Jede Art des Gehens entspricht einer philosophischen Erfahrung

Die neue Sonderausgabe der Philosophie Magazins hat sich Gedanken zum Thema „Wandern“ gemacht. Und ist dabei unterwegs mit Thea Dorn, Michel Serres, Frédéric Gros, Gerd Kempermann und vielen anderen. Der Leser geht spazieren mit Henry David Thoreau, flaniert mit Walter Benjamin und schweift umher mit Jean-Jacques Rousseau. Im Gespräch mit Catherine Newmark erklärt Kurt Bayertz, Seniorprofessor für Philosophie an der Universität Münster, welche Bedeutung das aufrechte Gehen in der Philosophiegeschichte hat: „Eine Gemeinsamkeit, die sich durch die ganze Ideengeschichte zieht, besteht darin, dass der aufrechte Gang niemals nur als ein bloß zufälliges Faktum angesehen, sondern immer mit dem Wesen des Menschen in Verbindung gebracht wurde.“ In der Antike ist vor allem das Denken, dass als menschliches Alleinstellungsmerkmal aufgefasst und mit dem der aufrechte Gang in Verbindung gebracht wird.

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Die Streitkultur ist die Suche nach einer gemeinsamen Wahrheit

Für Carlos Fraenkel ist die Philosophie nicht eine Anleiterin oder Trösterin, sondern eine Diskussionstechnik. Viele Menschen sind in moralischen, religiösen und philosophischen Fragen weit voneinander entfernt. Diese Differenzen, obschon frustrierend, können etwas Positives sein, wenn es gelingt, sie zum Ausgangspunkt einer produktiven Streitkultur zu machen. Carlos Fraenkel erklärt: „Die gemeinsame Suche nach der Wahrheit, denn genau das verstehe ich unter Streitkultur, bietet uns die Möglichkeit, die Überzeugungen und Wertvorstellungen zu prüfen, mit denen wir aufgewachsen sind und die wir meist für selbstverständlich halten.“ Das ist besser, als wenn man anderen die eigene Meinung aufzwingt oder sich in einer gleichgültigen Multikulti-Gesellschaft gemütlich einrichtet – so als wären die Unterschiede völlig unerheblich. Carlos Fraenkel ist James McGill Professor für Philosophie und Judaistik an der McGill University in Montreal.

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Blaise Pascal erforscht die Kraft der Einbildung

Die Kraft der Einbildung ist jener dominierende Teil im Menschen, jene Herrin über Irrtum und Falschheit, und sie ist umso trügerischer, als sie dies nicht immer ist. Blaise Pascal schreibt: „Denn sie wäre ja ein unfehlbarer Maßstab für die Wahrheit, wenn sie auch unfehlbar in Bezug auf die Lüge wäre. Da sie jedoch in den allermeisten Fällen im Irrtum ist, gibt sie uns kein Material für ihre Qualität an die Hand und zeigt das Wahre und das Falsche auf dieselbe Weise.“ Blaise Pascal spricht in diesem Zusammenhang nicht von Verrückten, sondern von den Allerweisesten: Bei ihnen hat die Einbildung das starke Recht, die Menschen zu überzeugen. Da mag die Vernunft noch so laut schreien, sie kann den Wert der Dinge nicht festsetzen. Das Universalgenie Blaise Pascal (1623 – 1662) gehört zu den schillerndsten Gestalten der Philosophiegeschichte.

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Blaise Pascal hat die Philosophiegeschichte nachhaltig beeinflusst

Blaise Pascals „Gedanken“ liegen nun im Marix Verlag vollständig in einer neuen präzisen Übersetzung von Bruno Kern vor. Die Fragmente aus dem Nachlass von Blaise Pascal wurden zu Themen gegliedert, die der heutigen Zeit entsprechen. Zudem erleichtern eine ausführliche Einleitung und zahlreiche Fußnoten die Orientierung und das Verständnis des Textes. Blaise Pascals Gedanken, die die Geistesgeschichte erschüttert haben, sind auch in der heutigen Zeit noch aktuell. Der französische Philosoph, Mathematiker, Physiker und Literat hat äußerst scharf über die menschliche Existenz nachgedacht und mit seinen „Pensées“ die Philosophiegeschichte und darin vor allem die Existenzphilosophie nachhaltig beeinflusst. Dem Rationalismus seiner Zeit antwortet er mit seinem „esprit de finesse“ und seiner „Logik des Herzens“. Der Übersetzer und Herausgeber Bruno Kern lebt in Mainz und arbeitet als selbstständiger Lektor, Übersetzer und Autor.

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Die Liebe entzieht sich der Kontrolle des Willens

Im philosophischen Denken spielt die Liebe seit jeher eine ganz wesentliche Rolle. Die großen Philosophen der Antike bis zu denjenigen Gegenwart stellten sich unter anderem folgende Fragen: Was ist das Wesen der Liebe? Ist sie eine Tugend oder ein Laster? Welche Bedeutung hat die Liebe für das Verhältnis eines Menschen zu seinen Mitmenschen, für seinen Zugang zur Welt, zu Wahrheit und Weisheit, ja sogar zu Gott? Und wie prägt die Gesellschaft, in der man lebt, die Formen, in denen die Liebe sich äußert? Der Reclam-Band „Was ist Liebe?“ vereint die wichtigsten Texte von Platon bis zu Eva Illouz. Obwohl die Grundlage der Philosophie ausdrücklich aus einer spezifischen Liebe, nämlich der „Liebe zur Weisheit“, besteht, ist es umso erstaunlicher, dass die Mehrzahl der akademisch tätigen Philosophen in der Liebe immer noch keinen eigenständigen Gegenstand des denkerischen Interesses sieht.

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Die Kunst des Zweifelns zählt zu den philosophischen Tugenden

Das neue Philosophie Magazin 03/2017 stellt im Titelthema seinen Lesern die Frage: „Und woran zweifelst du?“ In der Rolle des Skeptikers stellt der amerikanische Präsident Donald Trump gerade die Säulen der freien Gesellschaft infrage: Justiz, Wissenschaft und die Medien. Dabei ist die Kunst des Zweifelns ursprünglich eine befreiende und ursprüngliche philosophische Tugend. Welches Schicksal droht einer Gesellschaft, die keinen Unterschied mehr zwischen Fakten und Fiktion anerkennt? Herrscht totale Faktenverwirrung geht in einer freien Gesellschaft die öffentliche Ordnung verloren. Und diese Dynamik dient letztlich vor allem dem, der an der Macht ist – und diese weiter totalisieren will. Donald Trumps dunkler Skeptizismus arbeitet nach dem Imperativ: „Verwirre und unterdrücke! Dessen gesellschaftszersetzende Kraft bedroht zunehmend auch die demokratische Demokratie.

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Identitätsfragen rücken ins Zentrum des politischen Diskurses

Das neue Philosophie Magazin 02/2017 beschäftigt sich im Titelthema mit der „Identität“. Denn in der gesamten westlichen Welt kehren Identitätsfragen ins Zentrum des politischen Diskurses. Der Kulturwissenschaftler Philipp Felsch sieht in vielen Ländern Europas, den USA und der Türkei den Rechtspopulismus auf dem Vormarsch. Diesen Entwicklungen und ihren Hauptakteuren ist eines gemeinsam: „Sie werfen der politischen Klasse ihrer jeweiligen Länder Versagen vor. Sie alle stehen für die Rückkehr eines aggressiven Nationalismus. Vor allem aber haben sie unsere kulturelle Zugehörigkeit, also unsere Identität zum Politikum gemacht. Die Frage „Wer sind wir? Ist in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung gerückt.“ Vielen Politikern und Anhängern fällt es bei der Debatte um eine Leitkultur schwer, die alte Erkenntnis der Kulturphilosophie zu beherzigen, nach der Kulturen keine statischen Substanzen, sondern in ständiger Veränderung befindliche Prozesse sind.

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Die Vernunft ist die Basis der Philosophie der Neuzeit

Die Epoche der philosophischen Neuzeit umfasst einen Zeitraum der etwa bei der Geburt René Descartes, der 1596 geboren wurde, beginnt und bis zum Tod von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, im Jahr 1831, dauerte. Die Philosophieepoche der neuen, der bürgerlichen Zeit dauerte also etwas mehr als 200 Jahren. Die Periode gehörte zu den produktivsten und spannendsten Episoden der Philosophiegeschichte. Kennzeichnend ist für diese Epoche, trotz ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeiten, eine gemeinsame Grundüberzeugung, die jeden Philosophen leitet, egal welchem Thema er sich gerade widmet und über welche Fragen er gerade nachdenkt. Die Basis der Überlegungen, die allen Philosophen der Neuzeit gemeinsam ist, ist das Prinzip der Vernunft.

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Die letzte Form des Geistes ist für Hegel die Philosophie

Die umfassendste Dreieinigkeit des Gedankensystems von Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) ist die Einteilung in Logik, Natur und Geist. Die Logik behandelt dabei im wesentlichen Begriffe, die sich selbst anordnen: der Begriff des Seins ist, während der Begriff des Raums, der erste der Naturphilosophie, selbst nicht räumlich ist. Daher nennt Georg Wilhelm Friedrich Hegel die Natur das Außersichsein der Idee. Doch sie ist auf zunehmende Verinnerlichung angelegt, die in der besonderen Seinsart des Organischen gipfelt, in dem die Teile um des Ganzen willen da sind und in dem schließlich sich so etwas wie Gefühl entwickelt. Vittorio Hösle ergänzt: „Der Geist schließlich entstammt zwar der Natur, transzendiert sie aber zugleich als Rückkehr zur Logik. Damit wird Hegel der doppelten Natur des Menschen gerecht, der einerseits zur realen Welt gehört, andererseits normative Geltungsansprüche erhebt, ohne doch deswegen den Dualismus Kants weiterzuführen. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Philosophieren kann vom Menschen weg oder zu ihm hin führen

Wer den Entschluss zum Philosophieren fasst, will sich von den Menschen weg und in ein oft befremdliches Denken hineinbegeben, in ein Denkexperiment in sich selbst, in eine Welt, in der keine anderen anwesend sind. Das hat laut Wilhelm Berger noch dazu den logistischen Vorteil, dass man es überall betreiben kann, im Bett oder am Strand, am Schreibtisch oder im Kaffeehaus. Wilhelm Berger führt ein Beispiel aus der Philosophiegeschichte an: „Die vorsokratischen Denker Parmenides und Heraklit sind die ersten Philosophen, die eine extreme Abwendung von den Menschen vollzogen haben.“ Wie Heraklit steht auch Friedrich Nietzsche für die provozierende Ansicht, dass ein konsequentes Denken letztlich unvereinbar ist mit dem Verständnis der Allgemeinheit. Martin Heidegger schreibt sogar: „Das Sichverständlichmachen ist der Selbstmord der Philosophie.“ Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Hegel war der größte Sytematiker der Philosophiegeschichte

Vittorio Hösle stellt sich die Fragen, was das System des großen Denkers Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 – 1831) so attraktiv macht, warum es immer wieder Hegelrenaissancen gegeben hat und warum kein bedeutender Philosoph um eine Auseinandersetzung mit ihm herumkommt. Für Vittorio Hösle steht fest: „Man mag Hegel ablehnen; doch wer ihn ignoriert, wird eine bestimmte Ebene des Philosophierens gar nicht in den Blick bekommen, ohne die philosophische Größe nicht zu erringen ist.“ Eine der Antworten, die Vittorio Hösle auf seine eingangs gestellten Fragen gibt, ist, dass Georg Wilhelm Friedrich Hegel der größte Systematiker der Philosophiegeschichte ist. Es gibt keinen anderen Philosophen, der nicht nur alle Disziplinen seines Faches vergleichbar bereichert, sondern diese Disziplinen auch in einen schlüssigen Ordnungszusammenhang gebracht hat. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Thomas Rentsch erklärt die Philosophie des 20. Jahrhunderts

Thomas Rentsch erklärt in seinem Buch „Philosophie des 20. Jahrhunderts“ die Höhepunkte der modernen und gegenwärtigen Philosophie wie zum Beispiel die Sprachkritik Ludwig Wittgensteins, die Onotologiekritik Martin Heideggers, die Verdinglichungskritik Theodor W. Adornos sowie die französisch geprägte Postmoderne. Dabei zeigt er, wie sich die auf den ersten Blick gegensätzlichen Philosophierichtungen immer wieder ergänzen und so produktiv fortentwickeln. Die Philosophie des 20. Jahrhunderts ist für Thomas Rentsch ein Höhepunkt der 2500-jährigen Philosophiegeschichte: „Geprägt sowohl durch eine weitreichende Ausdifferenzierung der thematischen Schwerpunkte und Schulbindungen als auch durch eine Radikalisierung der Vernunftkritik auf allen Ebenen – vom Unbewussten über die menschliche Existenz und die Sprache bis zu Gesellschaft und Wissenschaft.“ Thomas Rentsch ist Professor für Philosophie an der TU Dresden. Er arbeitet vor allem zur Hermeneutik, zur Sprachphilosophie und zur praktischen Philosophie.

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Die Ursprünge des Skeptizismus liegen in Griechenland

Pyrrhon, der etwa 365 bis 270 vor Chr. lebte, begründete den Skeptizismus als eine Richtung der Philosophie, die in der Weigerung besteht, irgendetwas zu glauben. Die Philosophen, die ihm nachfolgten, wurden als Skeptiker bekannt. Aber auch schon vor Phyrron gab es in der griechischen Philosophie eine skeptische Tradition. So hatte beispielsweise Xenophanes die These vertreten, dass der Mensch sein Wissen durch ständiges Hinzulernen zwar erweitern kann, doch dabei allerdings niemals sicher sein kann, die endgültige Wahrheit zu finden. Trotz seiner Mühen kann der Mensch nur den Grad seiner Unwissenheit etwas verringern. Sokrates ging in seinem Skeptizismus sogar noch einen Schritt weiter, indem er behauptete, das einzige was er sicher weiß, ist das er nichts weiß. Dennoch glaubte er, dass Wissen möglich ist.

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Die Existenz Gottes lässt sich nicht beweisen

In der Frühphase der europäischen Philosophiegeschichte dominieren drei unterschiedliche Ansätze, um die Existenz Gottes zu beweisen, die selbst auf die heutigen Überlegungen der Philosophen und Religionswissenschaftler zu dieser Frage noch einen gewissen Einfluss ausüben. Gegenwärtig herrscht allerdings unter den Philosophen soweit Einigkeit, dass man das Vorhandensein eines Gottes nicht beweisen kann. Damit soll natürlich nicht postuliert werden, dass er nicht existiert, sondern nur, dass man sein Dasein nicht rational demonstrieren kann.

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Rebekka Reinhard lehrt die Kunst des Irrens

Rebekka Reinhard untersucht die Gründe und Auswirkungen des übersteigerten Sicherheitsdenkens der meisten Menschen mit der Sicht einer Philosophin und skizziert als Alternative die Irrfahrten des Odysseus. Die Autorin setzt an die Stelle von Sicherheit den Mut und die Neugierde. Die Menschen sollten sich wieder auf das Ungewöhnliche einlassen, Fremdes als Bereicherung anerkennen und die eigenen Mängel ohne Klagen annehmen. Rebekka Reinhard ruft ihre Leser dazu auf, sich der philosophischen Kunst des Irrens hinzugeben. Der Sinn des Lebens besteht für sie darin, zu staunen und diese Welt weiser zu verlassen, als man sie betreten hat.

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