Der Mensch sollte mit der Natur nachhaltig umgehen

Katia Henriette Backhaus erklärt: „Nachhaltigkeit definiert sich über das Verhältnis von Mensch und Natur, das aus drei Perspektiven betrachtet werden kann.“ Die politische Perspektive fragt danach, wie man die Bedürfnisbefriedigung der Menschen zu ihrem Wohl und zum Wohl der Gemeinschaft organisieren kann. Dazu gehört auch der Gedanke an die nachhaltige Stabilisierung der politischen Ordnung. Die ökonomische Perspektive auf das Verhältnis von Mensch und Natur hingegen entspringt der Forderung nach dem „nachhaltigen Erhalt“ und der Sicherung eines nachhaltigen Ertrags. Natur betrachtet man dabei zunächst als Ressourcenlager, das als schützenswert gilt. Der Versuch, Ökologie und Ökonomie zusammenzudenken, prägt die Begriffshistorie der nachhaltigen Entwicklung. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

Weiterlesen

Der Krieg spielt auch weiterhin eine bedeutende Rolle

Wer einen Blick in die Zukunft werfen will, sollte sich zunächst mit der Gegenwart vertraut machen. Und obendrein ist es bei politischen Prognosen ratsam, die gegenwärtigen Verhältnisse mit denen der Vergangenheit zu vergleichen. Denn dann bekommt man eine Vorstellung davon, was sich in der jüngeren Vergangenheit verändert hat und was sich gleichgeblieben ist. Herfried Münkler erklärt: „In der Regel nämlich kann man davon ausgehen, dass die in der jüngeren Vergangenheit zu beobachtenden Entwicklungen sich in der nächsten Zukunft fortsetzen werden.“ Hieraus kann man erste Elemente einer Prognose ableiten. In diesem Sinne lässt sich eine Prognose von bloßer Prophetie unterscheiden. Voraussagen über das Kriegsgeschehen der Zukunft sind nicht nur in wissenschaftlicher, sondern in diesem Fall auch in moralischer Hinsicht riskant. Herfried Münkler ist Professor em. für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Weiterlesen

Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt

Um eine Zukunft mitzugestalten, in der man gerne leben möchte, sollte man auf die eine oder andere Weise selbst aktiv werden. Das können anfangs durchaus Kleinigkeiten sein. Daniel Goeudevert nennt Beispiele: „Plastik vermeiden, auf die Herkunft seines Essens achten, weniger wegwerfen und Produkte aus nachhaltiger, möglichst lokaler Produktion vorziehen. Daneben sollte man auf unnötige Wege mit dem Pkw verzichten und vieles andere mehr.“ Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, so zaghaft er auch sein mag. Aber wohin wollen die Menschen? Das ist die entscheidende Frage. Natürlich wird jeder darauf eine eigene Antwort geben. Das ist aber kein Problem, solange die Ziele in die gleiche Richtung weisen. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Weiterlesen

Eine Differenz ohne Herrschaft ist möglich

In der Welt der Ökonomie liegt der Schwerpunkt der politischen Entscheidungsfindung im Allgemeinen nicht auf Grund und Boden, sondern auf Arbeitskraft und Kapital. Danielle Allen stellt sich dabei die Frage, wie eine Ökonomie aussehen muss, die für Differenz ohne Herrschaft sorgt. Und wie man die gleichen Grundfreiheiten schützen könnte. Das Streben nach Differenz ohne Herrschaft macht ihrer Meinung nach auch in der Welt der Ökonomie nicht zwangsläufig die Schaffung von neuen politischen Programmen und oder Maßnahmen notwendig. Viele der gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Ansätze sind nach Maßgabe eines Bildes von Gerechtigkeit strukturiert, das sein Augenmerk in erster Linie auf die Verteilung materieller Güter richtet. Die Politikwissenschaftlerin und Altphilologin Danielle Allen lehrt als Professorin an der Harvard University. Zugleich ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

Weiterlesen

Moralische Werte sind universal

Ein Wissensanspruch ist fallibel, das heißt fehleranfällig, wenn man mit ihm etwas behauptet, was durchaus auch falsch sein kann. Und wenn keine zwingenden Gründe existieren, um den Anspruch einzulösen. Markus Gabriel weiß: „Die meisten Wissensansprüche sind fallibel, weil wir niemals alle Umstände überblicken, um uns mit unseren Urteilen ganz sicher sein zu können.“ Je komplexer die Wirklichkeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass selbst die am besten abgesicherten Wissensansprüche letztlich falsch sind. In moralischen Fragen ist das nicht anders, denn auch dort geht es darum, wie die Wirklichkeit beschaffen ist. Moralische Werte sind universal. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Weiterlesen

Ökonomie und Politik sind eng verzahnt

Politik und Ökonomie sind eng miteinander verflochten. Joseph Stiglitz erklärt: „Aus unseren wirtschaftlichen Ungleichheiten werden politischen Ungleichheiten, die ihrerseits zu Regeln führen, die Erstere noch weiter verschlimmern.“ In ähnlicher Weise wirken auch wirtschaftliche Fehlentscheidungen auf das politische System zurück. Die wirklich Raffgierigen und Kurzsichtigen unter den Superreichen haben folgendes erkannt. Nämlich dass Globalisierung und die Förderung der Finanzmarktinteressen von der großen Mehrheit der Menschen keine Unterstützung erfährt. Basierend darauf ziehen sie eine zutiefst beunruhigende Schlussfolgerung: „Wenn wir der Demokratie ihren Lauf lassen und an ein Mindestmaß an Vernunft bei den Wählern glauben, dann werden sie sich für einen anderen Kurs entscheiden.“ Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Weiterlesen

Andreas Barthelmess stellt die Unicorn-Ökonomie vor

Andreas Barthelmess weiß, wie die Unicorn-Ökonomie funktioniert. Starke Gründer bringen eine gute Idee zu ersten Markterfolgen. Namhafte Wagniskapitalgeber werden darauf aufmerksam und investieren, andere ziehen nach. Dabei kommt es zur Selbstverstärkung. Investoren validieren das Unternehmen positiv, Presse und Social Media berichten. Die besten Talente wollen beim Unternehmen arbeiten. Andreas Barthelmess fügt hinzu: „Der ökonomische Sog wirkt jetzt auch psychologisch, immer mehr Kunden folgen.“ Klingt wie ein Märchen, darum heißt es ja auch „Einhorn“, funktioniert aber in der Wirklichkeit. Der Wagniskapitalgeber Peter Thiel hat 2018 in der Weltwoche festgestellt: „Technologie ist schwer messbar. Viel eher geht es um Dinge, die in Bewegung sind, um Geschichten.“ Ganz ähnlich argumentiert der Ökonom und Nobelpreisträger Robert J. Shiller in seinem Buch „Narrative Economics“. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

Weiterlesen

Der Staat muss für Sicherheit sorgen

Die Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens zu einem Staat bestimmt das Verständnis des Menschen über seine Fähigkeit zur Freiheit und zum Frieden. Paul Kirchhof erläutert: „Bekämpfen sich die Menschen, muss eine öffentliche Hand herrschen und Sicherheit gewährleisten. Wird der Herrscher zur Bedrohung individueller Freiheit, entwickeln die Menschen ein Regierungssystem der Gewaltenteilung.“ Traut der Staat den Menschen zu, ihre Konflikte letztendlich ohne Gewalt – ohne Faust und Fehde – zu lösen, organisiert er eine Gerichtsbarkeit, die in allein sprachlicher Auseinandersetzung Streit schlichtet und Frieden schafft. Der Kampf findet mit Worten statt, nicht mit Waffen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

Weiterlesen

Die industrielle Revolution verstärkte den Konsum

Konsum als Lebensmodell hat, so seine Befürworter, die beste aller Welten geschaffen. Je mehr Gesellschaften konsumieren, desto innovativer sind sie, desto wohlhabender, sicherer, friedlicher. Und nicht nur das: Durch die Massenproduktion wurde es möglich das Los aller Menschen zu verbessern. Philipp Blom nennt Beispiele: „Nie waren so wenige Menschen hungrig wie heute, nie konnten mehr Menschen lesen und schreiben. Nie war die Kindersterblichkeit niedriger, nie lebten mehr Menschen in Demokratien oder in stabilen Staaten mit demokratischen Zügen.“ Ohne Konsumkonjunktur und ohne die fossilen Brennstoffe, die sie schufen, wäre nichts von alledem möglich gewesen. Richtig, sagen die Kritiker. Unsicher ist allerdings, ob dieses Modell eine Zukunft hat. Fraglich ist auch wie lange es durchgehalten werden kann, bevor die Risiken, die es geschaffen hat, erdrückend werden. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Weiterlesen

Jugendliche kritisieren die Technik

Die heute Jugendlichen sind mit den elektronischen Medien wie selbstverständlich aufgewachsen und wissen mit ihnen entsprechend umzugehen. Sie stehen jedoch den „Segnungen“ der Technik und der Wirtschaft skeptisch gegenüber. Daniel Goeudevert stellt fest: „Viele nehmen, völlig zu Recht, nun auch die von der Technik und der Wirtschaft verursachten Kosten in den Blick. Zudem hinterfragen sie deren Dominanz.“ Sie verordnen sich zum Beispiel eine Online-Diät, blockieren den Verkehr oder ernähren sich vegan. Sie erkennen intuitiv, dass sie weder als Konsument noch als User geboren wurden. Sondern sie haben Bedürfnisse, die mit Produkten, Diensten oder Apps nicht zu befriedigen sind. Sie wollen nicht länger Mittel, sondern Zweck sein. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Weiterlesen

Der Markt regelt Angebot und Nachfrage

Nicht nur Wirtschaftstheoretiker, sondern auch Philosophen setzen sich für den Wettbewerb ein. In der Neuzeit etwa von Montesquieu über David Hume und Condorcet bis Immanuel Kant. Montesquieu spricht im „Esprit des Lois“ (Geist der Gesetze, 1748) von der zivilisierenden Kraft des „sanften Handels“. Denn dieser löst den Krieg der Leidenschaften durch den Kompromiss zwischen divergierenden Kräften ab. Otfried Höffe ergänzt: „Und nach Kant ist der Mensch dazu bestimmt, alle seine auf den Vernunftgebrauch abzielenden Naturanlagen vollständig zu entwickeln. Das geschieht wiederum außer durch gezielte Förderung mittels eines Wettbewerbs. Denn dieser erweckt „alle Kräfte des Menschen. Er bringt ihn dahin, seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen“.“ Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Weiterlesen

Die Neue Rechte fordert die Altparteien heraus

Die Neue Rechte zieht Profit aus den Kalamitäten und Disparitäten, die jetzt die Gesellschaft kopfscheu machen. Roger de Weck erläutert: „Die Angstgesellschaft ist ihr Revier, von der Verunsicherung lebt sie. Sie nutzt und beschleunigt die Erosion der Glaubwürdigkeit traditioneller Parteien, die der Ultrakapitalismus zusehends überfordert.“ Ein Teil der Konzernwelt hat den Staat zur Flickbude degradiert, und die Regression der Politik zur Flickschusterei lädiert die Politiker. Umso leichter schleusen reaktionäre Parteien den Groll ihrer Klientele nur in die eine Richtung. Versagt haben einzig die Politik, die Demokratie, die Europäische Union – nie und nimmer das Wirtschaftssystem. Das Problem des Prekariats, das die Neue Rechte besonders umwirbt, sind nie Amazon und andere ausbeuterische Arbeitgeber, sondern die „Altparteien“. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

Weiterlesen

Die Singularitäten prägen die Spätmoderne

Die Etablierung einer postindustriellen Ökonomie der Singularitäten und der Aufstieg der digitalen Kulturmaschine bilden das strukturelle Rückgrat der spätmodernen Gesellschaft der Singularitäten. Das spätmoderne Selbst unterscheidet sich grundlegend von jenem Sozialcharakter, der die klassische Moderne der Industriegesellschaft dominierte. Seit den 1980er Jahren sind darüber eine Reihe prominenter soziologischer Analysen veröffentlicht worden. Dazu zählt Andreas Reckwitz Ulrich Becks Arbeiten zur Selbstreflexion und zum Risikobewusstsein von Bastelbiografien. Zu nennen sind auch Anthony Giddens` Analysen zum hochmodernen Selbst als Projekt. Ebenso dazu gehört Zygmunt Bauman These der „flüssigen“, vor allem am Konsum orientierten Identitäten. Beispielhaft sind auch Richard Sennetts Arbeiten zur umfassenden Flexibilisierung spätmoderner Lebensformen und Manuel Castells These vom Netzwerk-Subjekt. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

Weiterlesen

Start-ups sind per definitionem aggressiv

Die Essensbringdienste haben Europa unter sich aufgeteilt. Andreas Barthelmess nennt den Grund: „Tatsächlich ist es für alle Unternehmen besser, in einem Markt gut zu laufen, statt in mehreren Verluste zu sammeln und weiterzustrampeln.“ Start-ups sind unkonventionell und unideologisch, sie reizen nicht nur die Grenzen des Erlaubten voll aus, sie übertreten sie auch. Regelbrüche und Strafen sind Teil der Risikoabwägung, schließlich will man ja den Markt verändern. Lieber stirbt man einen schnellen Tod, als Risiken zu vermeiden und langsam dahinzukränkeln. Manchmal muss man sich zurückziehen. Aber angreifen muss man immer. Martialisch, aber wahr: Start-ups sind per definitionem aggressiv. „Avantgarde“ eben, das heißt ursprünglich „militärische Vorhut“. Deshalb ist die Start-up-Rhetorik kriegerisch, um Political Correctness schert man sich nicht. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

Weiterlesen

Der Mensch erkennt sich selbst in seinem Handeln

Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel beschäftigte sich eingehend mit den Wechselwirkungen zwischen der Welt im Inneren und der Außenwelt. Zudem untersuchte er ihre Funktion für die Selbsttäuschung. Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel erkennen wir uns selbst in unserem Handeln. Und das Handeln ist an sich sozial. Seine Bedeutung hängt weitgehend davon ab, wie es von anderen wahrgenommen wird. Matthew B. Crawford erläutert: „Die wesentliche Frage der Selbsterkenntnis lautet, wie wir uns anderen durch unser Handeln verständlich machen können. Nur dann können sie uns ein Spiegelbild von uns vorhalten.“ Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel gibt es kein Selbst zu entdecken, das vor dem in der Welt seienden Selbst oder auf einer „tieferen Ebene“ als dieses existieren würde. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

Weiterlesen

Die Ökonomie des Vordrängelns boomt

Das sogenannte „Vordrängeln“ ist eine schnell wachsende Branche. In den USA kann man Agenturen dafür bezahlen, eine Person zu engagieren, die sich in einer Warteschlange für einen selbst anstellt. Jonathan Aldred erläutert: „Die Lobbyisten großer Konzerne machen ausgiebig Gebrauch von solchen Dienstleistungen.“ Sie zahlen für jemanden, der sich an ihrer Stelle in der Warteschlange für Kongressanhörungen oder Sitzungen des Supreme Court anstellt. Der Lobbyist kann dann, kurz bevor die Sitzung beginnt, direkt hineingehen. Im November 2016 bildeten sich in ganz Indien vor den Banken lange Warteschlangen von Menschen. Sie wollten möglichst schnell ihre großen Geldscheine in kleinere umtauschen, bevor sie nicht mehr als gesetzliche Zahlungsmittel gültig waren. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Weiterlesen

Das Kino verschränkt den Konsum mit der Kunst

Die Welt des Konsums entwickelt sich seit den 1920er Jahren zur neuen Kultursphäre. Es findet sozusagen eine Konsumrevolution statt. Andreas Reckwitz erläutert: „Güter, die bisher primär instrumentellen Zwecken dienten, kulturalisiert man nun mehr und mehr. Und sie erhalten einen narrativen, ästhetischen, expressiven oder ludischen Selbstzweck.“ Mit dem Konsum weitet sich jenseits von bürgerlicher Kunst und Kultur das Feld dessen, was Kultur sein kann, deutlich aus. Zentral ist: Die Güter in einer kommerziellen Marktkonstellation buhlen um die Gunst des Konsumenten. Daher koppelt man Kultur nun nicht mehr an den Staat, sondern an die Ökonomie. In einzelnen Segmenten lassen sich hier bereits Mechanismen von kultureller Innovation und Differenzierung nach Art eines „Modezyklus“ beobachten. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

Weiterlesen

Der Kapitalismus hat seine Wuzeln im Protestantismus

Geld bedeutet heute eigentlich nichts, außer man glaubt daran. Ursprünglich waren die Menschen der Ansicht, ein Silber- oder Goldstück enthalte eine geeichte Menge Silber oder Gold. Später glaubten sie, ein Geldschein könne in Gold eingetauscht werden, weil jedes Land in seiner Staatsbank genügend Goldvorräte habe. Paul Verhaeghe ergänzt: „Heute geht es um den Glauben, dass Banken, Staaten und Institutionen ihre Schulden zurückzahlen können.“ Die Macht des Geldes liegt wie diejenige der Autorität auf dem Glauben an eine externe Grundlage. Früher war das eine greifbare Garantie, nämlich die nationale Goldreserve. Heute basiert sie auf Kreditwürdigkeit. Der Glaubensaspekt beschränkt sich nicht nur auf das Geld, sondern betrifft die gesamte Ökonomie des freien Marktes an sich. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

Weiterlesen

Ökonomen gehen sparsam mit Liebe um

Im Jahr 1954 hielt Dennis Robertson, eine der führenden Ökonomen seiner Zeit, eine Vorlesung zum Thema: „Womit geht der Ökonom sparsam um?“ Robertsons Antwort lautete: „Mit Liebe.“ Jonathan Aldred erläutert: „Robertson verwendete das Wort Liebe als Kürzel für Freundlichkeit, Großzügigkeit und andere altruistische Tugenden.“ Er argumentierte, dass Ökonomik und Ökonomen es vermeiden würden, „jene knappe Ressource Liebe“ zu vergeuden, wenn sie politische Maßnahmen, Gesetze und Organisationen förderten, die sich ausschließlich auf Egoismus verließen. Für Dennis Robertson waren Liebe und andere altruistische Tugenden so ähnlich wie knappe Rohstoffe. Da deren Bestand bei jeder Verwendung schrumpft, sollten sie wohlweislich für Notzeiten gehortet werden. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Weiterlesen

Die Ökonomie hat die Menschen korrumpiert

Die Ökonomie hat sich unmerklich zur Ersatzreligion moderner Gesellschaften aufgeschwungen. Jonathan Aldred kritisiert in seinem neuen Buch „Der korrumpierte Mensch“, dass hinter ihrer Dominanz die Alternativen zum System unsichtbar werden. Die meisten Menschen akzeptieren heute bereitwillig, dass sich alles vermarkten lässt. Zudem deckt der Autor auf, welche Macht die Ökonomie über das einzelne Individuum gewonnen hat. Er zeigt anhand konkreter Beispiele, wie sie tagtäglich ihre Schäfchen ins Verderben führt. In der Wirtschaft gilt nur noch die Faustregel: „Erst kommt das Geld, dann die Moral.“ Aber es gibt wie immer Alternativen. Jonathan Aldred beschreibt dazu Wege, die aus dem Klammergriff einer korrumpierenden Ökonomie hinausführen. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College und lehrt außerdem als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

Weiterlesen

Die Ökonomie ist der Schlüssel zur Welt

Faulheit ist seit jeher ein Laster. Sie ist nicht gottgefällig, auch nicht vernunftgefällig, sondern eine Verschwendung der Talente. Doch nicht nur die Mönche und Protestanten beten und arbeiten. Auch für den Weltmenschen Johann Wolfgang von Goethe steht am Anfang die Tat. Und selbst Oblomows treuer Freund Stolz ein „Deutscher“ natürlich, sieht in der Arbeit den Sinn des Lebens. Sophie Loidolt stellt sich in diesem Zusammenhang folgende Frage: „Doch was heißt das eigentlich: Arbeit, Tat, tätig sein. Um darauf eine Antwort zu finden, beschäftigt sie sich mit einer von Hannah Arendts Grundfragen. In ihrem philosophischen Hauptwerk stellt sie die Frage: „Was tun wir, wenn wir tätig sind?“ Prof. Dr. Sophie Loidolt ist Gastprofessorin am Philosophieinstitut der Universität Kassel und Mitglied der „Jungen Akademie“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Weiterlesen

Die Freiheit kann für die Liebe zum Problem werden

„Freiheit“ ist spätestens seit den Zeiten der Aufklärung, seit Immanuel Kant also, eines der großen Worte der Gesellschaft, der Moral und der Politik. Peter Trawny nennt ein Beispiel: „Als erster Begriff der Triade „Liberté, Egalité, Fraternité“ hat sie die Französische Revolution angeführt.“ So ist es auch kein Wunder, dass das Wort ganz am Beginn der Präambel der Menschenrechtserklärung von 1948 auftaucht. Frei sein zu wollen ist heutzutage scheinbar ein derart banaler Wunsch, dass die meisten Menschen ihn für gewöhnlich gar nicht mehr thematisieren. Wenn die Freiheit bedroht zu sein scheint, ist die Empörung allerdings groß. Dabei ist der Begriff der Freiheit besonders in Form des feministischen Projekts immer noch höchst aktuell. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Weiterlesen

Wirtschaft und Ethik lassen sich nicht trennen

Der wichtigste und essenzielle Kontext allen menschlichen Wirtschaftens sind der Planet Erde und seine Ökosysteme. Christian Felber kritisiert: „Die Trennung von Ökonomie und Ökologie ist eine der gröbsten Sündenfälle der Wirtschaftswissenschaft.“ Denn alle in Geld messbaren „ökonomischen“ Werte stammen letztlich aus der Natur. Wird dies übersehen oder negiert, kann es passieren, dass die unvollständig verstandene „Wirtschaft“, die eigentlich – ganzheitliche – Werte schaffen sollte, die ökologischen Lebensgrundlagen zerstört. Das größte globale Umweltproblem der Gegenwart ist, noch vor dem Klimawandel, der Verlust von Artenvielfalt. Während die Ökonomen mit ihren Standardmodellen der Menschheit vorrechnen, dass sie reicher wird, verarmt sie in den wesentlichsten aller Aspekte von Reichtum: in der biologischen und genetischen Vielfalt. Christian Felber lebt als Autor in Wien.

Weiterlesen

Die Singularisierung der Arbeitswelt schreitet unaufhaltsam voran

In der postindustriellen Ökonomie transformiert sich im Zuge des Strukturwandels der Güter und der Märkte auch die Arbeitswelt. Andreas Reckwitz erläutert: „Betroffen davon sind die Praxis des Arbeitens selbst, die Art und Weise, in der Organisationen aufgebaut sind, sowie die Kompetenzen, Wünsche und Anforderungen der arbeitenden Subjekte.“ Auf allen diesen Ebenen findet eine Kulturalisierung und Singularisierung der Arbeitsformen statt, die sich von den Strukturen standardisierter Arbeit der industriellen Moderne lösen. Die Erosion der industriellen Logik der Arbeitswelt hat die Soziologie in den vergangenen zwanzig Jahren mit unterschiedlichen Leitbegriffen herausgearbeitet: Der Begriff der immateriellen Arbeit weist darauf hin, dass vielfach weniger an materiellen Gütern, denn an Kommunikation, Zeichen und Affekten gearbeitet wird. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

Weiterlesen

Die Utopie spielt in der politischen Debatte keine Rolle mehr

Richard David Precht konstatiert, dass aus den politischen Debatten in der westlichen Welt die demokratische Utopie weitgehend verschwunden ist. Schon Karl Marx und Friedrich Engels wehrten sich dagegen, dass ihre Prophetie der Geschichte nur eine Utopie sei; sie verbannten das Wort aus ihrem Wortschatz. Und auch heute steht die Utopie gern als albern und weltfremd im Raum, jedenfalls dann, wenn sie sich nicht auf Technik, sondern auf Gesellschaft bezieht – so als hätte das eine mit dem anderen nichts zu tun. Irrlichternde Phänomene wie die Partei der „Piraten“ in Westeuropa haben noch das Ihre dazu beigetragen. Randvoll mit Selbstwidersprüchen und kindlichen Allmachtsfantasien zerstoben sie schneller als sie gekommen waren. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Weiterlesen