Der User will Likes und Shares um jeden Preis

Der Journalismus hat in seiner aufklärenden Rolle die Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen und die Gesellschaft mit relevanten Informationen zu versorgen. Anders Indset stellt fest: „War einst die Produktion und Verbreitung von News aufwendig und demzufolge kostspielig, so gehen die Grenzkosten heute gegen null. Produktion folgt in Echtzeit. Studioqualität ist Rohstoff, der Zugang wird von der Werbung finanziert.“ Kaum sind 280 Zeichen erfasst – nachdem Twitter den Text um das Doppelte erweiterte –, muss der User ihn verbreiten. Likes und Shares um jeden Preis. Bleibendes hat ausgedient, es zählt nur noch der Moment. Die renommierte „Washington Post“ hatte einst den Anspruch, Storys zu drucken, welche die „erste Rohfassung der Geschichtsschreibung“ sind. Heute sind Journalisten und Medien auch dazu gezwungen, auf Tweets zu reagieren. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

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News bedeuten heute vor allem „Skandal“

Viele Menschen sehen sich heute nach Tiefgang. Davon ist Anders Indset überzeugt. Donald Trumps Popularisierung von Fake News führt zu einer Gegenreaktion. Sie verstärkt den Druck auf die Validierung. Anders Indset stellt fest: „Das Phänomen lässt uns mehr Masse mit mehr Klasse gleichsetzen.“ In früheren Zeiten war der Abstand zwischen Ereignis und Bericht größer. Es gab wenige Quellen. Darum hatte man Zeit für eine umfangreiche Recherche. Heute bleibt nicht einmal die Zeit, Die Fehlaussagen und Unwahrheiten aufzuarbeiten. Durch die Demokratisierung und Technologisierung wurde jeder zum Broadcaster, kostenfrei von überall. Das Problem der neuen Technologien ist, dass News heute vor allem „Skandal“ bedeuten. Je größer die Masse, desto lauter, schräger und skurriler muss es sein. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

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Das Internet ist auf den Moment orientiert

Internet-Profile sind nicht statisch, sondern durch eine Permanenz der Performanz des Neuen gekennzeichnet. Andreas Reckwitz weiß: „In der Logik der Weblogs und des Bloggens war von Anfang eine Aktualisierungsanforderung eingebaut. Facebook hat dieser Dynamisierung der Profile durch die Einführung der „Chronik“ einen zusätzlichen Schub gegeben.“ Das Profil-Subjekt muss seine Originalität und Vielseitigkeit so immer wieder unter Beweis stellen, durch beständige, immer neue Performanz. Es reicht nicht, einmal zu bekunden, dass man Australien, Rock-Musik und seine Kinder liebt. Man muss diese Leidenschaften und Interessen durch zeitnahe Aktivitäten sozusagen ständig aufs Neue öffentlich realisieren. Die Permanenz der Performanz des Neuen überträgt die generelle Momentorientierung des Internets auf die Ebene der Fabrikation des Subjekts. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Kein Mensch kann multitasken

Die Meinungen der Menschen über aktuelle Ereignisse wurden und werden zutiefst vom Internet beeinflusst. Viele Menschen lassen sich auf einen ständigen Nachrichtenstrom ein, der zweifellos beeinflusst, wie sie die Welt sehen, und auch prägt, auf welche Weise sie einander ihre Erfahrungen mit der Welt mitteilen. Julia Shaw weiß: „Soziale Medien steigern unsere Möglichkeiten, unabhängige Bestätigungen dafür zu finden, dass unsere Erinnerungen stichhaltig sind, haben aber auch das Potenzial, sie zu verfälschen und zu verzerren.“ Menschen denken über Dinge nach, die sich gerade ereignet haben, sie dokumentieren Dinge, von denen sie denken, sie würden die meisten Likes bekommen, sie filtern ihr Leben so, dass es erstrebenswert und interessant aussieht. Die Rechtspsychologin Julia Shaw lehrt und forscht an der London South Bank University.

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Die Künstliche Intelligenz lässt das Leben bunter aussehen

„Kreativ sein“ – das ist heute in erster Linie nicht mehr die Domäne von ausgewählten künstlerischen Berufen oder von kleinen Kindern. Es ist vielmehr eine Anforderung an alle Menschen, ein reiches und durchgestaltetes Leben zu führen. Holger Volland fügt hinzu: „Wer die sozialen Medien so ernst nimmt wie die 51 Prozent deutsche Jugendliche, die regelmäßig Instagram nutzen – für den ist es sogar eine Notwendigkeit, seine Online-Persönlichkeit professionell kreativ zu gestalten.“ Vergleicht man Selbstporträts der „Generation Instagram“ mit denen älterer Menschen, fällt dies sofort auf, denn ungewollte Schnappschüsse oder echte, aus dem Leben gegriffene Situationen finden sich bei den Jungen nicht mehr. Der Informationswissenschaftler Holger Volland lehrte an der Hochschule Wismar Gestaltung und kuratierte große Ausstellungen der Gegenwartskunst in Argentinien und Deutschland.

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Manfred Spitzer beschreibt die Generation Ich

Als Angehörige der Generation der Babyboomer kann sich Manfred Spitzer noch gut daran erinnern, dass der Drang nach Freiheit und Autonomie, die Ablehnung vermeintlich „verstaubter“ Werte, die Kritik am „System“ etc. in der damaligen Jugendkultur eine bedeutende Rolle gespielt haben. Manfred Spitzer ergänzt: „Unser Verhalten wird den damals schon etwas Älteren wahrscheinlich egozentrisch und wenig einfühlsam vorgekommen sein.“ Damals war man in der Regel als Gruppe unterwegs – man ging gemeinsam demonstrieren und belegte Gruppenseminare zur Selbstfindung. Niemand fand das damals paradox. Man redete damals nächtelang über Probleme, man studierte, wohnte und lebte zusammen. Das war wichtig. Auf die Generation der Babyboomer folgte die Generation X. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.

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Das Gehirn von Teenagern ist besonders anfällig für Belohnungen

Die Universität Stanford hat im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, die klar belegt: „Aus negativen Konsequenzen, also Strafen, lernt man in der Regel nicht nur besonders gut, sondern auch besonders schnell – schneller als mittels Belohnungen.“ Bei Teenagern ist es allerdings genau andersherum, wie französische Neurowissenschaftler herausgefunden haben. Im Gegensatz zu Kindern und Erwachsenen ändern sie ihr Verhalten nur dann, wenn sie dafür belohnt werden. Bestrafungen hingegen sind bei ihnen so gut wie wirkungslos. Grund dafür ist der rasante Umbau des Gehirns während der Pubertät. Wie es dazu kommt, dass Menschen aus Strafen schneller lernen, ist noch nicht abschließend geklärt. Einen Ansatz bietet das Konzept der Verlustaversion, welches von den Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky entdeckt wurde. Sie konnten zeigen, dass Menschen Verluste deutlich stärker gewichten als Gewinne.

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