Der Liberalismus ist weltweit stark gefährdet

In seinem neuen Buch „Der Liberalismus und seine Feinde“ benennt Francis Fukuyama die Probleme der Gegenwart und wie sich eine liberale Gesellschaft dazu verhalten muss. Seine Fragen sind so aktuell wie nie: „Warum haben sich so viele Menschen von der Demokratie und Freiheit entfernt? Und wie machen wir den Liberalismus endlich wieder attraktiv und stark?“ Mit seinem Werk will der Autor eine Verteidigung des klassischen Liberalismus vorlegen, denn er vertritt die These, dass dieser heute überall auf der Welt stark gefährdet ist. Früher mochte man ihn für selbstverständlich halten. Doch heute müssen seine Tugenden aufs Neue klar dargelegt und hervorgehoben werden. Mit „Liberalismus“ bezieht sich Francis Fukuyama auf die Lehre, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erstmals in Erscheinung trat. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart.

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Das Euro-Bargeld kam am 1. Januar 2002

Am 1. Januar 1999 wurde der Euro eingeführt und damit zur Landeswährung für über 300 Millionen Menschen in Europa. Dies war ein Sieben-Meilen-Schritt in der europäischen Einigung. Niemand ahnte jedoch damals, dass die Währung ein Jahrzehnt später wieder auf dem Prüfstand stehen würde. Edgar Wolfrum stellt fest: „In den ersten drei Jahren war der Euro eine unsichtbare Währung, die nur für Kontoführungszwecke, zum Beispiel bei elektronischen Zahlungen, Verwendung fand.“ Das Euro-Bargeld kam erst am 1. Januar 2002 und ersetzte zu unwiderruflich festgelegten Umrechnungskursen nationale Währungen wie den belgischen Franc, die Deutsche Mark oder die italienische Lira. Die Euro-Banknoten und Münzen sind in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) gesetzliches Zahlungsmittel. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Deregulierung nährt den Populismus

Im Zeichen des Neoliberalismus hatten westliche Demokratien die Bankenwelt dereguliert. Roger de Weck fügt hinzu: „2008 mussten sie aber – da eine Katastrophe drohte und es keinen Ausweg gab – Milliardenverluste schultern.“ Seither bedrückt viele Bürger ein halb bewusstes, halb unterschwelliges Gefühl demokratischer Ohnmacht. Die Harvard-Ökonomen Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff haben Dutzende Bankenkrisen untersucht. Das Bankwesen solle man aggressiv regulieren. Denn sonst entflamme die Spekulation, die in Verwerfungen resultiere, empfehlen sie. Nach 2008 folgte man ihrem Rat. Aber nur kurze zehn Jahre lang und auch nur für die Geschäftsbanken. Nicht für das riesige „Schattenbankensystem“ der Fonds und Vermögensverwalter wie Blackrock. Von Neuem deregulierte nun Donald Trump die amerikanischen Banken, obwohl viele von ihnen zu wenig flüssige Mittel haben und zuweilen Geldspritzen der Federal Reserve benötigen. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Der Kapitalismus droht vollends zu kollabieren

Joseph Stiglitz kritisiert in seinem neuen Buch „Der Preis des Profits“, dass es seit der Finanzkrise des Jahres 2008 nicht gelungen ist, den Kapitalismus wirksam zu reformieren. Seiner Meinung nach ist sogar das Gegenteil eingetreten: Er droht vollends zu kollabieren. Joseph Stiglitz zählt folgende Missstände auf: „Die Finanzindustrie schreibt sich ihre eigenen Regeln; die großen Tech-Firmen beuten unsere persönlichen Daten aus; die Machtballung in der Industrie nimmt zu und der Staat hat seine Kontrollfunktion praktisch aufgegeben.“ Der Autor erklärt, wie es dazu kommen konnte und warum es, was nicht zuletzt das Beispiel Donald Trump zeigt, dringend nötig ist, den Kapitalismus vor sich selbst zu schützen. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die eigene Identität ist nicht mehr selbstverständlich

Fast jeder Mensch erlebt heute seine Identität im Wissen, dass der Andere, der Nachbar eine andere Identität hat. Diese Erfahrung nimmt der Identität ihre Selbstverständlichkeit. Es schränkt sie ein. Sie weiß, dass sie nur eine Option unter anderen ist. Isolde Charim ergänzt: „In diesem Sinne schreibt sich Pluralisierung eben als Minus, als Weniger, als Abzug von unserer jeweiligen Identität in uns alle ein. In diesem Sinn muss sich jeder – schon von klein auf – seiner prekären Identität versichern.“ Trotzdem lassen sich die Veränderungen des Kapitalismus, den man unter den Begriff „Neoliberalismus“ fasst, nicht einfach gleichsetzen mit den psychopolitischen Veränderungen der gesellschaftlichen Identität. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Deutschland ist ein zutiefst gespaltenes Land

Alexander Hagelüken zeichnet in seinem Buch „Das gespaltene Land“ ein düsteres Bild von Deutschland. Seine dramatische Analyse zeigt, dass zunehmend Angehörige der Mittelschicht von sozialem Abstieg und von Armut im Alter bedroht sind. Auch vom Wirtschaftsboom in Deutschland profitieren zur wenige. Denn während die Reichen immer reicher werden, stagniert die untere Hälfte der Gesellschaft, die zudem noch so gut wie keine Ersparnisse besitzt. Alexander Hagelüken zeigt auf eindringliche Weise, dass das gespaltene Land einen neuen Gesellschaftsvertrag braucht: „Nur Wohlstand für alle schützt das Land vor einer Machtübernahme durch Rechtspopulisten, die in Amerika und Großbritannien schon geschehen ist.“ Der Autor untersucht in seinem Buch vor allem, wie sich Deutschland in den vergangen Jahrzehnten gespalten hat und woran das liegt. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

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Der Narzissmus ist die Leitneurose der Gegenwart

Narzisst ist das Schimpfwort der Stunde. Narzissmus gilt als Leitneurose der emanzipierten Gesellschaft. Doch nicht jeder, der stört, ist auch gestört. Der Schweizer Moderator, Medienunternehmer und ehemalige Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski schreibt in seinem neuen Buch „Ich bin der Allergrößte“, dass sich überall in den modernen Gesellschaften der Narzissmus ausbreitet. Vor allem geht es dabei um Männer, denen ihr Hochmut zum Verhängnis wurde. Wo man hinschaut, selbstverliebte Alphatiere, männliche und weibliche Egozentriker, Junge und Alte, die sich vor allem mit sich selbst beschäftigen. Im Fernsehen, im Internet, im Alltag. In den Reality- und Castingshows, in denen sich Möchtegernmodels und Traumtänzer in Szene setzen. In den sozialen Netzwerken, wo auf Instagram täglich 80 Millionen Bilder geteilt werden, unzählige davon mit dem wichtigsten Motiv eines digitalen Lebens: dem Selfie.

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Das Internet trägt wesentlich zur Verbreitung des Narzissmus bei

Die moderne Gesellschaft scheint sich einig, dass Narzissmus zu verurteilen ist: als ein Macke, wenn nicht als ein Geistesstörung. Aber nicht jeder, der stört, ist auch gestört. Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen erklärt: „Das Netz ist so ziemlich das größte Instrument zur Förderung von Narzissmus, das je gebaut wurde.“ Lange Zeit war narzisstisches Verhalten ein Privileg der Reichen und Einflussreichen, zu deren Jobprofil es gehörte, auf dicke Hose zu machen. Nur sie konnten sich öffentliches Gepolter erlauben, um ihr Ego aufzuplustern, nur sie fanden damit Gehör. Auf Facebook, Instagram, Pinterest ruft der Narzisst der Welt zu: „Schaut her! Hier bin ich! Was haltet ihr davon? Wie findet ihr mich? Antwortet mir!“ Die Selfiestange heißt im englischen Sprachraum nicht umsonst „Narcistick“.

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Der Liberalismus sollte vom Geist der Aufklärung inspiriert sein

Als Neoliberalismus etikettiert und in Verruf geraten, hat das Denken, dass das Prinzip Freiheit an vorderster Stelle vertritt, der Liberalismus, vielerorts keinen guten Klang. Ein Liberalismus, der Wertschätzung verdient, unterzieht sich laut Otfried Höffe einer Regeneration, für die er Elemente der Aufklärung übernimmt. Dazu gehört eine Erweiterung des Themenspektrums. Die Worterklärung ist für Otfriede Höffe einfach. „Liberalismus“ heißt ein Denken, das die Freiheit als Mittel- und Angelpunkt versteht. Keineswegs auf die Wirtschaft beschränkt, versteht sich der Liberalismus als eine soziale und politische Theorie und Bewegung, die man in erster Annäherung als thematisch dreidimensional charakterisieren kann: Es ist eine Wirtschafts-, eine Gesellschafts- und eine Politiktheorie. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Produktion von immer billigeren Gütern ist nicht möglich

Viele Menschen haben sich sicher schon einmal gefragt, wie es möglich ist, dass alles immer billiger wird. Michael Carolan gibt in seinem neuen Buch „Cheaponomics. Warum billig zu teuer ist“ eine einfache Antwort: „Es ist nicht möglich!“ Die Produkte und ihre Herstellung werden nämlich nicht billiger, ihre wirklichen Kosten werden nur immer besser versteckt. Der Autor beschreibt die ökonomische und soziale Sackgasse, in der sich die Gesellschaften des Westens mit dem Billigwahn verfangen haben. „Billig ist nichts als eine Illusion“, schreibt Michael Carolan. Anhand zahlreicher Beispiele von der Plastiktüte bis zur automobilen Gesellschaft erklärt er, wie der Billigkonsum und sein zerstörerisches System am Leben erhalten werden, und macht deutlich, dass höhere und gerechte Preise notwendig und möglich sind, ohne dass die Menschen auf Wesentliches verzichten müssen.

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Man muss den Kapitalismus vor den Kapitalisten schützen

Wenn es einen Begriff gibt, der alles Unbehagen am Kapitalismus und an der Marktwirtschaft verkörpert, dann ist es „neoliberal“. Der Neoliberalismus bezeichnet ungefähr dies: Marktradikalismus, Rückzug des Staates, Abbau der sozialen Leistungen und freies, eben liberales, Spiel der Kräfte im Wirtschaftsleben. Natürlich wissen Ökonomen, dass man damit den Begründern der neoliberalen Schule des wirtschaftswissenschaftlichen Denkens in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts Unrecht tut. Walter Eucken, Alfred Müller-Armack, Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke waren alles als Marktradikale. Politisch waren sie freiheitlich und so bürgerlich, wie es gerade in Deutschland eher selten ist. Von Wilhelm Röpke gibt es zum Beispiel eine klar geschriebene „Lehre von der Wirtschaft“, ein Grundlagenlehrbuch der Ökonomie. Dort finden sich Argumente, die auf viele heutige Probleme passen und die Klischees über den Neoliberalismus widerlegen.

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Der Staat des Neoliberalismus muss ein starker Staat sein

Für den deutschen Liberalismus ist es charakteristisch, den Markt immer aus kulturgeschichtlicher und gesamtgesellschaftlicher Perspektive zu betrachten. Wolfgang Kersting erklärt: „Daher ist seine Analyse der Entwicklung des Kapitalismus und seiner Krisen immer eingebettet in großformatige geistesgeschichtliche Deutungen und umfassende zeitgeschichtliche Analysen.“ Die Gegenwart färbt dabei in den meisten Fällen den Blick auf die Vergangenheit: gegenwartsdiagnostische Interessen und zeitgeschichtliche Wertungen prägen die Darstellungen. Laut Wolfgang Kersting sind die Modernisierungstheorien durchwegs monokausale Krisentheorien der Moderne. Modernisierung ist für den deutschen Neoliberalismus stets Zerfall, Entartung, Zersetzung, Niedergang und Verlust. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Die moderne Marktwirtschaft bedarf einer ethischen Grundlage

Über Weisheit verfügt nach den Vorstellungen der klassischen Ethik derjenige Mensch, der die Kräfte seines Gemüts unter Kontrolle hält und sich in einen harmonischen Ausgleich mit der Welt bringt. Wolfgang Kersting ergänzt: „Weise ist der Mensch, der seine Bedürfnisse den Gegebenheiten anpasst, in allen das natürliche Maß einhält und seine Seele durch ein vernünftiges Regime seines Begehrens ruhigstellt.“ Bändigung der Leidenschaften, Ruhe der Seele und Zügelung der Bedürfnisse lauten daher die Zielvorstellungen der klassischen Ethik. Wolfgang Kersting weist darauf hin, dass sie meisten modernen Individuen die Fähigkeit zur Seelenruhe verloren haben, denn die Gier nach immer mehr und immer Besserem ist ihnen zur zweiten Natur geworden. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Wolfgang Kersting untersucht die Gerechtigkeit des Marktes

Wolfgang Kersting beschreibt in seinem Buch „Wie gerecht ist der Markt?“ das schwierige Verhältnis von Markt und Gerechtigkeit. Gerechtigkeit herrscht seiner Meinung nach, wenn Menschen ein gleiches Recht auf politische Teilhabe haben und unter dem Schutz demokratisch erzeugter und wirksam durchgesetzter Gesetze ihre Freiheit genießen und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Gerechtigkeit definiert Wolfgang Kersting wie folgt: „Gerechtigkeit herrscht, wenn das Recht alle gleich behandelt und das Eigentum sicher ist.“  Der Sozialstaat der Gegenwart gibt vor, den Menschen mehr Gerechtigkeit geben zu können, als Rechtsstaat und Marktgesellschaft ihnen zu liefern in der Lage sind. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Byung-Chul Han geißtelt die totalitären Züge der Transparenz

Die Medien, Politiker, die Kirchen und viele andere gesellschaftliche Gruppen fordern neuerdings immer und überall Transparenz. Byung-Chul Han, Professor für Philosophie und Kulturwissenschaften an der Universität der Künste in Berlin, ist wegen dieser allgegenwärtigen Forderung sehr beunruhigt, da sie inzwischen seiner Meinung nach totalitäre Züge annimmt. Für ihn klingt „transparent machen“ so, als würde man gnadenlos aus- und durchgeleuchtet wie mit einem Nacktscanner. Ihn interessiert vor allem die Dimension der Gewalt, die in dem Phänomen der Transparenz innewohnt. Byung-Chul Han bestreitet nicht, dass Transparenz Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption verhindern kann, beklagt aber, dass sich die Forderung nach Transparenz inzwischen gegen jede Form der Macht wendet. Seiner Meinung nach darf man Macht nicht auf die Möglichkeit des Missbrauchs reduzieren.

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Großkonzerne bedrohen die Demokratie und die Märkte

Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers dachten viele Ökonomen, dass der Neoliberalismus tot sein. Für den Soziologen Colin Crouch wird der Neoliberalismus allerdings nur getestet, aber noch lange nicht am Ende. Anders als der Keynesianismus, der in den späten 1970-Jahren tatsächlich sein Leben aushauchte. Heute geschieht nichts Vergleichbares. Colin Crouch nennt den Grund: „Die Ära des Finanzkapitalismus wird nicht infrage gestellt, weil alle so sehr davon abhängen. Nie war der Einfluss der Lobbyisten, der Druck der großen Banken größer. Die Regierungen lassen sich einschüchtern, weil die Wirtschaft ohne Geld nicht funktioniert – jeder braucht Geld.“ Dabei geht es seiner Meinung nach nicht nur um Lobbying. Colin Crouch ist Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Max-Plack-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln und emeritierter Professor der Warwick Business School.

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Sarah Wagenknecht benennt die Übel des Kapitalismus

Die Märkte sind für die Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht nicht das Problem der gegenwärtigen Schuldenkrise, sondern der Kapitalismus ist ihrer Meinung daran schuld, dass sich wenige auf Kosten der Mehrheit bereichern können. Wo Märkte funktionieren und ihren Platz haben, erfüllen sie für Sarah Wagenknecht eine wichtige Funktion. Nichts zu suchen haben sie dagegen im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor, wo es um elementare Güter der Gesellschaft geht. Das betrifft auch den Finanzsektor. Sarah Wagenknecht sagt: „Es spricht viel dafür, dass auch Finanzen ein öffentliches Gut sind, dass man nicht Märkten überlassen sollte. Zumal der Finanzmarkt ohnehin kein funktionierender Markt ist.“ Sarah Wagenknecht würde sich allerdings nie als Liberale bezeichnen, auch wenn sie den klassischen Liberalismus im Marxismus verwurzelt sieht.

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Andreas Wirsching nennt Gründe für die Globalisierung

Das nachhaltigste Schlagwort der beiden Jahrzehnte nach dem Umbruch von 1989 lautete ohne Zweifel „Globalisierung“. Das damit bezeichnete Phänomen hat laut Andreas Wirsching, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, eine Unmasse von Beschreibungen und Analysen hervorgebracht. Und kaum ein anderes zeitgenössisches Thema ist seiner Meinung nach ähnlich unterschiedlich, ja konträr bewertet worden. Andreas Wirsching schreibt: „Geradezu messianischem Lobpreis stand und steht nicht selten ein Verdammungsurteil entgegen, das praktisch alle sozialen und politischen Probleme des neuen Europa durch die Globalisierung bedingt sieht.“ Andreas Wirsching zitiert auch Pierre Bourdieu, der die Globalisierung als bloßes Schlagwort betrachtet, das sachlich nur wenig aussagt, sich dafür aber umso besser als pseudo-argumentatives Druckmittel eignet, um neoliberal definierte Interessen im Diskurs durchzusetzen.

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Die Freiheit darf sich nicht auf die Eliten beschränken

Laut Lisa Herzog muss derjenige, der ein Leben in Freiheit führen möchte, den ungezügelten Markt bekämpfen. Der Grundwert des Liberalismus ist ihrer Meinung nach die Freiheit des Individuums. Rechte sichern diese Freiheit. Sie schützen die Religion, die eigene Meinung und deren Äußerung sowie den Lebensstil vor willkürlichen Zugriffen. Lisa Herzog erklärt: „Diese wiederum müssen selbst durch staatliche Instanzen durchgesetzt werden – schon in diesem Sinne kann  ein konsistenter Liberalismus nicht völlig vom Staat absehen. Lisa Herzog hat Philosophie und Ökonomie studiert, an der Universität Oxford über Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Adam Smith promoviert und habilitiert sich jetzt an der Universität St. Gallen.

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Amerika hat die Herrschaft über die Welt verloren

Die Vereinigten Staaten von Amerika galten früher als Erfolgsmodell und als Land der Utopie. Heute herrschen dort, wie der Journalist und Buchautor Olivier Guez behauptet, Mutlosigkeit und die Angst vor einer unbestimmten Katastrophe. Seiner Meinung nach ist der Kapitalismus weiterhin krank, der Westen zutiefst erschüttert und die amerikanische Führungsmacht in Melancholie versunken. Die USA sind desillusioniert und stecken in den Fängen einer tiefgreifenden Misere. Olivier Guez schreibt: „Die Anschläge vom 11. September, der irakische und afghanische Morast, die Lügen des Staates, Finanzskandale, der Börsenkrach, Ungleichheit, Rezession, Massenarbeitslosigkeit – die Vereinigten Staaten haben sich als verwundbar erwiesen: angegriffen und herausgefordert, gespalten und festgefahren.“

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Der Homo oeconomicus dominiert den Neoliberalismus

Für Colin Crouch, dem Autor des Buchs „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“, das im Suhrkamp Verlag erschienen ist, sind nicht nur die Akteure der Finanzmärkte, sondern auch die politischen Anhänger des Neoliberalismus blind für einschneidende Erfahrungen mit der real existierenden Wirtschaft des Kapitalismus. Der oberste neoliberale Grundsatz lautet laut Colin Crouch, dass auf alle Fragen, welche Waren und Dienstleistungen wie hergestellt und gehandelt werden sollen, minimal regulierte Märkte stets die besten Lösungen hervorbringen. Wenn die Märkte nicht so funktionieren wie gedacht, liegt das nach Ansicht der Neoliberalen vor allem an Eingriffen des Staates in das Geschehen des Marktes. Der Neoliberalismus vertritt die These, dass Konsumenten, Investoren und Produzenten den Markt dank des Wettbewerbs wesentlich besser einschätzen können als diskutierende Bürger, Politiker, die sich dem Konsens verschrieben haben und planende Institutionen der Verwaltung.

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Die Generation der Babyboomer hat politisch versagt

Es ist für Frank Schirrmacher, dem Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), nach dem Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident an der Zeit, über die politische Generation der Babyboomer zu reden. Er meint damit großzügig gesprochen die Geburtsjahrgänge von 1955 bis 1970, eine Kohorte, die seiner Meinung nach seit der Jahrhundertwende faktisch die meinungsbildende Mehrheit in Deutschland bildet. Frank Schirrmacher schreibt: „In Gestalt von Christian Wulff, Jahrgang 1959, hat ein Angehöriger dieser Generation das Höchste erreicht und in nie gesehener Geschwindigkeit alles vermasselt. Das ist bemerkenswert.“ Und bemerkenswert ist laut Frank Schirrmacher auch die Tatsache, dass fast das gesamte politische Personal dieser Generation, vor allem in der CDU, schon abgetreten ist.

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Günter Grass warnt vor dem Zerfall der Demokratie

Für den Literaturnobelpreisträger Günter Grass sind es nicht zuletzt die großmächtigen Banken, deren Lobbytätigkeit mittlerweile das gewählte Parlament mitsamt der Regierung in Geiselhaft genommen hat. Der Schriftsteller sagt: „Die Banken spielen Schicksal, unabwendbares. Ihre Vorstände und Großaktionäre formieren sich zu einer Parallelgesellschaft.“ Die gravierenden Folgen ihrer Finanzwirtschaft, die hoch riskant ist, haben schließlich die Bürger als Steuerzahler zu begleichen. Die Menschen bürgen für die Banken, deren Milliardengräber ständig neue Geldmittel erfordern. Laut Günter Grass sind auch die Tages- und Wochenzeitungen, also die Journalisten, dieser Allmacht der Banken ausgesetzt. Er erklärt: „Es bedarf keiner altmodischen Zensur mehr, die Vergabe oder Verweigerung von Anzeigen reicht aus, um die ohnehin in Existenznot geratenen Printmedien zu erpressen.“

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Robert Pfaller ergründet die Angst vor dem Leben

Lust, Genuss, Ausgelassenheit und Unvernunft werden zunehmend von der Gesellschaft diskriminiert. Die meisten Menschen lassen sich von ihrem schlechten Gewissen und den Verboten bevormunden. Der Wiener Philosoph Robert Pfaller weiß, warum dies so ist. Robert Pfaller sagt: „Beim Versuch, am liebsten ewig zu leben, töten die Menschen ihr Leben schon vor dem Tod. Weil sie sich alles, was das Leben lebenswert macht, verbieten oder verbieten lassen.“ Der Mensch der Postmoderne übersieht dabei allerdings, dass er dabei aseptisch, lustlos, humorlos und postsexuell lebt. Alle möglichen Ängste treiben ihn um, schon der Anblick einer Zigarette kann ihm einen tödlichen Schrecken einjagen.

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Tony Judt moniert die Verwahrlosung der Öffentlichkeit

In den letzten dreißig Jahren hat der private Reichtum laut Tony Judt in den Industrienationen deutlich zugenommen. In Amerika, Großbritannien und einigen anderen Ländern haben Finanzgeschäfte die Industrie oder den Dienstleistungssektor als Quelle von Privatvermögen verdrängt und zu einer verzerrten Wertschätzung ökonomischen Handels geführt. Reiche hat es seiner Meinung nach schon immer gegeben, aber heute ist ihr Vermögen größer als zu irgendeiner anderen Zeit. Es fällt Tony Judt leicht, diese privaten Privilegien zu verstehen und zu beschreiben. Schwerer ist es für ihn, die öffentliche Verwahrlosung zu beschreiben, in die viele Staaten versunken sind. Er zitiert Adam Smith, der gesagt hat: „Keine Gesellschaft kann gedeihen und glücklich sein, in der der weitaus größte Teil ihrer Mitglieder arm und elend sind.“

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