Die Alltagssprache besitzt Vielfalt und Reichtum

Axel Braig stellt fest: „Ludwig Wittgenstein erläutert den Gegensatz zwischen der Vielfalt und dem Reichtum der Alltagssprache und der Eindimensionalität der künstlichen Sprache.“ Er schreibt: „Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt. Ein Gewinkel von Gässchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten. Und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern.“ In einem anderen Zusammenhang verwendet Ludwig Wittgenstein ein ähnliches Bild: „Die Sprache ist ein Labyrinth von Wegen. Du kommst von einer Seite und kennts dich aus. Du kommst von einer anderen zur selben Stelle, und du kennst dich nicht mehr aus.“ Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Alle Hochkulturen verfügen über Weisheitsliteratur

Jede Handlung, jeder Satz hat eine Bedeutung. Aber hat das Ganze auch einen Sinn im Leben eines Menschen? Warum ist etwas so und nicht anders? Warum gibt es etwas und nicht nichts? Solche und ähnliche Fragen und alle Antworten auf diese Fragen beruhen zum Teil auf Alltagserfahrungen, zum Teil auf den vorherrschenden Weltauffassungen. Ágnes Heller fügt hinzu: „Antworten auf diese und ähnliche Fragen, ob in Prosa oder Poesie, niedergeschrieben oder mündlich vermittelt, befriedigen das elementare Bedürfnis, die Welt zu erkennen.“ Alle bekannten Hochkulturen verfügen über Weisheitsliteratur, innerhalb der Religionen oder getrennt davon, die Antworten auf solche brennenden Fragen bieten. Ab 1977 lehrte Ágnes Heller als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York.

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Es gibt keine ewigen unveränderlichen Werte

Das Ringen um gemeinsame Werte und verbindliche Regelungen ist in sozialen und politischen Gemeinschaften oftmals sehr schwierig. Dennoch bleibt dieser mühsame Prozess unvermeidbar. Auch die Berufung auf die Vernunft oder auf unveränderliche ewige Werte kann diese Auseinandersetzung nicht überflüssig machen. Denn es gab ja zu keinem historischen Zeitpunkt einen weltweiten Konsens über die angeblich ewigen Werte. Axel Braig ergänzt: „Zudem erscheint die von Immanuel Kant beschworene Vernunft als so lebensfern und abstrakt.“ Deshalb hat Friedrich Nietzsche ihr seine „große Vernunft des Leibes“ entgegengestellt. Es erscheint nicht ratsam, sich allein auf diese leibliche Vernunft zu verlassen. Dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass sinnliche Erfahrungen und konkrete Ereignisse bei vielen Menschen starke Gefühle auslösen. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Der Liebende liebt das Schöne

In Platons „Symposion“ heißt es: „Der Liebende liebt das Schöne. Das Schöne findet sich nicht nur an einem Menschen.“ Also liebt er nicht nur viele. Nein, als Philosoph muss er sogar viele lieben, weil er sonst eben den allgemeinen Charakter der Schönheit nicht erkennt. Daraus lässt sich für Peter Trawny die Aufforderung ablesen, mit der Ansicht aufzuhören, es gäbe nur einen schönen Körper, nämlich den des gerade Geliebten. Da kann dann die Ehe nur stören. Wie dem auch sei. In Zeiten, in denen die Scheidung zu einer gewöhnlichen Angelegenheit geworden ist, ist ein Lob der Ehe fragwürdig, wenn nicht befremdlich. Peter Trawny vermutet: „Heute schein es nicht nur die Philosophen zu sein, die den allgemeinen Charakter der Schönheit erkannt haben und ihm zusprechen.“ Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

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Philosophen sind Liebhaber der Weisheit

Die Philosophen des antiken Griechenland verschmähten es, an die streitsüchtigen und unsterblichen in den zu glauben. Das beruhte meistens darauf, dass sie es vorzogen, darüber nachzudenken, was sowohl am Universum als auch an ihnen selbst wahrhaft göttlich war. Zu ergründen, was der Materie zugrunde lag. Das war gleichbedeutend damit, dass man erforschte, wie Menschen sich richtig verhalten sollten. Denn jenseits all der wimmelnden Vielfalt und der Veränderlichkeit menschlicher Bräuche existierte ein Muster für die Dinge. Tom Holland stellt fest: „Es war ewig und vollkommen und man musste es nur identifizieren. Und nicht in den Lügen der Dichter fand es sich, sondern in den Bewegungen des Kosmos.“ Der Autor und Journalist Tom Holland studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft.

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Zarathustra ist nicht Friedrich Nietzsche

Die vom persischen Religionsstifter Zoroaster inspirierte Figur des Zarathustra erscheint nicht nur als Verkünder großer Wahrheiten und Prediger. Sondern er tritt auch als Philosoph in Erscheinung, der sich radikal einer skeptischen Selbstvergewisserung aussetzt. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „So wenig Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ ein philosophisches Werk im traditionellen Sinne ist, so wenig handelt es sich um eine poetische Fiktion.“ Der eher an der Sprache der Evangelisten denn an orientalische Vorbilder gemahnende Stil ist von einer außergewöhnlichen Geschmeidigkeit. Der Duktus oszilliert zwischen übersteigertem Pathos und nüchterner Selbstbefragung. Die Figur des Zarathustra darf man jedoch nicht mit Friedrich Nietzsche identifizieren. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Albert Camus sucht Sinn in einer absurden Welt

Die 21. Sonderausgabe des Philosophie Magazins ist Albert Camus gewidmet. Der Schriftsteller und Philosoph wurde 1957 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Jana Glaese, Chefredakteurin des Sonderhefts, schreibt im Editorial: „Camus zeigt sich als der Denker dieser Zeit. Die Coronapandemie ließ uns seinen Roman „Die Pest“ wiederentdecken. Die Klimaproteste verleihen seinem Konzept der Revolte neue Aktualität. Und der Ukrainekrieg ruft Camus als Widerstands- und Freiheitsenker ins Gedächtnis.“ Gleichzeitig zielt sein Denken auf weit mehr. Albert Camus ging es um die Existenz als solche. Die Überzeugung, dass man der Welt entgegentreten muss, ist in seiner Philosophie des Absurden angelegt. „Das Absurde“, heißt es im „Der Mythos des Sisyphos“, ist „der Zusammenprall des menschlichen Rufes mit dem unbegreiflichen Schweigen der Welt.“ Doch für Albert Camus gilt es, trotz aller Stille, weiter zu rufen und sich der Sinnlosigkeit zu verweigern. Wenn es ein Glück gibt, dann liegt es eben in dieser Revolte.

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Hegel ist ein Philosoph des Politisches

Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist offensichtlich ein Philosoph des Politischen, und so wurde und wird er auch rezipiert. In der Gegenwart gibt es zudem ein starkes Interesse an seiner Rechtsphilosophie. In dieser sehen viele ein probates Mittel zur Überwindung der Krise der liberalen Demokratien. Patrick Eiden-Offe stellt fest: „Das ganze 20. Jahrhundert hindurch zog man Hegel als Ratgeber in Krisen- Umbruchssituationen heran.“ Der große marxistische Literaturwissenschaftler Hans Mayer hat Hegels „Phänomenologie des Geistes“ immer wieder gelesen: „Nicht als berühmtes Buch der Philosophiegeschichte, sondern als Einübung beim Verstehen meiner jeweiligen Gegenwart“. Es geht also nicht darum, die Begriffe Hegels auf die eigene Gegenwart in Gebrauch zu nehmen. Sondern es geht darum, die Gegenwart erst einmal als eine unverstandene anzuerkennen und sich ihr dann in einem langen Prozess anzunähern. Patrick Eiden-Offe ist Literatur- und Kulturwissenschaftler.

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Freiheit ist tief im Leben verankert

Verschiedene Freiheitsaspekte sind für die Moderne wesentlich. Dazu zählt die Gedankenfreiheit, die jenseits von Autoritäten selbst zu denken erlaubst. Sie beschert als Freiheit von Wissenschaft und Forschung diesen eine nie nachlassende Blüte. Und jene Freiheit der Person, die sich mit den anderen Freiheitsbereichen, etwa der sozialen und politischen Freiheit, nicht zufriedengibt, sondern eine „Willensfreiheit“ innere Freiheit meint. Otfried Höffe fügt hinzu: „Zu den Merkwürdigkeiten unserer Zeit gehört, dass sich die erstgenannte Freiheit gegen die zweite wendet. Denn im Rahmen der Forschungsfreiheit werden gegen die Annahme der inneren, personalen Freiheit Einwände laut.“ Zunächst sind es Philosophen, später Einzelwissenschaftler, die sich der Annahme, der Mensch sei frei, widersetzen und die personale Freiheit rundum leugnen. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Platon verficht eine klare Ordnung des Diskurses

Das Theater setzt Gefühle frei und schafft sogar Momente der Empathie mit dem Abscheulichen. Es steuert, kommentiert, kontrolliert diese Gefühle, indem es mit ihnen artistisch jongliert. Jürgen Wertheimer stellt fest: „Wie alle wichtigen Spiele ist auch dieses ein sehr ernstes Spiel, wenngleich kein Spiel auf Leben und Tod. Stattdessen „nur“ eine Simulation – eine Simulation, in der es um Leben und Tod anderer geht.“ Aber genau deshalb konnte man in den Theatern Griechenlands gezielt Grenzen überschreiten. Schon damals nicht ohne den massiven Widerstand derer, die in einem solchen Spiel mit dem Feuer der Phantasie und der Emotionen Gefahren für die gesellschaftliche Ordnung sahen. Kein geringerer als Platon (428 – 348 v. u. Z.) war ein Verfechter einer klaren Ordnung des Diskurses. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Mit Friedrich Nietzsche beginnt ein neues Denken

Nie war Friedrich Nietzsche in der deutschsprachigen Pädagogik so out wie heute. Denn Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud hätten radikalen Zerfallsvisionen Vorschub geleistet. Friedrich Nietzsche mit seiner Vision des von aller moralischen Last befreiten dionysischen Menschen. Sigmund Freud mit seiner These vom Triebverzicht als Basis der modernen Kulturentwicklung, deren Preis Psychoneurosen sind. So lautete beispielsweise die Anklage des deutschen Erziehungswissenschaftlers Jürgen Oelkers. Christian Niemeyer erwähnt Konrad Paul Liessmann, der Friedrich Nietzsche als einen Denker wahrnahm, der die Struktur des modernen Denkens vorweggenommen habe und insofern an der Zeit sei. Konrad Paul Liessmann meinte sogar von einem Triumph Friedrich Nietzsches über den Geist der Aufklärung sprechen zu können. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Walter Benjamin blickt auf seine Kindheit zurück

In Walter Benjamins Erinnerungen an seine Kindheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts stößt man auf eine befremdliche, kontraintuitive kritische Bewegung. Diese vollführt er in seinen Texten immer. Stuart Jeffries erläutert: „Er reißt die Ereignisse aus dem von ihm sogenannten historischen Kontinuum heraus, um in einem gnadenlosen Rückblick die Illusionen aufzudecken, die zuvor noch für Wahrheiten gehalten wurden. Er jagt retrospektiv Dinge in die Luft, die in ihrer Zeit ganz natürlich, unproblematisch, gesund gewirkt hatten.“ Man hätte auf den ersten Blick annehmen können, er geben sich dem nostalgischen Abglanz einer idyllischen Kindheit hin. Ermöglicht wäre dies durch das Geld des Vaters und der Arbeit von Dienstboten. Doch in Wahrheit steckte er gewissermaßen Dynamitstangen in die Grundfesten seiner Kindheit und überhaupt des Berlins seiner frühen Jahre. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

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Das Universelle hat zwei Bedeutungen

François Jullien kennt den Unterschied zwischen dem Universellen, dem Gleichförmigen und dem Gemeinsamen. Das Universelle hat dabei für den französischen Philosophen zwei Bedeutungen. Da ist einerseits eine konstative, man könnte sagen schwache Bedeutung, die sich auf die Erfahrung beschränkt: „Soweit wir bisher beobachten konnten, stellen wir fest, das etwas immer so gewesen ist.“ In diesem Sinne bezieht sich der Begriff auf das Allgemeine. Das Universelle besitzt jedoch auch eine starke Bedeutung, nämlich die der universellen Gültigkeit im genauen oder strengen Sinn – sie ist es, woraus man in Europa eine Forderung des Denkens gemacht hat. François Jullien erläutert: „Wir behaupten von vornherein, noch vor aller Bestätigung durch die Erfahrung, dass eine bestimmte Sache so sein muss.“ François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

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Der Markt regelt Angebot und Nachfrage

Nicht nur Wirtschaftstheoretiker, sondern auch Philosophen setzen sich für den Wettbewerb ein. In der Neuzeit etwa von Montesquieu über David Hume und Condorcet bis Immanuel Kant. Montesquieu spricht im „Esprit des Lois“ (Geist der Gesetze, 1748) von der zivilisierenden Kraft des „sanften Handels“. Denn dieser löst den Krieg der Leidenschaften durch den Kompromiss zwischen divergierenden Kräften ab. Otfried Höffe ergänzt: „Und nach Kant ist der Mensch dazu bestimmt, alle seine auf den Vernunftgebrauch abzielenden Naturanlagen vollständig zu entwickeln. Das geschieht wiederum außer durch gezielte Förderung mittels eines Wettbewerbs. Denn dieser erweckt „alle Kräfte des Menschen. Er bringt ihn dahin, seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen“.“ Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Ästhetik konkurriert mit der Philosophie

Was heißt es, ein Mensch zu sein? Und insbesondere was heißt es in der heutigen Zeit ein Mensch zu sein? Das sind Fragestellungen, die typisch für Philosophen sind. Aber die Philosophie hat in ihrem Versuch, die großen Fragen nach dem Menschen und seinem in der Welt sein zu beantworten, durchaus auch Konkurrenz. Lambert Wiesing stellt fest: „Der zweifellos bekannteste Mitbewerber ist die Religion.“ Man sollte seiner Meinung allerdings folgendes nicht übersehen. Nämlich dass es noch einen weiteren wichtigen Mitbewerber für die Zuständigkeit für die großen Fragen gibt. Denn es ist keineswegs so, dass sich nur die Philosophie und die Religion mit der Frage nach der „conditio humana“ befassen. Prof. Dr. Lambert Wiesing lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena Bildtheorie und Phänomenologie. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie.

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Der Geist besitzt eine zweiteilige Realität

Der Geist ist ein Zimmer mit Aussicht: Aus dem Zimmer beobachten die Menschen sowohl die Außenwelt als auch die private Innenwelt. David Gelernter erläutert: „Mental sind wir in unserem Zimmer eingeschlossen, genau wie wir physisch in unserem Körper eingeschlossen sind.“ Die Aussicht ist großartig. Und das ist auch sehr gut so, denn die Menschen können das Zimmer niemals verlassen. In der Philosophie drehen sich viele große, tiefgreifende Fragen um die zweiteilige Realität des Geistes. Immanuel Kant stützt seine beiden grundlegenden, ewig wahren Anschauungen auf den Gegensatz von „innerer“ und „äußerer“ Realität. Die Idee des Raumes unterliegt der Anschauung der Außenwelt. Aber noch vor dem Raum kommt die Zeit, und sie ist eine Anschauung der inneren Welt. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Aristoteles entwickelt das wissenschaftliche Denken

Um andere Menschen zu überzeugen, braucht man mehr als Einsicht und Enthusiasmus. Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), der Meisterschüler Platons, begründet daher die Wissenschaften, die dem vernunftorientierten Menschen mit ihren Definitionen, Beobachtungen und Schlussfolgerungen zur Anerkennung der gefundenen Wahrheiten zwingender scheinen. Ludger Pfeil erklärt: „Er geht im Gegenteil von Platon von dem aus, was wir durch unsere Sinne erfahren können, wird zum unermüdlichen Sucher, ja geradezu zum Süchtigen nach Wissen und schafft damit wesentliche Grundlagen des wissenschaftlichen Denkens.“ Durch die Einteilung der Welt in Kategorien wie Substanz, Quantität, Qualität, Ort, Zeit und Wirkung, versucht Aristoteles, Ordnung in die vielfältigen Erscheinungen der Welt zu bringen und diese zu klassifizieren. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Vergesslichkeit ist eine Überlebensstrategie

Svenja Flaßpöhler schreibt: „Es war wiederum Friedrich Nietzsche, der den Wert des Vergessens philosophisch auf den Begriff gebracht und die „Vergesslichkeit“ zur unerlässlichen Überlebensstrategie erklärt hat.“ So führt der Philosoph aus, die Vergesslichkeit sei „ein aktives, im strengen Sinne positives Hemmungsvermögen“. Dieses befreit das Denken eines Menschen, erhebt ihn über die Kämpfe, die er tief in seinem Inneren führen mag und öffnet so für ich die Zukunft. Friedrich Nietzsche erklärt: „Die Türen und Fester des Bewusstseins zeitweilig schließen; von dem Lärm und Kampf, mit dem unsere Unterwelt von dienstbaren Organen für und gegeneinander arbeitet, unbehelligt bleiben; ein wenig Stille, ein wenig tabula rasa des Bewusstseins, damit wieder Platz wird für Neues.“ Dr. Svenja Flaßpöhler ist seit Dezember 2016 leitende Redakteurin im Ressort Literatur und Geisteswissenschaften beim Sender „Deutschlandradio Kultur“.

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Die Liebe ist für Max Scheler ein Urakt

Max Scheler vertritt eine Aktphänomenologie, für die das Fühlen als intentionaler Akt eine zentrale Rolle einnimmt. So etwa beim Erfühlen von Werten in seiner bekannten Schrift „Der Formalismus in der Ethik und die materielle Wertethik“. Mit welcher er sich nicht nur gegen die kantische Pflichtethik wendete. Sondern mit der er auch die Grundlegung einer bis heute einflussreichen Position der Wertethik vorlegte. Es verwundert daher nicht, dass in einer Theorie, die das Fühlen derart aufwertet, auch der Liebe eine wichtige Rolle zugeschrieben wird. Max Scheler postuliert einen Primat des Emotionalen im geistigen Geschehen. Dabei versteht er die Liebe als den „Urakt“ menschlicher Geistestätigkeit. Er geht hier von einem christlichen Liebesgedanken aus, wobei er stark an augustinische Gedanken anknüpft. Max Scheler (1874–1928) war ein deutscher Philosoph, Psychologe, Soziologe und Anthropologe.

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Viele halten die Religion für etwas Besonderes

Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte hatten die Menschen das Gefühl, dass Religion und freie Meinungsäußerung in einem Spannungsverhältnis standen. Und dem größten Teil der Menschheit geht das auch heute noch so. Timothy Garton Ash weiß: „Bei den Kämpfen um die Meinungsfreiheit in Europa und Nordamerika des 17. und 18. Jahrhunderts war ein zentrales Anliegen die Freiheit, verschiedene Religionen predigen und praktizieren zu können.“ Erstaunlicherweise stehen bei vielen europäischen Ländern immer noch Blasphemievergehen im Strafgesetzbuch. Allerdings ahndet man sie nur selten. In Russland und Polen verurteilt man freilich Menschen wegen der „Verletzung religiöser Gefühle“. Irland führte im Jahr 2009 den Strafbestand der blasphemischen Verunglimpfung wieder ein. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Der Mensch versucht seine Ursprünge zu ergründen

Was ist der Mensch? Was macht ihn aus? Woher kommt er? Was unterscheidet ihn vom Tier? Wie geht es weiter mit ihm? Der Mensch als einziges Wesen unter den Tieren versucht seit Langem, seine eigenen Ursprünge zu ergründen. Matthias Glaubrecht stellt fest: „Bereits das macht uns zu etwas Besonderen in der Evolution. Religion und Philosophie geben ihre je eigenen Antworten nach unserm Wesen und Werden.“ Die Menschen stellen sich diese eingangs formulierten Fragen, weil sie verstehen wollen, welchen Platz sie in der Natur einnehmen und in welchem Verhältnis sie zu anderen Lebewesen stehen. Wenn die Menschen wissen, woher sie kommen, verstehen sie besser, welche Rolle Natur und Umwelt für sie wirklich spielen und welche Rolle ihnen darin zukommt. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Das Mitternachtslied übt eine enorme Sogkraft aus

Konrad Paul Liessmann holt in seinem Buch „Alle Lust will Ewigkeit“ die zentralen Fragen aus Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ in die Gegenwart. Der deutsche Philosoph verfasste das vierteilige Werk zwischen 1882 und 1885. Die Figur des Zarathustra erscheint nicht nur als Verkünder großer Wahrheiten. Sondern sie agiert auch als Philosoph, der sich radikal einer skeptischen Selbstvergewisserung aussetzt. Zarathustras zentrale Erkenntnisse sind seine Lehren vom Übermenschen und von der ewigen Wiederkunft des Gleichen. Sie stoßen allerdings bei den Menschen auf taube Ohren. Konrad Paul Liessmann widmet jeder Zeile des „Mitternachtsliedes“ ein Kapitel. Dabei überlässt er sich der Sogkraft dieser Verse, die gerade in ihrer Schlichtheit raffiniert, in ihrer Redundanz unvergleichlich und in ihrer Zerbrechlichkeit voller Kraft sind. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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So unterscheiden sich Tragödie und Philosophie

Was in einer Tragödie geschieht, entfaltet sich in der Handlung. Dagegen entfaltet sich in Argumenten und Beweisführungen, was in der Philosophie geschieht. Ágnes Heller fügt hinzu: „Beide – Geschichten und Argumente – führen zu einem Ergebnis, zum Ausgang, beide sind teleologisch konstruiert.“ Aristoteles setzte voraus, dass fast alle guten Tragödiendichter das Endergebnis ihrer Geschichte kennen, bevor sie zu schreiben beginnen. Er missbilligte Tragödienreihen. Wo etwas endet, da sollte es auch enden, es gibt nichts anderes mehr zu beginnen. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Die Erotik stellt das Böse und das Diabolische dar

Die Bindung des Lebens an den Tod hat zahlreiche Aspekte. Sie ist in der sexuellen und in der mystischen Erfahrung gleichermaßen wahrzunehmen. Georges Bataille erläutert: „Aber wie immer man sie auch versteht, die menschliche Sexualität wird stets nur in Grenzen zugelassen, über die hinaus sie verboten ist.“ Schließlich tritt überall in der Sexualität eine Regung auf, die den Schmutz einbezieht. Von da an handelt es sich nicht mehr um „gottgewollte“, wohltuende Sexualität, sondern um Verfluchtsein und Tod. Die wohltunende Sexualität steht der animalischen Sexualität nahe. Den Gegensatz dazu bildet die Erotik, die spezifisch menschlich ist und nur im Ursprung mit der Geschlechtlichkeit zu tun hat. Die Erotik, die im Prinzip unfruchtbar ist, stellt das Böse und das Diabolische dar. Der Franzose Georges Bataille (1897 – 1962) gehört zu den kontroversesten Philosophen und Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.

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Das Gewissen ist ein „innerer Richter“

Es gibt vier Kriterien des Gewissens: Erstens kommt es aus dem Inneren des Menschen heraus. Zweitens geht es um Ethik beziehungsweise Moral. Drittens verschafft es sich Geltung und hat einen Anspruch. Viertens ist es eine Richtschnur für richtiges und gutes Beurteilen und Handeln. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, wo das Gewissen herkommt und worauf es sich begründet. Es gibt verschiedene Begründungen. Klaus-Peter Hufer erläutert: „Nach der christlichen Religion ist das Gewissen den Menschen gegeben, muss vor Gott gerechtfertigt werden und kann auch von ihm erbeten werden.“ Es gibt Überschneidungen zu den Vorstellungen von Philosophen darüber, was das Gute und Böse unterscheidet und wie demgemäß zu handeln ist. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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