Jeder Mensch muss sich selbst erziehen

Seneca schreibt: „Von nirgendwo nämlich kommt der Seele mehr Kraft zu als von der Wissenschaft und der Betrachtung der Natur.“ So wichtig es auch ist, sich selbst und die Welt besser zu verstehen und rational zu erschließen, so reicht es nach Seneca nicht aus, wenn nicht gleichzeitig das Gemüt gestärkt wird. Albert Kitzler erläutert: „Erkenntnis und innere Überzeugung mögen das wichtigste Moment in der Motivationskette sein, die uns dazu bewegt, unser Verhalten und unsere Lebensweise, wo es nötig ist, zu verändern.“ Aber der Mensch ist nicht bloß Kopf und Verstand. All die leiblichen, triebhaften, unbewussten Kräfte in einem Menschen, der Bauch also, müssen auch „überzeugt“ werden. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Die Macht fühlt sich wie eine lebendige Kraft an

Ausbeuterisches, selbstsüchtiges und gewalttätiges Handeln vernichtet den Zusammenhalt starker Gruppen. Gruppen wissen das und kennen auch Geschichten von Menschen, die die Macht missbraucht haben und habgierig und unbeherrscht handelten. Dacher Keltner erklärt: „Gruppen verleihen daher die Macht an die, die Begeisterung verbreiten und freundlich, zielorientiert, ruhig und offen sind. Mit dem Ansehen, dass sie einer Person verleihen, zeigen sie an, dass diese fähig ist, für das Wohl der Gruppe zu handeln.“ Gruppen verlassen sich auf den Ruf, wenn es darum geht, zusammenzuarbeiten, zu kooperieren, Bündnisse zu schließen und starke Bindungen einzugehen. Sie erhöhen den Ruf derer, die bereit sind, zu teilen. Und sie schädigen mit deftigen Klatschgeschichten den Ruf derer, die selbstsüchtig sind und sich als Machiavellisten aufführen. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Machtmissbrauch gehört nicht zur menschlichen Natur

Von der Liebe abgesehen, gibt es keinen anderen Bereich des sozialen Lebens, der so gründlich erforscht ist wie der Erwerb von Macht, ihr Missbrauch und schließlich ihr Verlust. Die großen Geschichten vom Missbrauch der Macht und dem darauffolgendem Verlust derselben, faszinieren Menschen seit jeher. Die Fixierung auf den Machtverlust könnte einen Menschen zu dem Glauben verleiten, der Missbrauch von Macht sei unvermeidlich. Aber das Macht-Paradox ist viel komplexer. Dacher Keltner erklärt: „Machtmissbrauch ist nicht Teil der menschlichen Natur.“ Macht bedeutet nicht nur die Möglichkeit, andere beeinflussen zu können, sie prägt auch das Selbstbewusstsein. Das Gefühl, über Macht zu verfügen, löst einen Rausch an Erwartungen aus. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Jeder Mensch sollte selber denken

Die kosmopolitische Erziehung findet laut Immanuel Kant in vier Stufen statt. Sie beginnt erstens mit einer Vorstufe, der Disziplinierung, setzt sich in zwei Hauptstufen, zweitens der Kultivierung und drittens der Zivilisierung, fort. Sie endet viertens in der entscheidenden, eben kosmopolitischen Erziehung, die auf die Moral abzielt. Otfried Höffe erklärt: „Dass Immanuel Kant die Erziehung letztlich auf die Moral ausrichtet, wird man von ihm, dem großen Moralphilosophen, erwarten. Bemerkenswerter sind daher die anderen drei Stufen. Diejenige der Erziehung will er nicht auf eine einzige Aufgabe, die Moral, verpflichten: Lediglich ein Moralwesen soll der Mensch nicht werden.“ Um Missverständnissen der zweiten Stufe zu entgehen, ist Immanuel Kants engerer Begriff der Kultivierung zu beachten. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Im Beruf sind Luxusaufgaben selten

Das „Bloß nicht arbeiten!“-Phänomen zieht sich durch alle Altersschichten und Hierarchieebenen, Branchen, Berufsgruppen, Unternehmen, Verbände, Vereine und Familien: Einige sind voll dabei, übernehmen Verantwortung und Aufgaben und bringen Leistung, während andere gerade einmal das Nötigste erledigen. Wohlgemerkt: Nicht, weil sie nicht könnten, am Ende ihrer Kräfte oder dem Burn-out nahe sind. Nein, wer objektiv nicht kann oder überfordert ist, den und die nimmt Evi Hartmann ausdrücklich von jedem Vorwurf aus: „Ich meine vielmehr jene, die von ihren Voraussetzungen, Qualifikationen und Fähigkeiten durchaus in der Lage sind, die gesellschaftlichen Aufgaben zu erledigen. Sie tun es bloß nicht. Und sie leiden auch nicht darunter, dass sie es nicht tun.“ Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.

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Zärtlichkeit ist der Schlüssel zu einem sinnerfüllten Leben

In ihrem neuen Buch „Zärtlichkeit“ zeigt Isabella Guanzini, dass es möglich ist, über Zärtlichkeit zu sprechen, ohne sentimental oder kitschig zu klingen. Für die italienische Philosophin ist sie der Schlüssel zu einem sinnerfüllten Leben und einem guten Miteinander. Denn das ist heute notwendiger denn je. Denn viele Menschen leben in einer Welt, die immer mehr von ihnen fordert, um im Konkurrenzkampf mithalten zu können. Härte, Überreiztheit und Erschöpfung sind die Folge. Die meisten Menschen haben verlernt, auf die sanfte Macht der Zärtlichkeit zu vertrauen. Zärtlichkeit ist für die Autorin mehr als nur ein Wohlgefühl. Sie ist eine geistige Haltung zur Welt, mit der sich Menschen aus der zermürbenden Erschöpfung der Gegenwart befreien können. Isabella Guanzini ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz.

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Die Zuversicht ist die Kraft der inneren Freiheit

Ulrich Schnabel erzählt in seinem neuen Buch „Zuversicht“ von Menschen, die ihren Lebensmut selbst unter schwierigsten Dingen nicht verloren. Dabei geht es nicht um die naive Hoffnung, dass am Ende irgendwie alles wieder gut wird. Sein Buch ist auch kein Ratgeber im positiven Denken oder eine Empfehlung zum unbeirrten Optimismus, demzufolge es niemals Krisen gibt. Es geht Ulrich Schnabel um jene Art der Zuversicht, die sich keine Illusionen über den Ernst der Lage ist – und die einen Menschen dennoch in die Lage versetzt, der Angst zu trotzen und jene Spielräume zu nutzen, die sich auftun. Die neuesten Erkenntnisse aus Medizin, Neurobiologie, Psychologie und Philosophie zeigen: Nicht die Herausforderungen sind entscheidend, sondern die innere Haltung, die ein Mensch dazu einnimmt. Ulrich Schnabel ist seit über 25 Jahren Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT.

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Georg Milzner kennt die Kraft der inneren Bilder

Innere Bilder spielen heutzutage eine bedeutende Rolle. Auch in Beratungen und Coachings, und natürlich in Therapien kommen Bilder zum Einsatz: „Visualisieren Sie Ihren Erfolg.“ Solche Formeln kennen viele Menschen gut, sie kennen sich aus Büchern und Videos. Sie alle sollen zeigen, wie man mithilfe der seelischen Kraft Erfolg erringt. So etwas ist gar nicht so schwer. Georg Milzner erläutert: „Die Bilder stellen sich sofort ein; ja es ist so, als hätten sie schon auf uns gewartet. Und ein bisschen stimmt das auch.“ Nur, dass sich das dann erst einmal relativiert. Der Hirnforscher Gerald Hüther spricht zu Recht von der „Macht der inneren Bilder“. Denn die Bilder, die man in sich trägt, haben großen Einfluss. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Seneca war ein großer Freund der Worte

Obgleich Seneca wusste, dass es bei der Art der Lebensbewältigung durch Philosophie auf Denken, Erkenntnis und begriffliches Erfassen der Wirklichkeit ankommt, warnte er davor, sich im Gestrüpp der Begriffe und formal-logischen Ableitungen zu verlieren. Albert Kitzler erläutert: „Nach Seneca deuten die Begriffe nur auf die Sachen hin, die es zu verstehen gilt. Ob wir Angst von Furcht unterscheiden, was wir dem einen oder anderem zuordnen, ob wir eine möglichst exakte, lexikalische Definition finden, das sei nur von relativem Wert.“ Wichtiger sei es die Sache selbst zu begreifen und zu lernen, mit ihr umzugehen. Seneca hielt sich mehr an die Erscheinungen, die Phänomene, denen die Worte sich anschmiegen sollten und die er immer wieder mit unterschiedlichen Worten und Bildern möglichst umfassend und genau um- und beschreiben wollte. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Paul Kirchhof weist den Weg zu einer beherzten Freiheit

Paul Kirchhof fordert in seinem neuen Buch „Beherzte Freiheit“ ein neues Denken der freiheitlichen Autonomie des Menschen. An zahlreichen Beispielen zeigt er, wie Menschen durch das Recht und die Politik aus falschem Wohlmeinen eingeschränkt werden. Die Globalisierung und Digitalisierung kann eine Person von einem handelnden Subjekt in ein lenkbares Objekt verwandeln. Paul Kirchhof warnt: „Wenn wir die Sorge für die Freiheit allein dem Staat überlassen, verkümmert unsere innere Kraft dazu.“ Echte Freiheit, so zeigt der Autor, lässt sich in einer an Gütern, Chancen und Informationen übervollen Gesellschaft nicht allein durch die Verbesserung der äußeren Lebensbedingungen gewinnen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Man darf sich vom Hass der anderen nicht anstecken lassen

So nachvollziehbar Hass als Reaktion auf ein Verbrechen ist, so hält er leider einen Menschen in einem negativen Zustand gefangen und schwächt seine Seele. Georg Pieper weiß: „Hass führt zu Anspannung und einer eingeengten Sichtweise. Wir dürfen uns vom Hass der anderen nicht anstecken lassen.“ Weder vom Hass der Islamisten noch vom Hass der Rechtspopulisten oder der Rechtsextremisten. Er macht diese Menschen nach der Ansicht von Georg Pieper außerdem viel wichtiger, als sie eigentlich sind. Und wenn man sich dem Hass gegen sie hingibt, begibt man sich auf die gleiche Stufe mit Leuten, die man wegen ihrer Gewalttaten und ihrer Aggression gegen andere Menschen ablehnt und fürchtet. Dadurch verliert man den Kontakt zu seinen eigenen Stärken und schadet sich selbst. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Das Unbewusste entsteht vor dem Bewussten

Innerhalb des Rahmens der kognitiven Psychologie mit ihrem Primat des Bewusstseins konnte es einen unbewussten Prozess nur dann geben, wenn er zuerst bewusst und vorsätzlich wäre; erst nach beträchtlicher Erfahrung konnte dieser Prozess so reibungslos und effizient verlaufen – in der Psychologie benutzt man dafür den Begriff „automatisiert“ –, dass es keiner großen bewussten Steuerung mehr bedürfte. Bis zur Jahrtausendwende gingen John Bargh und seine Kollegen davon aus, dass dies die einzige Möglichkeit der Entstehung unbewusster mentaler Prozesse sei: Zu Beginn bewusst und aufwendig, gewinnen sie erst durch Erfahrung und Übung die Fähigkeit, unbewusst abzulaufen. Doch sie lagen falsch oder zeichneten zumindest ein unvollständiges Bild. Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Evi Hartmann setzt sich mit dem Begriff der Eliten auseinander

Es ist der traditionelle Elitebegriff, der im Alltag verwendet wird, um jene Menschen zu erfassen, die „das Land regieren und die Wirtschaft lenken“, wie es Leiter von Elitehochschulen gerne bei Absolventen-Abschlussfeiern mit entsprechendem Pathos betonen. Evi Hartmann erläutert: „Dabei geht es um Macht und um Gestaltungskraft. Grob ausgedrückt: Wer sich in einer Spitzenposition befindet, gehört gemeinhin zur Elite.“ Andere nennen das auch „das Establishment“. Beide Begriffe dienen dazu, jene zu identifizieren und zu verorten, die gemeinhin als „führend“ in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft betrachtet werden. So lautet das bislang übliche Begriffsverständnis von „Elite“. Umgangssprachlich übersetzt: Die da oben. Die Experten, Prominenten, Politiker, Millionäre, Milliardäre und Nobelpreisträger. Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.

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Demokratien brauchen Märkte

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden das liberale Denken und die Marktwirtschaft zum Traumpaar der politischen und ökonomischen Theorie. Philipp Blom erläutert: „Der Gedanke, dass alle Menschen gleiche Rechte haben, dass Wissen besser ist als Ignoranz, dass Menschen einander tolerieren müssen, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung sind, wurde auf einem Markt geboren.“ Händler müssen pragmatisch und nicht ideologisch urteilen, sie brauchen sachliche Informationen, die ihnen bei der Urteilsfindung helfen, Informationen, auf die sie Geld wetten können, ohne ruiniert zu werden. Die ersten Zeitungen entstanden im 16. Jahrhundert in Handelszentren, um Kaufleute darüber zu informieren, was bei ihren Handelspartnern geschah, welche Investitionen sicher waren. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Eine Wirtschaftskrise wie 2008 darf sich nicht wiederholen

Philipp Blom ist fest davon überzeugt, dass sich eine Wirtschaftskrise wie 2008 nicht wiederholen darf, weder moralisch noch finanziell: „Mit der Bankenrettung verloren demokratische Regierungen ihre Legitimität in den Augen vieler Bürger, die begriffen oder zu begreifen meinten, dass hier eine Seilschaft sich selbst versorgte, während sie zahllose einfache, hart arbeitende Leute in den Abgrund stürzen ließ.“ Diese Krise hat nicht nur finanzielle Reserven nutzlos verbrannt, sondern auch sehr öffentlich und ohne jedes Schamgefühl den Glauben an die fundamentale Gerechtigkeit einer Gesellschaft, die ehrliche Arbeit belohnt und Verbrechen bestraft. Wenn die liberale Demokratie in den Augen so vieler dramatisch versagt und so offensichtlich immer weniger imstande ist, die fundamentalen Versprechen des Gesellschaftsvertrags einzuhalten, dann ist es verständlich, dass sich die Menschen nach Alternativen umsehen, die ihnen eher geeignet erscheinen, ihre Interessen zu wahren, und die auch ihrem Selbstbild besser entsprechen. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Die Lehre der Stoiker geht auf das Jahr 300 v. Chr. zurück

Eine mit farbenfrohen Fresken geschmückte Säulenhalle – „stoa poikile“ – nicht weit von der Athener Akropolis gab einer antiken Philosophenschule den Namen: der Stoa. Bernd Roeck weiß: „Ihre antike Geschichte umspannt ein halbes Jahrtausend, von der Begründung durch Zenon um 300 v. Chr. bis in die Tage des römischen Kaisers Mark Aurel (161 – 180 n. Chr.).“ Dessen „Selbstbetrachtungen“ sind das letzte bedeutende Zeugnis ihrer vorchristlichen Periode. Die Lehre der Stoiker dürfte dazu beigetragen haben, die Akzeptanz des Christentums im griechisch-römischen Kulturraum herbeizuführen. Umgekehrt werden christliche Theologen in der Philosophie der Stoa mannigfache Punkte der Anknüpfung finden. Zenon hielt den sterblichen Leib gegenüber dem Geist, der dem ewigen Feuer gleiche und damit am göttlichen teilhabe, für unwichtig. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Problem und Lösung stehen in keinem Zusammenhang

Anstatt Probleme zu lösen, ist es besser Lösungen zu (er)finden. Die lösungsfokussierte Methode der Psychotherapeuten Steve de Shazer (1940 – 2005) und seiner Frau Insoo Kim Berg wurde von ihnen 1982 erstmals vorgestellt und als Schule von Milwaukee bekannt. Klaus Biedermann erläutert: „Sie ist keine Psychotherapie im eigentlichen Sinne, denn sie verändert Menschen nicht, sondern unterstützt sie zur Selbsthilfe, damit sie ihre Ziele aus eigener Kraft erreichen. Steve de Shazer war von der Philosophie Ludwig Wittgensteins sehr beeinflusst, der im „Tractatus“ bereits schrieb, Problem und Lösung stünden in keinem Zusammenhang. Zu wissen, wie der Karren in den Dreck gelangt ist, heißt noch lange nicht, dass man dann auch weiß, wie man ihn wieder herausziehen kann. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

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Weise Menschen machen sich nur selten Vorwürfe

Weise Menschen haben keine Kontrollillusionen oder zumindest weniger als die meisten anderen Menschen. Sie wissen aus eigener Erfahrung, wie viel im Leben passieren kann, ohne dass man es vorausgesehen hat, und dass man andere Menschen nur in den seltensten Fällen verändern kann. Judith Glück fügt hinzu: „Aber dieses Wissen macht sie nicht ängstlich, hilflos oder depressiv, denn ihre Erfahrungen haben sie auch gelehrt, Vertrauen zu haben, das, was geschieht, anzunehmen und damit zu arbeiten. Sie wissen, dass sie die Kraft haben, zu bewältigen, was auch immer passiert.“ Wie kann das Gewahrsein, dass man vieles im Leben nicht kontrollieren kann, auf dem Weg zur Weisheit helfen? Zunächst hilft es einem Menschen, Ereignisse richtig zu interpretieren, indem er die unbewusste Annahme korrigiert, dass die Welt sich um ihn dreht. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Jeder Mensch kann sein persönlichen Ängste regulieren

Gesunde Angst ist ein Mechanismus des Schutzes, der das Überleben eines Menschen sichert. Sie warnt und hält einen davon ab, unverantwortliche Risiken einzugehen. Georg Pieper ergänzt: „Zugleich mobilisiert Angst Kräfte, um eine Gefahrensituation zu überstehen und etwa bei einer Schlägerei oder einem Hausbrand schnell weglaufen zu können.“ Aber es gibt eben auch übertriebene Angst, die einen Menschen nicht schützt, sondern im Gegenteil eher Probleme macht. Sie hat einen negativen Einfluss auf das Lebensgefühl und die Lebensgestaltung, und sie vergiftet das Klima in der Gesellschaft. Dieser Angst sollte man deshalb nicht die Macht über sein Denken und Handeln überlassen, sondern dafür sorgen, dass sie von Stärke, Selbstbewusstsein, positiven Gefühlen und Zuversicht gelenkt werden. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Untreue findet statt und zwar ausgiebig

Untreue und ob Menschen auf Monogamie oder Polygamie gepolt sind, ist eine große Frage, ein uralter Zwiespalt zwischen den Gesetzen der menschlichen Natur und Gesellschaftsnormen. Welche Seite man auch immer bei diesem Thema einnehmen möchte, eines ist sicher: Untreue findet statt und zwar ausgiebig. Deshalb spielt sie auch so eine bedeutende Rolle bei Scheidungen. Der Hirnforscher und Neurowissenschaftler Giovanni Frazzetto ergänzt: „Männer und Frauen haben Morde begangen als Vergeltung für Untreue und um den Ehepartner zu eliminieren, der sich widersetzt hat.“ Nach der grundlegenden darwinistischen Evolutionstheorie sind die Merkmale und Eigenschaften einer Spezies und eines Individuums sowohl körperlich als auch verhaltensbezogen vorteilhaft, wenn sie auch zum Fortpflanzungserfolg beitragen. Das heißt, wenn sie sich nicht störend auf die Generation des Nachwuchses auswirken, damit diese ebenfalls fähig ist, zu überleben und sich fortzupflanzen.

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Veränderungen im Leben sind jederzeit möglich

Wer zu viel erwartet, was künftig sein soll, der übersieht, was an Gutem schon da ist. Er macht sich permanent unglücklich, weil er die Gegenwart als unzureichend erlebt. Oder anders gesagt: „Anspruch ist Ablehnung“. Für Reinhard K. Sprenger ist es Selbstbetrug, sein Leben in das aufzuteilen, was ist, und das, was sein sollte. Für ein glückliches Leben ist es sehr praktisch, zu sehen, dass es für das Erleben streng genommen nur den Schwebepunkt der Gegenwart gibt. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Der Augenblick stellt den einzigen Berührungspunkt mit der Wirklichkeit dar, ja er ist die gesamte Wirklichkeit. Die Vergangenheit ist vergangen, und Zukunft wird es im bewussten Erleben des Einzelnen nie geben.“ Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Das Unbehagen am Kapitalismus ist weit verbreitet

Das unbestreitbar Neue am modernen Kapitalismus, wie er seit knapp zwei Jahrhunderten die westliche Wirtschaft formt, ist seine Dynamik. Sie entsteht, weil Unternehmen ihre Gewinne nicht anhäufen, sondern gleich wieder investieren, vorzugsweise in neue Technik, die dazu führt, dass noch mehr und noch billiger produziert und noch mehr Geld verdient wird. Und so weiter. Auf diese Weise wuchs das Vermögen, vermehrte sich die Masse der Konsumgüter, wuchs die Wirtschaft in einem bisher nie gekannten Maße. Allerdings kam es dadurch auch zu einer völlig neuen Ballung ökonomischer Macht. Heute benutzen den Begriff „Kapitalismus“ fast nur noch seine Kritiker. Vor allem bündelt der Begriff das Unbehagen am aktuellen Wirtschaftssystem. An der Tendenz, allem einen Preis zu geben. An dem Trend, für den wirtschaftlichen Vorteil jede Moral beiseite zu stellen.

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Der Optimismus der Menschen vor 1914 war schier grenzenlos

Karl Marx und andere progressive Denker haben ein Geschichtsbild geformt, in dem der Fortschritt zentral ist und alle historischen Hindernisse überwunden werden können. Philipp Blom erläutert: „Im 19. Jahrhundert war dieser Gedanke mehr als verständlich. Wissenschaft und Industrie schienen täglich neue Wunder zu vollbringen, und im Laufe der Jahrzehnte wurden Armut und Krankheiten immer weiter zurückgedrängt.“ Es schien, als sei die Zivilisation tatsächlich imstande, ein Neues Jerusalem zu bauen und Hunger, Armut, Unwissenheit und Krieg völlig auszurotten. Es ist heute schwer nachzuvollziehen, von welchem Optimismus viele Menschen in den westlichen Ländern vor 1914 getragen waren. Alles schien lösbar, alles schien möglich, die Kraft der Zivilisation schien unbegrenzt. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Das Bewusstsein von der eigenen Würde schützt vor Verführbarkeit

Der Neurobiologe Gerald Hüther zeigt in seinem neuen Buch, dass Würde nicht allein ein ethisch-philosophisch begründetes Menschenrecht ist. Würde ist seiner Meinung nach auch ein biologisch verankerter innerer Kompass, der die Menschen in die Lage versetzt, sich trotz vielfältiger und Anforderungen und Zwängen in einer hochkomplexen Welt zurechtzufinden und sich nicht zu verlieren. Deshalb ist es für Gerald Hüther so wichtig, dass jeder Einzelne lernt, die Wahrnehmung der eigenen Würde zu stärken. Denn es ist klar: Wer sich seiner Würde bewusst wird, ist nicht mehr verführbar. Zudem erklärt der Autor in seinem neuen Buch „Würde“ unter anderem was es bedeutet, wenn einem die Würde genommen wird, weil man in der digitalen Welt nur noch als Datensatz zählt oder im Netz geschmäht oder gemobbt wird. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.

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Blaise Pascal erforscht die Kraft der Einbildung

Die Kraft der Einbildung ist jener dominierende Teil im Menschen, jene Herrin über Irrtum und Falschheit, und sie ist umso trügerischer, als sie dies nicht immer ist. Blaise Pascal schreibt: „Denn sie wäre ja ein unfehlbarer Maßstab für die Wahrheit, wenn sie auch unfehlbar in Bezug auf die Lüge wäre. Da sie jedoch in den allermeisten Fällen im Irrtum ist, gibt sie uns kein Material für ihre Qualität an die Hand und zeigt das Wahre und das Falsche auf dieselbe Weise.“ Blaise Pascal spricht in diesem Zusammenhang nicht von Verrückten, sondern von den Allerweisesten: Bei ihnen hat die Einbildung das starke Recht, die Menschen zu überzeugen. Da mag die Vernunft noch so laut schreien, sie kann den Wert der Dinge nicht festsetzen. Das Universalgenie Blaise Pascal (1623 – 1662) gehört zu den schillerndsten Gestalten der Philosophiegeschichte.

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