Das Bürgertum hat den Kitsch erfunden

Der Kitsch ist eine Erfindung des Bürgertums. Das bedeutet allerdings nicht, dass vorbürgerlichen Gesellschaften keine kitschigen Gegenstände, Bilder oder Kunstwerke hervorgebracht hätten. Der Adel und die Bauernschaft sind nicht gegen den Kitsch immun gewesen. Alexander Grau erläutert: „Doch kitschig ist niemals ein einziges Artefakt. Ein kitschiger Gegenstand muss, um kitschig zu sein, immer eingebunden sein in eine Kitschkultur, die Kitsch hervorbringt.“ Gäbe es nur einen kitschigen Gegenstand, er wäre nicht kitschig. Ferner gilt: Nicht jede süßliche, überzogene und übertriebene Verirrung des Geschmacks ist Kitsch. Dazu wird schlechter Geschmack oder das Überladene und Überbordende erst, wenn das Zuviel mehr sein will als einfach nur Dekoration. Kitsch beginnt dann, wenn das Übertriebene nicht einfach das Ergebnis einer Übertreibung ist, sondern aufgrund einer kitschigen Ideologie für wahrhaftig gehalten wird. Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist.

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Eine kitschige Weltsicht verspricht Halt und Orientierung

Die Rationalität ist der Treibstoff des wissenschaftlichen Denkens, von sachlicher Abwägung und nutzenorientiertem Pragmatismus. Genau hierin aber wittert die sentimentale Seele die Ursache für die Ausbeutung, Ungleichheit, der Unfähigkeit zum Frieden und die Zerstörung der Natur. Alexander Grau fügt hinzu: „Diesem imaginierten Szenario der Entfremdung setzt das kitschige Bewusstsein eine Version absoluter Empathie, Gefühligkeit und Harmonie entgegen.“ Nur sie sind in der Lage, bestimmte Normen und Verhaltensweisen zu entwickeln. Diese sollen nicht nur einen schonenden Umgang der Menschen untereinander ermöglichen, sondern auch des Menschen mit der Natur. Dass in der Natur selbst Kategorien wie Empfindsamkeit, Empathie und Achtsamkeit überhaupt nicht vorkommen, stört das kitschige Gemüt naturgemäß wenig. Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist.

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Kitsch ist ein Narkotikum des Geistes

Kitsch ist Lüge. Oder wie es Alexander Grau etwas geschraubter ausdrückt: „Kitsch ist Weltflucht im Jargon der Eigentlichkeit.“ Er behauptet etwas zu sein, was er nicht ist und er gibt vor einen Wert zu haben, der ihm nicht zukommt. Kitsch will betrügen und dies in doppelter Art und Weise: Zuerst einmal betrügt er den, an den er sich wendet. Mehr noch aber betrügt er denjenigen, der ihn in dem Bewusstsein erzeugt, wahrhaftig zu sein. Kitsch ist für Alexander Grau daher allenfalls als Produkt von Zynismus hinnehmbar. Das macht ihn zumindest intellektuell erträglich. Der Produzent von Nippes, der Hersteller von Tand und Plunder, weiß zumindest kühl berechnend, was er tut, wenn er gezielt Geschmacklosigkeit feilbietet. Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist.

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Der Wille zur Wahrhaftigkeit prägt die intellektuelle Redlichkeit

In dem Maße, in dem die menschliche Würde durch den Willen zur Wahrhaftigkeit bestimmt wird, hat sie mit einer Einstellung zu tun, die Peter Bieri intellektuelle Redlichkeit nennt. Als Maxime formuliert lautet sie: „Man soll nicht vorgeben, Dinge zu wissen, die man nicht weiß und nicht wissen kann.“ Allerdings kann jeder viele Annahmen und Überlegungen aussprechen und zur Diskussion stellen. Selbst Vermutungen und Denkübungen, die auf wackligen Füßen stehen. Das ist für Peter Bieri nichts, was die intellektuelle Redlichkeit verbietet. Was sie nicht erlaubt, ist, dass man sie als Wissen ausgibt – als etwas, worauf man bauen kann. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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In der Erotik bestimmen individuelle Vorlieben die Schönheit

Der große Denker Immanuel Kant schrieb über die Schönheit folgenden Satz: „Ein jeder muss eingestehen, dass dasjenige Urteil über Schönheit, worin sich das mindeste Interesse mengt, sehr parteilich und kein reines Geschmacksurteil sei.“ Triebhaftigkeit hat bei ihm keinen Platz. Für Rebekka Reinhard ist das Motiv dafür klar. Ihrer Meinung nach bringt nichts die Herrschaft des kühl urteilenden Verstandes schneller zu Fall als der animalische Drang nach Schönheit. Rebekka Reinhard fügt hinzu: „Liebe ist aufgrund des ihr eigenen erotischen Trachtens die natürliche Feindin zweckfreier Kontemplation.“ Dr. Rebekka Reinhard studierte Philosophie, Amerikanistik und Italianistik und promovierte über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Zu ihren erfolgreichen Büchern zählen „Die Sinn-Diät“, „Odysseus oder Die Kunst des Irrens“ und „Würde Platon Prada tragen?“

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Schönherr-Mann schätzt den Pragmatismus als Lebenskunst

In seinem Buch „Vom Nutzen der Philosophie“ geht Hans-Martin Schönherr-Mann der Fragestellung anhand von großen philosophischen Themenbereichen nach, was ein Mensch gewinnt, wenn er pragmatisch denkt. Seine Fragen lauten zum Beispiel: Wozu nützen Ethik, für was ist die Ästhetik gut und welche positiven Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft hat die Sozialphilosophie im Alltag? Ein philosophisch inspirierter Pragmatismus soll laut Hans-Martin Schönherr-Mann zu einer Lebenskunst beitragen, ohne sich dabei in höhere philosophische Gefilde zu verirren. Der Autor schreibt: „Dergleichen droht nämlich, wenn man in der Nachfolge Nietzsches unbedingt aus dem Leben ein Kunstwerk machen möchte. Andererseits soll eine pragmatische Lebenskunst verhindern, in kitschige Banalitäten abzurutschen, indem man einfach schöner leben möchte.“ Prof. Dr. Dr. Hans-Martin Schönherr-Mann ist seit 2003 Professor für Politische Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 

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