Die Sinnsuche im Job hat epidemische Ausmaße angenommen

Ingo Hamm schreibt: „Wir alle haben keine Sklavenjobs. Niemand von uns muss auf der Galeere rudern oder im Steinbruch Brocken klopfen. Auch verdienen die meisten von uns – hier in der westlichen Welt – ganz ordentlich.“ Es reicht um Leben und es reicht gut, auch wenn viele auf hohem Niveau, sprich mit schönem Häuschen und Drittwagen für den studierenden Filius, klagen. Die meisten Menschen können also zufrieden sein. Im Großen und Ganzen. Nur sie sind es definitiv nicht. Die Sinnsuche im Job hat inzwischen epidemische Ausmaße angenommen wie auch das generelle „Unbehagen in der Arbeitskultur“, wie es Sigmund Freud betiteln würde. Findige Arbeitgeber spüren natürlich dieses brodelnde Unbehagen – eventuell auch und gerade bei sich selbst. Dr. Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt.

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Die Demokratie hat sich als sehr widerstandsfähig erwiesen

Roger de Weck kritisiert: „Der Nationalismus befeuert den Verteilungskampf zwischen Partner und Nachbarn. Der Ultrakapitalismus bringt Umverteilung zugunsten von Reichen und Superreichen. Die Digitalisierung schafft Räume der Hemmungslosigkeit, sei es in den sozialen Medien, sei es in der Weltwirtschaft.“ Die triumphale Rückkehr der Rücksichtslosigkeit signalisiert, dass nicht nur der Zweite Weltkrieg, sondern schleichend auch die Nachkriegszeit in Vergessenheit gerät. Allerdings wirkt sie noch in die Gegenwart hinein. Europa hat bislang weder die soziale Marktwirtschaft vollends abgeschrieben noch die Evidenz verlernt, dass die Nation für die großen Probleme zu klein und für die kleinen Probleme zu groß ist, wie der Soziologe Daniel Bell schrieb. Und in vielen Ländern haben sich die bedrängten Institutionen der Demokratie als außerordentlich widerstandsfähig erwiesen. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Der CEO und die Topmanager wollen ihr eigenes Gehalt steigern

Das Zunehmen von Ungleichheit ist zum großen Teil auf Veränderungen an der obersten Spitze der Gesellschaft zurückzuführen. Jonathan Aldred erklärt: „Der Einkommensanteil des obersten Prozent ist erheblich gestiegen, sowohl im Vergleich zu den unteren 99 Prozent als auch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.“ Warum ist das so? Das liegt nicht an weltweit wirkenden ökonomischen Kräften oder neuen Technologien. Und die Erklärung der Grenzproduktionstheorie ist entweder falsch oder tautologisch. Der wahre Grund ist ebenso einfach wie erstaunlich. Einfach, weil letztlich das oberste Prozent schlichtweg beschlossen hat, sich selbst viel mehr zu zahlen. Und erstaunlich, weil man diese Leute – zumindest am Anfang – dazu eingeladen hat, das zu tun. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

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Der Kapitalismus schafft Wohlstand

Der moderne Kapitalismus ist in zweierlei Hinsicht unschlagbar: Indem er Wohlstand schafft und indem er Neid erweckt. Vielleicht gehört beides sogar zusammen. Morgan Housel vermutet: „Möglicherweise treibt uns erst der Wunsch, andere zu übertreffen, zu besonderen Leistungen an.“ Aber wenn man nie genug bekommt, macht das Leben überhaupt keinen Spaß. Wie Morgan Housel sagt: „Glück ist Erfolg minus Erwartungen.“ Wer sich mit „genug“ zufriedengibt, hat erkannt, dass das Gegenteil – das unersättliche Streben nach immer mehr – letztlich nur unzufrieden macht. Viele Menschen hören erst dann auf, nach mehr zu gieren, wenn sie gegen eine Mauer laufen und gezwungen sind, aufzuhören. Sei es nun aus ganz harmlosen Gründen, weil sie einen Burn-out erleben oder eine riskante Anlageposition nicht länger halten können. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.

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Der Kapitalismus strebt nach Umsatz und Gewinn

In der Logik des Kapitalismus ist Umsatz und Gewinn zu steigern grundsätzlich gut. Und das inwendige Gesetz zwingt zu einem Schneller, Höher, Weiter und Mehr. Richard David Precht stellt fest: „Die dazugehörige Mentalität ist der Egoismus, der jeden Marktteilnehmer gegenüber anderen abgrenzt, ihn stärkt und das Wachstum antreibt.“ Ökonomisch ist das in sich schlüssig. Allerdings besteht die Welt nicht nur aus einer solchen Logik. Sondern es existiert auch eine Psychologik mit völlig anderen Bedürfnissen. Nämlich nach Anerkennung und Liebe, zum Beispiel, die nicht eins zu eins mit Geld aufzuwiegen sind. Die Menschen sehnen sich nach Freundschaft, nach einem harmonischen Sozialleben und nach einer Gesellschaft, in der sie gerne leben möchten. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Ökonomie und Polarisierung entmachten die Demokratie

In seinem Buch „Das Unbehagen in der Demokratie“ beschreibt Michael J. Sandel wie nicht rechenschaftspflichtige Macht und verfestigte Polarisierung zusammenhängen. Beide entmachten demokratische Politik. Der Autor schreibt: „Die Kulturkämpfe sind so kontrovers und unwiderstehlich, dass sie uns davon abhalten, gemeinsam das System von einseitiger Manipulation zu befreien.“ Um die amerikanische Demokratie wieder aufleben zu lassen, muss man zwei Fragen erörtern. Wie kann man die Wirtschaft so reformieren, dass sie demokratischer Kontrolle unterliegt? Und wie kann man die Polarisierung abschwächen, damit die Amerikaner die Fähigkeit erlangen, sich zu effektiven demokratischen Bürgern zu entwickeln? Es kommt also darauf an, einerseits wirtschaftliche Macht zur Verantwortung zu ziehen und andererseits die Bürgerschaft zu stärken. Michael J. Sandel ist ein politischer Philosoph. Er studierte in Oxford und lehrt seit 1980 in Harvard. Er zählt zu den weltweit populärsten Moralphilosophen.

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Die Globalisierung hat auch negative Folgen

Die Globalisierung wirkt sich sowohl auf die Arbeitsplätze als auch auf die Löhne aus. Ein hoch entwickeltes Land wie die USA importiert arbeitsintensive Güter, die gering qualifizierte Arbeitskräfte herstellen. Dadurch sinkt die Nachfrage nach Geringqualifizierten in den USA, einfach deshalb, weil man weniger von diesen Gütern im Inland produziert. Joseph Stiglitz weiß: „Wenn wir Vollbeschäftigung anstreben, müssen die Löhne für Geringqualifizierte – inflationsbereinigt sinken. Und wenn die die Löhne nicht in ausreichendem Maße zurückgehen, steigt die Arbeitslosigkeit.“ Jeder, der an das Gesetz von Angebot und Nachfrage glaubt, sollte verstehen, warum sich die Globalisierung negativ auf gering qualifizierte Beschäftigte auswirkt. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Geldgier ist in der Plutokratie legitim

In der Plutokratie – anders als in der Demokratie – ist schrankenlose Geldgier legitim. Im Falle von Donald Trump sogar legitimierend. Und Plutokraten dürfen die öffentliche Meinung herrisch ignorieren. Roger de Weck stellt fest: „So faszinierend Milliardäre für die Medien sind, so autoritär ist ihr Kommando. Selbst wenn die politische Korrektheit hegemonial wäre, wie ihre Kritiker jammern, könnte sie gegen die Oligarchie nichts ausrichten.“ Wie wenig kulturelle Hegemonie bewirkt, erfuhren nach ihrer Revolte vom Mai 1968 die linken Studenten. Von ihnen hatte einige den italienischen kommunistischen Philosophen Antonio Gramsci gelesen. Den 68ern gelang es damals – breiter als heute den Aktivisten der Korrektheit –, die Begriffe zu besetzen. Ihr Denken sickerte in viele Kreise. Sie hatten den Löwenanteil an der öffentlichen Debatte. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Das demokratische System gerät unter Druck

Weltweit ist man sich heute der Tatsache bewusst, dass der Kapitalismus amerikanischer Spielart hauptsächlich den Reichen nützt. Auf der anderen Seite haben viele Menschen in den USA keinen ausreichenden Zugang zur Gesundheitsversorgung. Für die Soft Power der USA sind diese beiden Missstände sehr abträglich. Joseph Stiglitz warnt: „Diejenigen, die an die Demokratie glauben, sollte dies zutiefst beunruhigen.“ Denn es findet ein Kampf der Ideen über alternative Gesellschafts-, Politik- und Wirtschaftssysteme statt. Und es sollte viele Menschen alarmieren, dass sich weite Teile der Welt von den Vorzügen des demokratischen Systems abwenden. Glücklicherweise ist der Kapitalismus amerikanischen Stils nur eine von vielen verschiedenen Arten demokratischer Marktwirtschaften. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die Chipbranche macht 500 Milliarden Dollar Umsatz

Für Adam Smith war die Effizienz das Ziel, nach dem der Homo oeconomicus strebt und dem sich die Gesellschaft zu unterwerfen hat. Am 14. Mai 2021 druckte die „New York Times“ einen Gastbeitrag des Wirtschaftswissenschaftlers Alex T. Williams. Der Artikel handelte von der weltweiten Knappheit in der Lieferkette der Halbleiterproduktion. Jeremy Rifkin erläutert: „Dabei handelt es sich um die winzigen Mikrochips, die in den unzähligen Prozessen und Produkten unserer intelligenten digitalen Welt Verwendung finden. Die Halbleiterbranche macht pro Jahr 500 Milliarden Dollar Umsatz.“ Um zu verstehen, wie ernst das Problem ist, reicht ein Blick auf den Autohersteller Ford. Der Konzern rechnete aufgrund der aktuellen Halbleiter-Knappheit mit Einbußen von 2,5 Milliarden Dollar. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington.

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Monopole zerstören den Wohlstand

Hans-Jürgen Jakobs beschreibt in seinem neuen Buch „Das Monopol im 21. Jahrhundert“ wie private Unternehmen und staatliche Konzerne den Wohlstand der Bürger zerstören. Der Autor verwendet den Begriff „Monopol“ nicht strikt als Synonym für Alleinanbieter. Denn so etwas kommt sehr selten vor. Sondern er bezeichnet damit Unternehmen, die sich extrem hoher Marktanteile erfreuen und somit eine bestimmende Wirkung haben. Einen „Monopolismus“ gibt es inzwischen weltweit in zwei Varianten. Im Westen hat er sich durch das Wirken von Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft metastasenartig ausgebreitet. Digitalisierung ist für sie Monopolisierung, in der Öffentlichkeit als angebliches Grundgesetz der Plattformökonomie verkauft. Die östliche Variante des Monopolismus ist staatlich beziehungsweise verstaatlicht. China steht mit seinem Staatsmonopolismus für die zweite Spielart des Monopolismus. Hans-Jürgen Jakobs ist Volkswirt und einer der renommiertesten Wirtschaftsjournalisten Deutschlands.

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Philipp Hübl erklärt den ästhetischen Kapitalismus

Besonders verfeinerte Speisen und Getränke sind Teil eines größeren Phänomens der Moderne, nämlich der Individualisierung. Philipp Hübl stellt fest: „Sobald wir alles besitzen, müsste unser Konsum eigentlich deutlich nachlassen.“ Das ist aber nicht der Fall, denn in diesem Moment setzt der „ästhetische Kapitalismus“ ein. Jetzt will man das ästhetisch Neue und Besondere, die „Singularitäten“, wie der Soziologe Andreas Reckwitz sagt. Man wünscht sich originelle oder seltene Einzelstücke und unwiederholbare Ereignisse. Und daher konsumiert man immer weiter. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat schon vor einem halben Jahrhundert in seiner Studie „Die feinen Unterschiede“ herausgearbeitet, dass es beim Konsum genau darauf ankommt. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Einparteienstaaten fördern Scharlatane und Narren

Die schlimmsten Einparteienstaaten sind diejenigen, die unerbittlich alle Talente und Begabungen durch Scharlatane und Narren ersetzen. Ihre Dummheit und ihr Mangel an Einfällen sind so lange die Bürgschaft für die Sicherheit des Regimes, als dieses noch nicht seine eigene Funktionärsschicht herangezogen hat. Lenins Verachtung für die Vorstellung von einem neutralen Staat, einer unpolitischen Beamtenschaft und neutralen Medien war ebenfalls ein wichtiger Bestandteil seines Einparteiensystems. Anne Applebaum weiß: „Die Pressefreiheit bezeichnete er als Täuschung und die Versammlungsfreiheit als leeres Gerede. Die parlamentarische Demokratie war für nichts als eine Maschinerie zur Unterdrückung der Arbeiterklasse.“ Die Presse konnte nur frei und staatliche Institutionen nur fair sein, wenn sie der Kontrolle der Arbeiterklasse oder genauer gesagt der Partei unterstanden. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Die Technik ist ein großer Wachstumsfaktor

Zwei Lager stehen sich bei der Debatte über die Zukunft der Arbeit gegenüber, deren Prognosen gegensätzlicher nicht sein könnten. Richard David Precht erläutert: „Die einen sehen Zeiten der Vollbeschäftigung voraus. Hat nicht der technische Fortschritt immer die Produktivität erhöht und die Anzahl der Arbeitenden?“ Sie können dabei auf den amerikanischen Nobelpreisträger Robert Solow verweisen. Seiner Meinung nach hat der technische Fortschritt stets eine gewaltige Steigerung der Produktivität ermöglicht. Nicht Arbeit und Kapital, sondern vielmehr die Technik sei der entscheidende Wachstumsfaktor. Auf der anderen Seite sagte der britische Ökonom John Maynard Keynes im Jahr 1933 voraus, der Fortschritt in den Industrieländern würde zu einer Massenarbeitslosigkeit führen. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Die Folgekosten des „Aufbau Ost“ wurden unterschätzt

Die Neubildung der deutschen Nation – und darum ging es ja bei und nach der Wiedervereinigung von 1990 – schien gelungen. Deutschland war ein postklassischer Nationalstaat, als Großmacht gezähmt, da in vielfältige supranationale Strukturen und Gebilde eingebunden. Die Deutschen hatten aus ihrer Geschichte gelernt und begriffen, dass sie nach zwei Weltkriegen und ungeheuerlichen Verbrechen eine unverhoffte zweite Chance erhielten, wie sie im Leben nur selten vorkommt. Edgar Wolfrum erinnert sich: „Der äußeren Einheit würde rasch die innere Einheit folgen. „Blühende Landschaften“ wurde versprochen. Das war die erste Täuschung.“ Die Transformation von einer sozialistischen Planwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft verlief nicht reibungslos. Zwischen West und Ost tat sich ein großer Graben auf, die Folgekosten des „Aufbau Ost“ wurden massiv unterschätzt. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Die Demokratie wirkt manchmal ohnmächtig

Wie der Staat beugen sich auch viele Bürger dem Gesetz des Ultrakapitalismus. Dies geschieht aus Ohnmacht, Orientierungslosigkeit und Opportunismus. In den vergangenen vier Jahrzehnten boten die Demokratien keine realistische Alternative zu einer Politik, die sich halb resigniert, halb geschmeidig in den Dienst der Kapital- und Arbeitgeber stellte. Roger de Weck warnt: „Die liberale Demokratie wird jedoch undemokratisch, wenn sie stets den Sachzwängen einer Machtwirtschaft unterliegt, die sie nicht zu ordnen vermag.“ Ein bisschen mehr nach rechts, ein Spürchen nach links – die Wähler wählen, und dann entscheidet der Markt? Auf die Dauer spüren alle, dass in der Wirtschaftspolitik die Regierung tut, was eine andere Regierung auch täte. Die Franzosen sprechen hier vom Einheitsdenken. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Der Konsument prägt die Richtung des Kapitalismus

Konsumenten entscheiden auch über die ökologische Verfassung der globalisierten Welt. Vorausgesetzt sie verfügen über ein Mindestmaß an Wohlstand und Wissen, das dafür notwendig ist. Ulf Poschardt stellt fest: „Den wohlhabenden Deutschen fällt dabei eine besondere Vorbildfunktion zu. Im Kapitalismus verändert der Konsument mit seiner Nachfrage ständig und umfassend die Ausrichtung des Kapitalismus.“ Doch die Folgen des Konsums wurden lange verdrängt. Bis sie durch Katastrophen wie das Waldsterben, BSE und nun die Klimakrise schockhaft ins Bewusstsein drängten. Wollen die reichen westlichen Länder eine Vorbildfunktion einnehmen, dann sollten sie Geld vor allem für wertbeständige und energieeffizient produzierte Konsumgüter ausgeben. Auch durch eine Reparaturgesellschaft entstehen neue Arbeitsplätze. Bestes Beispiel: Denkmalschutz und Bauen im Bestand. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Die liberalen Demokratien sind gefährdet

Mit Überzeugung und Selbstgewissheit hat das liberale Establishment den weltweiten Vormarsch des Ultrakapitalismus betrieben. Und dies unbeirrt durch alle Krisen hindurch, konsequent seit den siebziger Jahren. Dieses Unterfangen ist laut Roger de Weck gelungen. Trotzdem mündet es jetzt in ein doppeltes Fiasko: „Sowohl die liberale Wirtschaft als auch die liberale Demokratie sind weniger liberal geworden.“ Die Marktwirtschaft hat sich in eine Machtwirtschaft verwandelt. Zudem rütteln zwei Spielarten des Autoritarismus am Fundament liberaler Demokratien. Erstens die Willkürherrschaft der Reaktionäre. Zweitens die Geldherrschaft von Milliardären, sprich Plutokratie. Der Sieg der Neoliberalen bedrängt den Liberalismus und die Liberalität – eine fatale Erfolgsgeschichte. Im Kapitalismus hatte das Kapital seit je Vorrang vor andern Faktoren der Produktion. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die industrielle Revolution verstärkte den Konsum

Konsum als Lebensmodell hat, so seine Befürworter, die beste aller Welten geschaffen. Je mehr Gesellschaften konsumieren, desto innovativer sind sie, desto wohlhabender, sicherer, friedlicher. Und nicht nur das: Durch die Massenproduktion wurde es möglich das Los aller Menschen zu verbessern. Philipp Blom nennt Beispiele: „Nie waren so wenige Menschen hungrig wie heute, nie konnten mehr Menschen lesen und schreiben. Nie war die Kindersterblichkeit niedriger, nie lebten mehr Menschen in Demokratien oder in stabilen Staaten mit demokratischen Zügen.“ Ohne Konsumkonjunktur und ohne die fossilen Brennstoffe, die sie schufen, wäre nichts von alledem möglich gewesen. Richtig, sagen die Kritiker. Unsicher ist allerdings, ob dieses Modell eine Zukunft hat. Fraglich ist auch wie lange es durchgehalten werden kann, bevor die Risiken, die es geschaffen hat, erdrückend werden. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Die Menschheit ist vom Wachstum besessen

Das Klima wandelt sich. Das Eis schmilzt. Eine Million Arten stehen vor der Auslöschung. Die Menschheit verschiebt das ökologische Gleichgewicht mit völlig unvorhersehbaren Folgen. Manchmal auf eine Art und Weise, die sich als tödlich erwiesen hat. Tim Jackson schreibt im Prolog seines neuen Buchs „Wie wollen wir leben?“: „Der endliche Planet, den wir unsere Heimat nennen, wird durch die massive Ausweitung menschlicher Aktivitäten vielleicht unwiderruflich verändert. Alles unter dem verführerischen Banner des Fortschritts.“ Derzeit ist jedoch „Postwachstum“ scheinbar ein Begriff und eine Gedankenwelt, auf die man noch nicht verzichten kann. Selbst in Zeiten eines Umbruchs ist die Menschheit immer noch vom Wachstum besessen. Tim Jackson ist Direktor des Centre for the Understanding of Sustainable Prosperity. Außerdem lehrt er als Professor für nachhaltige Entwicklung an der University of Surrey (UK).

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Jugendliche kritisieren die Technik

Die heute Jugendlichen sind mit den elektronischen Medien wie selbstverständlich aufgewachsen und wissen mit ihnen entsprechend umzugehen. Sie stehen jedoch den „Segnungen“ der Technik und der Wirtschaft skeptisch gegenüber. Daniel Goeudevert stellt fest: „Viele nehmen, völlig zu Recht, nun auch die von der Technik und der Wirtschaft verursachten Kosten in den Blick. Zudem hinterfragen sie deren Dominanz.“ Sie verordnen sich zum Beispiel eine Online-Diät, blockieren den Verkehr oder ernähren sich vegan. Sie erkennen intuitiv, dass sie weder als Konsument noch als User geboren wurden. Sondern sie haben Bedürfnisse, die mit Produkten, Diensten oder Apps nicht zu befriedigen sind. Sie wollen nicht länger Mittel, sondern Zweck sein. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Die Autoritären sind auf dem Vormarsch

Es herrscht Eile. So pflegen jetzt Autoritäre ihren Autoritarismus zu rechtfertigen. Alles sei dringlich inmitten der „Völkerwanderung“, wie die Neue Rechte warnt, und in Zeiten „schöpferischer Zerstörung“ (Joseph Schumpeter), wie Neoliberale verheißen. Roger de Weck fügt hinzu: „Im globalen Kulturkampf gegen islamische und afrikanische Massen kämpft das Abendland um sein Überleben. Im globalen Wirtschaftskampf sind alle Konzerne existenziell gefährdet.“ Jederzeit besteht „sofortiger Handlungsbedarf“. Das ist die Stunde der Autoritären. Die Dramatik der Verhältnisse untermauert ihre Kritik an der schwerfälligen Demokratie. Ausnahmezustände rechtfertigen es, die freie Debatte abzuwürgen und die Einwände kleinlicher „Bedenkenträger“ abzuschmettern. Die offene Gesellschaft lässt sich ganz und gar unkreativ zerstören. Wie viel Demokratie erträgt der Ultrakapitalismus? Sein Vordenker, der neoliberale Ökonom Milton Friedman, beriet 1975 den chilenischen Diktator Augusto Pinochet. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Der Kapitalismus hat häufig einen schlechten Ruf

Unter europäischen Intellektuellen wird der freie Markt gern mit Kapitalismus in Verbindung gebracht. Und beide haben häufig einen schlechten Ruf. Erstaunlicherweise richtet sich die weithin dominante Kritik in der Regel gegen den reinen, bloß freien Markt. Wenn man wie Axel Honneth ihn für eine höchst gefahrenträchtige Veranstaltung hält, manche sogar nichts weniger als eine „Diktatur des Marktes“, neuerdings eine Diktatur des Kapitals befürchten, verkennen sie laut Otfried Höffe die Realität: „In ihr herrscht nämlich eine soziale Marktwirtschaft vor, die durchaus kritikwürdig sein mag, aber einer weit differenzierteren, vermutlich auch argumentativ schwierigeren Kritik bedarf.“ Der berühmte Markttheoretiker Adam Smith geht wie schon Platon vom Wert der Arbeitsteilung und Spezialisierung aus. Denn diesem wohnt ein Potential für Kooperation und Solidarität inne. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Kultur spielt eine zentrale Rolle

Bereits wenn man die Ökonomie und Technologien betrachtet – den Kulturkapitalismus und die Kulturmaschine – wird deutlich, dass die Gesellschaft der Singularitäten einer Dimension, die in der alten Industriegesellschaft von Marginalisierung bedroht war, einen zentralen Ort verschafft: der Kultur. Andreas Reckwitz erläutert: „Kultur spielt für die Art und Weise, in der sich die Spätmoderne strukturiert, eine ungewöhnliche Rolle.“ Singuläre Objekte, Orte, Zeiten, Subjekte und Kollektive sind heutzutage mehr als bloße Mittel zum Zweck beziehungsweise werden nicht mehr als solche wahrgenommen. Indem ihnen ein eigener Wert zugeschrieben wird, etwa in ästhetischer oder ethischer Weise, sind sie vielmehr in einem starken Sinn Kultur. Wenn Menschen, Dinge, Orte oder Kollektive einzigartig erscheinen, wird ihnen ein Wert zugeschrieben. Dadurch erscheinen sie gesellschaftlich wertvoll. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Der Kapitalismus hat seine Wuzeln im Protestantismus

Geld bedeutet heute eigentlich nichts, außer man glaubt daran. Ursprünglich waren die Menschen der Ansicht, ein Silber- oder Goldstück enthalte eine geeichte Menge Silber oder Gold. Später glaubten sie, ein Geldschein könne in Gold eingetauscht werden, weil jedes Land in seiner Staatsbank genügend Goldvorräte habe. Paul Verhaeghe ergänzt: „Heute geht es um den Glauben, dass Banken, Staaten und Institutionen ihre Schulden zurückzahlen können.“ Die Macht des Geldes liegt wie diejenige der Autorität auf dem Glauben an eine externe Grundlage. Früher war das eine greifbare Garantie, nämlich die nationale Goldreserve. Heute basiert sie auf Kreditwürdigkeit. Der Glaubensaspekt beschränkt sich nicht nur auf das Geld, sondern betrifft die gesamte Ökonomie des freien Marktes an sich. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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