Jürgen Habermas klagt Martin Heidegger an

Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb sich Jürgen Habermas an der Universität Bonn ein. Später studierte er Philosophie auch in Göttingen und Zürich. Zwischen 1949 und 1953 beschäftigte er sich vier Jahre lang mit Martin Heideggers Philosophie. Sein Brief an den Philosophen war daher durchsetzt mit symbolischen Anklängen. Stuart Jeffries erläutert: „Ein junger Intellektueller forderte seinen älteren Lehrer heraus und verlangte von ihm, sich nicht im Schweigen zu verstecken.“ Sondern er sollte erklären, wie er dazu gekommen war, ein politisch kriminelles System gutzuheißen. Eine neue Generation Deutscher forderte die ältere Generation auf, Rechenschaft abzulegen und vielleicht auch für die begangenen Sünden Buße zu tun. In seinen späteren Schriften stellte Jürgen Habermas die These auf, es gäbe so etwas wie eine kommunikative Vernunft, der emanzipatorische Kraft zu Eigen sei. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

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Die Grundrechte sind in Deutschland unverletzlich

Generell gilt mit Blick auf die Bundesrepublik unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers das Gegenteil von Restauration. Das Grundgesetz war die politische und juristische Antithese zur Weimarer Verfassung. Josef Joffe stellt fest: „Grundsätzlich gilt, dass auf dem Boden der Adenauer-Republik die erste solide verankerte liberale Demokratie mit klar begrenzter Staatsmacht entstand.“ Grundrechte durften überhaupt nicht angetastet werden; Änderungen der Verfassung, die in Weimar von Präsident oder Parlament verfügt werden konnten, erfordern eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Das Naziregime hatte die Gewaltenteilung eingestampft, das Grundgesetz hat sie in Beton gegossen. Dito den Rechtsstaat, ein kompliziertes Gebilde der deutschen und europäischen Jurisprudenz, das endlose philosophische Debatten erzeugt hat, das heißt machtbegrenzten Staat. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

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1998 fand ein Demokratiewandel statt

Im Jahr 1998 ging mit der Ära Helmut Kohl die bis dahin längste Kanzlerschaft der Bundesrepublik zu Ende. Diese entsprach noch ganz dem traditionellen Muster seit Konrad Adenauer. Die Union als Staatspartei schloss bevorzugt ein Bündnis mit der FDP. 1998 ist dann in der Bundesrepublik Deutschland erstmals eine amtierende Regierung abgewählt worden. Dies hatte es seit ihrer Gründung 1949 noch nie gegeben. Rot-Grün kam an die Macht. Das war auch ein Generationenprojekt, die 68er, diese umstrittene Generation war endgültig in der Bundesrepublik angekommen. Edgar Wolfrum stellt jedoch fest: „Die Koalition der Sozialdemokraten mit Bündnis 90/Die Grünen unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer war nach sieben Jahren erschöpft.“ Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Deutsche erinnern sich ungern an das Dritte Reich

Theodor W. Adorno reiste aus dem amerikanischen Exil nach Deutschland ins Zentrum der Barbarei, ins Herz der europäischen Finsternis. Allerdings musste er feststellen, dass seine Landsleute lediglich fünf Jahre nach Kriegsende weiterlebten, als hätte es das Dritte Reich nie gegeben. Wenn Denken verdinglichtes Bewusstsein auflösen sollte, dann geschah dieses Denken am besten auf Deutsch. Stuart Jeffries ergänzt: „Vielleicht war es nach Adornos Auffassung sogar überhaupt nur auf Deutsch möglich.“ Doch dieses Denken auf Deutsch wurde nun mit Argwohn beäugt. Jürgen Habermas sagte später, er könne sich mit den eigenen intellektuellen Traditionen nur aus der Distanz identifizieren. Nämlich einer Distanz, die es ihm ermöglichte, sich in einem Geist der Selbstkritik fortzuführen, mit der Skepsis und Scharfsicht eines Mannes, der bereits einmal betrogen wurde. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

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Josef Joffe bewundert Konrad Adenauer

Als Erstes sagte der beinharte Realist Konrad Adenauer dem Traum von der Wiedervereinigung Deutschlands schon im Herbst 1945 (!) Ade: „Der russisch besetzte Teil ist erst einmal für Deutschland verloren“. Kurz darauf formulierte der Kanzler der Verlierer, was zur Politik des Westens werden sollte, bevor dieser es selber wusste: „Deutschland diesseits der Elbe ist ein integrierender Teil Westeuropas“. Frankreich bat er, nicht das Ruhrgebiet zu internationalisieren, denn das würde unheilvolle Erinnerungen an die Ruhrbesetzung von 1923 wecken und Revanchegelüste befeuern. Es gebe einen besseren Weg, die Sicherheitsängste der Nachbarn zu dämpfen: die „wirtschaftliche Verflechtung“ auf dem Weg zur „Union der westeuropäischen Staaten“. Josef Joffe ergänzt: „Wie es denn auch 1952 mit der Kohle- und Stahlgemeinschaft (EGKS) geschah, welche die klassischen Ressourcen der Kriegsführung europäisierte. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

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Konrad Adenauer revolutionierte die deutsche Außenpolitik

Schon ein halbes Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vier Jahre vor seiner Spätkarriere als Gründungskanzler der Bundesrepublik, hatte Konrad Adenauer die neue Konstellation in Europa realisiert: „Russland hat in Händen die östliche Hälfte Deutschlands, Polen, den Balkan, anscheinend Ungarn, einen Teil Österreichs. Russland entzieht sich immer mehr der Zusammenarbeit mit den anderen Großmächten und schaltet in den von ihm beherrschten Gebieten völlig nach eigenem Gutdünken.“ Für ihn war somit die Trennung in Osteuropa, das russische Gebiet, und Westeuropa eine Tatsache. Andreas Rödder stellt fest: „Konrad Adenauer erkannte die Chancen für Westdeutschland, das er im Oktober 1945 etwas umständlich als „nicht von Russland besetzten Teil Deutschlands“ bezeichnete.“ Seit 2005 ist Andreas Rödder Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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So sah Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus

Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die deutschen Städte in Trümmern. Ihre historischen und industriellen Zentren waren bis zu 80, 90 Prozent zerbombt. Josef Joffe ergänzt: „Total war die moralische Zerstörung nach dem Vernichtungskrieg gegen Juden und andere „Untermenschen“. Die „Stunde null“ wurde zum geflügelten Wort.“ Vor den Deutschen lagen Ächtung und Vergeltung, so weit das Auge reichte. Selbst ein freundlicher Beobachter wie der amerikanischen Deutschland-Historiker Fritz Stern erinnert sich an sein Gefühl des „Misstrauens und der Abscheu“. Doch den Westdeutschen sollte ein dreifaches Glück zuteilwerden. Einmal in der Gestalt von Konrad Adenauer, der 1949 im Bundestag mit nur einer Stimme Mehrheit gewählt wurde – seiner eigenen. Sein Widersacher, der Sozialdemokrat Kurt Schumacher, stand für einen national-neutralistischen Kurs kontra Westbindung und Integration. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

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Deutschland steigt vom Paria zur moralischen Supermacht auf

Deutschland hat nach den Verbrechen und dem totalen Bankrott des Dritten Reiches eine erstaunliche Karriere gemacht. Josef Joffe beschreibt in seinem neuen Buch „Der gute Deutsche“ wie es Deutschland gelang, vom schuldbeladenen Paria zur moralischen Supermacht aufzusteigen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das Land der Aussätzige der Welt. Heute ist die Zweite Republik das beste Deutschland, das es je gab: liberal, stabil, sozial. Josef Joffe zeichnet die Entwicklung der Bundesrepublik als Bildungsroman, der dem klassischen Dreisprung gehorcht: die Not der Jugendjahre, die Prüfungen der Wanderjahre, Läuterung und Reifung im Erwachsenenalter. Unterwerfung, Besatzung und Zerstückelung prägten die Jahre der Not. Zu den Prüfungen zählen unter anderem die hart umkämpfte Wiederbewaffnung un die Westbindung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.

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Die Idee der großen Koalition lähmte die Weimarer Republik

Die Deutschen, so ein weit verbreitetes Urteil, mögen keine politischen Konflikte. Und geradezu allergisch reagieren sie laut Andrea Wirsching, wenn sich der Streit als „Parteiengezänk“ darstellt. Der sozialdemokratische Staatsrechtler Gustav Radbruch hat dieses Phänomen schon in der Weimarer Republik aufgespürt und als „Parteienprüderie“ bezeichnet. Er beschreibt mit diesem Begriff den Unwillen, Parteien als legitime Organe politischer Willensbildung zu akzeptieren. In der Weimarer Zeit suchte deshalb die parlamentarische Elite gegen diesen Unwillen ein Patentrezept und erfand die große Koalition. Viele Politiker der damaligen Zeit erhoben die Idee der großen Koalition zum Maß aller Dinge, wenn es um die Existenzbedrohung des stets prekären Weimarer Parlamentarismus ging. Andreas Wirsching ist Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München/Berlin und Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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Das europäische Modell droht seine Strahlkraft zu verlieren

Eine wichtige Triebkraft der europäischen Integration war das Bestreben der Europäer, sich gemeinsam in der Welt an der Spitze zu behaupten. Zusammen wollten die Staaten Europas weiter eine entscheidende Rolle als globale Macht spielen, die ein Einzelstaat nicht mehr ausfüllen konnte. Politisch ging es laut Dominik Geppert darum, sich als eigenständige diplomatische und geostrategische Kraft zu etablieren. Zunächst gegen die beiden Supermächte USA und Sowjetunion, in jüngster Zeit gegen den machtpolitischen Aufstieg Chinas. Wirtschaftlich stand anfangs vor allem das Ziel im Vordergrund, durch die Europäische Union ein Gegengewicht zu den USA zu schaffen und im 21. Jahrhundert auch gegen aufstrebende Wirtschaftsmächte wie China und Indien bestehen zu können. Dominik Geppert ist seit 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

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Die europäische Integration vollzog sich in Schüben und Sprüngen

Für die Bundesrepublik brachte das Projekt Europa nicht nur die schrittweise Rückgewinnung der staatlichen Souveränität und den Schutz vor der Sowjetunion im Kalten Krieg, sondern auch die Versöhnung mit Frankreich. Die Deutschen konnten sich endlich aus jener halbhegemonialen Position und einer gefährlichen außenpolitischen Isolierung befreien. Die europäische Einigung erscheint vielen Historikern als logische Fortsetzung der deutschen Nationalgeschichte. Doch Dominik Geppert hat ein Problem mit dieser gängigen Interpretation, da sie mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre immer weniger in Einklang zu bringen ist. Er vertritt die These, dass sich die gängigen historischen Begründungen der europäischen Einigung gerade in ihr Gegenteil verkehren. Dominik Geppert erklärt: „Das gilt für den Abbau zwischenstaatlicher Konflikte ebenso wie für die Bewahrung von Recht und Demokratie und die Mehrung von Sicherheit und Wohlstand.“ Dominik Geppert ist seit 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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