“ Andreas Wirsching zitiert auch Pierre Bourdieu, der die Globalisierung als bloßes Schlagwort betrachtet, das sachlich nur wenig aussagt, sich dafür aber umso besser als pseudo-argumentatives Druckmittel eignet, um neoliberal definierte Interessen im Diskurs durchzusetzen.

Weiterlesen