Georg Pieper beschreibt die neurotische Gesellschaft

Eine wirklich angstvolle, neurotische Gesellschaft reagiert in akuten Situationen der Bedrohung eher panisch als besonnen. Als Psychologe weiß Georg Pieper, dass ein angstgeprägter Mensch sich schnell angegriffen fühlt und zurückschlägt. Aus psychologischer Sicht ist es seiner Meinung nach nicht auszuschließen, dass eine neurotische, von Angst gelenkte Gesellschaft mit einer entsprechenden politischen Führung aggressiv wird und schlechte Entscheidungen fällt. Die Gesellschaft in Deutschland driftet auseinander, diese beunruhigende und bedrückende Entwicklung verfolgt Georg Pieper schon länger. In den vergangenen Jahren wurde die Kluft zwischen Arm und Reich ständig größer und im sozialen Klima immer deutlicher spürbar. Nun treibt die Angst vor Terror und anderen Unsicherheiten weitere Risse durch die Gesellschaft und ist auf dem besten Wege, sie in unversöhnliche Fraktionen zu spalten. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Georg Baselitz zählt zu den erfolgreichsten Künstlern der Welt

Deutschland beschäftigt sich mit wenigen Künstlern so eingehend wie mit Georg Baselitz. Museen widmen ihm wie jetzt 2016 in Frankfurt am Main, große Ausstellungen. Und doch hat Georg Baselitz gegenüber Deutschland ein tief sitzendes Unsicherheitsgefühl. Sogar Angst, eine geradezu physische Angst. Er traut diesem Land nicht, er traut dem Frieden nicht. Georg Baselitz sagt: „Ich habe Angst vor der Politik, die mir nicht behagt. Ich habe zwei Gesellschaftsordnungen hinter mir gelassen, den Nationalsozialismus, dann den Sozialismus beziehungsweise Kommunismus. Und die deutsche Neigung sich einzumischen in das Leben der Menschen, ist im Moment wieder sehr groß.“ Georg Baselitz hat einfach Angst vor einem Polizeistaat. Manchmal macht der Staat auf ihn einen sehr schwachen Eindruck, aber wenn es darauf ankommt, dann ist er das nicht.

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Um 1900 begeisterte der Fortschritt die Deutschen

Das Symbol einer forcierten Veränderungsdynamik in Deutschland um 1900 war die moderne Großstadt, was am deutlichsten in Berlin zu beobachten war. Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain, der Berlin im Jahr 1892 besuchte, schrieb folgendes über die wachsende Metropole: „Es ist eine neue Stadt, die neueste, die ich je gesehen habe. Chicago nähme sich dagegen ehrwürdig aus, denn es gibt viele altaussehende Bezirke in Chicago, in Berlin jedoch nicht viele. Die Hauptmasse der Stadt macht den Eindruck, als sei sie vorige Woche erbaut worden.“ Ganze Stadtteile entstanden in Berlin um die Jahrhundertwende innerhalb weniger Jahre. Das Verkehrsaufkommen vervielfachte sich. Ein atemloses Tempo bestimmte das Leben. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Fast jeder Mensch läuft mit einem Sack voll Vorurteilen herum

Der schottische Schriftsteller Irvine Welsh wurde durch seinen Debutroman „Trainspotting“ weltberühmt. Dabei ging es um Drogenexzesse mit Heroin und Ecstasy. Dieses Buch schockierte Anfang der 90er-Jahre ganz Großbritannien. Die Verfilmung von „Trainspotting“ gehört zum Kultinventar des gesamten Jahrzehnts. Sein neuer Roman „Das Sexleben siamesischer Zwillinge“ spielt in Miami. Lucy, eine Fitnessverrückte, verhindert darin mit mutigem Eingreifen einen Mord und wird zur Heldin in einem lokalen Fernsehsender. Lena, eine übergewichtige Künstlerin, hat die Heldentat gefilmt und den Medien zugespielt. Danach bleiben die beiden Frauen in Kontakt. Lucy beschießt, auch das Leben von Lena zu retten, indem sie ihre Personal Trainerin wird. Wenn Irvine Welsh besonders dicke Menschen sieht, denkt er zuerst einmal daran, dass sich die Leute wohlfühlen sollten, egal wie sie sind.

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Kurt Tucholsky rechnet schonungslos mit dem Militär ab (4.Teil)

Kurt Tucholsky kehrt psychisch und physisch angeschlagen aus dem Ersten Weltkrieg zurück. Anfang November 1918 tritt er die Stelle des Chefredakteurs der Zeitschrift „Ulk“ an. Der „Ulk“ teilt seine Schläge in erster Linie gegen die Ewiggestrigen, gegen die Schieber und Kriegsgewinnler und die verschlafenen Bürger aus. Aber schon bald richtete sich die Kritik auch gegen den Militarismus. Kurt Tucholsky fordert permanent während dieser Zeit eine geistige Revolution und die Einlösung der Versprechen der Französischen Revolution. Kurt Tucholskys Ideal vom freiheitlichen Verfassungsstaat, getragen von aufgeklärten Bürgern, kann seiner Meinung nach nur durch das richtige Bewusstsein geschaffen werden. „Gegen Gewalt den Geist!“ heißt seine Devise. Und er fügt hinzu: „Alle positiven Vorschläge nützen nichts, wenn nicht die rechte Redlichkeit das Land durchzieht.“

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Der Preis der Arbeit entspricht nicht mehr dem Wert der Leistung

Forscher der Denkfabrik New Economics in Großbritannien haben in einer Studie folgendes errechnet: Jedes britische Pfund, dass eine Putzfrau erhält, schafft mehr als zehn Pfund an gesellschaftlichem Wert. Jedes britische Pfund dagegen, das ein Spitzenbanker kassiert, kostet die Gesellschaft zusätzlich sieben Pfund. Noch verheerender fiel die Bilanz bei Steuerberatern aus: Für jedes verdiente Pfund legen die Steuerzahler noch einmal 47 Pfund drauf. Aus diesen Beispielen wird klar ersichtlich, dass eine hohe Bezahlung nicht heißen muss, dass auch die gesellschaftliche Leistung des Bezahlten hoch zu bewerten ist. Wer ein hohes Einkommen hat, hat möglicherweise viel geleistet, aber nicht unbedingt für die Allgemeinheit. Was eine Person pro Monat verdient, hängt weniger davon ab, was er tut, sondern wieviel andere Menschen dafür bezahlen wollen.

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Die Bevölkerung kann in der Klimafrage die Führung übernehmen

Wissenschaftler schätzen, dass im Jahr 2050 zwischen neun und zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Auf die Frage, ob die Menschheit diese Menschenmenge verkraften kann, antwortet der ehemalige UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Kofi Annan: „Wir können bereit sein, wenn es uns gelingt, den Klimawandel anzugehen, Nachhaltigkeit und genug Nahrung für alle zu garantieren.“ Aber schon bei sieben Milliarden Menschen lastet auf der Erde ein gewaltiger Druck. Immer mehr Menschen steigen in die Mittelklasse auf und essen verstärkt Fleisch. Wenn die Menschheit weiter so wächst, muss sich einiges auf der Erde zum Guten wenden. Laut Kofi Annan wird die Macht von einzelnen Individuen in diesen großen Fragen oftmals unterschätzt. Der einzelne Mensch hat seiner Meinung nach durchaus Macht, vor allem über Entscheidungen, die sie treffen und über das was sie kaufen. Darüber können sie einen Druck ausüben.

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Der Liberalismus verbündet sich mit der Arbeiterklasse

Der Liberalismus wollte die Kultur außerhalb des Staats ansiedeln. Davon abgesehen wollte er den Staat nicht vernichten, sondern begnügte sich laut Otto Kircheimer damit, in ihm eine seiner ökonomischen Position äquivalente Machtstellung zu erringen. In diesem Kampf, der immer voll Respekt und geheimer Bewunderung für die diesen Staat repräsentierenden Mächte blieb, war die Waffe des Liberalismus die Konstitution. Otto Kirchheimer schreibt: „Der geringe politische Eigengehalt des Liberalismus ließ ihn in Frankreich zweimal dem Machtwillen eines Napoleon unterliegen, während er in Deutschland in vorbismarckscher und Bismarckscher Zeit seine Selbstständigkeit gegenüber der Staatsmacht immer wieder preisgab.“ Die Konstitution und der Rechtsstaatsgedanke überhaupt, in die der Liberalismus laut Otto Kirchheimer ein ihre wahre Bedeutung weit übersteigertes Vertrauen setzte, sollte ihm dazu verhelfen, die herrschenden Adelsschichten auf einen genau festgelegten Tätigkeitsbereich festzulegen.

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Rolf Dobelli stellt die Kunst des klugen Handelns vor

Klarer zu denken und klüger zu handeln bedeutet für den Bestsellerautor Rolf Dobelli zuerst einmal alle Denk- und Handlungsfehler zu entfernen. In seinem neuen Buch „Die Kunst des klugen Handelns“ hegt Rolf Dobelli einen ganz einfachen Wunsch. Er schreibt: „Wenn es uns allen gelänge, die wichtigsten  Denkfehler zu vermeiden – sei es im Privatleben, im Beruf oder im politischen Entscheidungsprozess –, resultierte ein Quantensprung an Wohlstand. Wir brauchen keine zusätzliche Schlauheit, keine neuen Ideen, keine Hyperaktivität, wir brauchen nur weniger Dummheit.“ Rolf Dobelli war CEO verschiedener Tochtergesellschaften der Swissair-Gruppe und ist heute Unternehmer. Er ist Gründer von ZURICH.MINDS, einer Community von weltweit führenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft, Gründer von Ccademy, einer Akademie für Entscheidungsfindung, und Mitgründer von getAbstract, dem weltgrößten Anbieter von komprimierter Wirtschaftsliteratur.  

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Rudolf Eucken stellt die Lebensordnung des Naturalismus vor

Eine Lebensordnung des Naturalismus konnte nach der Auffassung von Rudolf Eucken nicht eher entstehen und sich in voller Klarheit zeigen, bevor das Bild der Natur alle Zutat seelischen Lebens verbannte. Zum Hauptziel der Forschung wird, seit dem Beginn der Neuzeit, die Natur in ihrer reinen Tatsächlichkeit zu erfassen. Alle innere Eigenschaft und seelenartiges Streben wird als eine Verfälschung aus ihr entfernt. Die Natur wird in ein Reich unbesselter Massen und Bewegungen umgewandelt, worin alles in einfachen und durchgehenden Formen, nach unveränderlichen Gesetzen geschieht. Dies vollzieht sich aus eigener Notwendigkeit, wobei die Sorge um das Wohl des Menschen ausgeklammert bleibt. Rudolf Eucken schreibt: „Von Anfang an bestand viel Neigung, dies Reich der Natur für das Ganze der Wirklichkeit auszugeben und zugleich alle Wissenschaft nach Art der Naturwissenschaft zu gestalten.“

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Für Matt Ridley ist die Erde noch ein Tal der Tränen

Der Bestsellerautor und Doktor der Zoologie Matt Ridley erklärt, dass der Begriff Optimismus, als er zum ersten Mal auf französisch im Jahr 1750 auftauchte, spezifisch auf die Leibniz`sche „Theodizee“ bezogen war. Er sagt: „Ein Optimist in dem Sinne war einer, der glaubte, dass diese die beste aller möglichen Welten sei.“ Matt Ridley dagegen vertritt die These, dass in dieser unseren Welt noch viel im Argen liegt. Für ihn ist die Erde ein Tal der Tränen, verglichen mit dem Zustand, den die Menschheit erreichen könnte, wenn sie keine Riesenfehler begeht und sich selbst auslöscht. Matt Ridley hat folgende Bestseller geschrieben: „Eros und Evolution“ (1994), „Die Biologie der Tugend“ (1997), Alphabet des Lebens (1999) sowie „Wenn Ideen Sex haben (2011).

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Gesellschaftliche Ungleichheit gefährdet die Demokratie

Für Tony Judt muss unter all den konkurrierenden und nur partiell miteinander zu vereinbarenden Zielen, die von der Politik angestrebt werden, an oberster Stelle der Abbau von Ungleichheit in einer Gesellschaft stehen. Er glaubt, dass bei dauerhafter Ungleichheit alle anderen erstrebenswerten Ziele viel schwerer zu erreichen sind. Die Armen und Benachteiligten der Welt können momentan kaum Gerechtigkeit erwarten. Tony Judt präzisiert: „Sie haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, sie haben eine geringere Lebenserwartung und weniger Entfaltungsmöglichkeiten. Sie haben keine gute Schulbildung, aber ohne Schulbildung können sie nicht auf einen halbwegs sicheren Arbeitsplatz hoffen und schon gar nicht am kulturellen Leben ihrer Gesellschaft teilnehmen.“

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Tony Judt moniert die Verwahrlosung der Öffentlichkeit

In den letzten dreißig Jahren hat der private Reichtum laut Tony Judt in den Industrienationen deutlich zugenommen. In Amerika, Großbritannien und einigen anderen Ländern haben Finanzgeschäfte die Industrie oder den Dienstleistungssektor als Quelle von Privatvermögen verdrängt und zu einer verzerrten Wertschätzung ökonomischen Handels geführt. Reiche hat es seiner Meinung nach schon immer gegeben, aber heute ist ihr Vermögen größer als zu irgendeiner anderen Zeit. Es fällt Tony Judt leicht, diese privaten Privilegien zu verstehen und zu beschreiben. Schwerer ist es für ihn, die öffentliche Verwahrlosung zu beschreiben, in die viele Staaten versunken sind. Er zitiert Adam Smith, der gesagt hat: „Keine Gesellschaft kann gedeihen und glücklich sein, in der der weitaus größte Teil ihrer Mitglieder arm und elend sind.“

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