Andreas Reckwitz stellt die soziale Logik des Allgemeinen vor

Die soziale Logik des Allgmeinen, die mit der formalen Rationalisierung der Moderne einhergeht, betrifft sämtliche Einheiten des Sozialen. Andreas Reckwitz erläutert: „Der Begriff „soziale Logik“ soll sich auf eine solcherart umfassende Strukturierungsform beziehen, die zum einen die genannten Praktiken der Beobachtung, der Bewertung, der Hervorbringung und der Aneignung umfasst und zugleich alle Einheiten des Sozialen einschließt.“ In analoger Weise gilt da auch für die soziale Logik der Singularitäten. Die Plausibilisierung einer Sozial- und Gesellschaftstheorie ist generell darauf angewiesen, dass Aussagen über sämtliche Elemente oder Einheiten des Sozialen gemacht werden. Aus der Perspektive von Andreas Reckwitz lassen sich mindestens fünf Einheiten des Sozialen unterscheiden, die durch eine soziale Logik auf bestimmte Weise formatiert werden: Objekte, Subjekte, Räumlichkeiten, Zeitlichkeiten und Kollektive. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Der kulturelle Wandel hat die Menschen materialistischer gemacht

Der kulturelle Wandel in den modernen Staaten des Westens hat die Menschen verändert. Zunächst einmal hat er sie materialistischer gemacht. David Brooks nennt ein Beispiel: „Studenten legen heute mehr Wert auf Geld und beruflichen Erfolg.“ Im Jahr 1966 sagten 80 Prozent der amerikanischen Erstsemester, sie seien in einem hohen Maße motiviert, eine sinnvolle Lebensanschauung zu entwickeln. Heute sagen das weniger als die Hälfte von ihnen. Finanzielle Sicherheit dagegen, die ehedem als ein mittlerer Wert angesehen wurde, ist heute das oberste Ziel von Studenten. Die Gesellschaft von heute ist wesentlich individualistischer als diejenige des Jahres 1966. Wer glaubt, seine Schwächen nicht aus eigener Kraft überwinden zu können, ist bereit demütig Hilfe von außen anzunehmen. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Nutzen und Vergnügen sind die Aufgaben der Dichtung

Das Ende des höfischen Dichters bedeutete auch das Ende der höfischen Literatur. An deren Stelle trat eine neue Literatur, die die zentralen Kategorien der Aufklärung, Vernunft, Nützlichkeit und Humanität, auf alle Gattungen der Literatur zu übertragen versuchte. Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) war der erste, der die längst fällige Neuorientierung theoretisch und praktisch vollzog und wegweisend für die Entstehung der neuen Literatur wurde. In seinem bedeutenden theoretischen „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ (1730) brach er mit den formalistischen, noch in der feudalen Gesellschaft verwurzelten Regel- und Anweisungspoetiken des Barock, verurteilte die Barockdichtung vom aufklärerischen Standpunkt aus und forderte eine Literatur, die aufklärerische Ideen auf gemeinverständliche und angenehme Weise vermitteln, Nutzen und Vergnügen verbinden und breite bürgerliche Bevölkerungsschichten erreichen sollte.

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Jeremy Bentham entwickelt den Utilitarismus

Wichtig und einflussreich waren Jeremy Benthams (1748 – 1832) Überlegungen auf dem Gebiet der Moral oder Ethik. Die Theorie, die er entwickelte, wurde bekannt unter dem Namen „Utilitarismus“. Nigel Warburton erklärt: „Sie besagt, dass wir dann das Richtige tun, wenn dies das höchste Glück hervorbringt. Das ist das Prinzip des maximalen Glücks.“ Obwohl Jeremy Bentham nicht der Erste war, der die Moral so verstand, war er der Erste, der im Detail erklärte, wie diese Ansicht in der Praxis umgesetzt werden könnte. Er wollte die englischen Gesetze reformieren, damit sie ein Maximum an Glück hervorbrächten. Auf die Frage nach dem Glück geben verschiedene Menschen die unterschiedlichsten Antworten. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Georg Ernst Stahl stellt eine Affektentheorie auf

Um das Jahr 1700 herum kommt in die Theorie über die Affekte in wörtlichem Sinne Bewegung. Der Naturforscher und Mediziner Georg Ernst Stahl, der von 1660 bis 1734 lebte, gilt als Erfinder des Panpsychismus oder auch des Vitalismus beziehungsweise des Animismus. Er verstand die Seele als Triebfeder, als inneres bewegendes Prinzip. Alle Lebenserscheinungen seien durch unmittelbares Eingreifen der „anima“ bedingt, die Georg Ernst Stahl von der unsterblichen Psyche trennt. Die Seele baue sich den Körper auf und bediene sich des Kreislaufs. Die verschiedenen Dispositionen des Körpers und seiner Säfte könnten oft Anlass verschiedenartiger Bewegungen des Gemüts sein. Die raschen Effekte würden buchstäblich von Bewegungen begleitet und durch Bewegungen des Herzens charakterisiert. So gibt es um die Jahrhundertwende das Stahlsche System der kontinuierlichen Bewegung im Körper und das Leibniz’sche System der Darstellungsbewegungen im Vorstellen von Welt.

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Im 19. Jahrhundert wurde London zur reichsten Stadt der Welt

Kein Jahrhundert hat das Leben in den Städten Westeuropas so sehr verändert wie das neunzehnte. London, die Hauptstadt der Engländer und ihr großer Fluss- und Seehafen an der Themse, wandelte sich zuerst, schneller als die Konkurrenz und wuchs an Umfang und Einfluss rascher als die anderen Städte. Manche Historiker nennen das 19. Jahrhundert deshalb auch das Jahrhundert Londons. England stieg damals zu einer Stellung in der Welt auf, die in keinem Verhältnis zur Größe seines geographischen Territoriums stand. England wurde durch die industrielle Revolution, die bereits im 18. Jahrhundert begonnen hatte und Vorherrschaft in Produktion, Handel und Finanzwirtschaft sicherte, zur Werkstatt der Welt. In Übersee ließen freizügige Auswanderung und reger Handel das britische Kolonialreich ständig wachsen. London galt damals als Mittelpunkt eines Reiches, in dem die Sonne nicht unterging.

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José Ortega Y Gasset liebt die reine Wahrheit

Für José Ortega Y Gasset wird die Politik zu einer äußerst gefährlichen Krankheit, wenn sie ihren Thron im Gewissen der Menschen einrichtet und in ihr ganzes geistiges Leben hineinregiert. Warum das so ist, sollte eigentlich Jedem klar sein. Solange der Mensch das Nützliche eben als ein Nützliches betrachtet, besteht kein Anlass zur Sorge. Wird aber das Nützlichkeitsstreben innerhalb der Persönlichkeit eines Menschens zur beherrschenden Haltung, so wird er, wenn es darum geht, die Wahrheit zu finden, sie nur allzu leicht mit der Nützlichkeit verwechseln. José Ortega Y Gasset schreibt: „Und aus Nützlichkeit Wahrheit machen, ist eine Umschreibung für lügen. Das Reich der Politik ist somit das Reich der Lüge.“

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Die wahre Bewährungsprobe für das Wissen ist seine Nützlichkeit

Die meisten Menschen tun sich sehr schwer, die Wissenschaften zu verstehen, weil ihre Sprache der Mathematik den menschlichen Gehirnen fremd ist und ihre Erkenntnisse oft genug dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen scheinen. Dennoch genießen die Wissenschaften ein sehr hohes Ansehen. Wohl vor allem wegen der Macht, die sie Menschen verleihen. Yuval Noah Harari nennt ein Beispiel: „Präsidenten und Generäle haben zwar keine Ahnung von Atomphysik, aber sie haben recht gute Vorstellungen davon, was sie mit einer Atombombe anrichten können.“ Francis Bacon schrieb in seinem Manifest „Neues Organon“, das er 1620 veröffentlichte, den berühmten Satz: „Wissen ist Macht.“ Der wahre Prüfstein für Wissen war für Francis Bacon nicht, ob es wahr ist oder nicht, sondern ob es den Menschen Macht verleiht. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Die philosophische Erkenntnis soll das höchste Glück gewähren

Die Lehre, dass alle menschliche Erkenntnis ihrem Sinn nach auf die Praxis bezogen sei, gehörte zum Kernbereich der antiken griechischen Philosophie. Aristoteles vertrat die These, dass die erkannten Wahrheiten die Praxis leiten sollten, sowohl in den Erfahrungen des Alltags als auch in den Wissenschaften und Künsten. Die Menschen brauchen in ihrem Daseinskampf die Anstrengung der Erkenntnis, das Suchen nach der Wahrheit, weil ihnen nicht unmittelbar zugänglich ist, was das für sie Gute, Zuträgliche und Richtige ist. Aristoteles vertritt die Auffassung, dass alle Berufsgruppen in ihrem Sachgebiet über das rechte Wissen verfügen müssen, um so handeln zu können, wie es die jeweils wechselnde Situation erfordert. Aristoteles betont so den praktischen Charakter jeder Erkenntnis, macht aber laut Herbert Marcuse einen bedeutenden Unterschied zwischen den verschiedenen Erkenntnissen.

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Der Utilitarismus in der Philosophie von John Stuart Mill

Den englischen Philosophen John Stuart Mill, der von 1806 bis 1873 lebte, faszinierte an der utilitaristischen Ethik, dass sie versprach, sowohl den Relativismus als auch den Intuitionismus in der Ethik zu überwinden. Der Intuitionismus war laut John Stuart Mill sogar eine abwegige und gefährliche Theorie, weil er die Menschen in der Illusion bestärkte, dass das, woran sie fest und unerschütterlich glauben, deshalb auch wahr sein muss. Die allgemeine Theorie des Utilitarismus wird in der Regel wie folgt charakterisiert: Erstens bemisst sich die moralische Richtigkeit einer Handlung an deren wahrscheinlichen Folgen und Nebenfolgen. Zweitens besteht der Maßstab der Beurteilung der Handlungsfolgen ausschließlich im Glück und Unglück, in Lust und Unlust der von der Handlung direkt und indirekt Betroffenen.

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Aristoteles macht aus der Ökonomie eine Wissenschaft

Aristoteles gebührt das Verdienst der Ökonomie (oikonomia) ihren Namen gegeben und als eigenständige Wissenschaftsdisziplin begründet zu haben. Dennoch muss man feststellen, dass er den Homo politicus dem Homo oeconomicus überordnete. In allen seinen Schriften, seien sie über Ethik, Politik oder Ökonomie geschrieben, fasst er die Einzeldisziplinen als Teile einer praktischen Philosophie auf, die sich immer wieder mit der Frage nach dem guten Leben beschäftigt. Er sucht die Wurzel des Glücks der Menschen und die bestmögliche Ordnung eines Gemeinwesens. Seine ökonomischen Ideen fanden Eingang in die drei Bände zur „Hauswirtschaft“. Im ersten Buch geht es um die Herrschaftsstrukturen im Haus, wie sie zwischen Mann und Frau, Herrn und Sklaven sowie Vater und Kindern herrschen.

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